Neolithische Hasen?

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Manu

Neolithische Hasen?

Beitrag von Manu »

Also, mal eine tierische Frage: Ein Förster hat mir gesagt, dass es in der Jungsteinzeit noch keine Feldhasen gab. Kann das jemand bestätigen? Er meinte, dass Hasen Steppentiere sind und erst viel später, als die Urwälder gerodet waren, hier in Süddeutschland nachgewiesen sind. Es gibt aber wohl archäologische Nachweise für Schneehasen?? Was ist denn der Unterschied ?? :5:

Kennt sich damit jemand aus? :baer:
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ulfr
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Re: Neolithische Hasen?

Beitrag von ulfr »

Der Hase ist z.B. nachgewiesen aus dem Geißenklösterle, AH IIb, also Aurignacien (Hahn, J. 1988: Das Geißenkösterle I) Hahn differenziert aber nicht zwischen Feldhase und Schneehase, wobei es in der Eiszeit sicher der letztere gewesen sein dürfte.
Ebenfalls aus dem Aachtal stammen Hasenknochen aus der Brillenhöhle, aus den Schichten IV-XII und XIV-XVI, insgesamt 944 von mind. 60 Tieren (Riek, G. 1973: Das Paläolithikum der Brillenhöhle bei Blaubeuren, Teil II, 11f.). Riek stellt zunächst

"die Frage, zu welcher Hasenart die Reste gehören. Es kommen der Feldhase, Lepus europaeus, und der Schneehase, Lepus timidus in Betracht [...] Der Schneehase, ist ein an Kälte adaptiertes Tier, das in Wäldern, Mooren und Gebirgen bis über die Waldgrenze hinaus vorkommt. [...] Der Feldhase, ein wärmeliebendes Tier, ist in den Funden der Brillenhöhle [...] an sich gar nicht zu erwarten. Auch in anderen eiszeitlichen Faunen wurde er nicht nachgewiesen. Er erscheint erst in der Nacheiszeit, als das Klima wärmer geworden war, und erst in der späten vor- und der frühgeschichtlichen Zeit, als die Rodung fortschritt."

Also 1 Punkt für Deinen Förster ...

Gestaltunterschiede zwischen Feld- und Schneehase an den einzelnen Extremitätenknochen gibt es - laut Riek - nicht. Zuverlässige Unterscheidungsmerkmale gibt es nur an den Schneidezähnen und am vorderen Prämolaren.

Nachgeweisen ist dann in der Brille noch der Pfeifhase Ochotona pusilla.
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Manu

Re: Neolithische Hasen?

Beitrag von Manu »

Danke ulfr, aber was solls, ein Dachs ist sowiso fetter...und das Fell eines Hasen, naja... :strickdachs:

Werde ich also zukünftig die Hasenjagd mit den Kindern sein lassen. :3:
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Kurt A.
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Re: Neolithische Hasen?

Beitrag von Kurt A. »

Nun, interessanterweise sind mir tatsächlich keine Hasenknochen aus Feuchtbodensiedlungen bekannt (oder kennt jemand sonst im Forum irgendwelche neolithischen Belege???). Ich habe dafür vorläufig nur zwei Erklärungen:

Entweder gab es damals keine Hasen oder dann war es nicht üblich/nicht erlaubt (Tabu?), Hasen zu erlegen und zu essen??

Ich kann mir auf jeden Fall gut vorstellen, dass ökologische Gründe für das Fehlen von Hasen in den Seeufersiedlungen verantwortlich sind...
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ulfr
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Re: Neolithische Hasen?

Beitrag von ulfr »

Einen Hinweis habe ich gefunden (vielleicht hast Du das Buch ja, Kurt ...):

Jacomet, S. e.a. 2004: Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon/Bleiche 3. Umwelt und Wirtschaft. Archäologie im Thurgau 12, S. 163.

Die Autorinnen schreiben:

"Nicht im Wildtierspektrum von Arbon Bleiche 3 vorhanden, aber teilweise in anderen neolithischen Stationen der Schweiz nachgewiesen (Schibler und Hüster Plogmann 1995), sind Luchs, Hase und Elch. [...] Der Hase tritt in neolithischem Fundmaterial ebenfalls nur selten auf, erst ab dem 28. Jhd. v. Chr. wird er häufiger (Schibler und Hüster Plogmann 1995, 79), was mit der Öffnung der Landschaft zuammenhängen dürfte."

Weiter auf S. 244:

"[...] So tritt z.B. im Raum Zürich im Endneolithikum der Feldhase, der als ursprüngliches Steppentier offenes Gelände bevorzugt, mit höherer Stetigkeit unter den Wildtierknochen auf (Schibler und Hüster Plogmann 1995, 79-81): Das kann mit der Öffnung der Landschaft als Folge einer langen Siedlungs- und Kulturlandnutzung in Zusammenhang gebracht werden (Schibler und Steppan 1998). Im Gebiet von Arbon Bleiche 3 waren diese naturräumlichen Voraussetzungen um 3400 v.Chr. für ein häufigeres Auftreten des Hasen offensichtlich noch nicht gegeben."

Die zitierte Literatur:
Schibler und Hüster Plogmann 1995: Die neolithische Wildtierfauna und ihr Ausagegehalt betreffend Umwelt und Umweltveränderungen. In: Stöckli, W.E. e.a. (Hrsg.) SPM II, Neolithikum. Basel, 76-83

Kannst also wohl doch mit den Kindern Hasen jagen, aber nur an zwei oder drei Tagen im Jahr :18:
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Kurt A.
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Re: Neolithische Hasen?

Beitrag von Kurt A. »

Danke Wulf, wieder was gelernt! Ich hätte mir ja denken können, dass wer Frösche, Vögel und Schildkröten verspeist, auch keine Tabus bei Hasen kennt :D
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Manu

Re: Neolithische Hasen?

Beitrag von Manu »

:18:

Es gibt ein indianisches Sprichwort, das lautet: "Wer Hasen jagd, kann glatt verhungern"
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hugo
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Re: Neolithische Hasen?

Beitrag von hugo »

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