"Graben für Germanien"
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Re: "Graben für Germanien"
Hugo, überschätz mal nicht unser Alter und unseren Laienstatus (im ursprünglichen Sinne). Selbst ich hatte zwar als junger Mensch natürlich Kontakt zu Menschen, die noch 1975 stolz ihre Geschichten zur Partisanenjagd erzählten und es danach zu wohlbestallten Stützen der Gesellschaft brachten.
Als ich aber "zum Fach" fand, waren diese Gespenster allesamt schon nach Walhalla einberufen worden. Unmittelbar habe ich nur bei Fundakten und/oder Publikationen damaliger und späterer Mitglieder des Trägervereins mitunter einen Bezug fest. Erst letzthin zB eine 1938er Publikation zu La-Tene-zeitlichen Höhensiedlungen. Auffällig ist, dass zumindest in meinem "Kontaktbereich" mir (bislang?) keine Germanisierung nicht-germanischer Funde und Befunde auffiel. Irgendwie bereinigt wurde da nach 45 auch nix, ich spreche ja von den Originaldrucken oder Fundakten. Was nicht heissen soll, das unser Laden ein Hort urdemokratischer Überzeugungen gewesen sei. Allerdings ist im Einzelfall schwierig nachzuvollziehen, ob die Blut-und-Boden-Fans und echte mörderische Nazis (Stichwort SS-Karstgruppe) einfach Zugang zu den Beständen haben wollten oder ob sie aus der "Mitte des Vereins" stammten. Natürlich, wie immer, gabs beides. Gleichwohl mussten keine Bestände, Publikationen etc entnazifiert werden. Ausserhalb der Archäologie könnte man nóch vermuten, dass die "Völkerkunde" gewisse Anfälligkeiten hätte haben können, aber die waren dermassen in ihrem imperialen Bild festgegipst, ich glaube, die haben weder den Januar 33 noch den Mai 45 wirklich wahrgenommen. Wir wir ja wissen, ist die "Völkerkunde" ja erst spät in den 1970ern entrasst worden, manche Museen haben ihre Rassesäle recht spät geschlossen (nicht wahr, Herr Hofrat... ?) und ich möchte nicht wissen, ob der Neger an sich nicht noch in den hintersten Ecken des Magazins noch so seine Existenz fristet.
H
Als ich aber "zum Fach" fand, waren diese Gespenster allesamt schon nach Walhalla einberufen worden. Unmittelbar habe ich nur bei Fundakten und/oder Publikationen damaliger und späterer Mitglieder des Trägervereins mitunter einen Bezug fest. Erst letzthin zB eine 1938er Publikation zu La-Tene-zeitlichen Höhensiedlungen. Auffällig ist, dass zumindest in meinem "Kontaktbereich" mir (bislang?) keine Germanisierung nicht-germanischer Funde und Befunde auffiel. Irgendwie bereinigt wurde da nach 45 auch nix, ich spreche ja von den Originaldrucken oder Fundakten. Was nicht heissen soll, das unser Laden ein Hort urdemokratischer Überzeugungen gewesen sei. Allerdings ist im Einzelfall schwierig nachzuvollziehen, ob die Blut-und-Boden-Fans und echte mörderische Nazis (Stichwort SS-Karstgruppe) einfach Zugang zu den Beständen haben wollten oder ob sie aus der "Mitte des Vereins" stammten. Natürlich, wie immer, gabs beides. Gleichwohl mussten keine Bestände, Publikationen etc entnazifiert werden. Ausserhalb der Archäologie könnte man nóch vermuten, dass die "Völkerkunde" gewisse Anfälligkeiten hätte haben können, aber die waren dermassen in ihrem imperialen Bild festgegipst, ich glaube, die haben weder den Januar 33 noch den Mai 45 wirklich wahrgenommen. Wir wir ja wissen, ist die "Völkerkunde" ja erst spät in den 1970ern entrasst worden, manche Museen haben ihre Rassesäle recht spät geschlossen (nicht wahr, Herr Hofrat... ?) und ich möchte nicht wissen, ob der Neger an sich nicht noch in den hintersten Ecken des Magazins noch so seine Existenz fristet.
H
"Des is wia bei jeda Wissenschaft, am Schluß stellt sich dann heraus, daß alles ganz anders war."
Re: "Graben für Germanien"
Hans, manchmal vergess ich, dass ich wahrscheinlich der Älteste in der Runde bin. In der Völkerkunde wurde noch in den 60igerjahren nicht nur von Altnazis sondern auch von Vertretern der Schule von St. Gabriel die Rassenkunde von Eickstedt zitiert. 1968 versuchte Hans Peter Duerr als Student frischen Wind einzubringen, scheiterte aber am Oberassistenten, einem ehemaligen Jesuiten. Der Rassensaal im NhM-Wien wurde überhaupt erst 1978 eröffnet. http://de.wikipedia.org/wiki/Rassensaal Eine neue Dauerausstellung gibt es seit Jänner. Ich muss sie mir erst ansehen. http://www.nhm-wien.ac.at/ausstellung/d ... nevolution In der Volkskunde hatte man noch viele Jahre den Eindruck, dass es kein 1945 gegeben hätte.
In Asparn war die Anthrpologie mehr auf die Evolution ausgerichtet. Die drei "Großrassen" kamen in der Hampelausstellung aber noch vor. Für mich war das ein Grund, den Saal häufig für Sonderausstellungen zu nutzen.
In Asparn war die Anthrpologie mehr auf die Evolution ausgerichtet. Die drei "Großrassen" kamen in der Hampelausstellung aber noch vor. Für mich war das ein Grund, den Saal häufig für Sonderausstellungen zu nutzen.
Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen
Re: "Graben für Germanien"
Ich bin Jahrgang 1969 und darf da eigentlich garnicht mitmachen, oder?
In der aktuellen AiD gibt es eine Aufsatz zur Ausstellung - und mein Katalog ist immer noch nicht da ......
In der aktuellen AiD gibt es eine Aufsatz zur Ausstellung - und mein Katalog ist immer noch nicht da ......
Re: "Graben für Germanien"
Sylvia es ist Dein thread. Deine Generation weiss wahrscheinlich mehr über die Nazizeit als meine. Die diesbezüglichen Aufklärungsversuche an uns pubertierenden kriegsbedingten Halbwaisen mit dem Hinweis auf die elterliche Verbrechergeneration und unsere Mitverantwortung gingen ziemlich daneben. Österreich suhlte sich noch lange in der Opferrolle. Erst nach der Wahl Waldheims zum Präsidenten wurde diese Rolle hinterfragt.
Da ich noch mit der "messenden" Anthropologie aufgewachsen bin fällt es mir schwer, sie ganz zu verabschieden. Auch sehe ich nicht, was an der Alters- und Geschlechtdiagnose diskriminierend sein soll, wie es von unserer Politik festgestellt wurde. Die Typologisierung von Menschen darf zwar nicht mehr durch Skelettdiagnostik vorgenommen werden, hält aber unter anderem Namen mit Genetik und Spurenelementanalyse wieder Einzug. Ansätze zu einer neuen Form des Rassismus werden darin schon erkennbar.
Da ich noch mit der "messenden" Anthropologie aufgewachsen bin fällt es mir schwer, sie ganz zu verabschieden. Auch sehe ich nicht, was an der Alters- und Geschlechtdiagnose diskriminierend sein soll, wie es von unserer Politik festgestellt wurde. Die Typologisierung von Menschen darf zwar nicht mehr durch Skelettdiagnostik vorgenommen werden, hält aber unter anderem Namen mit Genetik und Spurenelementanalyse wieder Einzug. Ansätze zu einer neuen Form des Rassismus werden darin schon erkennbar.
Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen
Re: "Graben für Germanien"
Hugo, dein vorletzter Beitrag lässt erkennen, was für mich eigentlich der Kernpunkt meiner Kritik an der "Graben-für-Germanien"- Austellung ist (vorbehaltlich, ich bekomme endlich auch den Katalog). Primär geht mir natürlich die Betroffenheitskeule auf den Geist. Sekundär erkenne ich wiedermal deutlich, wie die Erregungsmaschinerie laufen kann, Medienaufmerksamkeit inklusive. Da könnte man zwar jetzt auf den falschen Trichter kommen, was meine persönliche Orientierung anbelangt, aber genau das ist ja passiert: Zack zack ist der Leiter von Gottdorf und Haithabu in einen Sack gesteckt worden, wo er nicht hin gehört. Soweit meine persönliche Befindlichkeit.
Sachlich sehe ich, dass (Katalog wieder vorbehalten) die Nazi-Zeit als ein Abschnitt gewählt wurde, bei dem sich die Archäologen bereitwillig auf den Rücken legten und verquasten Nazi-Zielen nacheiferten.
Fakt ist eher, dass die Nazis diesen ganzen völkischen und rassistischen Mist weder erfunden noch irgendwie "vorwärts" gebracht haben, sondern lange zurückreichende Traditionen aufgegriffen haben. Als wenn nationalistische, völkische und rassistische "Wissenschafts"-Ansätze 1933 was Neues gewesen wären. Die Nazis haben das "nur" umgesetzt und dank der Macht-und Staatsstrukturen plus sehr indivueller Interessen des Reichs-Heinis zur vollen Blüte gebracht.
Diese Pseudowissenschaft und dieser Missbrauch einer Geisteswissenschaft hat aber weder 33 begonnen und schon gar nicht 45 aufgehört. Das ist der Punkt. Man gibt mit dieser Beschränkung allenfalls wieder Argumenten Vorschub, dass am 8. Mai 45 alles wieder in Butter war und es doch die bösen Nazis waren, die den Unfug machten. Ha, von wegen.
Missbrauchte Archäologie und deren willigen Helfer....seit 1870 bis heute.
(Grabungen in Jerusalem....Neopaganismus....christliche Archäologie....alles wertfrei... )
Sachlich sehe ich, dass (Katalog wieder vorbehalten) die Nazi-Zeit als ein Abschnitt gewählt wurde, bei dem sich die Archäologen bereitwillig auf den Rücken legten und verquasten Nazi-Zielen nacheiferten.
Fakt ist eher, dass die Nazis diesen ganzen völkischen und rassistischen Mist weder erfunden noch irgendwie "vorwärts" gebracht haben, sondern lange zurückreichende Traditionen aufgegriffen haben. Als wenn nationalistische, völkische und rassistische "Wissenschafts"-Ansätze 1933 was Neues gewesen wären. Die Nazis haben das "nur" umgesetzt und dank der Macht-und Staatsstrukturen plus sehr indivueller Interessen des Reichs-Heinis zur vollen Blüte gebracht.
Diese Pseudowissenschaft und dieser Missbrauch einer Geisteswissenschaft hat aber weder 33 begonnen und schon gar nicht 45 aufgehört. Das ist der Punkt. Man gibt mit dieser Beschränkung allenfalls wieder Argumenten Vorschub, dass am 8. Mai 45 alles wieder in Butter war und es doch die bösen Nazis waren, die den Unfug machten. Ha, von wegen.
Missbrauchte Archäologie und deren willigen Helfer....seit 1870 bis heute.
(Grabungen in Jerusalem....Neopaganismus....christliche Archäologie....alles wertfrei... )
"Des is wia bei jeda Wissenschaft, am Schluß stellt sich dann heraus, daß alles ganz anders war."
Re: "Graben für Germanien"
Hugo, ich habe mich mit einigen Teilaspekten sehr intensiv auseinandergesetzt. Aber richtig gepackt hat mich da 20. Jahr. erst in den letzten Jahren durch das Studium.
Hans, es ist schwierig.
Solange sich irgendeine These schon früher findet, ist das ganze scheinbar völlig ungefährlich. Etwas Eigenständiges ist nicht greifbar. Den Unterschied macht die staatliche Macht hinter den Inhalten.
Ein paar Schlaglichter gibt es schon:
- Das Licht aus dem Norden
- Die Kulturhöhe der Germanen
- Die rassebedingte und überlegene Erscheinungsform von Kunst und Kultur
- Die blutbedingte Kontinuität des Volkscharakters
Wenn man sich die gelebte Anschlußfährigkeit dieser Thesen ansieht, landet man in sehr einschlägigen Kreisen. Ich werde hier aus keine Links einstellen, aber was so bei der Recherche abfällt entsetzt mich persönlich schon.
Hans, es ist schwierig.
Solange sich irgendeine These schon früher findet, ist das ganze scheinbar völlig ungefährlich. Etwas Eigenständiges ist nicht greifbar. Den Unterschied macht die staatliche Macht hinter den Inhalten.
Ein paar Schlaglichter gibt es schon:
- Das Licht aus dem Norden
- Die Kulturhöhe der Germanen
- Die rassebedingte und überlegene Erscheinungsform von Kunst und Kultur
- Die blutbedingte Kontinuität des Volkscharakters
Wenn man sich die gelebte Anschlußfährigkeit dieser Thesen ansieht, landet man in sehr einschlägigen Kreisen. Ich werde hier aus keine Links einstellen, aber was so bei der Recherche abfällt entsetzt mich persönlich schon.
Re: "Graben für Germanien"
Sylvia, Deine Schlaglichter stehen leider häufig auch in Verbindung mit der Reenactmentszene. Diesbezügliche Warnungen gibt es hier im Forum. Was mich aber mehr beuunruhigt ist, dass Otto Urban mit der fast immer in persönlicher Ideologie wurzelnden kulturhistorischen Interpretation recht haben könnte. Ich kannte und kenne auch christliche Biologen die mit der Anerkennung der Evolution nie Probleme hatten. Sie denken offensichtlich in einem irrationalen religiösen und einem rationalen naturwissenschaftlichen Strang. Für viele waren die versöhnlichen Ansätze Teilhard de Chardins aber sehr gewissensentlastend. In der Geisteswissenschaft spielt die persönliche Weltanschauung in der Theorienbildung eine viel stärkere Rolle als in den Naturwissenschaften. Ein Extrem ist die Bibelarchäologie, die mit Geistenswissenschaft nichts mehr zu tun hat und eher an theologische Fakultäten gehört.
Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen
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Re: "Graben für Germanien"
Ich habe den Katalog seit heute, mein erster Eindruck ist gut. Und mir wird jetzt auch einiges klar, Pinguin hat daran mitgearbeitet!
Das Thema ist schrecklich politisch.
Sylvia: "... die staatliche Macht hinter den Inhalten."
Das ist der Punkt, "Wes Brot ich ess`, des Lied ich sing" - "Das Sein bestimmt das Bewusststein". Archäologen werden vom Staat bezahlt, folglich betreibt man stets Forschung, die der herrschenden Ideologie nützt, bzw. ihr nicht schadet. Auf die Archäologen der Nazizeit mit dem Finger zeigen und "böse" rufen ist mainstream, wohlfeil, riskolos und für einen selbst ein echtes Wellnessprogramm, da man selbst automatisch moralisch unantastbar wird. Aber: "Von den meisten, die so mutig "Gesicht zeigen gegen rechts" würde man nicht einmal die Nasenspitze sehen, wenn sie Nachteile davon hätten" (M. Klonovsky). Insofern überspitze ich hier einmal sehr böse: Die Opportunisten von heute werfen den Opportunisten von gestern Opportunismus vor.
Teilnahme an Verbrechen und bewußt gefälschte Forschungsergebnisse machen den Unterschied, dass sind die entscheidenden Punkte, über die ich in der Ausstellung/im Katalog etwas erfahren will und die ich nützlich finde.
Ich möchte hier, wo wir Verbrechen und Fehler vergangenen Generationen diskutieren, an denen wir alle vollständig unschuldig sind (ja, tatsächlich, nichts ist beknackter, als sich für die Nazi-Verbrechen schuldig zu fühlen), darauf hinweisen, dass wir uns heute anders schuldig machen, bzw. selbst wegschauen wo unfassbares Unrecht geschieht. Keine andere Gesellschaftsform hat jemals auch nur annähernd vergleichbar effektiv diesen Planeten kahlgefressen wie die westlichen Demokratien, bekanntlich die beste Gesellschaftsform, die je existierte. Es ist die Umwelt- und Resourccenzerstörung, der vorweggenommene und uns allen bereits bewusste Mord nachfolgender Generationen, ausgelöst und unterstützt durch unser eigenes Autofahren, unseren Energieverbrauch, unseren Fleischkonsum, unser Geldanlageverhalten, unsere tägliche Arbeit für Unternehmen und Staat, kurz das Unterstützen eine Systems, dass auf ständigem Wachstum beruht etc.. Das aktuelle Unrecht, dass wir wissentlich durch unser Konsumverhalten in anderen bettelarmen Ländern aktiv unterstützen. Tatsächlich lassen wir heute immer noch Sklaven und Zwangsarbeiter für uns arbeiten, wir sehen Sie bloß nicht, wenn sie in Asien unsere Turnschuhe und Hemden zusammennähen und unsere Unterhaltungselektronik zusammenschrauben, und in Afrika seltene Erden für unsere Handys und Computer fördern. Im TV und Radio kaum eine Informationssendung, in der nicht auf die Fehler hingewiesen wird, die wir alle begehen. Wir schauen aber weg und machen weiter, der moderne moralische Ablasshandel erfolgt durch Kat-Autos, „grünen Strom“, Wählen bestimmter Parteien, Kaufen von Öko-T-shirts etc., damit wir dann trotzdem weitermachen können wie bisher. Man wird sich fragen, wie wir dies alles geschehen lassen konnten, obwohl wir doch genau wussten was passiert. Nur gesellschaftlich gering anders geartete moralische Massstäbe könnten uns ob der in unseren Kliniken geübten Abtreibungspraxis später als Mitwisser von Massenmördern einordnen.
Soviel zu Kontinuitäten ...
Hinsichtlich der Rassismus-Diskussion möchte ich unbedingt die "Gehirnwäsche"-Reihe des Norwegers Harald Eia empfehlen, leider nur mit engl. Untertiteln:
http://www.youtube.com/watch?v=MOnQPXuU81Q
Das Thema ist schrecklich politisch.
Sylvia: "... die staatliche Macht hinter den Inhalten."
Das ist der Punkt, "Wes Brot ich ess`, des Lied ich sing" - "Das Sein bestimmt das Bewusststein". Archäologen werden vom Staat bezahlt, folglich betreibt man stets Forschung, die der herrschenden Ideologie nützt, bzw. ihr nicht schadet. Auf die Archäologen der Nazizeit mit dem Finger zeigen und "böse" rufen ist mainstream, wohlfeil, riskolos und für einen selbst ein echtes Wellnessprogramm, da man selbst automatisch moralisch unantastbar wird. Aber: "Von den meisten, die so mutig "Gesicht zeigen gegen rechts" würde man nicht einmal die Nasenspitze sehen, wenn sie Nachteile davon hätten" (M. Klonovsky). Insofern überspitze ich hier einmal sehr böse: Die Opportunisten von heute werfen den Opportunisten von gestern Opportunismus vor.
Teilnahme an Verbrechen und bewußt gefälschte Forschungsergebnisse machen den Unterschied, dass sind die entscheidenden Punkte, über die ich in der Ausstellung/im Katalog etwas erfahren will und die ich nützlich finde.
Ich möchte hier, wo wir Verbrechen und Fehler vergangenen Generationen diskutieren, an denen wir alle vollständig unschuldig sind (ja, tatsächlich, nichts ist beknackter, als sich für die Nazi-Verbrechen schuldig zu fühlen), darauf hinweisen, dass wir uns heute anders schuldig machen, bzw. selbst wegschauen wo unfassbares Unrecht geschieht. Keine andere Gesellschaftsform hat jemals auch nur annähernd vergleichbar effektiv diesen Planeten kahlgefressen wie die westlichen Demokratien, bekanntlich die beste Gesellschaftsform, die je existierte. Es ist die Umwelt- und Resourccenzerstörung, der vorweggenommene und uns allen bereits bewusste Mord nachfolgender Generationen, ausgelöst und unterstützt durch unser eigenes Autofahren, unseren Energieverbrauch, unseren Fleischkonsum, unser Geldanlageverhalten, unsere tägliche Arbeit für Unternehmen und Staat, kurz das Unterstützen eine Systems, dass auf ständigem Wachstum beruht etc.. Das aktuelle Unrecht, dass wir wissentlich durch unser Konsumverhalten in anderen bettelarmen Ländern aktiv unterstützen. Tatsächlich lassen wir heute immer noch Sklaven und Zwangsarbeiter für uns arbeiten, wir sehen Sie bloß nicht, wenn sie in Asien unsere Turnschuhe und Hemden zusammennähen und unsere Unterhaltungselektronik zusammenschrauben, und in Afrika seltene Erden für unsere Handys und Computer fördern. Im TV und Radio kaum eine Informationssendung, in der nicht auf die Fehler hingewiesen wird, die wir alle begehen. Wir schauen aber weg und machen weiter, der moderne moralische Ablasshandel erfolgt durch Kat-Autos, „grünen Strom“, Wählen bestimmter Parteien, Kaufen von Öko-T-shirts etc., damit wir dann trotzdem weitermachen können wie bisher. Man wird sich fragen, wie wir dies alles geschehen lassen konnten, obwohl wir doch genau wussten was passiert. Nur gesellschaftlich gering anders geartete moralische Massstäbe könnten uns ob der in unseren Kliniken geübten Abtreibungspraxis später als Mitwisser von Massenmördern einordnen.
Soviel zu Kontinuitäten ...
Hinsichtlich der Rassismus-Diskussion möchte ich unbedingt die "Gehirnwäsche"-Reihe des Norwegers Harald Eia empfehlen, leider nur mit engl. Untertiteln:
http://www.youtube.com/watch?v=MOnQPXuU81Q
Zuletzt geändert von Blattspitze am 26.03.2013 17:09, insgesamt 1-mal geändert.
"Was an der Unverschämtheit des Heute
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
Re: "Graben für Germanien"
Blattspitze, das Video bringt einige Denkanstösse. Bei den Intelligenztests stimm ich den Psychologen zu. Die Ergebnisse sind milieu- und bildungsabhängig. Die Aussagen des Genetikers fallen aber schwer ins Gewicht. Die meisten Menschen neigen dazu, naturwissenschaftlichen Ergebnissen mehr zu vertrauen als geisteswissenschaftlichen und sie für exakter zu halten. Die physische Anthropologie, heute Humanbiologie, ist ebenfalls eine Naturwissenschaft. Ihre metrischen Methoden werden heute aber verworfen. Die Craniologie wurde übrigens vom k.k. Militärarzt Augustin Weisbach erfunden und ab 1864 publiziert. Seine umfangreiche Schädel- und Beckensammlung befindet sich heute am Institut für Humanbiologie in Wien. Ihr Zustandekommen ist ziemlich makaber. Weisbach kaufte den Angehörigen verstorbener Soldaten deren Schädel ab. Häufigste Todesursache ist nach den Inventaren Nervefieber, eine elegante Umschreibung von Selbstmord. Die Prügelstrafe stand in der Monarchie auch für geringfügige Vergehen und trieb Viele in den Freitod.
http://81.10.184.26:9001/personen_add/W ... 8-0016.pdf
Durch diese Erfahrung bin ich natürlich skeptisch und zweifle an den Aussagen des Genetikers. Mein Wissen reicht aber nicht aus, sie zu überprüfen. Für mich blieb die Aussage, dass es doch Rassen gäbe, unwidersprochen.
http://81.10.184.26:9001/personen_add/W ... 8-0016.pdf
Durch diese Erfahrung bin ich natürlich skeptisch und zweifle an den Aussagen des Genetikers. Mein Wissen reicht aber nicht aus, sie zu überprüfen. Für mich blieb die Aussage, dass es doch Rassen gäbe, unwidersprochen.
Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen
Re: "Graben für Germanien"
Blattspitze, spontan habe ich mich gefragt, warum diese Vergleiche so schön geschlechtslos sind. Ein Pittpullhund ist nicht niedlich, weil es eine Hündin ist. Und wäre die katholische Christenheit ohne Zölibat insgesamt klüger? Was ist mit unserem iQ passiert, wo das Auswahlziel bei Weibchen immer süß und niedlich ist und war?
Ich möchte mal die Theorie der "sozialen Bezugsrahmen" und der "unterschiedlichen Welterschließung" ins Rennen werfen. Man könnte aus sagen: was würde der Professor aus dem rosa Wohnzimmer in der Wüste tun? Verhungern vermutlich. Jeder Bewohner der Kalahari wäre vermutlich in der Wüste nach einem Atomschlag besser dran.
Aber mal zurück zu unserem mutmaßlichen Vorfahren - den Germanen auf voller Kulturhöhe.
Ich kann sehr gut damit leben, daß meine Vorfahren Barbaren waren - und vermutlich nicht mal Germanen oder so, vieleicht war mal ein Elch dabei. Immerhin kann ich dadurch heute meine sozialen Bezugsrahmen (und die Fähigkeit meine "Sprache" zu ändern) wechseln. Vormittags bin ich eine gute Bauhandwerkerin und Nachmittags eine, dem Notenschnitt nach, garnicht mal so schlechte Studentin der Kulturwissenschaften bin.
Ich möchte mal die Theorie der "sozialen Bezugsrahmen" und der "unterschiedlichen Welterschließung" ins Rennen werfen. Man könnte aus sagen: was würde der Professor aus dem rosa Wohnzimmer in der Wüste tun? Verhungern vermutlich. Jeder Bewohner der Kalahari wäre vermutlich in der Wüste nach einem Atomschlag besser dran.
Aber mal zurück zu unserem mutmaßlichen Vorfahren - den Germanen auf voller Kulturhöhe.
Ich kann sehr gut damit leben, daß meine Vorfahren Barbaren waren - und vermutlich nicht mal Germanen oder so, vieleicht war mal ein Elch dabei. Immerhin kann ich dadurch heute meine sozialen Bezugsrahmen (und die Fähigkeit meine "Sprache" zu ändern) wechseln. Vormittags bin ich eine gute Bauhandwerkerin und Nachmittags eine, dem Notenschnitt nach, garnicht mal so schlechte Studentin der Kulturwissenschaften bin.
Re: "Graben für Germanien"
Völlig richtig und absolut treffend. Aber diese Punkte sind wie die "Autobahn". Weder von den Nazis erfunden,nur benutzt weils ins Bild passte und nach 45 weiterhin benutzt.Ein paar Schlaglichter gibt es schon:
- Das Licht aus dem Norden
- Die Kulturhöhe der Germanen
- Die rassebedingte und überlegene Erscheinungsform von Kunst und Kultur
- Die blutbedingte Kontinuität des Volkscharakters
Der Kulturhöhe der Germanen und der blutbedingten Kontinuität des Volkscharakters begegne ich auf jeder Veranstaltung, das Publikum hat zT immer noch diese Vorstellungen. Auch wenn sie ansonsten nazifrei wären. Ich denke, diese Denkmuster haben einen anderen Hintergrund als die bösartigste Erscheinungsform vermuten lässt.
Ums noch grasser zu sagen, der gepflegte europäische Antisemitismus des 19. und der ersten Hälfte des 20, Jhds konnte sich ja auch so schon hinter der Fratze der Nazis verstecken, anstatt zuzugeben, dass sie die Wurzeln sind.
"Des is wia bei jeda Wissenschaft, am Schluß stellt sich dann heraus, daß alles ganz anders war."
Re: "Graben für Germanien"
Bei allem gebotenem Respekt muss ich mich mal in diese sehr spannende Diskussion einmischen (wollte ich eigentlich erst, wenn ich den Katalog habe, der unterwegs ist):
@ Battspitze: Völlig richtig, schuldig an der Nazi-Diktatur ist von uns niemand. Was uns alle aber nicht davon freispricht, die Erinnerung daran aufrecht zu erhalten und Sorge dafür zu tragen, dass so etwas nicht wieder geschieht. Und da muss ich die große Zahl meiner Mitstreiter "gegen rechts", die ich seit vielen Jahren kenne und begleite, in Schutz nehmen: Viele haben erhebliche persönliche Nachteile in Kauf genommen bei dem Versuch, ein erneutes Erstarken rechtsextremistischer Strukturen zu verhindern, vom "Geschnitten werden" im Dorf, wenn man sich nicht mit den "netten Jungs" von nebenan arrangiert, bis hin zu schwerwiegenden körperlichen Attacken. Sicher gibt es überall Maulhelden und Berufsbetroffene, die gern "Vorhut der Arbeiterklasse" spielen und von denen du dann nur noch Staubwölkchen siehst, wenns ernst wird. Aber dieses Verhalten "den meisten" zuzusprechen halte ich für etwas übertrieben ...
Deinen Vergleich zwischen faschistischer Diktatur und unserem heutigen Verhalten (Stichwort "Ökofaschismus") ist imho bedenklich, denn damit relativierst Du das Nazisystem mit all seinen Auswirkungen. Sicher haben in der Geschichte "die und die ja auch ...", und unsere heutige Gesellschaft mit all Ihren Fehlern kann man sicherlich, wenn auch überspitzt, so charakterisieren, wie Du es tust, aber eine Gleichsetzung mit dem Hitlerfaschismus hat immer etwas revisionistisches an sich. Diese katastrophale Epoche in ihrer ganzen Monströsität, mit ihrer Buchhalter-Todesmaschinerie und dem bürokratisierten Massenmord hat nichts gleichartiges in der Historie, und eine Auseinandersetzung damit ist nach wie vor nötig und wichtig. Dazu muss man das damalige Geschehen und die handelnden Personen nicht dämonisieren, das ist auch klar, weil kontraproduktiv. Näheres dazu nach der Katalog-Lektüre bzw. wenn ich die Ausstellung gesehen habe (ich hoffe, ich komme dazu)
In Sachen Bildungsarbeit wundert mich da allerdings gar nichts. 1969 begannen wir in der Sexta mit der Urgeschichte und waren am Ende der Mittelstufe im Jahre 1918 angekommen. Na prima, dachte ich damals, dann wirds in der Oberstufe jetzt ja spannend! Pustekuchen: in der U II starteten wir wieder bei den Ägyptern, um am Ende der Schulzeit erneut und pünktlich bei Versailles zu enden. Soviel zum Thema "NS-Diktatur im gymnasialen Geschichtsunterricht". Aus Gesprächen mit anderen meines Alters weiß ich, dass es bundesweit damals ähnlich lief. Mit dieser Ausbildung wurden unsere Jahrgänge dann als Geschichtslehrer auf die nächste Generation Schüler losgelassen, nachdem man per "Radikalenerlass" sorgfältig alle Lehramtskandidaten, die auch nur ihren R4 in der Nähe einer "roten" Veranstaltung geparkt hatten, und die vielleicht nicht so stromlinienförmig daherkamen wie viele ihrer Kollegen, konsequent von der Erziehungsarbeit ausgeschlossen hatte. Dass dann die Generation unserer Kinder irgendwann von alldem nichts mehr hören wollte, weil die Nazizeit samt ihrer Ursachen und Auswirkungen zwar von oben verordnet im Schulunterricht behandelt, aber nicht vermittelt wurde, wundert mich nicht. Das soll keine wohlfeile Lehrerschelte werden, sondern beschreibt nur die Versäumnisse in der Bildungspolitik, die mit dem Verschweigen/Relativieren/Verdrängen einhergingen und die ich selbst erfahren musste.
*1975: Geschichtslehrer schnauzt Schüler mit Regenschirm auf dem Weg zur Schule an: "In Stalingrad haben wir auch keine Schirme gehabt!!" Englischlehrer - NSDAP-Mitglied seit 1930 - verbrät im Unterricht Thesen, mit denen er heute den Bundesvorsitzenden der NPD weit rechts überholen würde. Prügel mit nassem Handtuch (!) beim Schwimmen, weil man dem Sportlehrer beim Abtrocknen einen Tropfen Wasser ins Gesicht gespritzt hat - was der von 33 - 45 gemacht hat, war leider nicht herauszubekommen*
@ Battspitze: Völlig richtig, schuldig an der Nazi-Diktatur ist von uns niemand. Was uns alle aber nicht davon freispricht, die Erinnerung daran aufrecht zu erhalten und Sorge dafür zu tragen, dass so etwas nicht wieder geschieht. Und da muss ich die große Zahl meiner Mitstreiter "gegen rechts", die ich seit vielen Jahren kenne und begleite, in Schutz nehmen: Viele haben erhebliche persönliche Nachteile in Kauf genommen bei dem Versuch, ein erneutes Erstarken rechtsextremistischer Strukturen zu verhindern, vom "Geschnitten werden" im Dorf, wenn man sich nicht mit den "netten Jungs" von nebenan arrangiert, bis hin zu schwerwiegenden körperlichen Attacken. Sicher gibt es überall Maulhelden und Berufsbetroffene, die gern "Vorhut der Arbeiterklasse" spielen und von denen du dann nur noch Staubwölkchen siehst, wenns ernst wird. Aber dieses Verhalten "den meisten" zuzusprechen halte ich für etwas übertrieben ...
Deinen Vergleich zwischen faschistischer Diktatur und unserem heutigen Verhalten (Stichwort "Ökofaschismus") ist imho bedenklich, denn damit relativierst Du das Nazisystem mit all seinen Auswirkungen. Sicher haben in der Geschichte "die und die ja auch ...", und unsere heutige Gesellschaft mit all Ihren Fehlern kann man sicherlich, wenn auch überspitzt, so charakterisieren, wie Du es tust, aber eine Gleichsetzung mit dem Hitlerfaschismus hat immer etwas revisionistisches an sich. Diese katastrophale Epoche in ihrer ganzen Monströsität, mit ihrer Buchhalter-Todesmaschinerie und dem bürokratisierten Massenmord hat nichts gleichartiges in der Historie, und eine Auseinandersetzung damit ist nach wie vor nötig und wichtig. Dazu muss man das damalige Geschehen und die handelnden Personen nicht dämonisieren, das ist auch klar, weil kontraproduktiv. Näheres dazu nach der Katalog-Lektüre bzw. wenn ich die Ausstellung gesehen habe (ich hoffe, ich komme dazu)
In Sachen Bildungsarbeit wundert mich da allerdings gar nichts. 1969 begannen wir in der Sexta mit der Urgeschichte und waren am Ende der Mittelstufe im Jahre 1918 angekommen. Na prima, dachte ich damals, dann wirds in der Oberstufe jetzt ja spannend! Pustekuchen: in der U II starteten wir wieder bei den Ägyptern, um am Ende der Schulzeit erneut und pünktlich bei Versailles zu enden. Soviel zum Thema "NS-Diktatur im gymnasialen Geschichtsunterricht". Aus Gesprächen mit anderen meines Alters weiß ich, dass es bundesweit damals ähnlich lief. Mit dieser Ausbildung wurden unsere Jahrgänge dann als Geschichtslehrer auf die nächste Generation Schüler losgelassen, nachdem man per "Radikalenerlass" sorgfältig alle Lehramtskandidaten, die auch nur ihren R4 in der Nähe einer "roten" Veranstaltung geparkt hatten, und die vielleicht nicht so stromlinienförmig daherkamen wie viele ihrer Kollegen, konsequent von der Erziehungsarbeit ausgeschlossen hatte. Dass dann die Generation unserer Kinder irgendwann von alldem nichts mehr hören wollte, weil die Nazizeit samt ihrer Ursachen und Auswirkungen zwar von oben verordnet im Schulunterricht behandelt, aber nicht vermittelt wurde, wundert mich nicht. Das soll keine wohlfeile Lehrerschelte werden, sondern beschreibt nur die Versäumnisse in der Bildungspolitik, die mit dem Verschweigen/Relativieren/Verdrängen einhergingen und die ich selbst erfahren musste.
*1975: Geschichtslehrer schnauzt Schüler mit Regenschirm auf dem Weg zur Schule an: "In Stalingrad haben wir auch keine Schirme gehabt!!" Englischlehrer - NSDAP-Mitglied seit 1930 - verbrät im Unterricht Thesen, mit denen er heute den Bundesvorsitzenden der NPD weit rechts überholen würde. Prügel mit nassem Handtuch (!) beim Schwimmen, weil man dem Sportlehrer beim Abtrocknen einen Tropfen Wasser ins Gesicht gespritzt hat - was der von 33 - 45 gemacht hat, war leider nicht herauszubekommen*
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
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Re: "Graben für Germanien"
Ulfr, Deine Erlebnisse aus der Schulzeit sind sehr interessant, - übrigens vollständig anders als meine eigenen. Ich bin in den 70ern und Anfang der 80er in Hamburg in einem gutbürgerlichen Viertel zur Schule gegangen. Das Lehrerkollegium war ganz überwiegend linksgrün und hat das auch über Badges, Kleidung und im Unterricht offen so gezeigt. Die 1-2 Jungunionisten in der Klasse standen in jeder Hinsicht auf verlorenem Posten und waren eigentlich die einzigen, die echte Zivilcourage zeigen mussten, um zu ihren Positionen zu stehen. Die Nazi-Zeit und -Verbrechen haben wir im Deutsch-, Gemeinschaftskunde- und Geschichtsunterricht sehr, sehr intensiv durchgenommen, dafür war Urgeschichte Fehlanzeige! Ich erinnere mich sogar, das man in der Abi-Prüfung Geschichte nur die volle Punktzahl erreichen konnte, wenn man darauf hinwies, das Stauffenberg ja gar keine demokratischen Verhältnisse herstellen wollte (und man damit seinem Widerstand einen Makel anklebte, - ich schäme mich heute noch dafür). Wenn es denn überhaupt unter den älteren rechte Lehrer gab, so trauten die sich längst nicht mehr, dies irgendwie zu zeigen. Alle meine Freunde und Bekannten waren links, ich auch. Ich war auch kräftig auf allerlei Demos vertreten, als Mitläufer und weil da die Mädels waren. Da habe ich dann in den Reihen der SDAJ auch den ersten offenen Antisemiten getroffen, "Israel behandelt die Palästinenser wie die Nazis die Juden". Auch hörte ich damals Sprechchöre junger Antifaschisten "USA-SA-SS", -welch ein Hohn, wenn man heute darüber nachdenkt! "Soldaten sind Mörder!"-Da wurde ich in Hamburgs Innenstadt während einer Demo von einem britischen Touristen-Ehepaar angesprochen und um eine Übersetzung gebeten. Die guckten mich danach fassungslos an, entspannten sich dann aber als ich ihnen sagte das wohl nur deutsche Soldaten gemeint seien. Aber wir waren immer mit gutem Gefühl auf der richtigen Seite.
Mein Eindruck ist, dass unsere heutige Gesellschaft eine logische Folge dieser Zeit und dieser Generationen ist.
Edith: Gelöscht - siehe unten
Was für einen Stimmanteil hatten denn bei Euch rechtsradikale Parteien, wenn es so schlimm ist?
"Deinen Vergleich ... ist imho bedenklich, denn damit relativierst Du das Nazisystem mit all seinen Auswirkungen. ... etwas revisionistisches ... . Diese katastrophale Epoche in ihrer ganzen Monströsität, ihrer Buchhalter-Todesmaschinerie und dem bürokratisierten Massenmord hat nichts gleichartiges in der Historie, und eine Auseinandersetzung damit ist nach wie vor nötig und wichtig. Dazu muss man das damalige Geschehen und handelnden Personen nicht dämonisieren, ..."
Genau so eine emotionale Wortwahl dämonisiert doch die Täter und Verbrechen?
Mit dem Vorwurf muss ich dann leben. Aber wo ist jetzt die Baustelle? Vor siebzig Jahren oder heute? Für uns Freispruch?
Selbstverständlich muß man vergleichen dürfen, nur so läßt sich überhaupt einzigartiges feststellen.
Nicht das hier der (Prä-) Historikerstreit ausbricht.
Für mich sind die industriell konzipierten Gaskammern in den Vernichtungslagern das entscheidend einzigartige der NS-Verbrechen.
Es muss dennoch festgestellt werden dürfen, das die Träger roter Fahnen unter Stalin, Mao, Pol Pot etc. viel mehr Menschen umgebracht haben als die Nazis, wird das nicht mit dieser eigentlich zynischen Verbrechens-Hierarchisierung relativiert?
Mich überfällt immer das kalte Grausen, wenn ich im Bus jemand sehe, der z.B. ein Che Guevara T-shirt oder einen Mao-Badge als Mode-Assecoire trägt. Der eine ein Folterer und der andere ein Massenmörder, - aber die Portraits sind chic-links und hip, keiner denkt sich etwas dabei ...
Edith: Mein hier ursprünglich scherzhaft gegen Petersen`s Bild und keinesfalls gegen andere Gruppen gerichteteter Kommentar scheint mißverständlich/unpassend gewesen zu sein, ich lösche ihn hiermit. Anonyme Spams bitte einstellen
Sylvia, dazu vielleicht diese Folge (mit deutschen Untertiteln) mit einem interessanten Interview mit A. Campell zu evtl. evolutionsbegründeten Unterschieden zwischen Mann und Frau:
http://www.youtube.com/watch?v=yQqTCkKQJI0
Hugo, ich denke, das die bislang dominierenden soziologischen Erklärungsmuster >"Rasse" und Geschlecht seien nur soziale Konstrukte< durch die Gegenüberstellung gezielt in Frage gestellt werden sollen. H. Eia ist übrigens studierter Soziologe!
Mein Eindruck ist, dass unsere heutige Gesellschaft eine logische Folge dieser Zeit und dieser Generationen ist.
Edith: Gelöscht - siehe unten
Was für einen Stimmanteil hatten denn bei Euch rechtsradikale Parteien, wenn es so schlimm ist?
"Deinen Vergleich ... ist imho bedenklich, denn damit relativierst Du das Nazisystem mit all seinen Auswirkungen. ... etwas revisionistisches ... . Diese katastrophale Epoche in ihrer ganzen Monströsität, ihrer Buchhalter-Todesmaschinerie und dem bürokratisierten Massenmord hat nichts gleichartiges in der Historie, und eine Auseinandersetzung damit ist nach wie vor nötig und wichtig. Dazu muss man das damalige Geschehen und handelnden Personen nicht dämonisieren, ..."
Genau so eine emotionale Wortwahl dämonisiert doch die Täter und Verbrechen?
Mit dem Vorwurf muss ich dann leben. Aber wo ist jetzt die Baustelle? Vor siebzig Jahren oder heute? Für uns Freispruch?
Selbstverständlich muß man vergleichen dürfen, nur so läßt sich überhaupt einzigartiges feststellen.
Nicht das hier der (Prä-) Historikerstreit ausbricht.
Für mich sind die industriell konzipierten Gaskammern in den Vernichtungslagern das entscheidend einzigartige der NS-Verbrechen.
Es muss dennoch festgestellt werden dürfen, das die Träger roter Fahnen unter Stalin, Mao, Pol Pot etc. viel mehr Menschen umgebracht haben als die Nazis, wird das nicht mit dieser eigentlich zynischen Verbrechens-Hierarchisierung relativiert?
Mich überfällt immer das kalte Grausen, wenn ich im Bus jemand sehe, der z.B. ein Che Guevara T-shirt oder einen Mao-Badge als Mode-Assecoire trägt. Der eine ein Folterer und der andere ein Massenmörder, - aber die Portraits sind chic-links und hip, keiner denkt sich etwas dabei ...
Edith: Mein hier ursprünglich scherzhaft gegen Petersen`s Bild und keinesfalls gegen andere Gruppen gerichteteter Kommentar scheint mißverständlich/unpassend gewesen zu sein, ich lösche ihn hiermit. Anonyme Spams bitte einstellen
Sylvia, dazu vielleicht diese Folge (mit deutschen Untertiteln) mit einem interessanten Interview mit A. Campell zu evtl. evolutionsbegründeten Unterschieden zwischen Mann und Frau:
http://www.youtube.com/watch?v=yQqTCkKQJI0
Hugo, ich denke, das die bislang dominierenden soziologischen Erklärungsmuster >"Rasse" und Geschlecht seien nur soziale Konstrukte< durch die Gegenüberstellung gezielt in Frage gestellt werden sollen. H. Eia ist übrigens studierter Soziologe!
Zuletzt geändert von Blattspitze am 16.03.2013 09:27, insgesamt 2-mal geändert.
"Was an der Unverschämtheit des Heute
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
Re: "Graben für Germanien"
Im Viertel der Südstadt, in dem der Ausländeranteil besonders hoch ist hatte die NPD bis zu 15%.Was für einen Stimmanteil hatten denn bei Euch rechtsradikale Parteien, wenn es so schlimm ist?
So schauts aber nun mal aus. Und wenn man irgendwem "Versagen" zu der Zeit anlasten muss, dann den "bürgerlichen Eliten".das Stauffenberg ja gar keine demokratischen Verhältnisse herstellen wollte
Ja. Und die 68er sind auch für das schlechte Wetter verantwortlich, auch wenn die längst im Altersheim sind. Irgendwie hast du da was verpasst in den 80ern und 90ern. Was noch dazu kommt, selbst wenn deine Lehrer linksgrün waren (meine nicht), dann sinds halt immer noch Lehrer. Sie meinen zwar, sie hätten gesellschaftlichen Einfluss, lassen wir sie mal bei der Meinung. Lehrer haben ja immer recht. Die Zeit der Adoleszenz prägt für das Leben, aber ab einem bestimmten Alter sollte man auch das reflektiert betrachten können.Mein Eindruck ist, dass unsere heutige Gesellschaft eine logische Folge dieser Zeit und dieser Generationen ist
"Des is wia bei jeda Wissenschaft, am Schluß stellt sich dann heraus, daß alles ganz anders war."
Re: "Graben für Germanien"
Zuerst mal möchte ich darum bitten, sich - wenn - öffentlich an dieser (und jeder anderen) Diskussion zu beteiligen, oder den Kopp zuzumachen!Anonyme Spams
Blattspitze, die politische Grundhaltung oder Einstellung einer Bevölkerung oder auch eines Landtages lässt sich nicht unbedingt an den Wahlergebnissen von einzelnen Parteien ablesen. 1967 kam die NPD in Schleswig-Holstein noch auf 5,8% und zog mit 4 Sitzen in den Landtag ein, 1971 waren es nur noch 1,3 %. Vermutlich war es aber ähnlich wie in Hessen, wo gerade die politische Vergangenheit von Landtagsabgeordneten aufgearbeitet wird: An manchen entscheidenden Stellen - nicht nur im Parlament - saßen persilgereinigte alte Kameraden und zogen im Hintergrund die Fäden. Für S.-H. siehe z.B. "Demokratische Geschichte : Jahrbuch für Schleswig Holstein. Bd. 17, Umgang mit der NS-Vergangenheit":
"[...] vor diesem Hintergrund mittels Vertuschung, Verschleierung und Verdrängung jahrelang Entnazifizierungspeinlichkeiten stillschweigend beigelegt wurden - 99,5 % der Bevölkerung wurden als Mitläufer/Anhänger oder als Entlastete eingestuft. Uwe Danker stellt ferner fest, dass die Vergangenheitsbewältigung bis in die siebziger Jahre in Form eines 'gemeinsamen Schweigens' (206) stattfand. [...] Auch Karl Heinrich Pohl konstatiert, dass höchstens eine verschwindend kleine Minderheit der Bevölkerung mit der Vergangenheit gebrochen habe. 'Einen systematischen Austausch der Eliten gab es nicht.'"
Hamburg in den späten 70ern und frühen 80ern war sicher in puncto Schule etwas anderes als Schläfrig-Holzbein Anfang/Mitte der 70er. Wie wir ja schon früher festgestellt haben, unterschied sich mein Leben nicht sonderlich von Deinem, aber offensichtlich war der Hintergrund, was Bildung angeht, doch ein anderer. Ich habe ebenfalls ein gutbürgerliches humanistisches Jungen-Gymnasium besucht (jaa, damals war Koedukation noch ein echtes Fremdwort!), aber grünlinke Lehrer mit Ansteckern? *>syntax error<EOFF*
Was die Rolle der Archäologie im 3.Reich angeht, so liegen dazu, wie Du richtig bemerkst, jede Menge Publikationen vor, die Altertumswissenschaft hat sich mehrfach und kritisch intern damit beschäftigt. Der Hype um die Ausstellung und das Verhalten der Haithabu-Direktion bzw. der Landesarchäologie ist m.E. auch Ausdruck eines unreflektierten und sensationslüsternen, weil auflagensteigernden Medieninteresses. Wenn jedoch das Gegenteil davon sein soll, dass man dieses und jenes "doch wohl auch noch mal sagen darf", dann kann das nicht im Interesse einer unvoreingenommenen Aufklärung der Vergangenheit des Fachs sein.
Ich habe den Fehler gemacht, hier an dieser Stelle politisch zu werden, obwohl das Forum (oder zumindest dieser öffentliche Thread) per definitionem nicht der geeignete Ort ist, dieses komplexe Thema zu diskutieren. Meine Wortwahl fand hingegen ich nicht sonderlich emotional und erst recht nicht dämonisierend. Ich kann ja mal kurz in den Gernot-Hassknecht-Modus .... nein, lassen wir das! Der Historiker-Streit wurde (wird) woanders geführt.
Mein Vorschlag: Wir sollten uns hier auf die Ausstellung und ihr Thema konzentrieren, und dazu warte ich noch auf den Katalog bzw. würde mich gern nach Ausstellungsbesuch dazu äußern. Einen internen thread zur NS-Problematik und allem, was damit zusammenhängt, können (sollten) wir gern einrichten.
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
oeis
Hubertus Meyer-Burckhardt
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