Filzhut ?

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wagrier
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Filzhut ?

Beitrag von wagrier »

Ab welcher Zeit sind eigendlich Filzkopfbedeckungen bekannt ?
Ich habe vor einiger Zeit versucht mit Knochenfett (keine Seife)
zu Filzen. Dazu hatte ich Rinderknochen ausgekocht und den bräunlichen
Schaum abgeschöpft. Diese fettige Masse wurde dann in lauwarmen Wasser
aufgelöst und mit den Haaren von den Hochlandrindern vermischt. Es war
eine ziemliche " Schmiererei ", aber der Erfolg war gut. Die Haare
verfilzten wegen der guten Gleitfähigkeit recht ordentlich.
Hat jemand schon mal Ähnliches ausgetestet oder Hinweise darüber ?
Hier ist der Hut zu sehen, es ist kein Abbild von einem Fund.
http://steinharteknochenarbeit.magix.net/website#101
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ulfr
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Beitrag von ulfr »

Lüning nimmt Kopfbedeckungen - möglicherweise auch aus Filz - schon für die Bandkomik an, schreibt aber, dass Filz archäologisch erst viel später nachgewiesen ist - aber nicht, wann.
Lüning, J. (Hrsg.) 2005: Die Bandkeramiker. Erste Steinzeitbauern in Deutschland. Rahden/Westf.: VML. 232 f.
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
☪️oe✡️is✝️
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LS
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Beitrag von LS »

...weil das Scheren der Schafe erst im Endneolithikum fassbar ist. Schwer vorzustellen, dass vorher niemenad drauf gekommen sein soll, den Schafen den Pullover auszuziehen, aber es gibt wohl leider noch keinen archäologischen Nachweis, nicht mal ein Windelhöschen oder sowas.
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Chris
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Beitrag von Chris »

Dafür müssen Schafe ja auch erstmal Wolle haben - Wildschafe haben eher Haare, wie z.B. Ziegen und Kühe auch... Frühe Schafe mit Wollentwicklung sahen etwa so aus: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/c ... undy_1.jpg
Die muß man dann auch nicht scheren, sie verlieren im natürlichen Fellwechsel im Frühjahr ihr Winterfell, das man durch Aufsammeln oder auch durch Ausraufen der losen alten Haare ernten kann.
Scheren eine lebenden Tieres ohne Schere, also mit dem (Stein-)Messer, ist garnicht nötig :-) Erst bei späteren Textilfunden (regelhaft ab der Eisenzeit) haben die Wollhaare eindeutig abgetrennte Haarwurzeln, was auf eine richtige Schur hinweist.

Was ich mich aber generell frage - wozu hast Du nochmal die Wolle mit Knochenfett eingefettet??

Filzen tuen Haare ja nicht durch einfetten, sondern wie in Wikipedia schön formuliert: "In Kombination mit warmem Wasser und alkalischer Filzhilfe (z.B. Seife) stellen sich die Schuppen in der obersten Schuppenschicht der Haare (Cuticula) auf. Gleichzeitig durchgeführtes Walken bewirkt ein gegenseitiges Durchdringen der einzelnen Fasern. Die aufgestellten Schuppen verkeilen sich so stark ineinander, dass sie nicht mehr zu lösen sind."

Um Rohwolle zu verfilzen reicht es z.B. völlig, diese ohne vorheriges Entfetten (denn Wolle ist ja vom Lanolin, dem Wollwachs, schon fettig genug) mit heißer Aschelauge oder einer anderen alkalischen "Brühe" anzufeuchten.

Funktioniert großartig - riecht aber nicht unbedingt nach Rosen ;-)

P.S.: Cooler Hut :mammut2:
Me transmitte sursum, Caledoni!
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wagrier
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Beitrag von wagrier »

@ Alle:
Vielen Dank für die Hinweise.

Mich würde interessieren ob Filzen schon vor der Schafhaltung bekannt war und gegebenenfalls von welchen Tieren die Haar-Wolle stammte ?

Ich habe gehört das in Schleswig eine Kopfbedeckung ähnlich meiner
Fertigung ausgestellt sein soll, kennt jemand dieses Teil ?



@ Chris
Wie Schafwolle verfilzt wird ist mir bekannt, ich hatte mich wohl nicht richtig ausgedrückt.
Die Haare von den Rindern mit feinem Unterhaar vermischt sind recht
trocken und stumpf. Darum habe ich das Knochenfett benutzt, es
diente als "Gleitmittel" beim Walken.
Manu

Beitrag von Manu »

@wagier

Der Filzhut ist sehr gelungen, gratuliere.

Nachweise für Filzteile gibt es erst ab der BZ aber ich bin auch der Meinung, dass Haare von Tieren schon viel früher gefilzt wurden. Wenn man die "verlorenen" Haare der Tiere findet und in der feuchten warmen Hand knetet, verfilzt sie. Also diese Eigenschaft haben Menschen sicher schon sehr früh erkannt.
Leider leider, auch sehr zu meinem Bedauern, gibt es so viel ich gelernt habe keinerlei Nachweise und somit ist für mich das Filzen in der Jungsteinzeit "verboten".
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LS
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Beitrag von LS »

Hallo nochmal,
schöne Bilder auf Deiner Website...

Zu Deiner Frage: Da es Spinnwirtel seit der Bandkeramik gibt, besteht eigentlich Grund zur Vermutung, dass Tierhaare schon seit dem Frühneolithikum zu Fäden gesponnen und verwoben wurden. Alternativ kämen nur Pflanzenfasern in Betracht. Dass es - abgesehen von Fellkleidung - keinerlei Textilnachweise aus Tierhaaren vor dem Endneolithikum gibt, kann eigentlich nur an den bislang unzureichenden Grabungsmethoden liegen. Dazu wären sorgfältig genommene Bodenproben nötig, zum Beispiel im Umfeld von Kupferartefakten, deren Chemismus Wolle in Grabausstattungen erhalten kann. Ich bin sicher, dass das Potenzial zum Nachweis in vielen Fällen leichtfertig verbraten wurde.
Hier gibt es ein paar konkrete Quellen zum Thema:
http://de.wikipedia.org/wiki/Textilie#U ... lnachweise

Gruß L.
Claudia
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Beitrag von Claudia »

Ich sehe nicht, daß die Existenz von Spinnwirteln ein Beleg für das Verspinnen von Tierhaaren wäre. Da es ja durchaus verspinnbare Pflanzenfasern gibt und m.W. auch Flachsanbau nachweisbar ist, gibts da durchaus Material fürs Spinnen, auch ohne daß man sich Wolle herbeireden müßte. Sicher ist Wolle schon einige Zeit vor den ersten auf uns gekommenen Nachweisen versponnen worden, aber das einfach mal um ein paar Tausend Jahre zu erweitern ist mir doch zuviel.

Ich hab den Benecke nicht hier, aber soweit ich mich erinnere, läßt sich die gezielte Züchtung von Schafen für Wolle durchaus nachweisen, vor allem an Merkmalen wie Schlachtalter und geschlechtlicher Herdenzusammensetzung. Herden, die vor allem zur Wollerzeugung gehalten werden, enthalten viele (ältere) Hammel, die in Fleisch- bzw. Milchherden nicht vorkommen.
Eine Mischnutzung ging dem sicherlich voraus, aber auch dieser Zeitpunkt ist wesentlich später zu vermuten als in der Bandkeramik.
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LS
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Beitrag von LS »

Hallo Claudia,
seh ich auch so: die Spinnwirtel allein sind kein Beweis. Nur ist die Wahrscheinlichkeit wohl recht hoch, das Tierhaare schon genutzt wurden. Was liegt näher, als den geliebten, mühsam importierten Haustieren die Bekleidung abzuschauen, zumal ja das Spinnen bekannt war. Auch ohne Besitz der magischen Glaskugel würd ich mal behaupten, dass man in 20 Jahren Wollverwendung für die Bandkeramik und zeitgleiche Kulturen bewiesen haben wird. Wobei Wolle sich nicht auf Wollschafe beziehen muss, sondern eben auf Tierhaare. Weiter oben schreibt ja schon jemand, dass die auszupfbaren Haare einiger Arten viel leichter zu gewinnen waren.
Die von Dir angesprochene demographische Geschichte der Schafherden ist also nur ein Indiz für die Haltung von Wollschafen zur primären Wollgewinnung, aber nicht für die Nebennutzung von Tierhaaren.

Gruß L.
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wagrier
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Beitrag von wagrier »

Wenn ich da so an die Tierwelt denke, wie zB die Kleinsäuger oder Vögel, wie
kunstvoll die ihre Nester mit Haaren auspolstern, könnte ich mir schon
vorstellen, dass die frühen Menschen die Tierhaare ähnlich gebraucht haben.
Die feinen Unterhaare, zB vom Hund, eignen sich bestens. Sie Verfilzen recht
schnell, auch ohne grösserem Arbeitsaufwand.
Aber leider liegen keine entsprechenden archäologische Funde vor, schade.
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FlintSource
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Beitrag von FlintSource »

Hallo zusammen,
wir kennen bislang nur in einem Fall Kleidung aus tierischen Materialien aus dem (bereits sehr späten) Neolithikum und da war kein Spur von Wolle dran, obwohl eine dicke, warme gestrickte oder gefilzte Unterhose in der Höhe sicherlich nicht übertrieben gewesen wäre.

Der Herdenaufbau mit älteren Hammeln lässt sich auch dadurch erklären, dass es dabei um die Hörner ging, eine Wollnutzung lässt sich daraus meines Erachtens nicht unmittelbar erschließen.

Die Filzhüte von Lüning c.s. sind, wie nett auch, reine Spekulation. Wenn man mit den möglichen farblichen Streifen bei der Verzierung der Idole argumentiert, kann es sich dabei auch um Bahnen von unterschiedlich gefärbten Fellen handeln die aneinander genäht sind. Wozu gibt es anders in der Bandkeramik diese Unmenge an Ahlen und bislang noch keine Stricknadeln?
:strickdachs:

Für die Erhaltung von tierischen Fasern sind sehr saure (oder trocken/kalte) Bedingungen notwendig und bis wir die erste neolithische/bandkeramische Moorleiche finden, ich hoffe mit Leif es wird in den kommenden 20 Jahren noch geschehen, wird es wohl kaum möglich sein Wollverwendung vor den Metallzeiten (Korrosionserhaltung) direkt nachzuweisen.

Natürlich ist vorstellbar, dass bereits vor der ‚secondary products revolution’, wenn man den Begriff noch verwenden möchte, Wolle bzw. Haar verwendet wurde. Aber wenn man die Viecher ohnehin nur für den Schlacht hält, sind Felle bzw. Leder sicherlich keine Mangelware gewesen. Das gilt natürlich um so mehr für die älteren Steinzeiten. In der Zeit sind Hunde tatsächlich die einzigen Kandidaten für ‚menschenbegleitenden Haarlieferanten’. Übrigens lasst sich ausgezupftes Hundehaar gut verspinnen, wir brauchen also nicht den genetischen Nachweis vom ‚Wollhund’ abzuwarten. :wink:

Grüße,
Rengert
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wagrier
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Beitrag von wagrier »

Danke an alle nochmal für die Hinweise, nun bin ich wieder etwas schlauer.

Gruß Manfred
Thomas Trauner

Beitrag von Thomas Trauner »

Frage, Manu : Filz in der BZ ?
Kannst du einen Fundort oder nähere Angaben machen ?
Würde mich sehr freuen. Mein Wissensstand sagt immer noch, dass er früheste konkrete Nachweis bei den Skythen liegt.

Am Rande: Trotz allen Respekts vor Prof. Lünings toller Leistungen in Sachen LBK bin ich gegenüber seinen Rekonstruktionsprojekts in Sache Kleidung skeptisch.
Er geht, wohl analog und wohl richtigerweise von Pflanzenmaterial (Leinen) aus. Der Nachweis von Wolle bleibt für das Neol. immer noch schwierig.
Was mir aber Schwierigkeiten macht, ist seine Interpretation der LBK Figurinen.
Er überträgt die Linienverzierung auf die Kleidung und fordert auch für die Frauen Hosen, weil sie bei den Figurinen keine Röcke tragen.

Der Punkt ist aber, dass bei fast allen Figurinen die primären Geschlechtsmerkmale erkennbar sind, also nackte Menschen dargestellt sind. Die Linienverzierungen findet sich z.b. auch auf einer tönernen Schweinefigur.
Ich denke, das die Linien Verzierung bleiben und keinen Bezug zur Kleidung darstellen.
Ausnahme: Die männlichen Figurinen die auch Hütedarstellungen beinhalten. Da erkennt man Linien, die tatsächlich Oberkörperkleidung sein können.
Die Hüte selbst...: Heaven knows. Ich tippe da auf gekochtes Leder.

Th.
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LS
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Beitrag von LS »

Moin,
Thomas, bin ganz Deiner Meinung zu den Applikationen auf Lünings Leinenhosengang...
Einen ersten Hinweis auf Filz glaubte Mellaart bereits in Catalhöyük gefunden zu haben, siehe meine Updates bei den Urg. Textilresten (Link steht oben). In Asien soll schon sehr früh gefilzt worden sein. Leider sind meine Ferien seit gestern vorbei und ich muss die "Glasperlenspiele" vorerst beenden.

Gruß Leif
Claudia
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Beitrag von Claudia »

Ich komme erst jetzt zum Antworten, daher ist der Post von Leif schon ne Weile her:
LS hat geschrieben:Wobei Wolle sich nicht auf Wollschafe beziehen muss, sondern eben auf Tierhaare. Weiter oben schreibt ja schon jemand, dass die auszupfbaren Haare einiger Arten viel leichter zu gewinnen waren.
Wenn Du damit Chris' Post meinst, dann hast Du sie wohl mißverstanden. Dass die Schafe noch keine Wolle hatten, sondern Haarschafe waren, heißt, daß dieses Material eben nicht spinnbar war. Die Haare von Haarschafen sind 3-4 cm lang und absolut unspinnbar. Das hält einfach nicht.

FlintSource hat geschrieben: Der Herdenaufbau mit älteren Hammeln lässt sich auch dadurch erklären, dass es dabei um die Hörner ging, eine Wollnutzung lässt sich daraus meines Erachtens nicht unmittelbar erschließen.
Doch, und zwar anhand der Wollqualität-Eigenschaften:
Böcke haben die schlechteste Wolle, die zweitbeste haben weibliche Schafe und die allerbeste und feinste Wolle haben - Hammel!
Wie kommst Du auf die Idee mit den Hörnern? Schafhörner sind recht unregelmäßig und für Gefäße oder Kämme etc nicht wirklich zu gebrauchen. Ja, es gibt Hörner, die könnte man als Trinkgefäß gebrauchen, aber bei vielen nicht mal das. Und dafür diese extrem schlechte Relation zwischen Aufwand (jahrelange Aufzucht, statt zu schlachten, solange das Tier noch jung und lecker ist) und Ergebnis? Da glaub ich nicht dran und ich kenne auch keine Belege, die dafür sprächen. Größere Mengen an älteren Hammeln in einer Herde machen eigentlich nur Sinn, wenn man öfter als einmal am Lebensende was von ihnen hat, sprich, wenn man ihre Wolle haben will.
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