Neolithischer Fischer
Moderatoren: Hans T., Nils B., Turms Kreutzfeldt, Chris
Neolithischer Fischer
Ich würde gern hier die Kleidung vorstellen, die für Jörg Nadler (http://www.schleifischer.de) entstanden ist:
Es handelt sich um Kleidung für einen Fischer des Spätneolithikums in der Bodensee-Region - allerdings nach Funden, die z.T. etwas weiter weg liegen... Die Kleidung besteht aus vegetabil gegerbtem Ziegenleder und Schafspelz, mit Leinenfaden genäht. Gewebe wurden nicht verwendet, weil sie bei der täglichen Arbeit eines Fischers zu schnell verschleißen würden. Gerade Leinengewebe würden auch nicht wärmen und sich bei der Arbeit im Einbaum schnell vollsaugen...
Es wurde glattes, gefettetes Leder verwendet, da dies gegen Wasser geschützt ist und sich Fischblut und -schleim leicht davon entfernen lassen. Die Pelzseite des Capes wird nach innen getragen, das Cape soll die Wärmefunktion übernehmen, die dem Leder doch etwas fehlt.
Die Vorbilder für das Pelzcape stammen aus den Niederlanden (Emmer-Erfscheidenveen) und Dänemark.
Die Halskette besteht aus Hechtwirbeln, die z.T. mit Eisenoxid gefärbt wurden, und einer von Hand mit Flint gedrechselten Bernsteinperle.
Die Tunika wurde aus mit Pigmenten (Eisenoxid) und Fett gefärbtem und ungefärbtem Leder zusammengesetzt, Vorbild für die Mehrfarbigkeit und die Anordnung ist der Fellmantel des Mannes vom Hauslabjoch. Die Tunika selber ist nach dem Vorbild des Moegelmose-Fundes aus Dänemark entstanden. Die Ärmel sind unter dem Arm nicht zusammengenäht, sondern offen. Dadurch lassen sie sich um den Ellenbogen mit einem Band verschnürt als enge, dreiviertellange Ärmel tragen, die bei der Arbeit nicht stören (Bild 3) oder mit der Lederschnur über den Kopf nach oben umgeschlagen befestigen, wenn die Ärmel bei "nasseren" Arbeiten oder warmer Witterung stören würden (Bild 4). Beide Trageweisen ist allerdings mein Rekonstruktionsvorschlag...
Vorbild für Lendenschurz und Beinlinge ist die Kleidung des Mannes vom Hauslabjoch. Die Lederbeinlinge sind jew. aus möglichst wenig Teilen zusammengesetzt, damit keine Nähte drücken können oder bei der Arbeit schnell durchscheuern. Sie sind nur gefettet, nicht gefärbt.
Die Beinlinge werden mit einem Lederriemen an der Gürtelschnur des Lendenschurzes festgebunden.
Die Schuhe bestehen aus einem Stück Rindernacken und werden mit einer umlaufenden Schnur zusammengezogen. Ein Riemen unter dem Fuß entlang hält den Schuh sicher am Fuß und bietet gleichzeitig etwas Schutz gegen Rutschen auf nassem Boden (herzlichen Dank hier an Anne Reichert für die Tips!!!). Unter der Verschnürung ist ein Stück Leder untergelegt, um den Schuh etwas zu schließen und den Fußrücken gegen schneidende Gräser zu schützen. Innen sind die Schuhe mit Wolle ausgestopft.
Vorbild für die Schuhe war ein Fund aus den Niederlanden, Buinerveen meine ich.
Recherche und Anfertigung:
Pelzcape: Heinz-Peter Crumbach
Tunika, Beinlinge, Lendenschurz: Chris Wenzel
Schuhe, Gürtel, Halskette: Jörg Nadler
Flint-Arbeiten: Andreas Bencke
Es handelt sich um Kleidung für einen Fischer des Spätneolithikums in der Bodensee-Region - allerdings nach Funden, die z.T. etwas weiter weg liegen... Die Kleidung besteht aus vegetabil gegerbtem Ziegenleder und Schafspelz, mit Leinenfaden genäht. Gewebe wurden nicht verwendet, weil sie bei der täglichen Arbeit eines Fischers zu schnell verschleißen würden. Gerade Leinengewebe würden auch nicht wärmen und sich bei der Arbeit im Einbaum schnell vollsaugen...
Es wurde glattes, gefettetes Leder verwendet, da dies gegen Wasser geschützt ist und sich Fischblut und -schleim leicht davon entfernen lassen. Die Pelzseite des Capes wird nach innen getragen, das Cape soll die Wärmefunktion übernehmen, die dem Leder doch etwas fehlt.
Die Vorbilder für das Pelzcape stammen aus den Niederlanden (Emmer-Erfscheidenveen) und Dänemark.
Die Halskette besteht aus Hechtwirbeln, die z.T. mit Eisenoxid gefärbt wurden, und einer von Hand mit Flint gedrechselten Bernsteinperle.
Die Tunika wurde aus mit Pigmenten (Eisenoxid) und Fett gefärbtem und ungefärbtem Leder zusammengesetzt, Vorbild für die Mehrfarbigkeit und die Anordnung ist der Fellmantel des Mannes vom Hauslabjoch. Die Tunika selber ist nach dem Vorbild des Moegelmose-Fundes aus Dänemark entstanden. Die Ärmel sind unter dem Arm nicht zusammengenäht, sondern offen. Dadurch lassen sie sich um den Ellenbogen mit einem Band verschnürt als enge, dreiviertellange Ärmel tragen, die bei der Arbeit nicht stören (Bild 3) oder mit der Lederschnur über den Kopf nach oben umgeschlagen befestigen, wenn die Ärmel bei "nasseren" Arbeiten oder warmer Witterung stören würden (Bild 4). Beide Trageweisen ist allerdings mein Rekonstruktionsvorschlag...
Vorbild für Lendenschurz und Beinlinge ist die Kleidung des Mannes vom Hauslabjoch. Die Lederbeinlinge sind jew. aus möglichst wenig Teilen zusammengesetzt, damit keine Nähte drücken können oder bei der Arbeit schnell durchscheuern. Sie sind nur gefettet, nicht gefärbt.
Die Beinlinge werden mit einem Lederriemen an der Gürtelschnur des Lendenschurzes festgebunden.
Die Schuhe bestehen aus einem Stück Rindernacken und werden mit einer umlaufenden Schnur zusammengezogen. Ein Riemen unter dem Fuß entlang hält den Schuh sicher am Fuß und bietet gleichzeitig etwas Schutz gegen Rutschen auf nassem Boden (herzlichen Dank hier an Anne Reichert für die Tips!!!). Unter der Verschnürung ist ein Stück Leder untergelegt, um den Schuh etwas zu schließen und den Fußrücken gegen schneidende Gräser zu schützen. Innen sind die Schuhe mit Wolle ausgestopft.
Vorbild für die Schuhe war ein Fund aus den Niederlanden, Buinerveen meine ich.
Recherche und Anfertigung:
Pelzcape: Heinz-Peter Crumbach
Tunika, Beinlinge, Lendenschurz: Chris Wenzel
Schuhe, Gürtel, Halskette: Jörg Nadler
Flint-Arbeiten: Andreas Bencke
Me transmitte sursum, Caledoni!
Bevor die konstruktive Kritik der Leute, die Ahnung von der Epoche haben beginnt, mein ungebildeter Kommentar:
BOAH EY! Sieht das gut aus!
Und die Idee mit dem Halteriemen unter dem Fuß ist exzellent! Werde ich bei meinen Opanken vielleicht auch so machen...
BOAH EY! Sieht das gut aus!
Und die Idee mit dem Halteriemen unter dem Fuß ist exzellent! Werde ich bei meinen Opanken vielleicht auch so machen...
***
Germanisch depressiv und bisweilen leicht erkeltet
Germanisch depressiv und bisweilen leicht erkeltet
- Steve Lenz
- Beiträge: 3162
- Registriert: 05.12.2005 14:18
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Um Bathanatos?unfachmännischen Ausruf mal fachmännisch zu bestätigen:
BOAH EY!
Das sieht stark aus, Chris - und an an Jörg gleich nochmal so gut! Top Work.
Die Idee mit den Ärmeln finde ich gut. (Ich habe bei meiner neuen paläolithischen Interglazial-Reko Halbarm mit Unterarmstulpen gewählt.)
Der Gesamteindruck ist Klasse!!! Auch die Werkzeuge sind überzeugend!
BOAH EY!
Das sieht stark aus, Chris - und an an Jörg gleich nochmal so gut! Top Work.
Die Idee mit den Ärmeln finde ich gut. (Ich habe bei meiner neuen paläolithischen Interglazial-Reko Halbarm mit Unterarmstulpen gewählt.)
Der Gesamteindruck ist Klasse!!! Auch die Werkzeuge sind überzeugend!
Aus den Augen - aus dem Sinn.
- Steve Lenz
- Beiträge: 3162
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Gefettetes Leder isoliert sehr gut, Samartian! Aber Du hast Recht, der Kopf gehört bedeckt, da man hier den größten Wärmeverlust hat. Aber auch hier gibt es ein paar schnieke neolithische Hüte im Fundgut.
Das Zwiebelschalenprinzip gilt auch hier: Mehrere dünnere Schichten sind vorteilhafter gegen Kälte als eine dicke!
Das Zwiebelschalenprinzip gilt auch hier: Mehrere dünnere Schichten sind vorteilhafter gegen Kälte als eine dicke!
Aus den Augen - aus dem Sinn.
Hey! Weiss das mit dem gefetettem Leder, oder besser gesagt, kanns mir vorstelllen. Bin froh dass du das Zwiebelschalenprinzip erwähnt hast.
Aber die Hüte würd ich nur zu gerne sehen! Kann mir nicht vorstellen wie der aussehen könnt. Bin schon ganz gespannt. Wird ja wohl keine Lederkappe sein oder
Aber die Hüte würd ich nur zu gerne sehen! Kann mir nicht vorstellen wie der aussehen könnt. Bin schon ganz gespannt. Wird ja wohl keine Lederkappe sein oder
Zuletzt geändert von The Sarmatian am 17.12.2007 20:35, insgesamt 1-mal geändert.
- Steve Lenz
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Chris, ganz tolle Sache! Klasse, sehr überzeugend!
Was mir auffällt, wie man doch völlig unabhängig und thematisch auseinanderliegend zum selben, zumindest ähnlichen Ergebnissen kommt. Entweder wir Rekonstukteure neigen zu dem immer gleichen Lösungen weil wir nix anderes kennen oder es doch so, dass das selbe Problem die selbe Lösung hervorbringt und die Wahrscheinlichkeit unserer Vorschläge dann doch eine hohe ist. Hier die beiden Gemeinsamkeiten:
Die Cape-Lösung haben wir auch bei unserer Neantertaler-Rekonstruktion gewählt: Wir und unsere Lederfrau auch wieder unabhängig voneinander.
Die Schuh-Lösung hat sich bei der Rekonstruktion eines LTA-Schuhes entsprechend der berühmten Schuhfibel vom Dürrnberg beim Tragen und Vorabüberlegungen unserer Sattlerin ergeben. Der Riemen unten durch erhöht den Tragekomfort erheblich, fixiert den Schuh an der richtigen Stelle und bringt etwas zusätzliche Standfestigkeit auf mittel-rutschigem Grund.
Viele Grüße
Hans
Was mir auffällt, wie man doch völlig unabhängig und thematisch auseinanderliegend zum selben, zumindest ähnlichen Ergebnissen kommt. Entweder wir Rekonstukteure neigen zu dem immer gleichen Lösungen weil wir nix anderes kennen oder es doch so, dass das selbe Problem die selbe Lösung hervorbringt und die Wahrscheinlichkeit unserer Vorschläge dann doch eine hohe ist. Hier die beiden Gemeinsamkeiten:
Die Cape-Lösung haben wir auch bei unserer Neantertaler-Rekonstruktion gewählt: Wir und unsere Lederfrau auch wieder unabhängig voneinander.
Die Schuh-Lösung hat sich bei der Rekonstruktion eines LTA-Schuhes entsprechend der berühmten Schuhfibel vom Dürrnberg beim Tragen und Vorabüberlegungen unserer Sattlerin ergeben. Der Riemen unten durch erhöht den Tragekomfort erheblich, fixiert den Schuh an der richtigen Stelle und bringt etwas zusätzliche Standfestigkeit auf mittel-rutschigem Grund.
Viele Grüße
Hans
"Des is wia bei jeda Wissenschaft, am Schluß stellt sich dann heraus, daß alles ganz anders war."
- Steve Lenz
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Ich wiederum kam bei meiner paäolithischen Reko auf den Trichter, eine Art Gugel aus Leder zu machen. Also auch die Cape-Variante, allerdings mit Kapuze. Drauf gekommen bin ich, da im Sungir-Fundkomplex die Linien aus Knochenperlen sich stellenweise überschneiden.
Allerdings habe ich schon vor Jahren Euren HSN zu Gesicht bekommen, Hans. Schon damals hat mich die Idee mit dem Cape überzeugt.
Allerdings habe ich schon vor Jahren Euren HSN zu Gesicht bekommen, Hans. Schon damals hat mich die Idee mit dem Cape überzeugt.
Aus den Augen - aus dem Sinn.
Es sieht auf ziemlich interessant aus. Ist das Eisenoxid im aufgetragenden Fett gelöst oder direkt am Leder?
Es überrascht mich auch, dass man ganz ohne Ötzi so viele Belege für neolithische findet. Und wieder eine Bildungslücke weniger
Zur speziellen Fischertechnik:
Das Ölzeug der Seeleute der vorindustriellen Zeit war aus mit Leinöl geöltem Leinen, bis man das Leinöl durch Chemie ersetzte und später das Leinen durch gelbes Gummi.
Es überrascht mich auch, dass man ganz ohne Ötzi so viele Belege für neolithische findet. Und wieder eine Bildungslücke weniger
Zur speziellen Fischertechnik:
Das Ölzeug der Seeleute der vorindustriellen Zeit war aus mit Leinöl geöltem Leinen, bis man das Leinöl durch Chemie ersetzte und später das Leinen durch gelbes Gummi.
- Steve Lenz
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Das Leder wurde mit Fett eingerieben, in dem z.T. (je nachdem, ob zum Färben oder nur Fetten...) Eisenoxid verrührt wurde... Das funktioniert besser, als wenn man versucht, Pigment solo aufzutragen.
Die Hechtwirbel sind ausgekocht worden, um sie benutzbar zu machen. Die dunklen wurden dann nochmal in Wasser mit Eisenoxid aufgekocht.
Außerdem verbietet sich das als Fischerbekleidung des Neolithikums von selbst, denke ich - zu viel Aufwand für eine Wirkung, die man mit weniger (Leder....) auch erreicht...
Die Hechtwirbel sind ausgekocht worden, um sie benutzbar zu machen. Die dunklen wurden dann nochmal in Wasser mit Eisenoxid aufgekocht.
Nach meiner Erfahrung wird mit Leinöl getränktes Leinen leider an den Knickstellen brüchig und lässt dann Wasser durchZur speziellen Fischertechnik:
Das Ölzeug der Seeleute der vorindustriellen Zeit war aus mit Leinöl geöltem Leinen, bis man das Leinöl durch Chemie ersetzte und später das Leinen durch gelbes Gummi.
Außerdem verbietet sich das als Fischerbekleidung des Neolithikums von selbst, denke ich - zu viel Aufwand für eine Wirkung, die man mit weniger (Leder....) auch erreicht...
Me transmitte sursum, Caledoni!