Hornsteinbergbau
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Hornsteinbergbau
Den Hinweis erhielt ich gerade und find es spannend.
http://kups.ub.uni-koeln.de/4176/
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Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen
Re: Hornsteinbergbau
Ich war 2001 auf der Grabung und völlig fasziniert. Die Arbeit klingt spannend, werde mich in den nächsten Tagen damit beschäftigen.
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
oeis
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Re: Hornsteinbergbau
Oha. Da muss dann wohl unser Museummodell revidiert werden. Wir sind damals (ca 1995) noch von einem VZ-Job ausgegangen, regelmäßigem Abbau und regelmäßiger Verhandelung, sprich auch einer gewissen arbeitsteiligen Vorgehensweise. Da sollte von unserem Modell zumindest der "Händler" weg...
"Des is wia bei jeda Wissenschaft, am Schluß stellt sich dann heraus, daß alles ganz anders war."
Re: Hornsteinbergbau
Wahrscheinlich bin ich zu dödelich das pdf lesbar zu öffnen
kann mir da jemand helfen
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Wer nur zurück schaut, sieht nicht was auf ihn zu kommt
Uff pälzisch: wä blos zurigg guggt, sieht net was uff`ne zukummd
Uff pälzisch: wä blos zurigg guggt, sieht net was uff`ne zukummd
Re: Hornsteinbergbau
bei mir hat's ohne Probleme geklappt, Trebron.
Viele Grüße
Fridolin
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Re: Hornsteinbergbau
Hallo Hugo,
ich hatte deinen Thread noch nicht gesehen und daher noch einen neuen unter http://www.archaeoforum.de/viewtopic.php?f=18&t=4194 eröffnet. Die Arbeit ist mehr als lohnenswert, habe bereits kräftig herumgestöbert und viele gute Gedanken und Anregungen gefunden, auch wenn ich nicht in allen Fällen einverstanden bin.
Wenn es zu mehr Feuersteinvorkommen und -bergwerke solche Arbeiten gäbe (und das ist leider ein optativus irrealis), wäre die Welt ein besserer Ort. Übrigens nicht nur die Steinchen beachten, sondern auch die Ausführungen und Überlegungen zur Weitergabe (auch wenn es in der Arbeit als Tausch festgenagelt wird) und Arbeitsorganisation, teilweise ziemlich einmalig im deutschsprachigem Raum.
ich hatte deinen Thread noch nicht gesehen und daher noch einen neuen unter http://www.archaeoforum.de/viewtopic.php?f=18&t=4194 eröffnet. Die Arbeit ist mehr als lohnenswert, habe bereits kräftig herumgestöbert und viele gute Gedanken und Anregungen gefunden, auch wenn ich nicht in allen Fällen einverstanden bin.
Wenn es zu mehr Feuersteinvorkommen und -bergwerke solche Arbeiten gäbe (und das ist leider ein optativus irrealis), wäre die Welt ein besserer Ort. Übrigens nicht nur die Steinchen beachten, sondern auch die Ausführungen und Überlegungen zur Weitergabe (auch wenn es in der Arbeit als Tausch festgenagelt wird) und Arbeitsorganisation, teilweise ziemlich einmalig im deutschsprachigem Raum.
Je größer der Dachschaden, desto schöner der Aufblick zum Himmel.
Karlheinz Deschner
Karlheinz Deschner
Re: Hornsteinbergbau
Da muss ich natürlich sofort reagieren, weil Du mir aus der Seele sprichst. Mein Sujet vom heiligen Frühling, poetisch formuliert, in Realität das Hinausschmeissen der unerträglichen pubertierenden männlichen Jugend wird noch zu wenig aufgenommen, obwohl es dazu nicht nur in unseren Breiten sogar noch rezente Belege gibt. Aber, wie gesagt es ist genügend Lesestoff, der auch gelesen werden muss und wird und die Diskussion kann sich erweitern, jedenfalls eine wirklich positive Arbeit.
Für die Neupräsentation in Asparn schoss ich noch Photos vom Hornsteinbergbau in Wien Mauer und war schockiert, dass die Mountainbikerspur genau über eine Hornsteinader zieht. Daran können auch die ziemlich verblassten interpretativen Tafeln nichts ändern. Das war aber schon vor sieben Jahren.
Aber, wie gesagt, das Lesen wird dauern und ich freu mich schon drauf.
So nebenbei: ist Dirk Schimmelpfennig schon im Forum? Er würde gut passen.
Gruß
hugo
Für die Neupräsentation in Asparn schoss ich noch Photos vom Hornsteinbergbau in Wien Mauer und war schockiert, dass die Mountainbikerspur genau über eine Hornsteinader zieht. Daran können auch die ziemlich verblassten interpretativen Tafeln nichts ändern. Das war aber schon vor sieben Jahren.
Aber, wie gesagt, das Lesen wird dauern und ich freu mich schon drauf.
So nebenbei: ist Dirk Schimmelpfennig schon im Forum? Er würde gut passen.
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Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen
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Re: Hornsteinbergbau
Wenn es zu mehr Feuersteinvorkommen und -bergwerke solche Arbeiten gäbe (und das ist leider ein optativus irrealis), wäre die Welt ein besserer Ort
Das Forum verändert sich irgendwie...Mein Sujet vom heiligen Frühling, poetisch formuliert, in Realität das Hinausschmeissen der unerträglichen pubertierenden männlichen Jugend wird noch zu wenig aufgenommen
Aber zum Topic zurück:
Über 900 Seiten!!! Meine Zusammenfassung von Roth`s Zusammenfassung:
S.913:„Für die bei einem geplanten Bergbau logischerweise notwendigen Einmessungen benutzten die jungsteinzeitlichen Menschen vermutlich eine Maßeinheit, bei der es sich um ein Vielfaches von 0,207 m handelte“ S.914: „Der Bergbau des 43. Jhs. v. Chr. war eine saisonale Nebentätigkeit, die von kleinen (Verwandtschafts-)Gruppen neben ihrem gewöhnlichen bäuerlichen Wirtschaften durchgeführt wurde. Die einzelnen Gruppen besaßen Nutzungsrechte für bestimmte Areale, die vermutlich über Generationen vererbt wurden. Es gab weder vollkommen spezialisierte Bergleute, noch wies der Bergbau „industrielle“ Elemente auf.“S.915: „Ein Vergleich mit anderen gut erforschten jung- bis spätneolithischen Bergwerken (4400 v. Chr. bis 2800 v. Chr.) in Mittel- und Westeuropa ergab viele Ähnlichkeiten im Hinblick auf die Bergbauorganisation (Kap. 2.1.8.). In der Region von Zentralpolen bis zum Pariser Becken wurde Bergbau grundsätzlich auf ähnliche Weise durchgeführt. Man unterteilte die potentiell abbauwürdigen Flächen für die Nutzung. Kleinere Arbeitsgruppen, bei denen es sich wahrscheinlich um Verwandtschaftsgruppen handelte, betrieben dort über Generationen hinweg immer wieder saisonal Bergbau . …. Der Wert einer Hornsteinklinge entsprach in den Bergwerksanliegersiedlungen dem dreihundertsten Teil eines Arbeitstages (vgl. ZIMMERMANN 1995, 107) – also einer Petitesse.“ S.916: „Jedenfalls war nach den Werterelationen zwischen aufzuwendender Arbeitszeit und (Reproduktions-)Kosten in keinem Abschnitt der Jungsteinzeit in Verbindung mit Arnhofen eine Vollzeitspezialisierung als Bergmann oder Händler möglich. S.918: „Die Verarbeitung wurde auch in den Abnehmersiedlungen nicht von Vollzeitspezialisten durchgeführt (Kap. 3.2.5.1.). … Für das Altneolithikum (5250 v. Chr. bis 4950 v. Chr.) bietet sich bei der Verarbeitung (und der Weitergabe) folgendes Bild: Während der Bandkeramik gab es selbst in den Bergbau betreibenden Siedlungen keine Vollzeitspezialisierung bei der Hornsteinverarbeitung; Dritte besorgten sich den Hornstein im Tausch von Hand zu Hand, der ebenfalls nur eine Nebentätigkeit der jungsteinzeitlichen Bauern darstellte (zum Begriff vgl. Kap. 4.1.3.).“ S.919: „frühen Mittelneolithikums (4950 v. Chr. bis 4750 v.Chr.) …Der Anteil der Klopfer übertrifft den bandkeramischen aber nur um 50 % (Kap. 3.2.6.). Dies geht darauf zurück, dass jetzt vom Arnhofener Hornstein fast nur die Platten benutzt wurden. Sie machen 87 % des Arnhofener Hornsteins aus. Bei dieser Rohstückform sind wesentlich weniger Bearbeitungsschritte mit harter Schlagtechnik, also auch weniger Klopfer nötig. Arnhofener Plattenhornstein kann im Mittelneolithikum daher zu Recht als eine Ware bezeichnet werden (Kap. 3.2.1. und 3.2.2.); das ist ein Objekt, dessen bei weitem überwiegender Gebrauchswert für seine Erzeuger darin besteht, Tauschwert zu sein (MARX 1956, 100). Einige (natürliche) Eigenschaften des Plattenhornsteins unterstützen seine Eignung als Ware. Man kann die Anzahl der Klingen, die aus einer Platte gewonnen werden können, gut abschätzen. Auch wird bei Plattenkernen die Länge der abbaubaren Klingen nicht mit fortschreitender Kernzerlegung geringer (Kap. 3.2.5.). Zudem lassen sich Platten gut teilen und erlauben damit eine Stückelung und Vereinheitlichung der Ware entsprechend dem angebotenen Tauschgut. Schließlich ist bei Platten die Rohmaterialqualität besser abschätzbar als bei Knollen.“ S.920: „Vollzeitspezialisierte Steinschläger gab es in den Anliegersiedlungen nicht. Da Arnhofen zu dieser Zeit eines der größten derartigen Phänomene im prähistorischen Mitteleuropa darstellte, hat dieser Befund weitreichende Konsequenzen. Die Existenz von Vollzeitspezialisten bei der neolithischen Silexverarbeitung wird dadurch für das prähistorische Mitteleuropa und die Nachbargebiete äußerst unwahrscheinlich. Lediglich die Herstellung komplizierter Feuersteindolche am Ende der Jungsteinzeit erfolgte vielleicht durch spezialisiertere Steinschläger (vgl. APEL 2001; s. o. Kap. 4.4.).“ S.921: „Obwohl es sich beim Hornstein im Mittelneolithikum, dialektisch gesehen, um eine andere Art von Objekt handelte als im Altneolithikum (Ware anstatt Gut), wurden weiterhin Kerne und keine bzw. kaum (Halb-)Fertigprodukte weitergegeben (Kap. 3.2.2.; vgl. 4.3.2.). Die Weitergabe (und der Transport) zeigen also keine ‘Kostenoptimierung‘, und das spricht eindeutig gegen vollzeitspezialisierte Händler.“ … „Die Untersuchung der Silexartefakte ergibt für das (frühe) Mittelneolithikum folgendes Bild von Verarbeitung und Weitergabe: Wie schon während der Bandkeramik gab es auch während der Hochphase des Bergbaus zwischen 4950 v. Chr. und 4750 v. Chr. keine vollzeitspezialisierten Bergleute. Weder in der Umgebung des Bergwerks, noch in den weit entfernten Abnehmersiedlungen waren die Steinschläger Vollzeitspezialisten.“ S.922:„Obwohl die Weitergabe nicht mehr von Hand zu Hand erfolgte, gibt es keine Hinweise auf vollzeitspezialisierte Händler.“ S.928:“ Chronologische und interkulturelle Vergleiche im mitteleuropäischen Rahmen zeigen, dass der zielgerichtete Handel bereits in der Bandkeramik als Sonderfall existierte, im Mittelneolithikum aber zur vorherrschenden Art der Silexweitergabe wurde (Kap. 4.3.3.1.1.). Diese Weitergabeart erlaubte es, mit den Bedarfsveränderungen am Übergang vom Alt- zum Mittelneolithikum Schritt zu halten (Kap. 4.3.3.1.2.). Zugleich verlegte man sich damit aber auch auf ein fragileres und anfälligeres Weitergabesystem als der Hand-zu-Hand-Tausch darstellte (vgl. Kap. 4.1.3.). Nach sozialhistorischen Überlegungen ist eine Weitergabe mittels zielgerichteten Handels mit den sozioökonomischen Verhältnissen und Organisationsformen des Mittelneolithikums vereinbar (Kap. 4.3.3.1.2.). Die wohl wichtigste Ursache für die Veränderung der Weitergabeart war das Bevölkerungswachstum in der Region, die bereits in der Bandkeramik am stärksten von der Versorgung aus Arnhofen abhängig war: Niederbayern. Die Annahme, jungsteinzeitliche Silexgewinnung, -verarbeitung oder -weitergabe sei mit modernen oder sogar industriellen Zuständen vergleichbar, ist als wissenschaftlich unhaltbar zurückzuweisen.“ S.929: „Mit weiteren GIS-Operationen lassen sich daraus die konkreten Reisezeiten für Hornsteinabholer von einigen Beispielfundplätzen nach Arnhofen (und zurück) ableiten. Der maximal notwendige Zeitaufwand für die Bewohner der entferntesten Region lag bei etwa drei Wochen und war problemlos mit einem Leben als neolithischer Bauer vereinbar. Vergleiche mit anderen Versorgungssystemen zeigen überdies, dass direkte Fernkontakte in einer Größe von etwa 300 km im neolithischen Teilzeithandel Europas und des Vorderen Orients durchaus üblich waren. … In sgesamt war der Bergbau in Arnhofen im frühen Mittelneolithikum die wichtigste Silexgewinnungsstelle für die Versorgung des südlichen Mitteleuropa. Das Versorgungssystem war über viele Generationen hinweg stabil. Durch die Übernahme des Transportes versuchten die Hornsteinabnehmer dabei ihre Abhängigkeit in Grenzen zu halten. Im ethnohistorischen Vergleich mit anderen Weitergabesystemen liegt Arnhofen während des Mittelneolithikums bei allen Kennwerten in etwa im Durchschnitt – interkulturell gesehen ist es für steinzeitliche Maßstäbe “nichts besonderes“.
(Hervorhebungen von mir)
Sehr spannend, obwohl mir jegliche intime Kenntnisse der genutzten stat. Methoden und Visualisierungen abgehen („Quantil-Quantil-Plots“) klingt das alles überzeugend, irgendwie ...
Über die "Spezialisierung" von Steinschlägern gibt es ja interessante Meinungen. Während Apel und Callahan geheimnisvolle spätneol. Fischschwanzdolch-Meister mit viel tamtam auf den dänischen Inseln vermuten, sieht J. Pelegrin im jungpal. Solutreen "weise Alte" als Produzenten der größten Lorbeerblattspitzen und im neol. Grand Pressigny bei der Großklingenherstellung saisonale Spezialisten am Werk.
Hmm...
Ergibt sich denn nach heutiger Lehrmeinung später mit dem Erz- und Salzabbau in der Bronzezeit ein "industrieller" Abbau ("die metallzeitliche Revolution"?)?
"Was an der Unverschämtheit des Heute
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
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Re: Hornsteinbergbau
Das ist mir etwas zu schnell. Lass mir bitte etwas Zeit. Mein erster Zugang zum Hornsteinbergbau waren die Bestattungen in den Schächten von Wien-Mauer, das ebenso mittelneolithisch ist. Roths Arbeit will ich schon fairerweise ausführlich lesen, zumal der Ersteindruck schon positiv war. Mein Hinweis auf die Walz oder das Studentenwandern bezieht sich auf Weitergabe oder Verbreitung, weil mir das Handelsklischee einfach zu omnipräsent ist.
hugo
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Re: Hornsteinbergbau
Verzeih` mein Vorpreschen, ich habe bislang auch lediglich die Zusammenfassung gelesen.
Wenn ich auch noch Abschnitt 3.2.2 und 4.3.2 detailliert lesen muss, stellt sich die Frage, ob es bei Klingen überhaupt sinnvoll gewesen ist, diese als Grundformen statt als präp. Kern weiterzugeben wie hier impliziert (?) S.921:"Obwohl es sich beim Hornstein im Mittelneolithikum, dialektisch gesehen, um eine andere Art von Objekt handelte als im Altneolithikum (Ware anstatt Gut), wurden weiterhin Kerne und keine bzw. kaum (Halb-)Fertigprodukte weitergegeben (Kap. 3.2.2.; vgl. 4.3.2.)."
Wenn ich auch noch Abschnitt 3.2.2 und 4.3.2 detailliert lesen muss, stellt sich die Frage, ob es bei Klingen überhaupt sinnvoll gewesen ist, diese als Grundformen statt als präp. Kern weiterzugeben wie hier impliziert (?) S.921:"Obwohl es sich beim Hornstein im Mittelneolithikum, dialektisch gesehen, um eine andere Art von Objekt handelte als im Altneolithikum (Ware anstatt Gut), wurden weiterhin Kerne und keine bzw. kaum (Halb-)Fertigprodukte weitergegeben (Kap. 3.2.2.; vgl. 4.3.2.)."
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vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
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Re: Hornsteinbergbau
Ich bin nicht da, mit völlig anderen Sachen beschäftigt, das hier wird von Geisterhand geschrieben.
Ticker für Nicht-Steinefreaks: Übergang von Hand-zu-Hand-Weitergabe nach zielgerichteter Handel und Umschlag von Gut nach Ware zwischen Alt- und Mittelneo, jedoch bei durchgehender Nicht-Spezialisierung.
Genau das sind die Punkte womit ich, gefühlsmäßig, die größten Probleme habe, aber die Daten deuten tatsächlich darauf hin und die Argumentation ist gut.
Blattspitze: Statistiken muss man unbedingt kritisch hinterfragen, in den meisten Fällen wird irgendetwas in SPSS hineingefüttert, Hauptkomponente mit 50,1% Erklärungswert gezogen und fertig ist die Laube.
Was der Georg hier gemacht hat geht ziemlich weit darüber hinaus, aber mit dem Unterschied, dass er weiss (und versteht) was er da macht. Ich gebe zu, das Niveau ist extrem hoch, die Anwendungen Teilweise experimentell, die Bedingungen scheinen aber sehr stimmig und damit die Schlussfolgerungen valide. Auch die bekloppten 20.7 cm (ich schlage hiermit offiziell die Benennung als ‚Neolithic hand’ vor) sind ein nicht von vorne hinein postuliertes Maß, sondern ein Produkt der Analyse. Ob dies ein Zufallsprodukt ist muss sich jedoch noch zeigen, wir sind ja alle gewissermaßen geschädigt durch den 'Megalithic yard'.
Auch wenn ich in vielen Punkten sehr unterschiedlicher Meinung bin (Feuerstein kann kein 'commodity' sein, weil das Endprodukt irreversibel abhängig ist von derjenige der es weiterverarbeitet und zehn Restkerne, auch wenn sie das gleiche Gewicht haben, nicht vergleichbar sind mit drei präparierten Kernen oder einer Rohplatte. Zielgerichtete Handel kann nicht auftreten bei einem Gut (!) wie schlagbares Gestein das letztendlich doch relativ flächendeckend vorhanden ist, außer man formuliert einen unersetzbaren ‚heiligen’ Qualität für das Material aus Abensberg.) gebe ich leider zu, dass das von Georg Roth entwickelte Modell besser argumentiert und hinterfuttert ist und insgesamt beim jetzigen Forschungsstand ziemlich wasserdicht ist. Jetzt sollten wir mal versuchen das Modell zu demolieren und etwas schlüssigeres zu bauen, das wird aber mit Sicherheit mindestens die gleiche Menge an Arbeit und Seiten brauchen.
Andererseits freue ich mich sehr über die Quantifizierung einer Feuersteinklinge als eine 'Petitesse' statt 'Drei Klingen für eine Kuh' wie es für Abensberg auch mal postuliert wurde, aber dann ohne jegliche Datenbasis.
Insgesamt ein lesenswerter Meilenstein, entweder um dagegen zu treten oder um sich darauf aus zu ruhen.
Rengert
Ticker für Nicht-Steinefreaks: Übergang von Hand-zu-Hand-Weitergabe nach zielgerichteter Handel und Umschlag von Gut nach Ware zwischen Alt- und Mittelneo, jedoch bei durchgehender Nicht-Spezialisierung.
Genau das sind die Punkte womit ich, gefühlsmäßig, die größten Probleme habe, aber die Daten deuten tatsächlich darauf hin und die Argumentation ist gut.
Blattspitze: Statistiken muss man unbedingt kritisch hinterfragen, in den meisten Fällen wird irgendetwas in SPSS hineingefüttert, Hauptkomponente mit 50,1% Erklärungswert gezogen und fertig ist die Laube.
Was der Georg hier gemacht hat geht ziemlich weit darüber hinaus, aber mit dem Unterschied, dass er weiss (und versteht) was er da macht. Ich gebe zu, das Niveau ist extrem hoch, die Anwendungen Teilweise experimentell, die Bedingungen scheinen aber sehr stimmig und damit die Schlussfolgerungen valide. Auch die bekloppten 20.7 cm (ich schlage hiermit offiziell die Benennung als ‚Neolithic hand’ vor) sind ein nicht von vorne hinein postuliertes Maß, sondern ein Produkt der Analyse. Ob dies ein Zufallsprodukt ist muss sich jedoch noch zeigen, wir sind ja alle gewissermaßen geschädigt durch den 'Megalithic yard'.
Auch wenn ich in vielen Punkten sehr unterschiedlicher Meinung bin (Feuerstein kann kein 'commodity' sein, weil das Endprodukt irreversibel abhängig ist von derjenige der es weiterverarbeitet und zehn Restkerne, auch wenn sie das gleiche Gewicht haben, nicht vergleichbar sind mit drei präparierten Kernen oder einer Rohplatte. Zielgerichtete Handel kann nicht auftreten bei einem Gut (!) wie schlagbares Gestein das letztendlich doch relativ flächendeckend vorhanden ist, außer man formuliert einen unersetzbaren ‚heiligen’ Qualität für das Material aus Abensberg.) gebe ich leider zu, dass das von Georg Roth entwickelte Modell besser argumentiert und hinterfuttert ist und insgesamt beim jetzigen Forschungsstand ziemlich wasserdicht ist. Jetzt sollten wir mal versuchen das Modell zu demolieren und etwas schlüssigeres zu bauen, das wird aber mit Sicherheit mindestens die gleiche Menge an Arbeit und Seiten brauchen.
Andererseits freue ich mich sehr über die Quantifizierung einer Feuersteinklinge als eine 'Petitesse' statt 'Drei Klingen für eine Kuh' wie es für Abensberg auch mal postuliert wurde, aber dann ohne jegliche Datenbasis.
Insgesamt ein lesenswerter Meilenstein, entweder um dagegen zu treten oder um sich darauf aus zu ruhen.
Rengert
Je größer der Dachschaden, desto schöner der Aufblick zum Himmel.
Karlheinz Deschner
Karlheinz Deschner
Re: Hornsteinbergbau
Ich les mich grad ein, ich muss aber zugeben, dass ich als Nicht-studierter Vorgeschichtler, aber studierter Betriebswirtschaftler mit Grundkenntnissen der Soziologie und mehr als Grundkenntnissen von Statistik ein wenig Probleme habe, aus dem Datenmaterial Aussagen zu Handelsweisen zu gewinnen. Nicht falsch verstehen, ich nörgle nicht, ganz bestimmt nicht, ich finde das Ganze im allerhöchsten Masse interessant und fundiert, aber bei mir sitzen da einfach ein paar Sperren, mit denen ich zu kämpfen habe. Ich hab auch ein kleines Problem mit der Definition Ware und Gut.
H
H
"Des is wia bei jeda Wissenschaft, am Schluß stellt sich dann heraus, daß alles ganz anders war."
Re: Hornsteinbergbau
Hab mir die Arbeit ziemlich ausführlich zu Gemüte geführt. Den statistischen Methoden und ihrer Beurteilung muss ich vertrauen. Das ist auch für mich als Prähistoriker ein neuer Ansatz.
Dass für sackförmigen Abbau keine Spezialisten gebraucht werden, wie später für Stollenbau mit Zimmerung und Bewetterung (Mitterberg, Hallstatt) leuchtet ein. Die Hand- zu Handweitergabe ist so gut argumentiert, dass ich sie glauben muss. Außerdem wird für das Altneolithikum der "Fernhandel " nicht ganz ausgeschlossen.
Meine Annahme, dass die Endnutzer die jungen Männer als Teil der Initiation ausschickten, den Hornstein abzubauen und heimzubringen, kann ich damit vergessen. Mir gefiel das aus Nordamerika bekannte Besorgen des Pfeifentons durch die jungen Männer, die dabei tabuisiert waren, als Interpretationsmodell. Das führte zu Horizonterweiterung und der raschen Verbreitung von Innovationen.
Es ist aber nicht auszuschliessen, dass das Modell zumindest auf die Abholung zutrifft.
Den Wandel der Soziastruktur sehe ich, wie Pavuk schon in der Spätphase der Bandkeramik, also etwas früher als Roth.
hugo
Dass für sackförmigen Abbau keine Spezialisten gebraucht werden, wie später für Stollenbau mit Zimmerung und Bewetterung (Mitterberg, Hallstatt) leuchtet ein. Die Hand- zu Handweitergabe ist so gut argumentiert, dass ich sie glauben muss. Außerdem wird für das Altneolithikum der "Fernhandel " nicht ganz ausgeschlossen.
Meine Annahme, dass die Endnutzer die jungen Männer als Teil der Initiation ausschickten, den Hornstein abzubauen und heimzubringen, kann ich damit vergessen. Mir gefiel das aus Nordamerika bekannte Besorgen des Pfeifentons durch die jungen Männer, die dabei tabuisiert waren, als Interpretationsmodell. Das führte zu Horizonterweiterung und der raschen Verbreitung von Innovationen.
Es ist aber nicht auszuschliessen, dass das Modell zumindest auf die Abholung zutrifft.
Den Wandel der Soziastruktur sehe ich, wie Pavuk schon in der Spätphase der Bandkeramik, also etwas früher als Roth.
hugo
Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen
Re: Hornsteinbergbau
Der Vortrag von Joachim Pechtl über Stephansposching (seine Dissertation) in Wien zeigte mir, dass man noch dessen Publikation im Internet abwarten sollte, um einen Überblick zu erhalten und sich nochmals mit Arnhofen auseinander zu setzen. Joachim arbeitet ebenfalls soziologisch, zeigt vom Gäuboden ausgehend die erste bandkeramische Besiedlung der Region von Ungarn über einen nördlichen Bogen auf. Erst die zweite Phase folgt dann entlang der Donau von Oberösterreich aus. Das erinnert mich an Roths Modell von der Hand zu Handweitergabe, die vom "Handel" entlang der Flüsse abgelöst wurde. Eine Kolonisation kann aber schwerlich von Hand zu Hand erfolgen.
Das Rheinland ist für die Bandkeramik zwar am besten erforscht, kann aber als Randgebiet nicht mehr als Modell für die Gesamtverbreitung der LBK herangezogen werden, die regional sehr vielfältig ist. Trotzdem trifft auf Stephansposching das Hofplatzmodell zu. Auf Grund einiger Besonderheiten in der Architektur glaubt Joachim, soziale Netzwerke zu erkennen, was auch noch diskussionswert ist.
Die Grubenöfen interpretiert er wegen ihrer Seltenheit, als für besondere Zwecke z. B. Feste angelegt. Dem kann ich nicht ganz folgen, denn erstens sind daneben auch oberirdische Öfen möglich und zweitens sind im Osten, zu dem auch Asparn/Schletz orientiert ist, ausreichend Öfen für den täglichen Gebrauch vorhanden, in Schletz dreißig. Für die Haltbarkeit der Öfen ist regelmäßige Beheizung ein entscheidender Vorteil.
Ich hoffe, dass wir im Internet bald genauer nachlesen können. Derzeit gibt es nur kurze Exzerpte. Der Vortrag hat mich sehr beeindruckt, aber ich brauche es auch schriftlich.
hugo
Das Rheinland ist für die Bandkeramik zwar am besten erforscht, kann aber als Randgebiet nicht mehr als Modell für die Gesamtverbreitung der LBK herangezogen werden, die regional sehr vielfältig ist. Trotzdem trifft auf Stephansposching das Hofplatzmodell zu. Auf Grund einiger Besonderheiten in der Architektur glaubt Joachim, soziale Netzwerke zu erkennen, was auch noch diskussionswert ist.
Die Grubenöfen interpretiert er wegen ihrer Seltenheit, als für besondere Zwecke z. B. Feste angelegt. Dem kann ich nicht ganz folgen, denn erstens sind daneben auch oberirdische Öfen möglich und zweitens sind im Osten, zu dem auch Asparn/Schletz orientiert ist, ausreichend Öfen für den täglichen Gebrauch vorhanden, in Schletz dreißig. Für die Haltbarkeit der Öfen ist regelmäßige Beheizung ein entscheidender Vorteil.
Ich hoffe, dass wir im Internet bald genauer nachlesen können. Derzeit gibt es nur kurze Exzerpte. Der Vortrag hat mich sehr beeindruckt, aber ich brauche es auch schriftlich.
hugo
Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen
Re: Hornsteinbergbau
Übrigens wird der Arnhofener Hornsteinbergbau derzeit noch in einem DFG-Projekt unter Leitung des früheren Kelheimer Kreisarchäologen bearbeitet. Ich hatte mich schon gewundert, dass in der Roth'schen Arbeit kein Tafelteil mit Silexfunden existiert...
Viele Grüße
Fridolin
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Fridolin
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