Spandolch

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AxtimWalde
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Spandolch

Beitrag von AxtimWalde »

Hallo ihr lieben Flintmokel!
In Harderslev erzählte ich euch, dass möglicherweise ein Spandolch im Vietzer Museum (Ldkrs. Lüchow-Dannenberg) läge. Er ist zumindest als solcher angesprochen. Vor kurzem konnte ich ihn endlich einmal in die Hand nehmen und begutachten. Als erstes viel auf, dass er bifazial geschlagen ist. Er besteht auch aus nordischem Flint, wie man deutlich an der rezenten Bruchfläche auf der Spitze erkennen kann. Auch durch die Lupe betrachtet, konnte kein Grand Pressigny Flint zu 'Tage gefördert werden. Das Einzige, was an einen Spandolch erinnert ist seine gebogene Form und der Schliff auf der Klinge. Womöglich wurde er tatsächlich aus einem länglichen Abschlag hergestellt, aber bedeutet das, dass es ein Spandolch ist, oder ist es nur ein völlig in die Hosen gegangener Versuch einen Bifazdolch zu produzieren? Wäre an eurer Meinung interessiert.

Länge: 166,5mm
Breite: 33,6mm
Stärke: 16,8mm
Erhaltene Schlifflänge: 92,6mm ventral; 95,5mm dorsal
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Rezenter Bruch
Rezenter Bruch
Was kümmert´s eine deutsche Eiche, wenn sich eine Sau an ihr schubbert
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FlintMetz
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Re: Spandolch

Beitrag von FlintMetz »

Hallo Axtimwalde,

das ist ja ein extrem seltsames Stück. Soweit mir bekannt ist, haben Spandolche schonmal keine geschliffenen Oberflächen. Dolche wurden in der Regel nur dann überschliffen, wenn man ihnen danach noch eine möglichst lange und parallele "Prunk-Retusche" drüberdrücken wollte. Geschliffener Flint ist auch nie so scharf, wie geschlagener oder gedrückter.
Insgesamt ist die "Schneide" ziemlich dick. Die Krümmung sieht wirklich so aus, als wenn es aus einer großen und rel. dicken Klinge hergestellt worden ist. Diese hätte man zwar begradigen können, hätte aber auch eine Längenreduktion bedeutet. Als völlig in die Hose würde ich es nicht einstufen, denn das Schleifen ist eine heiden Arbeit, die man sich nur bei Stücken macht, bei denen es sich auch lohnt. Schrott überschlieft man nicht auch noch... :lol:

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich hab keine Ahnung (was nicht viel heißt). Spandolch (der nicht zwangsläufig aus Grand-Pressigny sein muss) ist aber meines Erachtens nicht unbedingt die beste Bezeichnung dafür. Ich würde auf ein Sondergerät (zur Lederbearbeitung o.Ä) tippen. Mikrogebrauchsspuren wären in dem Fall sicherlich ein Lösungsansatz. Aber warten wir mal ab, was Blattspitze und andere dazu meinen - die haben mehr Ahnung von solchen Sachen. Bin selber auch schon schwer gespannt.

Schöne Grüße...

Robert
Dem Retuscheur ist nichts zu schwör...
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Blattspitze
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Re: Spandolch

Beitrag von Blattspitze »

Sehr interessanter Post Kai, danke für die Bilder!
Sieht für mich stark nach "Spandolchderivat" aus, also eine lokale Imitation der legendären Grand Pressigny Dolche, dieser damals prestigegeladenen sauteuren Meisterwerke aus dem Westen. Aus Dangenstorf in Lüchow Dannenberg gibts eine interessante Brandbestattung (?) der späten Einzelgrabkultur mit Becher, Beil, Streitaxt und einem sehr ähnlichen Dolch. Ist wahrscheinlich nicht im Landkreis ausgestellt, sondern in Hannover im Magazin?
Man hat offensichtlich nicht die echte Großklingenherstellung kopieren können, aber ein möglichst ähnliches Endprodukt dann eben "aus dem Vollen" mit bekannter Technik hergestellt.
Soweit ich weiß, sind die nordwestlichsten Grand Pressigny- "Poignards sur grande lames" aus Bestattungen im westlichen Niedersachsen bekannt?

Es gibt geschliffene Grand Pressigny Dolche:
Bild

Quelle:
http://traces.univ-tlse2.fr/accueil-tra ... que_traces

Bild

Quelle:
http://www.hominides.com/html/lieux/mus ... t-loup.php

Sind die Klingenkanten bei dem Vietzer Fund tatsächlich scharf geschliffen?
"Was an der Unverschämtheit des Heute
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
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