Dechsel - Beitel

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wagrier
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Dechsel - Beitel

Beitrag von wagrier »

moin und hallo,
da ich es schon lange mal wissen wollte habe ich eine kleine Dechselklinge wie ein Beitel geschäftet. Die teilweise vorkommenden Minidechselklingen haben mich darauf gebracht, denn diese Minis können ja wohl nicht wie die großen Exemplare geschäftet worden sein.
Das die vielen kleinen Klingen kultisch oder schmückend gebraucht wurden kann ich mir nicht vorstellen.
Was meint Ihr dazu ?

LG Manfred

ps
hier eine Bastelarbeit von mir
http://steinharteknochenarbeit.magix.net/website#Beitel

bei der Linkseite auf Beitel klicken
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Blattspitze
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Re: Dechsel - Beitel

Beitrag von Blattspitze »

Sehr schön! Besonders auch die interessante Variante als Fällwerkzeug!
Dass das eine dauerhafte Lösung ist, hätte ich nicht gedacht, zumal die Bindung doch häufig rauhen Kontakt mit dem zu bearbeitenden Holz hat?
wagrier hat geschrieben:... Die teilweise vorkommenden Minidechselklingen haben mich darauf gebracht, denn diese Minis können ja wohl nicht wie die großen Exemplare geschäftet worden sein.
...
Aber auch kleinste Klingen könnten doch trotzdem "schnitzbeile" bewehrt haben?

Gibt es eigentlich nachgewiesene Beitelschäftungen aus den Seeufersiedlungen? Der Seeberger selig hatte doch auch Beitelklingen-Vorschläge in Geweih-Schäften?
"Was an der Unverschämtheit des Heute
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
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wagrier
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Re: Dechsel - Beitel

Beitrag von wagrier »

Blattspitze hat geschrieben:Sehr schön! Besonders auch die interessante Variante als Fällwerkzeug!
Dass das eine dauerhafte Lösung ist, hätte ich nicht gedacht, zumal die Bindung doch häufig rauhen Kontakt mit dem zu bearbeitenden Holz hat?
wagrier hat geschrieben:... Die teilweise vorkommenden Minidechselklingen haben mich darauf gebracht, denn diese Minis können ja wohl nicht wie die großen Exemplare geschäftet worden sein.
...
Aber auch kleinste Klingen könnten doch trotzdem "schnitzbeile" bewehrt haben?

Gibt es eigentlich nachgewiesene Beitelschäftungen aus den Seeufersiedlungen? Der Seeberger selig hatte doch auch Beitelklingen-Vorschläge in Geweih-Schäften?

wenn die Fällkerbe breit genug ist und der Winkel beim Arbeiten stimmt ist die Bindung kein Hinderniss. Mir kam die Beitelarbeit an der Kastanie recht einfach vor, es dauert sicherlich länger wie mit einem Beil oder Axt.
Die Beitelschläge und das Ansetzen vom Werkzeug ergeben aber zum Gegensatz der Beile ein gezielteres und genaueres Resultat.
Ich will ja nun nicht behaupten das in der Vorzeit die Bäume mit einem Beitel gefällt wurden, es soll nur ein Hinweis auf das Machbare sein.(es würde gehen)

Die Kleinstklingen von 30 mm Länge in einem Flügel oder Knieholm kann ich mir beim Arbeiten schlecht vorstellen.
1. die Schneide müsste zumindest 20 mm für die Fixierung Umwickelt sein und so würde
die Arbeitslänge der Schneide nur noch 10 mm betragen.
2. das Gewicht der Klinge ist doch zu gering (Schlaggewicht)
3. die Breite vom Schäftungsholz ist mehr als hinderlich
4. es könnte nicht in die Tiefe gearbeitet werden
5. sollte ein Zwischenfutter genommen werden, würde die Klinge auch mindestens
20 mm in dem Geweih stecken.

Es wäre schön wenn es so eine nachgewiesene Beitelschäftung geben würde, ich hoffe darauf.

HG Manfred
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ulfr
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Re: Dechsel - Beitel

Beitrag von ulfr »

wagrier hat geschrieben:Das die vielen kleinen Klingen kultisch oder schmückend gebraucht wurden kann ich mir nicht vorstellen.
Erstmal: schöne Arbeit, Wagrier. Aber zwei Anmerkungen hätte ich:

Kastanienholz ist ziemlich weich (ohne Deine Leistung schmälern zu wollen), in Eiche sieht das wohl anders aus?

Dass "Mini"-Werkzeuge durchaus und sehr gut zur Holzbearbeitung geeignet sind, konnten wir schon in Ergersheim feststellen, als wir mit den "Fön", einem Miniatur-Schuhleistenkeil, der mittels einer kombinierten Steck- und Bindeschäftung in einen Knieholm geschäftet war, Eichenbretter abgelängt haben.

Aus den Schweizer Seeufersiedlungen sind diverse Schäftungen bekannt, die kleine Klingen aufgenommen haben können, sowohl direkt aufgebunden, manchmal mit separatem oberen Zulegestück, als auch mit Geweihmuffe, das sind aber alles Winkelholme, und die Klingen waren oft aus Knochen. Nach oberflächlicher Sichtung der Bücher konnte ich einen Geweih"beitel"griff, wie Fritz ihn in seinem Buch abbildet, jedoch nicht entdecken. Vielleicht weiß der Kurt mehr?
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
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FlintSource
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Re: Dechsel - Beitel

Beitrag von FlintSource »

Hallo Wagrier,

Entschuldigung, dass ich erst jetzt reagiere, aber die Sache zwingt mich etwas ausführlicher zu schreiben und mir fehlt momentan an allen Ecken die Zeit. Schöne Arbeit und Du legst den Finger mal wieder in eine offene Wunde. Bei der Beschäftigung mit der Schäftung von Dechselklingen stellt sich immer wieder die Frage, ob es dann immer eine Knieschäftung sein muss.

Die Idee mit einer Beitelschäftung taucht hin und wieder mal auf, wie z.B. hier: Gechter-Jones, J., and D. Tomalak: Cleverer als man dachte: Die Dechselklinge, ein „Universalgerät“. Archäologie im Rheinland 2001 (2002): 176–178, teilweise wieder basiert auf einer älteren Publikation, Dohrn, Margarete: Überlegungen zur Verwendung bandkeramischer Dechsel aufgrund der Gebrauchsspuren, Fundberichten aus Hessen 19/20 (1980): 69–78. (bei Bedarf PM oder Mail, dann schicke ich Dir Scans).

Problem: Mir sind keine als Beitel geschäftete Steinklingen aus der europäischen Vorgeschichte bekannt. Ulfr nannte das Beispiel des „Föns“ bereits, wobei ein Miniaturschuhleistenkeil in einer verhältnismäßig schweren Schäftung gefasst wurde und sich beim Einsatz als höchsteffektiv herausstellte. Die Klinge, 1:1-Kopie nach einem Fund aus dem Brunnen von Altscherbitz, hat eine Länge von 55 mm, Breite 19 mm, Höhe 17 mm ragt nur 21 mm aus der Bindung heraus. Die Fehlende Masse der Klinge hat Ulfr kompensiert durch den Hammerartigen Kopf der Schäftung.

Bild

Foto von Trebron während Ergersheim 2012, mittlerweile ist die Lederbindung ausgetauscht für eine Rohhautbindung.

Ich muss jedoch zugeben, dass die teilweise schwierig leserlichen Schäftungsspuren an dem Originalfund durchaus auch von einer geraden Schäftung stammen könnte wie bei Gechter-Jones/Tomalak experimentell verwendet, das Prinzip ist zu 100% gleich wie beim „Fön“. Auch sind solche massive Schäftungen im archäologischen Fundgut eher unüblich

Ich habe neben dem fehlenden Nachweis von Beitel-Schäftungen noch ein, zugegebenermaßen schwaches, Argument: Wie bereits auch eindeutig auf einem Foto auf Deiner Website („re. ist die Maserung vom Kastanienholz sehr deutlich zu erkennen“) zu sehen ist, hinterlässt die Verwendung von Beiteln eigentlich immer leichte 'Stopp-Rillen'. Solche Spuren sind auf den bandkeramischen Hölzern die mit „Miniaturdechseln“ bearbeitet wurden nicht erkennbar. Ob sie nie vorhanden waren oder einfach nach 7000 Jahren aberodiert sind, bleibt dabei offen.

Was Seeberger angeht, der schrieb tatsächlich „Wie Funde aus Seeufersiedlungen zeigen, waren kleine Klingen in Griffen aus Geweih geschäftet“ (Seeberger, Friedrich. Steinzeit Selbst Erleben! 2nd ed. Stuttgart: Theiss, 2002., S. 13 „Stechbeitel“), aber leider ohne Literaturnachweis. Ich fürchte jedoch, dass es sich bei den von ihm postulierten Geräten um längliche Zwischenfutter aus Geweih handelt mit kleinen Klingen die sehr wohl als Beile verwendet wurden. Vgl. dazu Abb. 65-68 in Müller-Beck, Hansjürgen. Seeberg Burgäschisee-Süd 5: Holzgeräte Und Holzbearbeitung. Acta Bernensia 2. Bern: Stämpfli, 1965, wo genau solche Stücke wie Seeberger sie abbildet in Beilholmen stecken.

Zwischenbilanz: Als Beitel geschäftete Miniatur-Steinklingen sind vorstellbar und bewiesenermaßen auch einsatzfähig, aber vorgeschichtlich nicht nachgewiesen. Zudem gibt es Verwechslungsmöglichkeiten mit in Zwischenfuttern gefassten kleinen Beil- oder Dechselklingen. Das sollte zu Vorsicht mahnen. Ich denke, wir dürfen solche Geräte herstellen und verwenden (Ulfr, Ergersheim 2013?), sollten aber immer darauf hinweisen, dass der Nachweis, in Gegensatz zu Knochenbeiteln, nicht erbracht ist.

Wie üblich bei Deinen Arbeiten: Sauberes Handwerk und Danke für die intensive Anregung!
Rengert
Je größer der Dachschaden, desto schöner der Aufblick zum Himmel.
Karlheinz Deschner
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