Hallstatt-D-Dame für das Naturhistorische Museum Nürnberg

Vorstellung zur Diskussion

Moderatoren: Hans T., Nils B., Turms Kreutzfeldt, Chris

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Hans T.
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Hallstatt-D-Dame für das Naturhistorische Museum Nürnberg

Beitrag von Hans T. »

Bereits Anfang der 1990er Jahre entstand im Zusammenhang mit einer Sonderausstellung "Schmuck der Kelten" die erste Version einer Vollrekonstruktion eines Befundes aus einem Grabhügelfeld "In der Beckerslohe", in der Nähe von Schnaittach, Mittelfranken. Die damalige Rekonstruktion ist auch durch Veranstaltungen, an denen sich die NHG beteiligt, gut bekannt, denn sie wird seitdem auch 'mobil', meist präsentiert durch Elisabeth D., eingesetzt.

Anläßlich der Neueröffnung des Abschnittes "Eisenzeit" (wohl Anfang 2009) wurde der Fund nochmals von mir komplett bearbeitet. Alle Metallfunde wurden erneut nachgefertigt, bei den Hals- und Armringen kamen die 1990er Formen nochmals zum Einsatz. Die Ausarbeitung erfolgte diesmal ausschließlich aus einer Hand, einem Zahntechnikermeister i.R. Der Gürtel wurde aufgearbeitet und neu verwendet. Die diversen Metallaccessoires am Kopftuch sind teils neu, teils überarbeitet. Völlig neu entwickelt wurden die Kopftuchnadeln (auf dem Foto noch durch vorläufige Exemplare nach dem Muster Magdalenenberg ersetzt), ein Bernsteinanhänger sowie Zierhohlkugeln, die ebenfalls typischerweise in Kopfhöhe gefunden werden. Der Befund stammt aus einer Altgrabung vom Anfang des letzten Jahrhunderts und ist deshalb nicht so exakt, wie man es sich als heutiger Rekonstrukteur wünscht. Die Vergleichsfunde, insbesondere Funde vom Magdalenenberg lassen jedoch hoch plausible Interpretionen zu. Durch die Neubearbeitung konnten einige Fundfragmente, die bislang ohne Zusammenhang blieben, eindeutig der Schmuckausstattung, auch in der technischen Verwendung, zugeordnet werden. Nicht zugeordnet konnte letztlich nur ein kleines Fragment eines schneckenförmig gebogenen Bronzedrahtes, der auch bei intensiver Suche in anderen Befunden ohne Vergleich blieb.

Die Kleidung besteht aus einer leineren Untertunika, einem Woll-Peplos mit sehr kleinem Überschlag und einem wollenen Kopftuch. Die Figur trägt lange Haare, diese reichten jedoch nicht, um die Nadeln etc sicher zu befestigen, wir haben uns deshalb für ein wollenes Haarband entschlossen, an dem mit den Nadeln das Tuch befestigt wird. Dies wurde in praktischen Trageversuchen erprobt und hat sich bewährt. Eine ausschließliche Fixierung durch das Gewicht des Schmuckes und durch Nadeln im Haar empfand die Trägerin als zu unsicher und fühlte sich zu einer zu starren Haltung genötigt. Die Grundidee des Haarbandes basiert auf einen Befund vom Magdalenenberg, bei dem mehr als ein Dutzend von Nadeln am Schädel gefunden wurden.

Das Schuhwerk sind einfache Schnabelschuhe nach dem Muster der allseits bekannten tönernen Leisten.

Dank für die Realisierung an Chris für Beratung und das Kopftuch, Sylvia für weitere Diskussion, an meine Frau Ingrid für die ganzen Näharbeiten und die Weberei und Herrn Weigel für die neuen Metallarbeiten.

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H.
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Bullenwächter
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Beitrag von Bullenwächter »

Schick!

Habt Ihr die Fibeln besonders gesichert? In Hannover wurden der Frau schon mehrfach die Fibeln geklaut und jetzt hat sie einen hässlichen Lederschnürverschluß an ihrem Peplos, der Reenactos nur auf dumme Gedanken bringt.
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Hans T.
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Beitrag von Hans T. »

Selbstverständlich sind die Sachen gesichert, allerdings reicht eine Sicherung nur gegen eine Mitnahme so en passant. Wenn es einer richtig vorhat zu klauen, dann klaut er was. Wobei uns das noch nie (klopf klopf klopf) passiert ist. Was ständig passiert, sind unordentliche Frisuren.....

H
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ulfr
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Beitrag von ulfr »

Wirklich schick. Und ich sags Euch, irgendwann wird das mal von der Modewelt aufgegriffen...
Sogar die Puppe sieht gut aus, was ja die Ausnahme ist, meistens beginnt das Grauen ja schon damit :heul:

ULFR
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Hubertus Meyer-Burckhardt
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Steve Lenz
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Beitrag von Steve Lenz »

Frl. Rottenmeier 600BC.

Wird Zeit, mal wieder nach Nbg zu reisen und sich die neue Ausstellung anzusehen.
Aus den Augen - aus dem Sinn.
magali

Beitrag von magali »

Sehr sehr fein Hans!!! Schoene Anregungen..... :idea:
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Martin
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Beitrag von Martin »

Schön geworden!
Viele Grüße,

Martin
S. Crumbach

Beitrag von S. Crumbach »

Gefällt mir sehr gut.

Besonders gut finde ich, daß es zwar eindeutig gute Kleidung ist, aber trotzdem der Schmuck (als Hardware im Nachweis) besonders hervortritt.
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Hans T.
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Beitrag von Hans T. »

Das soll auch eigentlich die Absicht sein, Sylvia. Wenn du das auch so wertest, dann bestätigt uns das wirklich. Danke!

H.
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Chris
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Beitrag von Chris »

Ein sehr schönes Endergebnis :D
Me transmitte sursum, Caledoni!
alpenueberquerer

Beitrag von alpenueberquerer »

super schön
neid
heul
so ein kleines museum wie unseres kann sich nicht mal die puppe leisten, geschweigen denn den schmuck.
tschau
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Blattspitze
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Beitrag von Blattspitze »

Sehr schön, gefällt mit gut.
Als diesbezüglicher Komplett-Laie möchte ich auch die an mir soeben festgestellten Selbst-Beobachtungen kundtun. Ich blicke bei entsprechenden Präsentationen unwillkürlich zuerst in die Gesichter (ich weiss, was meine Frau jetzt sagen würde, aber es stimmt ...), und erst danach konzentriere ich mich auf die Kleidung und Schmuck. Ist die Figur ohne oder gar mit einem "schlechten Gesicht" versehen, wirkt die Gesamtpräsentation weniger interessant auf mich.
Marquardt
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Hans T.
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Beitrag von Hans T. »

Marquart, das ist der Grund, weshalb 'unsere' Figurinen ein Gesicht haben. Das Gesicht ist der Hauptanziehungspunkt, es stellt die Verbindung her. Es gibt da unterschiedlichste Formen der Abstraktion, von einem ausgeformten, aber unbemalten Gesicht , über die "Stoff-drüber-Version" bist hin zu einem kopflosen Mannequin. Letzteres setzen wir auch ein, aber nur mit einem lebendigen sprechenden Menschen daneben.

Ingo,
bei den Figuren gibt es Alternativen. Wenn ich die Figur zB für eine Sonderausstellung in ein anderes Museum ausleihen würde, würde ich den Versicherungswert auf über 25.000 Euro setzen. Jetzt mal über den Daumen, ohne genaue Kalkulation und vor allen Dingen unter der Berücksichtigung, dass die Formen noch nutzbar wären und die Entwurfs- und Bearbeitungszeit wegfällt.

Aber: Das bedeutet ja nicht unbedingt, dass man auch soviel Geld in die Hand nehmen muss, sprich finanzieren muss. Das Zauberwort heisst Eigenleistung. Unsere erste Version, eigentlich alle Figuren, die wir für die Sonderausstellungen gemacht haben, waren komplette Eigenleistung. Basis waren immer gebrauchte Schaufensterpuppen oder Auslaufmodelle oder einfach nur Teile derselbigen vom Dachboden des Händlers. Sowas bekommt man wirklich billig. Die Gesichter wurden dann mit Modelliermasse aus dem Bastelgeschäft entsprechend neu gestaltet und bemalt. Die Haare stammen aus dem Fundus des Theaters, aus hintersten Reihe, 4. Karton rechts. So, jetzt hast du eine Figur, Kosten bisher ca 200 Euro. Gut, jetzt kommts halt drauf an, was an die Figur dran soll, schon klar. Aber das wirklich teuere ist ja immer die Arbeitszeit, zB gut verwendbares altes Leinen gibts immer wieder mal, auch auf ebay. Wollstoffe sind schon teurer, aber auch da kommts drauf an. Jedenfalls lag das Budget für Sonderausstellungsfiguren (also Figuren, die man letztlich nur einmal verwendet hat) bei so ungefähr 1000 - 1500 Euro. Komplett.

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Das Bild stammt ca aus 1998, die Dame wanderte dann in eine Bronzezeitsonderausstellung.

H
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Indy

Beitrag von Indy »

Da das nicht "meine Zeit" ist, kann ich zur Stimmigkeit der Ausstattung nix sagen (wobei die Beratung ja jederzeit mein blindes Vertrauen genießt), aber der Gesamteindruck ist hervorragend.
Haltung und Ausdruck sind sehr ansprechend und die Ausstattung wirkt sehr schön.

Gefällt mir ausgezeichnet und macht Lust auf einen Ausflug nach Nürnberg.
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Steve Lenz
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Beitrag von Steve Lenz »

Die Südkurve kann sich ja mal absprechen, dann fahren wir "geschlossen" hin. Und wer aus den noch nicht so kultivierten Gegenden dazustoßen mag, kann das natürlich sehr gerne tun! :D
Aus den Augen - aus dem Sinn.
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