Der Begriff "Keltiberer"

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magali

Der Begriff "Keltiberer"

Beitrag von magali »

... ein Begriff, der unter spanischen Archäologen immer mehr in Ungnade fällt. Meiner Meinung auch zu Recht; von Keltiberern zu sprechen, ist das selbe Problem, wie die Bezeichnung "Kelto-Germanen" (sehr beliebt hier in Italien).
Die Vermischnung z.B. von keltischer und germanischer Bevölkerung an Grenzgebieten erzeugt m.E. nicht automatisch ein "neues" Volk, das einer eigenen Bezeichnung bedarf. Ist archäologisch meiner Meinung auch so nicht nachweisbar. Das selbe Argument gilt auch für die keltische Bevölkerung der iberischen Halbinsel, auch hier dürfte eine Vermischung von eingewanderten Kelten und ansässigen Iberern (an den Grenzgebieten) nicht automatisch zu einer "neuen" Völkerschaft führen.

die Niederlassungen der eingewanderten keltischen Stämme auf der iberischen Halbinsel beschränkt sich zudem auch nicht nur auf den Norden Spaniens - wie gemeinhin angenommen wird: eine der letzten bis heute recht gut erhaltenen Bastionen ist z.B. El Raso (Castro, also befestigte Ansiedlung und Gräberfeld) nahe Avila, in der Sierra de Gredos (meine Omi väterlicherseits stammt von dort und ich durfte als junge Studentin kräftig mitgraben) und dort ist z.B. nicht der geringste iberische Einfluss nachgewiesen

ich würde diese Diskussion gerne an die Fachleute hier im Forum weitergeben (hallo Turms!! :D) und wissen, was ihr da so meint...
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Nika E.S.
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Beitrag von Nika E.S. »

Ich denke, es kommt stark drauf an wie man den Begriff gebraucht.
Wenn man tatsächlich davon ausgeht, daß es eine Mischung aus Kelten und Ibereren sind, kulturell, genetisch und was es sonst noch gibt, dann stimme ich zu, dann ist das bedenklich.
Aber als Begriff innerhalb der Archäologie, um das Phänomen in diesen Gebieten zu beschreiben ist es als Konstrukt hilfreich um überhaupt eine Begrifflichkeit zur Diskussion zu haben.
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Bertolt Brecht
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Turms Kreutzfeldt
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Beitrag von Turms Kreutzfeldt »

Einige Funde davon habe ich letztes Jahr in Ávila gesehen und die Gredos natürlich auch. Auch eine Falcata aus Ávila. Ich rede auch lieber von Castrokultur oder von einzelnen Stämmen und Städten. Übrigens ist keltischer Einfluß für den Norden gewiß, aber nicht zwingend. Die Römer waren etwas verwirrt über die Stämme wie Kantabrer, Asturer, über die Vasconen sowieso, denn diese hatten lt. römischen Texten (Quelle müßte ich mal suchen) Götter und Bräuche, die ihnen bislang unbekannt und mit den hinlänglich bekannten Kelten nicht in Einklang zu bringen waren. Stimme Ferro zu "Keltiberer" als Oberbegriff, aber keinesfalls als Gens oder Kultur zu fassen. Ist Ávila eigentlich noch vaccäisch wie die Duerogegend, mal nachschauen. Leider im Moment wenig Zeit zum Diskutieren, Magali...
leider. Auch der Helm muß noch warten.
Grüße nach Rom, der Turms
Ich bin der Schleuderer, der stets aufschreit und das mit Recht, denn alles was nicht schleudert, ist wert das es auch untergeht, so ist denn alles, was ihr Schleudern nennt, mein eigentliches Element...
nach Hildegunst von Mythenmetz, Erinnerungen
magali

hmmmm

Beitrag von magali »

@jell:
als volk auf keine fall... als oberbegriff hat es sich ja eh durchgesetzt. dann sollte man in deutschland von kelto-germanen sprechen duerfen oder in oberitalien von kelto-italikern?, so als oberbegriff? ehrlich gesagt, schuettelt es mich da ein klein wenig :?
ich wurde hier gelegentlich darauf angesprochen, wie man sich denn so "als kelto-germane" darzustellen haette :mammut1: und versuche in solchen faellen, den irrtum der sog. kelto-germanen als voelkerschaft auszuraeumen :wut1:


@turms:
avila ist vettonisches gebiet und die vettones waren eindeutig keltische einwanderer
die falcata ist als ein importstueck anzusehen, es handelt sich um eine eindeutig iberische waffe, die auf den sueden spaniens beschraenkt ist und in mittelspanien und besonders im norden der halbinsel nicht nenneswert verbreitet ist (einzelne streufunde)
die castro-kultur ist auch im norden verbreitet gewesen und die nordstaemme werden eindeutig den keltischen einwanderer-wellen zugeschrieben (bei den astures gibt es einige besonderheiten, die vermutlich auf den einfluss indigener einwohner des gebietes zurueck zu fuehren sind); sehr interessante materie :)
wg. dem helm, schaue ich mal, ob ich selber was finde, gracias
Fredewulf

Beitrag von Fredewulf »

Für entscheidend halte ich, dass der Begriff Celtiberi kein Konstrukt der modernen Forschung sondern der antiken lateinischen oder doch griechischen? Literatur.
Demnach halte ich es für das naheliegendste den Begriff so zu benutzen, wie es die alten Römer taten. Wenn die antike Geschichtsschreibung schon Namen überliefert, kann man sie ja durchaus benutzen.
Dass die antike Völkerkunde mitunter andere Kriterien als die heute üblichen verwendet, ist ja bekannt. :wink:
Ebenso existierte in der Antike der Begriff Keltoskythen als Bezeichnung für die "Germanen", bevor sie Germanen genannt wurden. Solche Wortschöpfungen war also in antiker Zeit kein Einzelfall.

Die Bezeichnung Kelto-Germanen hingegen hat die deutsche Forschung frei erfunden. Meiner Meinung nach klingt es zumindest verständlicher als "Nord-West-Block" oder "La-Téne D mit Prewosk- Einfluss". :roll:
magali

Beitrag von magali »

Fredewulf hat geschrieben:Für entscheidend halte ich, dass der Begriff Celtiberi kein Konstrukt der modernen Forschung sondern der antiken lateinischen oder doch griechischen? Literatur.
Demnach halte ich es für das naheliegendste den Begriff so zu benutzen, wie es die alten Römer taten. Wenn die antike Geschichtsschreibung schon Namen überliefert, kann man sie ja durchaus benutzen.

stimmt, das macht eher sinn.... errinnerst du dich zufaellig an die quelle? ich versuche mal, es durchzugooglen...
Dain II.

Beitrag von Dain II. »

Ebenso existierte in der Antike der Begriff Keltoskythen als Bezeichnung für die "Germanen", bevor sie Germanen genannt wurden. Solche Wortschöpfungen war also in antiker Zeit kein Einzelfall.
Meiner Meinung ist es fraglich ob damit die Jastorfkultur oder die frühgermanische Kultur gemeint ist. Es könnte sich durchaus auch um die Syginner oder die Bastarnen handeln. Möglicherweise ist es in dieser Schrift auch als Synonym für die Völker des (H)Aimos zu verstehen, wozu zu den oben genanten auch noch die Eneter, illyrische und thrakische Völker und die Paionier gehören würden (von der Sachkultur her könnte man da ab dem späten 4/3. Jh BC. durchaus an Keltoskythen denken)

Was die Begriffe wie Celtiberoi angeht so denke ich dass es durchaus für einen kleinen Übergangsbereich als Name einer Kultur (nicht eines gens) zu gebrauchen ist (sofern sie aus der Antike überliefert sind), wem sich diese Menschen politisch oder ethnisch zugehörig fühlten bleibt dahingestellt.

lg Stephan
Fredewulf

Beitrag von Fredewulf »

magali hat geschrieben:errinnerst du dich zufaellig an die quelle?
Mein Stowasser nennt nur Catull und Martial, beides Lyriker. :?
Ich habe da irgendwie Polybios unter Verdacht... Aber für die alten Griechen reicht meine Schulbildung einfach nicht aus. :(
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