Bäume fällen mit dem Dechsel

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Bullenwächter
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Beitrag von Bullenwächter »

Auch zu empfehlen ist der freie / open source PDF-Drucker PDF Creator: http://www.pdfforge.org/
The day may be near when we must kill to conserve.
"Dekmalschützer" Giles Cato in der MIDSOMER-MURDERS-Episode The House in the Woods
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FlintSource
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Beitrag von FlintSource »

Die Projekt-Bibliothek wächst kräftig :D, jetzt nur noch die Zeit um alles zu lesen :(

@ Fridolin: Der Endneolithikums-Band ist bei uns in der Bibliothek noch nicht eingetroffen, der Beitrag würde mich sehr interessieren, bitte an Chris.

Für alle Bandkeramiker und Dechselmenschen ist die Arbeit von Nieszery mehr oder weniger Pflichtlektüre, wunderbare Grabausstattungen, speziell von Aiterhofen, viele auffällig lange und extrem schmale Dechsel. Hier kann man teilweise richtig von Prestigegütern sprechen, wie zB bei den wunderbaren 'doppelschneidigen Hacken'. Als ich später groß bin möchte ich auch so ein Teil haben (Ulfr, Wunschkonzert....). Leider ist das Buch viel zu groß für die Digi-Bibliothek und etwas kostenintensiv (66 EUR) für die Privatbeschaffung, weil IA-Hardcover, mal schauen, ob sich eine Teilkopie anfertigen lässt.

Chris macht absolut wunderbare Arbeit, wenn wir jetzt kräftig weitermachen mit der Literatursammlung können wir die richtig dunklen Tagen fürs Bücherstudium verwenden und uns freuen auf die Aktion im Frühling. Und natürlich das Fragestellungs-Paper erstellen, ich versuche zwischen den Jahren mal einen Tag zu reservieren für das Grundgerüst, sodass wir dann in Januar/Februar Zeit haben das Ganze zu überarbeiten und perfektionieren.

Bis demnächst,
Rengert
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Chris
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Beitrag von Chris »

Vielen Dank den zahlreichen Unterstützern, die Bibliothek wächst :-)

Habe die Literaturliste aktualisiert + neue Artikel hochgeladen.

edit 26.11.: Bibliothek + Liste nochmal aktualisiert. Wir haben schon 21 Artikel online :-)
Me transmitte sursum, Caledoni!
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Blattspitze
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Beitrag von Blattspitze »

Falls von Interesse:
Ein 2 Jahre altes Bild (Sorry, Handyqualität) von Harm Paulsens Produkten.
Man beachte den Schaft links, nachempfunden nach Knieholmfunden des nord. Spätmesolithikums:
Bild
Der in bestimmter Hinsicht vergleichbare Schaft von Olby Lyng zeigt jedoch eine Ausnehmung, die eine Schäftung "andersherum" nahelegt.

Edith: Den brauchen wir noch:

S. Hartz 2004: Der Fund des Jahres 2003. Ein Walzenbeil mit Holzschaft aus Neustadt in Holstein. Jahrbuch für Heimatkunde Oldenburg/Ostholstein, 48. Jahrgang 2004, 9–12.
"Was an der Unverschämtheit des Heute
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
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FlintSource
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Beitrag von FlintSource »

Die Bibliothek ist jetzt richtig brauchbar, die meisten grundlegenden Veröffentlichungen zu flachbreiten, mittelhohen und schmal-hohen Dechselklingen, "Schuhleistenkeilen", "Flachhacken", "Flomborner Keilen" und "Hinkelsteinkeilen" sind geliefert und bereits größerenteils online. Da hat Chris sich eine Menge Arbeit eingehandelt. Ich werde in der nächsten Woche noch mal die zwei oder drei Aufsätze zu den Pflugversuchen mit Schuhleistenkeilen liefern. Nicht richtige relevant, aber doch forschungsgeschichtlich interessant. Gibt es da draußen noch jemand der/die eine Teilkopie aus Ramminger 2007 (IA 102) macht? Zwar nur Typometrie und Rohmaterial, keine Ansätze zur Schäftung/Verwendung/Benutzung, gehört aber zu einer guten Dechselbibliographie dazu.

Was noch fehlt sind ethnografische Berichte zu Bäumefällen und Dechselverwendung. Wer hat da einen heißen Draht?

Blattspitze, danke für den Hinweis und Recherchen zu Olby Lyng und Neustadt. Kommt jemand an das genannte Jahrbuch für Heimatkunde? Bei uns im tiefen Innenland nicht vorhanden. Wenn ja, auch an die Bibliotheks-Zentrale.

Von meiner Seite wird es in den nächsten Tagen etwas ruhiger, ich muss da noch einen Vortrag vorbereiten. Wer am 30. in der Gegend von Basel ist und nichts besseres zu tun hat schaut mal auf die Seiten der Basler Zirkel für Ur- und Frühgeschichte.

Grüße,
Rengert
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Chris
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Beitrag von Chris »

Blattspitze hat geschrieben:Edith: Den brauchen wir noch:

S. Hartz 2004: Der Fund des Jahres 2003. Ein Walzenbeil mit Holzschaft aus Neustadt in Holstein. Jahrbuch für Heimatkunde Oldenburg/Ostholstein, 48. Jahrgang 2004, 9–12.


steht in HH in der UniBib - allerdings im Geomatikum, da war ich noch nie und die haben arbeitnehmerunfreundliche Öffnungszeiten... könnte etwas dauern, bis ich da rankomme
Me transmitte sursum, Caledoni!
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Blattspitze
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Beitrag von Blattspitze »

Chris, ich habe Sönke Hartz direkt angefragt, vielleicht klappts so.
Rengert, ich guck nochmal was ich an weiteren ethnographischen Sachen finden kann.
Hier ein link zu einem Foto des geschäfteten Walzenbeils aus Neustadt:
http://www.amla-kiel.de/cms/component/o ... ail/id,36/
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Jürgen Weiner

Texel, die niederländische Insel, gibt es auch, aber...

Beitrag von Jürgen Weiner »

Salve!

Ob Rolf Peter weiss, was er mit seiner Frage angerichtet hat? Ich finde es jedenfalls gut, dass er gefragt hat. Zu diesem speziellen Thema gibt es m.E. wirklich viel zu sagen, und wer im Fach glaubt, das sei doch alles schon klar mit den Querbeilklingen und den Querbeilen, der irrt sich ganz gewaltig!
Und wie man am Beispiel einiger ganz besonderer hölzerner Funde aus LBK-Brunnen sieht, ist mehr denn je die experimentelle Archäologie gefragt.

Dechseln und damit das "Dechselprinzip" kennen wir regelhaft seit dem Mesolithikum. Das "Parallelbeilprinzip" tritt erst gegen 4400 BC auf. Damit ist das Dechselprinzip also erheblich älter. Die Dechsel zur Holzbearbeitung lässt sich in Europa bruchlos vom Mesolithikum bis heute belegen.

In diesem thread wurde ja schon manches angesprochen, aber nach der Lektüre von acht Seiten habe ich schon wieder einiges vergessen. Je nachdem, was mir wieder einfällt, werde ich das hier aufgreifen.

Noch ein Wort in eigener Sache:

Bei jenen Steinartefakten, die in aller Regel gleichermassen von Archis, Sammlern und sonstigen Beteiligten als "Beile" angesprochen werden, gebrauche ich den Begriff "Beilklingen". Das Werkzeug "Beil" (wie auch die Axt) ist ein Kompositgerät, das immer aus einem Schaft/Holm/Stiel/Griff und einer daran/darin befestigten Klinge besteht. "Beil" als universelles Holzbearbeitungswerkzeug ist der Überbegriff. Er lässt sich unterteilen in "Parallelbeile" und "Querbeile". Letztere werden auch Dechsel (diverse Schreibweisen) genannt. Es ist deshalb unkorrekt, Beile von Dechseln vice versa abgrenzen zu wollen, wie man dies gelegentlich in Foren liest (Dechsel sind halt Beile bzw. Dechselklingen sind halt Beilklingen).

Grundlegendes zu Dechseln (Auswahl, na klar!):

- Feller,P. & Tourret,F., Werkzeug aus Alter Zeit. (Stuttgart/Zürich 1980).

- Filip,J, Schuhleistenkeil. In: Enzyklopädisches Handbuch zur Ur- und Frühgeschichte Europas 2 (1969) 1249-1250. (Prag). Schlimm genug, dass nicht der Begriff Dechsel dort steht! Erfreulicherweise findet sich aber der ebenso wie "Schuhleistenkeil" überkommene Begriff "Flachhacke" nicht als Stichwort ebd. in Band 1!

- Garanger 1994 – J. Garanger, Herminette. In: André Leroi-Gourhan (Hrsg.) Dictionnaire de la Préhistoire (1995) 509-510. (Paris).

- Garanger 1994 – J. Garanger, Herminette Océaniennes. In: André Leroi-Gourhan (Hrsg.) Dictionnaire de la Préhistoire (1995) 510.

- Hahn,J., Erkennen und Bestimmen von Stein- und Knochenartefakten. Einführung in die Artefaktmorphologie. Archaeologica Venatoria 10 (1993). Übrigens miserable Redaktion! Blöderweise verwendet Kim Hahn die Begriffe "Schuhleistenkeil" und natürlich auch "Flachhacke". Hoffen wir, dass sich das im geplanten Nachfolgeband, dem Floss-Werk, ändern wird... Es soll ja im ersten Quartal 2011 erscheinen.

- Schadwinkel,H.T. & Heine,G., Das Werkzeug des Zimmermanns. (Hannover 1986).

- Petersen,P.V., Flint fra Danmarks oldtid. (Kopenhagen 1993).

- Piel-Desruisseaux,J.-L., Outils Préhistoriques. Forme - fabrication - utilisation. (Paris).

@Rengert: Bis Ende des Jahres werde ich für die Hitzacker-Publikation unser "Eisen 7" aus dem Brunnen von Kückhoven vorstellen, wie Du es ja schon im Januar dieses Jahres in Form einer höflichen Frage angeregt hattest. Natürlich werde ich mich auch zur vermeintlichen Funktion, und in diesem Zusammenhang besonders der latent vermuteten Funktion alt- und mittelneolithischer Dechselklingen als Hobelmesser befassen. Du wirst mein MS Anfang Januar z.K. erhalten. Momentan bin ich bei der Literaturbeschaffung...

Dto.: Du schreibst hier, dass in aller Regel die Innenwinkel von Dechseln bei Publikationen nicht besonders berücksichtigt werden. Dem stimme ich vorbehaltlos zu. Übrigens werden mit der gleichen Ignoranz die Gewichte von Beilklingen aus Kiesel- und Felsgestein kaum jemals angegeben!
Ausnahmen finden sich bezeichnenderweise bei den Völkerkundlern, und zwar hier:

- Blackwood,B., The Technology of a Modern Stone Age People in New Guinea. Pitt Rivers Museum, Occasional Papers on Technology 3 (1964).

- Godelier,M. & Garanger,J., Outils de pierre, outils d´acier chez les Baruya de Nouvelle-Guinée. L´Homme 13, 3, 1973, 187-220.


A propos Literatur! Da wurde ja schon einiges hier eingestellt, u.a. auch Absonderungen aus meiner Feder. Als Vorbereitung für das Fällexperiment hier noch einige Veröffentlichungen, die ich empfehle:

Zu Dechselklingen:

- Beispiele: Vencl,S., Hromadné nálezy neolitické industrie z Cech. Památky Archeologické 66, 1, 1975, 12-73 (Zusammenfassung: Die Hortfunde neolithischen geschliffenen Steingeräts aus Böhmen ebd. 68-71).

- Farruggia,J.-P., Les outils et les armes en pierre dans le tituel funéraire de Néolithique Danubien. BAR Intern. Series 581 (Oxford 1992).

- Für mich stand schon vor Jahren fest, dass es ehemals Dechselklingen "für den täglichen praktischen Gebrauch" (profan) und dann solche für andere, nicht praktische Verwendung (Prestige) gegeben haben muss. Irgendwo sollte sich das in den Ursprungslängen der diversen Dechseltypen (-formen) niederschlagen. Ich bin zu einer Länge von ca. 25 cm gelangt und habe das hier veröffentlicht:

Weiner,J., Profane Geräte oder Prunkstücke? Überlegungen zur Zweckbestimmung übergrosser Dechselklingen. In: J. Eckert, U. Eisenhauer & A. Zimmermann (Hrsg.) Archäologische Perspektiven. Analysen und Interpretationen im Wandel. (Festschr. für Jens Lüning zum 65 Geburtstag). Internationale Archäologie. Studia Honoraria 20, 423-440. (Rahden/Westf.).

Kürzlich erhielt ich die Doktorarbeit von Britta Ramminger und las - mit nicht geringer Genugtuung - dass sich eben jene vorstehend erwähnte Längengrenze, die Britta aufwändig ermittelt hat, grundsätzlich der von mir ermittelten annähert.


Zum Baumfällen mit Dechseln:

- Steensberg,A., Man. The Manipulator. An Ethno-Archaeological Basis for Reconstructing the Past. (Copenhagen 1986). Hier Kapitel IV: The Axe and the Forest. Welch grossdimensionierte Bäume in Neuguinea mit Dechseln gefällt worden sind und wie der Baumstumpf sowie das Unterende des aufgehenden Stammes ausschauen, macht Fig. 17, Seite 71, sehr deutlich. Das nur als Kurzkommentar zu jenen Stimmen, die sich hier früher über störende Holzfasern ("semi-attached fibres") geäussert haben.

- vom selben Autor: New Guinea Gardens. A Study of Husbandry with Parallels in Prehistoric Europe. (London et al. 1980). Hier Kapitel 1, Clearing the Ground. Wowwww, der Auszeichnung des Buchhändlers zufolge habe ich dafür seinerzeit DM 120,-- hingeblättert.

- Dickson,F.P., Australian Stone Hatchets. A study in design and dynamics (Sydney et al. 1981).

- Stewart,H., Cedar: Tree of Life to the Northwest Coast Indians. (Seattle 1984). Eindrucksvolle Zeichnungen zum Fällen etc. überdimensionierter Bäume.

@Rengert. Weiter oben in diesem thread hast Du Dir über die Dicke gefällter LBK-Eichen Gedanken gemacht/geschrieben.
Einige Jahre bevor mich unser Dendrochronologe mit der trockenen Tatsache konfrontierte, die Erbauer des LBK-Brunnens von Erkelenz-Kückhoven hätten Eichen (Quercus sp.) bis zu einem Durchmesser von 120 cm gefällt, war ich - freilich auf anderem Wege - zu einem tendenziell vergleichbaren Ergebnis gekommen. Von der Südostseite von Brunnenkasten 2 (Brunnen II) liegt Bauelement 283 vor (dendrochronologisch gemessen mit 159 Jahrringen, kein Splint); die Breite, also die geradlinige Strecke zwischen der ehemaligen Stammaussenseite und dem Markkanal beträgt noch 53 cm, obwohl an der Oberseite das Splintholz und an der Unterseite ein langschmales Dreieck in Richtung Markkanal intentionell entfernt worden ist, um eine Standfläche zu schaffen. Verdoppelt man nun die (Rest-)Breite von 53 cm, dann ergibt das 106 cm. Bei den bis zu 120 cm fehlenden 14 cm handelt es sich um einen eher konservativen Wert. D.h. der Stamm könnte sogar einen Durchmesser von über 120 cm (ohne Rinde!) gehabt haben.

Sollte ich Literatur wiederholt aufgeführt haben, dann bitte ich um Nachsicht. Das war´s erst einmal, mehr zu diesem thread wird folgen, insbesondere zu Fäll- und Trennkerben und einer klaren metrischen Beziehung zwischen Stammdurchmesser und Höhe der Fällkerbe. Das liegt alles schon in schriftlicher, aber noch unpublizierter Form vor!

HG Jürgen

ps: Ich empfehle dringend, den hochgeschätzten Kollegen Magister Wolfgang Lobisser, Wien, in dieses Forum, insbesondere aber in diesen thread zu locken!
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LS
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Beitrag von LS »

Hallo Jürgen,
viele interessante Details, besten Dank. Ich bin auch schon sehr gespannt auf das Holzhacker-Event im März. Es wäre natürlich schön, wenn wir uns Dechsel des Klassikers Aktinolith-Hornblende-Schiefer, also des graugrünen Amphiboliths der Bandkeramiker aus Jistebsko schleifen könnten.
Hat jemand eine Idee, wie man da rankommt??? Ganz ähnlichen Amphibolit muss es auch im Fichtelgebirge geben. Wenn da jemand einen Aufschluss kennt, wäre ich sehr interessiert an einer kleinen Rohmaterialfahrt.

Eine Kleinigkeit möchte ich aber doch anmerken, Jürgen. Das "Prinzip Parallelbeil" ist spätestens in der Stichbandkeramik und bei den Rössenern geläufig. Rengert und ich hatten schon kurz angemerkt, dass die Klingendrehung bereits in der jüngsten LBK erfolgt sein kann, der älteste parallel durchbohrte, schmalhohe Schuhleistenkeil wäre da die Preisfrage. Entsprechende Stücke, wie aus Bitterfeld in Sachsen-Anhalt, sind allerdings recht lausig publiziert (vgl. Behrens, Jungsteinzeit, 1973, Abb 11 (m). Freilich könnte man Kollegen in Halle fragen. Ich habe leider auch nicht die Zeit, diesem Nebenschauplatz vertiefend nachzugehen... schade eigentlich.

Gruß Leif
Zuletzt geändert von LS am 27.11.2010 22:09, insgesamt 1-mal geändert.
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Blattspitze
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Beitrag von Blattspitze »

Hochinteressant, Jürgen!
Leif, Fridolin war so freundlich und hat mir einen Kontakt vermittelt. Demnach könnte feinkörniger Amphibolith aus dem Fichtelgebirge beschafft werden (Allerdings könnte der aktuelle Kälterückschlag hier störend einwirken).
Ich habe wg. Aktinolith-Hornblendeschiefer zuvor schon bei berufener Quelle angefragt aber bislang keine Antwort erhalten.

Ergänzung zur Lit.-Liste:
Olausson, D.S.(1983): Flint and Groundstone Axes in the Scanian Neolithic. An evaluation of raw materials based on Experiment. Scripta Minora. Lund

Ethnographisch mit weiteren Hinweisen:

Journal of the Polynesian Society, Volume 93 1984 > Volume 93, No. 4 > An historical review of Polynesian stone adze studies, by P. L. Cleghorn, p 399-422

http://www.jps.auckland.ac.nz/document/ ... ction=null

Soweit für den Moment
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LS
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Beitrag von LS »

Hallo,
die Quelle im Fichtelgebirge wäre interessant, falls die jemand verrät (gern auch als PM).

Herzl Gr L
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Fridolin
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Beitrag von Fridolin »

Große Amphibolitvorkommen gibt es in Bayern im südlichen Frankenwald, der im Fachjargon Münchberger Gneismasse (auch MüMa) genannt wird, im Raum Erbendorf-Vohenstrauss sowie im Raum Furth i.Wald-Neukirchen am heiligen Blut. Ob das im einzelnen die hornblendereichen Varietäten (= Hornblende- bzw. Amphibolschiefer oder –fels) sind weiß ich nicht, aber zumindest auf den Blättern Stadtsteinach und Bad Berneck wurde Hornblendeschiefer auskartiert.

Von den Geologische Karten 1:25000 kann man - soweit publiziert - Demoversionen einsehen, guckst Du hier:
http://www.bestellen.bayern.de/applicat ... x.htm%29=X

Links unten „Geologische Karten“ anklicken, dann links oben auf „Geografische Suche“. Dann erscheint die Bayernkarte und man kann die gewünschte Gegend anklicken. Im Fall der MüMa ist es die Region zwischen Bayreuth und Hof. Dann erscheint ein Ausschnitt der Geol. Karte von Bayern 1:500000 mit den Umrissen von 4 Messtischblättern. Wenn man eines davon anklickt und dann auf Bildvorschau klickt, kann man die Demoversion einsehen und evtl. herunterladen.
Die wichtigsten MüMa-Messtischblätter sind Bad Berneck, Münchberg, Schwarzenbach, Marktschorgast, Helmbrechts und Stadtsteinach. Aber wie bereits angedeutet: die Amphibolite haben unterschiedliche Zusammensetzung, sind fein bis grobkörnig und liegen in verschiedenen Metamorphosegraden vor. Für unsere Zwecke dürfte das keine allzu große Rolle spielen. Wichtiger ist die mehr oder weniger große tektonische Beanspruchung der Gesteine (Haarrisse!). Deshalb sollten die Amphibolite im Gelände ausgiebig getestet werden (mit dem Hammer anschlagen o.ä.) um Enttäuschungen aus dem Weg zu gehen. Das Wetter sollte stimmen, aber da sehe ich erstmal nur "weiss"...

@Blattspitze, vermutlich weiß mein Bekannter noch nicht wann er wieder nach Bayreuth fährt. Und selbst wenn: bei Schnee ist die Suche nach geeignetem Gesteinsmaterial im Frankenwald kaum durchzuführen („Bayrisch Sibirien“!).

Viele Grüße

Fridolin
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FlintSource
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Beitrag von FlintSource »

Ausreichend geschrieben und Bilder montiert für heute (gestern?), mal wieder kurz ins Forum:

@ Jürgen: genau diesen Thread meinte ich in meinem Willkomms-Post. Vielen Dank für deinen ausführlichen Beitrag. Klar, Blackwood und Steensma zu Neu-Guinea, das sind zwei Arbeiten die unbedingt noch auf die Liste müssen, sie sind nur extrem spärlich in Bibliotheken vorhanden und kaum zu beschaffen, speziell Steensma ist schwer/teuer in der Beschaffung. Mal schauen wie das mit Fernleihe aussieht, glücklicherweise haben wir hier in Dresden auch eine hervorragende Bibliothekarin, die meine aus ausgefallene Sonderwünsche gewohnt ist. Einige von den anderen Titeln (Farruggia, Weiner in Lüningfestschrift, Godelier & Garanger, Petersen, Hahn, Vencl, Filip) habe ich vorhanden, nur bislang nicht elektronisch und auch bei unserer Liste müssen wir einen Auswahl treffen. Ich werde sie verarbeiten, und mal schauen ob es sich in allen Fällen lohnt die Sachen einzustellen, es geht letztendlich um die praktische Anwendung von Dechseln in Kontakt mit Holz. A propos überlange Klingen gibt es da auch noch diesen Aufsatz über “Zweistückhorten“ von Rosenstock.

Bei der Dicke des Baums bin ich von den Angaben in dem Artikel von Dir und Lehmann „Neolithic woodworking“ ausgegangen. Mit solchen dicken Dinger kann ich nicht dienen, obwohl bei dem Brunnen von Altscherbitz sicherlich einige Bäume mit einem Durchmesser von mehr als 90 cm verbaut sind, wahrscheinlich auch über einen Meter. Aber das ist genau eine der Frage die ich in der kommenden Wochen mit dem Dendrologe besprechen wollte. Hast du so etwas wie ein PDF von dem Aufsatz? Der Band ist kaum vorhanden in Bibliotheken und ich habe nur einen schlechten Fotokopie?

Auch ich bin eifrig dabei den Aufsatz für Hitzacker vorzubereiten. Das wird ein interessanter Band für Dechselfreunde.

Ich freue mich bereits über deinen Beitrag zu den Fällkerben, das ist natürlich genau was in der Literatur bislang noch fehlt!

@ Blattspitze/Leif/Fridolin: Es gibt da noch einen Aufsatz: Tillmann 1995: A. Tillmann, Altneolithischer Amphibolitabbau in der nördlichen Oberpfalz ? Ausgrabungen
und Funde aus Altbayern. Katalog des Gäubodenmuseums Straubing Nr. 24, Straubing 1995, 22-23. Habe das Stückchen vor langer Zeit mal gelesen, ich weiß nicht mehr ob es etwas brauchbares war.

Wenn möglich sollte der Amphibolit so feinkörnig wie möglich sein und so stark wie möglich Kontaktmetamorph. Das kommt dem Zeug aus Jistebsko am nahesten. Andererseits, die LBKler haben auch Basalt, Wetzschiefer, Diabastuff, Phtanit und Gott weiß was für Zeug verwendet. So lange es eine stabile Schneide hat ist es OK, nachschleifen wird wohl ohnehin notwendig.

Ich bin in der Runde sicherlich am nächsten an Jistebsko dran, es bleibt aber eine ziemliche Entfernung. Bei mir sieht es mit Zeit extrem schlecht aus und ich fürchte, dass auch im Isargebirge im Augenblick bereits eine geschlossene Schneedecke liegt. Ich werde mal versuchen über Kontakte in südliche Richtung etwas zu erreichen. Wenn jedoch jemand seriöse Absichten hat die Expedition zu unternehmen für dieses Experiment, die Koordinaten können bei mir über PM angefragt werden.

Bis dann, R.
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ulfr
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Beitrag von ulfr »

Zum Thema Steinmaterial noch einen Gedanken: Ich glaube, dass es für das Experiment zweitrangig ist, aus welchem Gestein die Klingen sind, denn zumindest mir geht es in erster Linie um die Behauspuren am Holz. Wichtig sind Schneiden- und Schäftungswinkel.

Natürlich ist es ein Unterschied, ob ich eine Klinge aus Knochen, Flint oder Diabas führe, aber die werkzeugtechnischen Eigenschaften - Elastizitätsmodul, Härte etc. - von Amphibolit/Aktinolith-Hornblendeschiefer und Diabas dürften sich nicht großartig unterscheiden.

Wenn allerdings Untersuchungen der Arbeitsspuren auf den Klingen anstehen, dann ist es in der Tat wichtig, möglichst authentisches Material zu verwenden.

Ich schreibe das deshalb, weil ich die Herstellung der Werkzeuge angeboten habe (zumindest eines großen Teils) und nicht sicher bin , ob ich bis zum Datum der Aktion Amphibolit beischaffen kann. Ich habe zwar noch einige kleine Kiesel im Keller (Geschenk aus der Schweiz, Alpenrhein), aber das Zeug hat leider die Härte von Blätterteig und verhält sich auch so.
Ich werde also auf Ostseestrandsteine ausweichen müssen, die ich mangels genauer Mineralienkenntnis als Grün- oder Blausteine bezeichne, es dürfte sich mehrheitlich um Diabase handeln, ein repräsentativer Querschnitt durch die im Norden verwendeten Gesteinsarten.
Ein bisschen Aphanit hab ich auch noch in einer Kiste gefunden.
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
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Blattspitze
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Beitrag von Blattspitze »

aber die werkzeugtechnischen Eigenschaften - Elastizitätsmodul, Härte etc. - von Amphibolit/Aktinolith-Hornblendeschiefer und Diabas dürften sich nicht großartig unterscheiden.

Das ist sehr spannend! Ich bin weitgehend kenntnisfrei hinsichtlich Bandkeramischer Rohmaterialien für Felsgesteinwerkzeuge und entsprechender Literatur, aber der Aktinolith-Hornblendeschiefer aus Jistebsko ist doch Europaweit genutzt worden? Man hat also großen Aufwand betrieben, genau dieses Material aus z.T. weitester Entfernung zu erhalten, Basalt u.a. wird ja z.T. als "Ersatzmaterial" benannt. Es muss also irgendwas dran sein, was es "besonders" macht. Entweder etwas konkret technisch vorteilhaftes (z.B. Zähigkeit, Bearbeitbarkeit, Schärfehaltigkeit, Nachschleifbarkeit, bestehende gute Kommunikations-/Handelswege), optisches ("Schönheit") oder "kultisches" (vom "Zauberberg"?) oder nur die Ideologie von etwas der vorgenannten?
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