Germanen und die Benuetzung von Pfeil und Bogen

Moderatoren: Hans T., Nils B., Turms Kreutzfeldt, Chris

W.A.Schroth

Germanen und die Benuetzung von Pfeil und Bogen

Beitrag von W.A.Schroth »

Seit Jahren schon beschaeftigd mich die Frage: Warum denn nur haben die Germanen Pfeil und Bogen nicht als Fernwaffe gegen die Roemer eingesetzt ? Obwohl Pfeil und Bogen den Germanen bekannt war, und sie diese auf der Jagd benuetzt haben, haben sie diese nicht im Kampf benuetzt. Ist da zufaellig jemand im Forum wo sich mit dieser Frage auch schon mal beschaeftigd hat ? Oder vielleicht eine Antwort dazu hat ???
Werner.
Jonas

Beitrag von Jonas »

Hallo Werner,

nunja Du kannst in dem Zusammenhang nicht so pauschal von "den Germanen" sprechen, Du müsstest zumindest zeitlich (zum Teil auch regional) differenzieren.
Im Laufe der römischen Kaiserzeit ist in der Tat ein starker Wechsel in der Bewaffnung und der Kampfesweise (Taktik, Strategie, Organisationsstruktur etc.) der Germanen zu beobachten. Sie passen sich in diesem Punkt immer mehr den römischen Legionen an.
Pfeil und Bogen als Kriegswaffe sind ab dem 3. Jh ganz gut im archäologischen Befund nachzuweisen (zb. Opferdepots in nordischen Mooren, Nydam...). Tatsächlich gibt es keine Hinweise auf die Verwendung als Kriegswaffe in der jüngeren Kaiserzeit. Und wie so oft können wir nur mutmaßen...
Ich denke, daß es einen gewissen Ehrencodex in der Kriegermentalität gegeben haben muss. Zeitgenössische römische Quellen (natürlich auch wieder differenziert zu betrachten) übeliefern ein hohes Ansehen von Tapferkeit und Kampfesmut, Germanen dieser Zeit kämpften zum größten Teil ohne Panzerung mit freiem Oberkörper (hat wohl einen ähnlichen psychologischen Effekt wie die komplett nackten Krieger einiger Keltenstämme). Und ich denke, daß es sich bei diesen schriftlichen Schilderungen und zeitgenössischen Bildquellen nicht nur um bewußt propagandisierte, barbarisierende Überlieferungen handelt. Wie dem auch sei, ein Zusammenhang mit dem Bogen als eher unehrenhafte Fernwaffe scheint mir da recht plausibel. Ein Krieger behauptet sich in direktem Kampf, Mann gegen Mann. Um seine Feinde auf eine gewisse Entfernung mit Pfeil und Bogen zu töten braucht es weder Mut, starke Nerven, noch besonderes Geschick (außer evt. Zielgenauigkeit), einen Bogen kann soweit jeder bedienen.

Punkt Zwei wäre die Kampesweise an sich:
Die frühkaiserzeitliche germanische Kriegsführung hatte eher einen partisanenkampfähnlichen Charakter, offenes Terrain wurde gemieden, jegliche natürliche Gegebenheiten wurden als Deckung genutzt, oder es wurden künstliche Deckungen in die natürliche Umgebung integriert (sehr schön z.B. an der Schlacht von Kalkriese 9 n.Chr zu sehen).
Der germanische Krieger führte in der Regel ein Bündel von Wurfpfeilen/Widerhakenspeeren mit sich, die er mit großer Geschicklichkeit und Effektivität auf näherer Distanz im Kampf einsetzte. Bögen waren daher nicht von militärischer Bedeutung.

Einige Zeit später, bei Kämpfen auf offenem Felde in Formation, sieht das Ganze dann natürlich wieder anders aus.

Viele Grüße, Jonas
Benutzeravatar
Medusa
Beiträge: 286
Registriert: 18.12.2005 19:37
Wohnort: Nijswiller, Zuid-Limburg, NL
Kontaktdaten:

Beitrag von Medusa »

Mir drängt sich da gerade eine Frage auf, die vielleicht etwas off-topic ist, da Werner danach ja nicht gefragt hatte:

Haben die Germanen denn Pfeil und Bogen zur Jagd benutzt? Denn da ging es ja nicht um Kampf Mann gegen Mann sondern um Nahrungserwerb und da die Tiere wie Hirsche, Rehe etc. ja flüchten, wenn man ihnen zu Nahe kommt, sind die Chancen doch höher, sie mit Pfeil und Bogen zu erlegen als wenn man sich erst mit einem Wurfspeer nah genug ranschleichen muß.

Sicherlich gab es auch Jagden, wo's ums Prestige des Jägers ging, z. B. einen Bären, Aurochsen oder ähnliches zu erlegen. Da hat man dann sicherlich die ehrenvollen Waffen eingesetzt.
Medusa alias Svenja G.
andreas

Beitrag von andreas »

ich denk mir, dass man anhand der Pfeilspitzen die eine oder andere Antwort bekommt ,da diese öfters im Fundgut vorkommen als ein Bogen.
Thomas Trauner

Beitrag von Thomas Trauner »

Eine Zwischenfrage vom nicht-Germanen-Fachmann.

Was ist eigentlich die Quelle für den "Nichteinsatz von Bögen im Kampf" durch die Germanen ?
Lässt sich das irgendwie durch Funde/Befunde untermauern ?

Thomas T.
Benutzeravatar
Hans T.
Beiträge: 1599
Registriert: 05.12.2005 23:31
Wohnort: Nürnberg

Beitrag von Hans T. »

Mal ein paar eher grundsätzliche Bemerkungen: Auch wenn die Frage 'warum haben die XY nicht Z eingesetzt'? gerne gestellt wird, kann so etwas kaum exakt beantwortet werden. Oft ist die Überlegung solch einer Frage die Erkenntnis, dass es doch (aus heutiger Sicht!) von Vorteil gewesen wäre, dies 'Z' doch einzusetzen. Ich kenne die Fragestellung gut aus diversen Veranstaltungen ( "Weshalb keine so-und-so Axt...weshalb keine so-und-so-Hosen...").

Hier scheint mir, man möge mich korrigieren, die Überlegung im Hintergrund zu stehen, man könne doch einen (vermeintlich) militärisch überlegenen Gegner sich gut mit einer Fernwaffe vom Leib halten.

Nee, kann man nicht. Haben auch die Römer nicht. Die Pfeilschützen, die die Römer eingesetzt haben, waren ausschließlich Auxiliare. Taktisch hatten die bestimmte Aufgaben, zB Verfolgung der gegnerischen Truppen oder Einsatz als 'Plänkler', die nur den gegnerischen Truppenaufbau stören sollten, in Unordnung bringen etc.

Die eigentliche Arbeit erledigte die schwere Infanterie - ganz ohne Pfeile. Das Pilum als Schockwaffe auf relativ kurze Entfernung eingesetzt ( diese kurze Entfernung konnte dann auch rasch überwunden werden).

Pfeil und Bogen im militärischen Einsatz macht nur im organisierten Masseneinsatz Sinn. Einzelle Herausschüsse in eine Legionärsfront machen keinen Sinn. Wirklich erfolgreich ist nur der Masseneinsatz, wie man sowohl von den östlichen Reitervölkern als auch von den organisierten Einsätzen im Mittelalter weiss. Gegen eine ordentlich aufgestellte Legion hätte auch nur der indirekte Masseneinsatz Erfolg gehabt.

Anders womöglich im Guerilla-Stör-verdeckten Einsatz. Aber auch hier ist der militärische Erfolg insgesamt gesehen fraglich.

Die Germanen haben nun die offene Schlacht vermieden, da sie um ihre Unterlegenheit mangels Organisation und Disziplin wussten.

Mit zunehmender Durchsetzung der römischen Armee durch Germanen etc änderte sich aber auch die Taktik etc. Nicht umsonst findet man in den spätantiken Moorfunden genügend Hinweise auf den militärischen EInsatz von Pfeil und Bogen.

Hans
"Des is wia bei jeda Wissenschaft, am Schluß stellt sich dann heraus, daß alles ganz anders war."
Jonas

Beitrag von Jonas »

Hallo Thomas,

ja, der Nichteinsatz von Kriegsbögen bei den Germanen der frühen Kaiserzeit lässt sich sehr gut durch ein völliges Fehlen dieser Waffengattung in den sonst sehr reichhaltigen Kriegergräbern & Waffenopferfunden dieser Zeit nachvollziehen.

Wie bereits geschrieben tauchen Pfeil und Bogen dann ab dem 3.Jh im archäologischen Befund auf.

Gruß, Jonas
Dain II.

Beitrag von Dain II. »

Was das Jagen betrifft: Ein Speer macht größere Löcher in eine Haut/Pelz als ein Pfeil :wink: .
menhir

Beitrag von menhir »

Wenn ich mir den dezenten Hinweis erlauben darf:

Tacitus beschreibt in der Germania, dass die Germanen die Benutzung des Bogens als Kriegswaffe als unehrenhaft und knabenhaft empfinden.


mfg, Menhir
Benutzeravatar
Godehardt
Beiträge: 95
Registriert: 05.12.2005 21:53
Wohnort: Hellenthal

Beitrag von Godehardt »

Ja sicher, Tacitus schrieb auch, dass in Germanien ein dem Hirsch ähnliches Tier existiert, das keine Kniegelenke hat und sich deshalb zum Schlafen an einen Baum lehnt. Wollen die Germanen es fangen, so sägen sie diese "Schlafbäume" an, damit sie samt Elch (dies war das geschilderte Tier) umfallen. Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob ein Römer sich in die ihm doch fremde Mentalität so gut hinein denken konnte, dass alles stimmt, was er hierüber schrieb.
Gruß
Erhard Godehardt
menhir

Beitrag von menhir »

Ja... freilich ist Tacitus nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber wenn seine Schilderungen auf archäologische Tatsachen passen, für die es keine andere offensichtliche Erklärung gibt, so dient Tacitus -meiner Meinung nach- doch als brauchbarer Anhaltspunkt, wie ich meine.

Ich fände diese Theorie insofern plausibel, da es in meinen Augen die einzig sinnvolle Erklärung ist, warum ein Mensch der einen Bogen besitzt, diesen nicht auch im Kriege einsetzen sollte, was ja für ihn durchaus von Vorteil wäre.


(Möchte das hier auch nicht als Tatsache hinstellen, sondern als mögliche Theorie)
Dain II.

Beitrag von Dain II. »

Ja sicher, Tacitus schrieb auch, dass in Germanien ein dem Hirsch ähnliches Tier existiert, das keine Kniegelenke hat und sich deshalb zum Schlafen an einen Baum lehnt. Wollen die Germanen es fangen, so sägen sie diese "Schlafbäume" an, damit sie samt Elch (dies war das geschilderte Tier) umfallen.
Dieser Bericht ist von Cäsar in seiner Beschreibung des rechtsreihnischen Gebietes und der Lebensweise der Germanen enthalten und nicht bei Tacitus, der einer der zuverlässigeren Autoren ist.

lg Stephan
Lord Bane

Beitrag von Lord Bane »

Em ... es gab in Altdorf einen Köcherfund. Holger Riesch beschreibt sehr detailliert das Einsatzgebiet von Pfeil und Bogen, wobei er hauptsächlich auf Alamannen und die Funde in Oberflacht eingeht. Der Punkt ist aber der, dass eine Bogenformen von der Eisenzeit über Germanen (ein Langbogen mit eiserne Blechtülle => "Ersatzspeer") bis hin ins Mittelalter zu fassen ist. Ergo muss es eine Kontinuität gegeben haben. Und die Oberflachter-Bögen sind so speziell und akkurat gefertigt, dass es einfach Vorläufer gegeben haben muss ... sowas denkt man sich nicht einfach so aus.
Insofern würde ich schon sagen, dass diese Waffen bekannt waren, aber von den Stämmen verschieden häufig genutzt wurden.
Benutzeravatar
Hans T.
Beiträge: 1599
Registriert: 05.12.2005 23:31
Wohnort: Nürnberg

Beitrag von Hans T. »

Direkte und indirekte Hinweise auf Pfeil und Bogen gibts seit dem Mesolithikum in jeder Kultur zu jeder Zeitstellung. Die Frage hier war der militärische Einsatz. Der jagdliche Einsatz steht auf einem anderen Blatt.

H
"Des is wia bei jeda Wissenschaft, am Schluß stellt sich dann heraus, daß alles ganz anders war."
Benutzeravatar
Bullenwächter
Beiträge: 1556
Registriert: 05.12.2005 15:23
Wohnort: Halstenbek
Kontaktdaten:

Beitrag von Bullenwächter »

@Lord Bane:
Hast Du eine Übersicht der Funde dieser Bogen-Blechtüllen? Mir fallen jetzt, spontan, zumidest aus dem Alamannischen Bereich des 5.-7. Jh keine ein.
The day may be near when we must kill to conserve.
"Dekmalschützer" Giles Cato in der MIDSOMER-MURDERS-Episode The House in the Woods
Antworten