Grafische Rekonstruktion: Soziale Elite Thrakiens
Moderatoren: Hans T., Nils B., Turms Kreutzfeldt, Chris
Grafische Rekonstruktion: Soziale Elite Thrakiens
Da mich momentan eine verdammte Schultergelenksentzündung von kraftaufwändigeren Arbeiten abhält, habe ich mich mal hingesetzt und den 'Thraker meiner Träume' wenigstens grafisch rekonstruiert.
Es handelt sich hierbei um einen idealtypischen Waffenträger der thrakischen 'Oberschicht', nach diversen Grabungsbefunden und den grafischen Darstellungen aus den Gräbern von Kazanluk und Alexandrovo.
Von letzteren ist die hier abgebildete Kleidung entlehnt. Ein kurzer Chiton, mit eingewebten oder aufgenähten Streifen verziert, dazu eine körpernahe Hose, verziert mit Stickereien oder Stempelungen(?) und flache, schmale Schuhe. Als Material kommen, meiner Meinung nach, feine Wolle oder Leinen in Frage, eventuell auch Seide.
Ob diese Kleidung in Kombination mit der Bewaffnung getragen wurde, kann ich nicht belegen.
Die Bewaffnung ist aus unterschiedlichen Befunden kombiniert.
Die Romphaia, der Helm, die Beinschienen und die drei(!) Torques sind dem Kriegergrab von Pletena /West Rhodopen entnommen. Die Halsreifen sind aus Bronze, ebenso wie die Beinschienen und die plastische, ein den Vollbart darstellendes Relief tragende Gesichtsmaske des Helms. Die Helmkalotte selbst besteht aus Eisen.
Der Schild ist eine sehr freie Rekonstruktion und nur ein Vorschlag, keine endgültige Lösung.
Hierzu verwendete ich einen Umbo aus dem Grabhügel von Rozovec und Schildbeschläge nach Vorbild der Phaleren aus dem Schatzfund von Lukowit, montiert auf einen ovalen, leicht gewölbten Holzschild.
Der bronzene Gürtelhaken, welcher ein kauerndes Reh darstellt, stammt ebenfalls aus letztgenanntem Schatzfund, bildet im dargestellten Kontext allerdings das älteste Stück, mit einer Datierung in das 5. Jhd.v.u.Z.
Ansonsten ist die Ausstattung zwischen dem 4. und 3. Jhd.v.u.Z. einzuordnen.
Einige dieser Erkenntnisse möchte ich in meine Darstellung einfließen lassen, soweit meine Finanzen dies gewähren.
Ansonsten ging es mir darum, mich ein wenig von der Darstellung der Thraker auf griechischer Keramik zu lösen, welche ihre nördlichen Nachbarn doch gerne 'barbarisierten', und mich mehr nach jenen Artefakten und Darstellungen zu richten, welche die Thraker selbst hinterlassen haben.
Es handelt sich hierbei um einen idealtypischen Waffenträger der thrakischen 'Oberschicht', nach diversen Grabungsbefunden und den grafischen Darstellungen aus den Gräbern von Kazanluk und Alexandrovo.
Von letzteren ist die hier abgebildete Kleidung entlehnt. Ein kurzer Chiton, mit eingewebten oder aufgenähten Streifen verziert, dazu eine körpernahe Hose, verziert mit Stickereien oder Stempelungen(?) und flache, schmale Schuhe. Als Material kommen, meiner Meinung nach, feine Wolle oder Leinen in Frage, eventuell auch Seide.
Ob diese Kleidung in Kombination mit der Bewaffnung getragen wurde, kann ich nicht belegen.
Die Bewaffnung ist aus unterschiedlichen Befunden kombiniert.
Die Romphaia, der Helm, die Beinschienen und die drei(!) Torques sind dem Kriegergrab von Pletena /West Rhodopen entnommen. Die Halsreifen sind aus Bronze, ebenso wie die Beinschienen und die plastische, ein den Vollbart darstellendes Relief tragende Gesichtsmaske des Helms. Die Helmkalotte selbst besteht aus Eisen.
Der Schild ist eine sehr freie Rekonstruktion und nur ein Vorschlag, keine endgültige Lösung.
Hierzu verwendete ich einen Umbo aus dem Grabhügel von Rozovec und Schildbeschläge nach Vorbild der Phaleren aus dem Schatzfund von Lukowit, montiert auf einen ovalen, leicht gewölbten Holzschild.
Der bronzene Gürtelhaken, welcher ein kauerndes Reh darstellt, stammt ebenfalls aus letztgenanntem Schatzfund, bildet im dargestellten Kontext allerdings das älteste Stück, mit einer Datierung in das 5. Jhd.v.u.Z.
Ansonsten ist die Ausstattung zwischen dem 4. und 3. Jhd.v.u.Z. einzuordnen.
Einige dieser Erkenntnisse möchte ich in meine Darstellung einfließen lassen, soweit meine Finanzen dies gewähren.
Ansonsten ging es mir darum, mich ein wenig von der Darstellung der Thraker auf griechischer Keramik zu lösen, welche ihre nördlichen Nachbarn doch gerne 'barbarisierten', und mich mehr nach jenen Artefakten und Darstellungen zu richten, welche die Thraker selbst hinterlassen haben.
Zuletzt geändert von Nils B. am 26.02.2008 10:40, insgesamt 4-mal geändert.
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Germanisch depressiv und bisweilen leicht erkeltet
Germanisch depressiv und bisweilen leicht erkeltet
- Steve Lenz
- Beiträge: 3162
- Registriert: 05.12.2005 14:18
- Kontaktdaten:
Danke.
Den Helm z.B. gibt es, aus Bronze und in ähnlicher Form, bei Manning Imperial, für mich aktuell allerdings unbezahlbar.
Und natürlich könnte das ganze morgen schon wieder über den Haufen geschossen werden, weil sich neue Erkenntnisse ergeben.
Tja, das übliche eben
Ich auch. Was ich davon umsetzen kann, weiß ich noch nicht.Bin auf den Fortlauf gespannt.
Den Helm z.B. gibt es, aus Bronze und in ähnlicher Form, bei Manning Imperial, für mich aktuell allerdings unbezahlbar.
Und natürlich könnte das ganze morgen schon wieder über den Haufen geschossen werden, weil sich neue Erkenntnisse ergeben.
Tja, das übliche eben
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Germanisch depressiv und bisweilen leicht erkeltet
Germanisch depressiv und bisweilen leicht erkeltet
Hi Bathanatos,
Deine Zeichnung ist wirklich nett geworden!
Hm, da ich selbst begeisterter Zeichner bin, hätte ich allerdings so meine Zweifel beim Faltenwurf des Chitons.
Gut, meine Baustelle sind die ersten nachchristlichen Jahrhunderte und da ist die Oberbekleidung aus rechteckigen Stoffbahnen gefertigt - mit der Zeit vor Christi Geburt kenne ich mich nicht so wirklich aus.
Nehmen wir einfach mal an, der Chiton hätte einen einfachen rechteckigen Schnitt, dann müsste um die Taille mehr Stoff fallen (vgl. die Stoffbreite an den Schultern).
Auch dürfte dem Thraker das schnelle Laufen etwas schwer fallen, da er bei dem relativ engen unteren Chitonabschluss keine großen Schritte machen könnte (sei denn, der Chiton ist an der Seite geschlitzt).
Dies sollen nur ein paar nett gemeinte Hinweise von einem "Künstlerkollegen" sein.
Vale,
Micha
Deine Zeichnung ist wirklich nett geworden!
Hm, da ich selbst begeisterter Zeichner bin, hätte ich allerdings so meine Zweifel beim Faltenwurf des Chitons.
Gut, meine Baustelle sind die ersten nachchristlichen Jahrhunderte und da ist die Oberbekleidung aus rechteckigen Stoffbahnen gefertigt - mit der Zeit vor Christi Geburt kenne ich mich nicht so wirklich aus.
Nehmen wir einfach mal an, der Chiton hätte einen einfachen rechteckigen Schnitt, dann müsste um die Taille mehr Stoff fallen (vgl. die Stoffbreite an den Schultern).
Auch dürfte dem Thraker das schnelle Laufen etwas schwer fallen, da er bei dem relativ engen unteren Chitonabschluss keine großen Schritte machen könnte (sei denn, der Chiton ist an der Seite geschlitzt).
Dies sollen nur ein paar nett gemeinte Hinweise von einem "Künstlerkollegen" sein.
Vale,
Micha
Micha: Haarspaltereien
Ich find die Zeichnung übrigens auch gut gelungen^^
Bathantos, meintest du diesen Helm hier: http://www.manningimperial.com/catalogue/366main.jpg ?
Ich find die Zeichnung übrigens auch gut gelungen^^
Bathantos, meintest du diesen Helm hier: http://www.manningimperial.com/catalogue/366main.jpg ?
Moin Micha.
Habe mich nach solchen Abbildungen gerichtet.
Hier scheint mir der Faltenwurf am Gürtel eher spärlich und gerafft, während der Stoff an den Shultern großzügig ausfällt. Mancher Chiton auf diesem Bilderfries (Alexandrovo) hat sogar halblange Ärmel.
Die untere Weite des Chitons, abgeglichen mit der Dicke des Oberschenkels, wirkt eher eng. Auf diesen Abbildungen scheint es bisweilen sogar, als würde der Saum, beispielsweise beim Reiten, vom Träger hochgezogen.
Können natürlich auch darstellerische Ungenauigkeiten sein.
Bei den Dakern, zumindest laut spätern, römischen Darstellungen, meine ich einen charakteristischen Schlitz in der linken unteren Seite der kittelartigen Oberbekleidung identifiziert zu haben. Wäre interessant, ob das eine Eigenart der Tracht dieser Region ist, welche sich bis zu den alten Thrakern zurück verfolgen läßt. Aber das sind Recherche-Details, an denen ich erst noch arbeite.
Leider liegen bisher keine (mir bekannten) Textilfunde vor, welche als eindeutig antik-thrakisch zu klassifizieren wären.
@ Menhir
Genau den meine ich
Habe mich nach solchen Abbildungen gerichtet.
Hier scheint mir der Faltenwurf am Gürtel eher spärlich und gerafft, während der Stoff an den Shultern großzügig ausfällt. Mancher Chiton auf diesem Bilderfries (Alexandrovo) hat sogar halblange Ärmel.
Die untere Weite des Chitons, abgeglichen mit der Dicke des Oberschenkels, wirkt eher eng. Auf diesen Abbildungen scheint es bisweilen sogar, als würde der Saum, beispielsweise beim Reiten, vom Träger hochgezogen.
Können natürlich auch darstellerische Ungenauigkeiten sein.
Bei den Dakern, zumindest laut spätern, römischen Darstellungen, meine ich einen charakteristischen Schlitz in der linken unteren Seite der kittelartigen Oberbekleidung identifiziert zu haben. Wäre interessant, ob das eine Eigenart der Tracht dieser Region ist, welche sich bis zu den alten Thrakern zurück verfolgen läßt. Aber das sind Recherche-Details, an denen ich erst noch arbeite.
Leider liegen bisher keine (mir bekannten) Textilfunde vor, welche als eindeutig antik-thrakisch zu klassifizieren wären.
@ Menhir
Genau den meine ich
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Germanisch depressiv und bisweilen leicht erkeltet
Germanisch depressiv und bisweilen leicht erkeltet
Hier mal meine neusten Errungenschaften, bzw. Anfertigungen in Sachen Thraker:
Zum einen meine Alopekis. Das gute Stück ist aus Büffelleder, in der Formgebung nach Abbildungen auf zeitgenössischen Wandmalereien und Keramiken gefertigt, ebenso wie die aufgenähten grünen Palmetten.
Ich muß zugeben, daß aufgrund mangelnder Funde hier viel freie Interpretation im Spiel ist, denke aber, daß es sich um eine akzeptable und - vor allem - praktische Lösung handelt.
Zum anderen meine Fibel, von Stefan Jaroschinski nach einem thrakischen Original 'auf Sicht' aus Tombak gefertigt.
Es handelt sich um die zweiteilige Rekonstruktion einer bronzenen Fibel, 3. - 2. Jhd.v.u.Z., genauer Fundort unbekannt. Das Original befindet sich im Historischen Nationalmuseum Sofia/Bulgarien und mißt 114 mm in der Länge.
Das Bild des Originals möchte ich, aufgrund der an anderer Stelle beschriebenen Copyright-Probleme lieber nicht einstellen
Zum einen meine Alopekis. Das gute Stück ist aus Büffelleder, in der Formgebung nach Abbildungen auf zeitgenössischen Wandmalereien und Keramiken gefertigt, ebenso wie die aufgenähten grünen Palmetten.
Ich muß zugeben, daß aufgrund mangelnder Funde hier viel freie Interpretation im Spiel ist, denke aber, daß es sich um eine akzeptable und - vor allem - praktische Lösung handelt.
Zum anderen meine Fibel, von Stefan Jaroschinski nach einem thrakischen Original 'auf Sicht' aus Tombak gefertigt.
Es handelt sich um die zweiteilige Rekonstruktion einer bronzenen Fibel, 3. - 2. Jhd.v.u.Z., genauer Fundort unbekannt. Das Original befindet sich im Historischen Nationalmuseum Sofia/Bulgarien und mißt 114 mm in der Länge.
Das Bild des Originals möchte ich, aufgrund der an anderer Stelle beschriebenen Copyright-Probleme lieber nicht einstellen
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Germanisch depressiv und bisweilen leicht erkeltet
Germanisch depressiv und bisweilen leicht erkeltet
- Turms Kreutzfeldt
- Beiträge: 1207
- Registriert: 05.12.2005 18:04
- Wohnort: Halle / Peißnitz
- Kontaktdaten:
Nur ganz kurz: Ganz große Klasse, ich bin auf den weiteren Verlauf der Arbeit sehr gespannt. Die Zeichnung ist ja schon bereits die erste Rekonstruktion.
Freue mich sehr auf Umsetzung, Dein Turms
Freue mich sehr auf Umsetzung, Dein Turms
Ich bin der Schleuderer, der stets aufschreit und das mit Recht, denn alles was nicht schleudert, ist wert das es auch untergeht, so ist denn alles, was ihr Schleudern nennt, mein eigentliches Element...
nach Hildegunst von Mythenmetz, Erinnerungen
nach Hildegunst von Mythenmetz, Erinnerungen
- Steve Lenz
- Beiträge: 3162
- Registriert: 05.12.2005 14:18
- Kontaktdaten:
Genaue Analysen liegen mir leider nicht vor. Allerdings wird das Original definitiv als Bronze angesprochen. Daher ist diese Reko vom Material her wohl nicht authentisch, erfüllt aber Optik und Funktion.
So gesehen eine 'Notlösung', wenn auch handwerklich und ästhetisch natürlich 1a ausgeführt.
Alle weiteren Arbeiten (Gürtelhaken, Beinschienen, evtl. Helm und Scheidenbeschläge) habe ich mir jedoch vorgenommen, aus Bronze zu fertigen, bzw. fertigen zu lassen.
So gesehen eine 'Notlösung', wenn auch handwerklich und ästhetisch natürlich 1a ausgeführt.
Alle weiteren Arbeiten (Gürtelhaken, Beinschienen, evtl. Helm und Scheidenbeschläge) habe ich mir jedoch vorgenommen, aus Bronze zu fertigen, bzw. fertigen zu lassen.
Zuletzt geändert von Nils B. am 28.03.2008 16:35, insgesamt 1-mal geändert.
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Germanisch depressiv und bisweilen leicht erkeltet
Germanisch depressiv und bisweilen leicht erkeltet
Sollte wirklich keine Meckerei sein. Die Fibel ist aller erste Sahne. Und es wird schon keiner kommen und mit einem Testset kontrollieren, ob da auch ja kein Messing drin ist. Ich bin nur immer wieder am gucken, wie es in den Epochen so aussieht mit Metallanalysen. Meist wird halt wirklich von den Archäologen alles was aus Buntmetall ist als Bronze angesprochen. Macht dann wirklich mal einer eine Analyse, dann kommen da die schönsten Legierungsbestandteile raus.
Grüße
Blaubär
Grüße
Blaubär
- Steve Lenz
- Beiträge: 3162
- Registriert: 05.12.2005 14:18
- Kontaktdaten:
Was Sicht-Rekos anbelangt ist Tombak gegenüber der Bronze eine günstigere Alternative, es lässt sich zudem leichter bearbeiten. (Und es ist auch - wie bereits festgestellt - eine Bronze.) Im Falle von Stücken, welche zu musealen Zwecken be-griffen werden dürfen ist es ebenfalls von Vorteil. (Bronzene Stücke am/ an der Darstellenden, Tombak-Repliken zu Händen des Besuchers.)
Ich für meinen Teil habe einige "Altlasten" aus Tombak in der Ausstattung, allessamt Anschaffungen. Ich selbst arbeite diesbezüglich ausschließlich mit Bronze (mehrheitlich CuSn6), wenn?s Original ebenfalls aus einer Kupfer-Zinn-Legierung war. Das ist aber eher ein Kopf-Ding.
Poliertes Tombak ist von polierter höherzinniger Bronze (geht antik hoch bis 14%, LtA am Dürrnberg, wenn ich mich recht entsinne) mit Augen nicht zu unterscheiden, Gewicht kommt auch hin. Nur "waffenfähig" ist es im Falle längerer Klingen nicht!
Ich für meinen Teil habe einige "Altlasten" aus Tombak in der Ausstattung, allessamt Anschaffungen. Ich selbst arbeite diesbezüglich ausschließlich mit Bronze (mehrheitlich CuSn6), wenn?s Original ebenfalls aus einer Kupfer-Zinn-Legierung war. Das ist aber eher ein Kopf-Ding.
Poliertes Tombak ist von polierter höherzinniger Bronze (geht antik hoch bis 14%, LtA am Dürrnberg, wenn ich mich recht entsinne) mit Augen nicht zu unterscheiden, Gewicht kommt auch hin. Nur "waffenfähig" ist es im Falle längerer Klingen nicht!