Anhänger aus Elfenbein

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Mark77

Anhänger aus Elfenbein

Beitrag von Mark77 »

Hallo Leute,

die Kampagne 2012 für Vogelherd und Hohle Fels hat mir endlich mal Zeit gegeben an meinem Mammutelfenbein zu arbeiten.
Das das Material aus Sibirien schon recht hart ist und ich keine Säge dabei hatte, habe ich mich erstmal damit begnügt Doppel- und einfachdurchlochte Perlen herzustellen, die ich aus flachen Spänen (Dicke = <1,5 mm) gewonnen habe. Leider habe ich nur ein Bild von dem tropfenförmigen Anhänger

Bild

Eines Tages ist es mir gelungen mit 'ausgesplitterten Stücken' eine etwas dickere Platte (~ 3 mm) vom Hauptstück abzutrennen. Nun konnte ich endlich Rundstäbe - wenn auch sehr kleine - herstellen und Perlen in Serie erstellen.
Gearbeitet wurde alles mit selbst hergestellten Geräten aus baltischem Feuerstein. Zum Ausarbeiten der Rundungen und zum Abtrennen der Perlen vom Rundstab habe ich einen grobkörnigen quarzitischen Sandstein verwendet. Die Löcher wurden beidseitg angesetzt und mit Hilfe von Drills und Bohrern erstellt. Das Abtrennen des Rundstabes von der Platte wurde mit Hilfe von Klingenkanten durch Schaben eines Spaltes erzeugt. Die Herstellungsdauer einer flachen Perle beträgt 20 min, die Herstellung einer Perle aus einem Rundstab ähnlich lang.

Dazu nun die Bilder:

Rundstab
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Bild

Rundstab mit herausgearbeiteter doppeldurchlochter Perle
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Perlenrohling
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doppeldurchlochte Perle (8,5 x 3 mm)
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einfachdurchlochte Stabperle (5,5 x 1,5 mm)
Bild

Bilder von der einfach durchlochten Knebelperle folgen demnächst.

VIele Grüße
Markus
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ulfr
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Re: Anhänger aus Elfenbein

Beitrag von ulfr »

Schick!
Deine Herstellungszeit kann ich bestätigen, das würde bedeuten, dass allein für die 5.000 Perlen der Sungir-Bestattung ein Mensch ca. 200 Tage 8 Stunden lang gearbeitet hätte, wenn man die Zahlen so übertragen kann.

Ich hab letzte Woche mal wieder das Vogelherdpferdle geschnitzt, die komplette Herstellung wurde filmisch erfasst. Das Bild zeigt die verschiedenen Stadien, ist aber aus Teilen anderer Projekte zusammengesetzt, die Figur in der Mitte zeigt den Zustand am Ende des zweiten Tages. Mehr Bilder evtl. demnächst. Geschätzte Arbeitszeit (Umbau- und andere Pausen abgezogen) wie beim letzten Mal ca. 30 h. Das Rohstück war nicht wesentlich größer als das Endprodukt.
Dateianhänge
pferdle2_1.jpg
pferdle2_1.jpg (53.23 KiB) 28433 mal betrachtet
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Blattspitze
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Re: Anhänger aus Elfenbein

Beitrag von Blattspitze »

Wunderbare und interessante Sachen macht ihr da!

Bei Perlenproduktion muss ich immer an R. Whites`s "Massenproduktion" in einigen FOs denken.
Bild
Größer:
http://donsmaps.com/images12/castanetIMG_1289.jpg
FO: Abri Castanet(?)
Quelle: http://donsmaps.com/castanet.html#reference

Ulfr, wann und wo gibt`s den Film?

Man kann ja manchmal doch fast glauben, Angaben zu Herstellungszeiten seien ein relevantes Ergebnis archäologischer Experimente, es läßt sich halt so gut dokumentieren und messen ...
:mammut2:
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ulfr
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Re: Anhänger aus Elfenbein

Beitrag von ulfr »

Blattspitze hat geschrieben:Ulfr, wann und wo gibt`s den Film?
Darf ich noch nicht verraten ...
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
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LS
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Re: Anhänger aus Elfenbein

Beitrag von LS »

Ulfr, da ich auf dem oberen Zahnstück Calciumoxalat-Ausfällungen sehe, vermute ich es ist eines der eingeweichten Stücke, zumindest das oben liegende. (Erklärung zum Thema siehe hier downloadable...)
http://www.uf.uni-erlangen.de/publikati ... R_2010.pdf

Der Effekt ist natürlich nur da, wenn man es sukzessive einweicht und dann oberflächlich weiterschnitzt. Mit eingeweichten Rohstücken dürfte es m.E. aber dann doch schneller gehen. Ich habe jedenfalls am Vogelherdmammutle (Avatarbild) keine 30h geschnitzt. Weitere Probanden sind seit Juli am Werkeln, ich sammel dazu gerade etwa 10 verschiedene Erfahrungsberichte ein. Mark, wenn das von Interesse ist, dann melde Dich einfach mal.

Herzl Gr L
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ulfr
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Re: Anhänger aus Elfenbein

Beitrag von ulfr »

LS hat geschrieben: vermute ich es ist eines der eingeweichten Stücke, zumindest das oben liegende.
Nö, LS, das Einweichen überlasse ich Dir :mammut2: Ich habe fossilen Mammutstoßzahn verwendet und den Rohling entlang einer natürlich entstandenen Kluft von einem Block abgespalten, die Ausfällungen waren schon in der Kluft vorhanden wie bei fossilem Ebein üblich.
Interessant war beim Schnitzen oder besser Schaben der große Härteunterschied zwischen der äußersten Schicht (Zement) und der inneren (Dentin), die Trennlinie liegt genau im Körper des Pferdes.
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Manu

Re: Anhänger aus Elfenbein

Beitrag von Manu »

Hallo Mark,

sehr schön, viel schöne Arbeit :18:
Die Löcher wurden beidseitg angesetzt und mit Hilfe von Drills und Bohrern erstellt.
Hast du auch ein Bild von den Bohrern? Waren sie aus Feuerstein? Mich würde das Aussehen interessieren.

Danke Manu
Mark77

Re: Anhänger aus Elfenbein

Beitrag von Mark77 »

Hallo Leif,

ja, das würde mich sehr interessieren. Als ich meine erste Elfenbeinperle hergestellt habe - die war so 3 x 1,5 cm groß - hab ich sie auch immer sukzessive in Wasser eingeweicht. Allerdings war das Stück auch in Lack getränkt gewesen.

Hallo Manu,

die Bohrer und Drills sind aus baltischem Feuerstein hergestellt. Bilder kann ich nachliefern, k.P. Sie sind an Abschläge und/oder Klingen gearbeitet und eigentlich sogar Multibohrer, da ich immer wieder an neuen Spitzen/Kanten eine Bohrspitze rausgedrückt habe. Habe solche Stücke auch schon im Inventar vom Vogelherd gesehen.

Viele Grüße und danke fürs Interesse und die Links,
Markus
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LS
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Re: Anhänger aus Elfenbein

Beitrag von LS »

Hallo Mark,
das "Einweichen in Wasser" dürfte ein Placebo-Effekt sein. Schau doch mal in den oben verlinkten Artikel, wenns Dich interessiert.

Grüße, L.
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ulfr
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Re: Anhänger aus Elfenbein

Beitrag von ulfr »

@ Mark: Hab ich genauso gemacht, manche Klingen waren nach der Arbeit nur noch halb so lang.

@ LS: Seh ich nicht so. Sowohl beim Burschi als auch jetzt hab ich immer wieder zwischendurch kurz gewässert, das mache ich auch beim Bearbeiten von Knochen, es erleichtert die Arbeit, da nach meiner Erfahrung die äußerste Schicht - und nur die - durch das Wasser aufquillt und weicher wird, du wirst das auf den Aufnahmen deutlich sehen. Vor allem beim Raspeln, aber auch beim Schaben sieht man, wie nicht feine Späne und Mehl entsteht, sondern ein Brei aus aufgequollenem Abfall. Außerdem wird das Werkstück regelrecht klebrig in der Hand, wohl durch aufgeweichtes Collagen. Das Wässern schont außerdem das Werkzeug, der Druck muss nicht mehr ganz so stark sein und erzeugt daher auch weniger Abplatzungen an den Arbeitskanten.

*Der-mit-dem-Stichel-stanzt*
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Trebron
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Re: Anhänger aus Elfenbein

Beitrag von Trebron »

Manu hat geschrieben:Hallo Mark,

sehr schön, viel schöne Arbeit :18:
Die Löcher wurden beidseitg angesetzt und mit Hilfe von Drills und Bohrern erstellt.
Hast du auch ein Bild von den Bohrern? Waren sie aus Feuerstein? Mich würde das Aussehen interessieren.

Danke Manu

Mich auch, ganz brennend !!! ;.)

Btw, das "Pferdle" ist auch wunderbar ! auf den Film bin ich auch gespannt wie Flitzebogen :rhino:


:mammut2:
Wer nur zurück schaut, sieht nicht was auf ihn zu kommt
Uff pälzisch: wä blos zurigg guggt, sieht net was uff`ne zukummd
Manu

Re: Anhänger aus Elfenbein

Beitrag von Manu »

Bilder von den Bohrern wären wunderbar....der Durchmesser der Löcher scheint mir extrem gering. Wie hast du das mit der Perle gemacht (Längs durchbohrte Perlen) beim Bohren? Hattest du sie eingespannt?

:?
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LS
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Re: Anhänger aus Elfenbein

Beitrag von LS »

@Ulfr: d'accord, sofern Du es auch so meinst, wie im verlinkten Artikel auf S. 58 geschrieben. Ich wollte nur auf die Mär des echten Einweichens in Wasser hinweisen, da sich solche Legenden in der Archäologie lange zu halten pflegen. An Härteprüfmessungen werde ich auf Dauer nicht vorbeikommen, um die EInweichgeschichte mit bestimmten Substanzen plausibel zu machen. Ist in Arbeit...
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