Durchlochte schmalhohe Dechselklingen
Moderatoren: Hans T., Nils B., Turms Kreutzfeldt, Chris, ulfr
- FlintSource
- Beiträge: 808
- Registriert: 16.08.2009 16:17
- Wohnort: Dresden
- Kontaktdaten:
Welch ein Aktivität an der Dechselfront hier im Forum, wie soll ich das alles noch mitbekommen?
Wenn ich mir die Abbildung im Artikel von Hartz et al so anschauen, scheint es sich tatsächlich um eine, nicht mal zu sehr abgenutzte, LBK-Dechselklinge zu handeln. Was aber auch deutlich wird, ist dass das Teil sehr undechselhaft nachgeschliffen wurde und anfängt eher wie ein Rössener Breitkeil auszusehen.
Mich hätte auch eine Abbildung von der Schleiffacette an der 'Unterseite' sehr interessiert. Ich gehe völlig konform mit Leif, dass es sich um ein recyceltes Gerät handelt, auch wenn es natürlich durchbohrte Schuhleistenkeile aus der späteren donauländischen Fasen handelt, mir sind jedoch nur post-LBK Exemplare (Stichband) bekannt, obwohl mir ein erstes Auftreten in der Spät-LBK überhaupt nicht wundern würde.
Um die Eingangsfrage noch zu beantworten: Ja, das hier ist die übliche Bohrung (also parallel zur Schneide) von durchlochten 'Schuhleistenkeilen', wenn man davon in diesem Zusammenhang noch sprechen kann.
@ Blattspitze: Weil du diesen Aufsatz mal wieder spontan aus dem Ärmel gezogen hast, kennst du etwas in dem diese auch (fast) stumpfwinklige Schäftung aus der (Ost?) See abgebildet ist? Wurde glaube ich unweit eines Walzenbeiles gefunden und ich würde das Ganze gerne noch mal nachlesen.
Wenn ich mir die Abbildung im Artikel von Hartz et al so anschauen, scheint es sich tatsächlich um eine, nicht mal zu sehr abgenutzte, LBK-Dechselklinge zu handeln. Was aber auch deutlich wird, ist dass das Teil sehr undechselhaft nachgeschliffen wurde und anfängt eher wie ein Rössener Breitkeil auszusehen.
Mich hätte auch eine Abbildung von der Schleiffacette an der 'Unterseite' sehr interessiert. Ich gehe völlig konform mit Leif, dass es sich um ein recyceltes Gerät handelt, auch wenn es natürlich durchbohrte Schuhleistenkeile aus der späteren donauländischen Fasen handelt, mir sind jedoch nur post-LBK Exemplare (Stichband) bekannt, obwohl mir ein erstes Auftreten in der Spät-LBK überhaupt nicht wundern würde.
Um die Eingangsfrage noch zu beantworten: Ja, das hier ist die übliche Bohrung (also parallel zur Schneide) von durchlochten 'Schuhleistenkeilen', wenn man davon in diesem Zusammenhang noch sprechen kann.
@ Blattspitze: Weil du diesen Aufsatz mal wieder spontan aus dem Ärmel gezogen hast, kennst du etwas in dem diese auch (fast) stumpfwinklige Schäftung aus der (Ost?) See abgebildet ist? Wurde glaube ich unweit eines Walzenbeiles gefunden und ich würde das Ganze gerne noch mal nachlesen.
- Blattspitze
- Beiträge: 2572
- Registriert: 17.11.2007 17:38
- Wohnort: Hamburg
Rengert, ich werde am Wochenende einen Artikel zu einem fast Stumpfwinkligen Knieholm von Olby Lyng einsammeln und kommende Woche einscannen und an Chris weiterleiten, weiteres habe ich, glaube ich zuhause nicht vorrätig. Aufgrund von Pökereinsätzen komme ich bis Weihnachten nicht an die Unibib, aber ich kümmere mich.
"Was an der Unverschämtheit des Heute
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
- FlintSource
- Beiträge: 808
- Registriert: 16.08.2009 16:17
- Wohnort: Dresden
- Kontaktdaten:
Re: Durchlochte schmalhohe Dechselklingen
Frisch eingetroffen: "Experimenteel onderzoek naar vroeg-neolithische brede wiggen als houtbewerkingsgereedschap"
Van de Lagemaat et al., Paleo-aktueel 2010 (Inhaltsverzeichnis: http://www.paleo-aktueel.nl/pa21.htm).
Bericht über die Benutzung zweier Repliken von Breitkeilen als Axt und Spaltkeil, beides nicht ganz unproblematisch. Die Keile wurden maschinell aus Diabas hergestellt mit konischer Bohrung, der Schaft war aus Weidenholz, anscheinend nur in das Loch gesteckt. Das Fällen einer Weide (auch wieder vom Kaliber 'Rebe' mit einem Durchmesser von 12 cm) war kein Problem. Beim Versuch eine Eiche zu Fällen (Durchmesser 30 cm) sind bei beiden Keilen die Spitzen abgebrochen, obwohl das Entfernen von Ästen mit einem Umfang von 3 bis 12 cm kein Problem war. So bald bei dem Stamm das Kernholz durchtrennt war (Bleistiftmethode) wurde es schwierig und es wurde anscheinend zu hart geschlagen.
Das Spalten von der frischen Weide war nicht möglich, deshalb wurde das Holz sechs Wochen getrocknet bis Rissen entstanden. Danach wurde versucht mit einem Holzhammer den Keil ins Holz zu treiben, was auch nicht gelang. Dann sind zuerst Holzkeilchen verwendet und wurde versucht die Initialspaltung mit dem Breitkeil und Holzhammer weiterzuführen, wobei wieder ein Stück der Spitze abbrach.
Zu letzt wurden Holzkeile mit der flache Seite des Keils ins Holz geschlagen, was gut funktionierte. Um dafür aber den Aufwand zu treiben einen Keil herzustellen und zu durchbohren scheint jedoch etwas übertrieben. Übrigens kein Wort über Probleme mit drehen vom Keil auf dem Stiel.
Die Schlussfolgerung der Autoren, dass Breitkeile gut geeignet sind für die Holzbearbeitung scheint mir auf Basis dieser Ergebnisse etwas voreilig. Vielleicht eine Idee für ein nächstes Experiment? Wer das Holländische halbwegs beherrscht und das Aufsätzchen selber lesen möchte meldet sich über PM.
Grüße,
Rengert
Van de Lagemaat et al., Paleo-aktueel 2010 (Inhaltsverzeichnis: http://www.paleo-aktueel.nl/pa21.htm).
Bericht über die Benutzung zweier Repliken von Breitkeilen als Axt und Spaltkeil, beides nicht ganz unproblematisch. Die Keile wurden maschinell aus Diabas hergestellt mit konischer Bohrung, der Schaft war aus Weidenholz, anscheinend nur in das Loch gesteckt. Das Fällen einer Weide (auch wieder vom Kaliber 'Rebe' mit einem Durchmesser von 12 cm) war kein Problem. Beim Versuch eine Eiche zu Fällen (Durchmesser 30 cm) sind bei beiden Keilen die Spitzen abgebrochen, obwohl das Entfernen von Ästen mit einem Umfang von 3 bis 12 cm kein Problem war. So bald bei dem Stamm das Kernholz durchtrennt war (Bleistiftmethode) wurde es schwierig und es wurde anscheinend zu hart geschlagen.
Das Spalten von der frischen Weide war nicht möglich, deshalb wurde das Holz sechs Wochen getrocknet bis Rissen entstanden. Danach wurde versucht mit einem Holzhammer den Keil ins Holz zu treiben, was auch nicht gelang. Dann sind zuerst Holzkeilchen verwendet und wurde versucht die Initialspaltung mit dem Breitkeil und Holzhammer weiterzuführen, wobei wieder ein Stück der Spitze abbrach.
Zu letzt wurden Holzkeile mit der flache Seite des Keils ins Holz geschlagen, was gut funktionierte. Um dafür aber den Aufwand zu treiben einen Keil herzustellen und zu durchbohren scheint jedoch etwas übertrieben. Übrigens kein Wort über Probleme mit drehen vom Keil auf dem Stiel.
Die Schlussfolgerung der Autoren, dass Breitkeile gut geeignet sind für die Holzbearbeitung scheint mir auf Basis dieser Ergebnisse etwas voreilig. Vielleicht eine Idee für ein nächstes Experiment? Wer das Holländische halbwegs beherrscht und das Aufsätzchen selber lesen möchte meldet sich über PM.
Grüße,
Rengert
Je größer der Dachschaden, desto schöner der Aufblick zum Himmel.
Karlheinz Deschner
Karlheinz Deschner
Re: Durchlochte schmalhohe Dechselklingen
Vielen Dank Rengert,
da kommt bei mir doch wieder die Frage auf, warum (wie ich den Eindruck habe) bei den gefundenen Dechsel-, Beil- und Axtklingen die Schneiden oft noch in Ordnung sind, während die Nacken gerade bei Dechselklingen oft Beschädigungen aufweisen und teilweise völlig zerrüttet sind.
Müssen wir eventuell wieder mal völlig umdenken, was die Verwendung der Klingen angeht? Aber eure Baumfällaktion mit Dechseln wird ja hoffentlich neue Erkenntnisse bringen. Auch was die noch unverstandenen stumpfwinkligen Schäftungen angeht.
Weil es nun besser geht noch Bilder eines Bruchstücks eines durchlochten "Schuhleistenkeils":
Viele Grüße
Sven
da kommt bei mir doch wieder die Frage auf, warum (wie ich den Eindruck habe) bei den gefundenen Dechsel-, Beil- und Axtklingen die Schneiden oft noch in Ordnung sind, während die Nacken gerade bei Dechselklingen oft Beschädigungen aufweisen und teilweise völlig zerrüttet sind.
Müssen wir eventuell wieder mal völlig umdenken, was die Verwendung der Klingen angeht? Aber eure Baumfällaktion mit Dechseln wird ja hoffentlich neue Erkenntnisse bringen. Auch was die noch unverstandenen stumpfwinkligen Schäftungen angeht.
Weil es nun besser geht noch Bilder eines Bruchstücks eines durchlochten "Schuhleistenkeils":
Viele Grüße
Sven
- Dateianhänge
-
- 3.jpg (105.52 KiB) 30277 mal betrachtet
Re: Durchlochte schmalhohe Dechselklingen
Zur Vermeidung der "Propeller"-Wirkung beim Einsatz der Keile als Beil/Axt erschiene mir eine Schäftung möglich, bei der der hinter dem runden "Haus" liegende Teil des Keils mit einer Wicklung gegen einen Astvorsprung des Schaftes fixiert wird, der über oder unter dem Durchgang des Schaftes durch das Bohrloch liegt. Gibt es Hinweise auf eine solche Schäftung?
Viele Grüße
Klemens
Viele Grüße
Klemens
Re: Durchlochte schmalhohe Dechselklingen
Ich glaube, dass diese Zerrüttungen und Beschädigungen nicht bei der Arbeit mit den Keilen entstanden sind, sondern dass es Überbleibsel der groben Vorbearbeitung sind, Zuschlagen und Picken der Rohform. Es gibt keinen wirklichen Grund, die Nackenpartie sorgfältig zu schleifen.enrohs hat geschrieben: während die Nacken gerade bei Dechselklingen oft Beschädigungen aufweisen und teilweise völlig zerrüttet sind.
Wir haben auch schon Keile (undurchlocht) probeweise als Spaltkeile verwendet, hatten aber nicht sehr viel Glück. Stein ist dafür imho viel zu spröde, ein falscher Schlag, und die ganze Arbeit ist dahin. Völlig unrealistisch ist imho ein Einsatz als Hammer, um Holzkeile einzutreiben, wie Rengert schon sagte.
Ich kündige jetzt schon mal für 2012 ein Experiment zu durchlochten Geräten an
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
oeis
Hubertus Meyer-Burckhardt
oeis
- FlintSource
- Beiträge: 808
- Registriert: 16.08.2009 16:17
- Wohnort: Dresden
- Kontaktdaten:
Re: Durchlochte schmalhohe Dechselklingen
Das glaube ich auch zu sehen. Die meisten "Beschädigungen" sind völlig gerundet und zeigen, dass sie überwiegend bereits vor der Schäftung/Benutzung vorhanden waren. Es gibt aber auch einige Exemplare, wo es sehr wahrscheinlich ist, dass die Beschädigung nachträglich stattfand. Wenn die Schäftung tatsächlich ein Widerlager aufwies, darf man nicht vergessen, dass die Kraft welche auf die Schneide wirkt ziemlich direkt auf den Nacken weitergeleitet wird.ulfr hat geschrieben:Ich glaube, dass diese Zerrüttungen und Beschädigungen nicht bei der Arbeit mit den Keilen entstanden sind, sondern dass es Überbleibsel der groben Vorbearbeitung sind, Zuschlagen und Picken der Rohform. Es gibt keinen wirklichen Grund, die Nackenpartie sorgfältig zu schleifen.
Auch nicht zu unterschätzen ist der Anteil an Klingen die nachträglich als Klopfstein verwendet wurde oder gar absichtlich zerstört sind.
Der erste Freiwillige meldet sich!ulfr hat geschrieben:Ich kündige jetzt schon mal für 2012 ein Experiment zu durchlochten Geräten an
Je größer der Dachschaden, desto schöner der Aufblick zum Himmel.
Karlheinz Deschner
Karlheinz Deschner
Re: Durchlochte schmalhohe Dechselklingen
Der Zweite schließt sich an
Wer nur zurück schaut, sieht nicht was auf ihn zu kommt
Uff pälzisch: wä blos zurigg guggt, sieht net was uff`ne zukummd
Uff pälzisch: wä blos zurigg guggt, sieht net was uff`ne zukummd
Re: Durchlochte schmalhohe Dechselklingen
Und ich dachte immer, daß gerade bandkeramische Dechselklingen in der Regel ordentlich geschliffen waren, auch wenn dies nicht zwingend erforderlich war. Daß deren Bruchstücke als Schlagsteine weiterverwendet wurden, kann ich bestätigen, das ist auch bei dem von mir oben gezeigten Stück zu sehen.
Hier aber mal ein Fund, bei dem der Nacken zertrümmert ist, was meiner Meinung nach nicht von der Schäftung kommen kann. Auch sind die Kanten nicht verrundet, was darauf deuten könnte, daß die Beschädigungen nach dem Schleifen entstanden sind. Das ist aber nur ein Beispiel dafür, wie ich zu meinem Eindruck komme. Ich will eure Meinung damit nicht in Frage stellen.
Viele Grüße
Sven
Hier aber mal ein Fund, bei dem der Nacken zertrümmert ist, was meiner Meinung nach nicht von der Schäftung kommen kann. Auch sind die Kanten nicht verrundet, was darauf deuten könnte, daß die Beschädigungen nach dem Schleifen entstanden sind. Das ist aber nur ein Beispiel dafür, wie ich zu meinem Eindruck komme. Ich will eure Meinung damit nicht in Frage stellen.
Viele Grüße
Sven
- Dateianhänge
-
- Flachhacke 1.jpg (87.98 KiB) 30239 mal betrachtet
Re: Durchlochte schmalhohe Dechselklingen
Nackenbeschädigungen durch heftiges Kloppen sind aber eher die Regel an Schuhleistenkeilen, würd ich sagen. Das kann freilich auch oft noch eine Nachnutzung späterer Leute sein, die die Dechsel gefunden und eher "unsensibel" weiterverwendet haben. Das Stichwort hatten wir ja schon bei durchlochten Keilen, wo eine sekundäre Durchlochung naheliegt.
Gruß L
Gruß L
Re: Durchlochte schmalhohe Dechselklingen
Ich habe wieder ein Bruchstück eines solchen vermutlich schneidenparallel durchlochten Keils in Nordwestsachsen auf einer bandkeramischen Fundstelle gefunden. Auch wenn das Thema lange nicht aktiv war, stelle ich diesen Fund hier mal noch vor. Eventuell gibt es ja inzwischen auch neue Erkenntnisse?
Ich gehe übrigens davon aus, daß es sich um die zerrüttete Nackenpartie handelt.
Viele Grüße
Sven
Ich gehe übrigens davon aus, daß es sich um die zerrüttete Nackenpartie handelt.
Viele Grüße
Sven
Re: Durchlochte schmalhohe Dechselklingen
Ich schieb das hier auch nochmal hoch.
Hat sich irgendjemand schonmal eingehender mit dem sekundär durchlochten Schuhleistenkeilen beschäftig? Gibt es da eine Zusammenstellung oder ähnliches?
Ich würde gern im März in Ergersheim so ein Teil an den Start bringen, weiß aber noch nicht ob ich das bis dahin schaffe.
Wer noch irgendwelche Infos zu dieser Thematik hat, bitte her damit.
Danke und Gruß,
Markus
Hat sich irgendjemand schonmal eingehender mit dem sekundär durchlochten Schuhleistenkeilen beschäftig? Gibt es da eine Zusammenstellung oder ähnliches?
Ich würde gern im März in Ergersheim so ein Teil an den Start bringen, weiß aber noch nicht ob ich das bis dahin schaffe.
Wer noch irgendwelche Infos zu dieser Thematik hat, bitte her damit.
Danke und Gruß,
Markus