GuedelonII in Meßkirch

Moderatoren: Hans T., Nils B., Turms Kreutzfeldt, Chris

Andreas Sturm

Re: GuedelonII in Meßkirch

Beitrag von Andreas Sturm »

Die Diskussion hat die lokalen Medien erreicht:

Klosterbaustelle: Streit um Arbeitsmethoden (Südkurier Online).
Andreas Sturm

Öffentliche Replik eines Mitgliedes des Wiss. Beirates

Beitrag von Andreas Sturm »

Hallo,

vor einiger Zeit tauchte die Frage auf, was eigentlich der Wissenschaftliche Beirat tut. Vom gesamten Beirat kann ich nichts berichten, aber von einer Begebenheit schon.

Am 08.05.2013 erschien im Südkurier ein Artikel unter der Überschrift Klosterstadt: Streit um Arbeitsmethoden, den ich gleich in mehrfacher Hinsicht für bemerkenswert halte.

Darin wird eher summarisch berichtet, dass ich die Klosterstadt dafür kritisieren würde, sich zugunsten der (angenommenen) Besucherwartungen von einem wissenschaftlich fundierten Geschichtsbild zu entfernen (Stichwort „Disneyfizierung“).

Der Vorsitzende des Vereins „karolingische klosterstadt e.V.“ Bert M. Geurten wehrt sich gegen diesen Vorwurf, denn er ...
sieht den Campus Galli gerade erst am Anfang der wissenschaftlichen Arbeit. Erst einmal müsse die Arbeit auf der Baustelle vollständig anlaufen und danach müsse man daran gehen, die aus praktischen Gründen geschlossen Kompromisse weiter in Richtung Frühmittelalter zu entwickeln.
...
„Wir fangen doch jetzt erst an mit dem wissenschaftlichen Arbeiten und Experimentieren“, wehrt sich Bert Geurten. „Erst Ende Februar haben wir erfahren, dass die Baustelle am 22. Juni [Herv. d. mich] eröffnet werden kann und erst seit Mai verfügt der Verein über eigene Mitarbeiter und eigenes Geld“, weist Geurten auf die veränderten Umstände hin.
Das heißt also, der Campus Galli kann sich erst unter den Augen seiner Besucher dem Leben und Arbeiten im frühen Mittelalter annähern; für wissenschaftliche Recherchen im Vorfeld der Eröffnung war in den letzten Jahren kein Geld und Personal vorhanden.

Weitere Abweichungen vom historischen Frühmittelalter werden dann von Herrn Geurten u.a. mit dem Umstand entschuldigt, dass man für die dauerhafte Finanzierung des Projektes auf die Eintrittsgelder angewiesen sei:
Im Moment gebe es noch zahlreiche Kompromisse zugunsten der Attraktivität für die Besucher. „Wir müssen eben berücksichtigen, dass wir kein Forschungsinstitut sind, das langfristig über öffentliche Gelder verfügen kann“, erklärt Geurten. „Wir müssen uns nach vier Jahren durch die Eintrittsgelder finanzieren und insofern müssen wir etwas bieten, was die Besucher zufriedenstellt und was ihnen Lust auf weitere Besuche macht.“
Der der Vorstand des Trägervereins glaubt demnach, dass die wissenschaftlichen Inhalte hinter den Bedürfnissen und Erwartungen des zahlenden Besuchers zurückgestellt werden müssen. Diese Argumentation rekurriert indirekt auf das Klischee des Museums als einen elitären Bildungstempel. Diese Argumentation ignoriert freilich einen schon seit langem stattfindenden Wandel in der Museumslandschaft, bei dem die Idee der Besucherorientierung und das Verhältnis von Bildung und Unterhaltung völlig neu bewertet wurden. Die Essenz ist, dass Bildung und Unterhaltung keine Antipoden sind, sondern Partner.

Freilich gilt dabei für ein Museum, dass sein wahres Kapital in den wissenschaftlichen Inhalten liegt. Genau hier verläuft auch die Grenze zu anderen Angeboten des Freizeitmarktes, weshalb kein Museum seine Inhalte und wissenschaftliche Qualitätskriterien zugunsten plakativer Unterhaltung und Gewinnstreben preisgeben darf. Davor habe ich die Klosterstadt-Macher schon 2009 in einem Vortrag (S. 6 m. weiterf. Literatur) gewarnt (vgl. auch Schöbel 2011, Arch. Freilichtmussen in Europa).

Das Stichwort „Qualitätskriterien“ bringt mich schließlich zum letzten Punkt des Zeitungsartikels. Herr Geurten führt (erneut) die Sicherheit und Finanzen (!) als Begründung für das Abweichen von frühmittelalterlichen Verhältnissen an:
„Wenn es die Gesundheit, die Sicherheit und in großem Maße die Finanzen betrifft, kann ich keine Kompromisse eingehen“, bekräftigt Geurten.
Als Beispiel benennt er den Ochsenkarren, der keine Holz- sondern eine ahistorische Stahlachse erhalten hat. Der Vorsitzende fürchtet, bei einem Unfall mit dem Wagen zur Verantwortung gezogen werden. Als Reaktion auf diesen Aspekt erschien nun am 11.05.2013 ein Leserbrief. Da er im Südkurier nicht online verfügbar ist, gebe ich ihn hier vollständig wieder:
Mit ein wenig Befremden habe ich Ihren Artikel zur Kenntnis genommen. Hierin wird Herr Geurten mit den Worten zitiert, ein Wagner habe gesagt, daß eine Holzachse bereits nach 30 Arbeitsstunden bräche, was ihn dazu bewegt haben soll, aus Sicherheitsgründen eine Stahlachse für den Wagen zu verwenden. Als Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Klosterstadt habe ich im Oktober 2012, schon bei Beginn des Wagenbaus meine Mithilfe bei der Konstruktion angeboten. Wir haben bei unterschiedlichen Gelegenheiten bereits Wägen mit Holzachsen für Universitätsprojekte rekonstruiert und auch Langzeittests damit durchgeführt, ohne daß es zu Komplikationen gekommen wäre. Einer unserer Wägen kann auch im Kelten Römer Museum in Manching besichtigt werden. Eine Zusammenarbeit mit der Universität Augsburg und unserem Verein wurde von der Klosterstadt offenbar nicht gewünscht, da auf mein Angebot keinerlei Reaktion erfolgte. Ich habe damals schon darauf hingewiesen, daß der Bau von Holzachsen weder ein Sicherheits- noch ein Fertigungsproblem darstellt, wenn man sich mit deren Konstruktion auskennt.

Christian Koepfer, Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Alte Geschichte, Universität Augsburg;
Professur für Alte Geschichte, Universität Passau; Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat "Campus Galli"
pinguin

Re: GuedelonII in Meßkirch

Beitrag von pinguin »

Jetzt auch in

Karfunkel

Seite 106ff.

Was ist los am Bodensee?

Da hauen Sie aber drauf - die Mittelalters

Kommunikation, Transparenz, abgesicherte Wissenschaftlichkeit und ein experimentalarchäologisches Konzept, das durchgehalten wird -

wäre besser...
Andreas Sturm

Re: GuedelonII in Meßkirch

Beitrag von Andreas Sturm »

Nun ja, der Kommentar bewegt sich in dem Rahmen, den man von Karfunkel-Wolf durchaus gewöhnt ist… Bemerkenswerter finde ich, dass er einen völlig neuen Aspekt in den Mittelpunkt rückt, nämlich die politische Dimension der Vorgänge.

Dazu passt, dass mir gestern Thomas Schlude, ein Meßkircher Gemeinderat der CDU-Fraktion, in Reaktion auf den Karfunkel-Artikel vorwarf, ich würde eine mediale Schlammschlacht austragen und damit die Stadt Meßkirch beschädigen (als ob ich für Karfunkel-Inhalte verantwortlich wäre). Ich sollte stattdessen darauf vertrauen, dass der Gemeinderat die Aktivitäten des Träververeins „aufmerksam und kritisch verfolgen“ würde. Außerdem solle sich die Wissenschaft bewußt sein, dass man im 21. Jh. leben würde, deshalb dürfte sie nicht auf der "reinen Lehre bzw. Forschung beharren."

Darüber war ich dann doch schon ein wenig verwundert, denn bisher war ich der Meinung, dass die Aktivitäten einer Living-History-Site, eins Archäologischen Freilichtmuseums oder was auch immer der Campus Galli nun sein möchte, am besten mittels peer-review beurteilt würden und nicht durch fachfremde Teilzeit-Politiker. Dafür braucht es freilich eine gewisse Öffentlichkeit. Jede Art von Wissenschaft braucht den Austausch von Gedanken und Ideen - und auch den Disput - um sich weiterzuentwickeln.

Lange Rede kurzer Sinn, was ich eigentlich nur kurz mitteilen wollte: das Bildungswerk Meßkirch hat neue Bildergalerien über den Fortgang der Bauarbeiten auf dem Campus Galli. Die Bilder könnten den einen oder anderen vielleicht interessieren, der weiter weg wohnt:

Baustellen-Fotos 01.05.2013

Baustellen-Fotos 14.05.2013

Baustellen-Fotos 30.05.2013
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Re: GuedelonII in Meßkirch

Beitrag von ulfr »

Liebe Leute,

nach eingehender Beratung der Admins haben wir uns entschlossen, den letzten Beitrag zu löschen und den thread zu sperren. Erstens liegt der behandelte Zeitraum weit außerhalb des Zeitrahmens des Forums, und zweitens ist das Forum wie schon oben erwähnt unserer Meinung nach nicht der richtige Ort, um persönliche Zwistigkeiten auszutragen bzw. privaten Schriftverkehr publik zu machen. Über den aktuellen Stand der Angelegenheit bzw. der Diskussion kann man sich in den einschlägigen Medien bzw. in anderen, kompetenteren Foren und Webseiten informieren.

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