Leben wie in der Steinzeit?
Moderatoren: Hans T., Nils B., Turms Kreutzfeldt, Chris, ulfr
Leben wie in der Steinzeit?
Das haben Studenten der Uni Hamburg heuer zum 10. Mal im AÖZA versucht:
http://www.spiegel.de/unispiegel/wunder ... 84068.html
Freizeitvergnügen, Publikumsbespaßung, Tengelmann-Tarzane? - die Meinungen in den Kommentaren sind ziemlich deutlich ...
http://www.spiegel.de/unispiegel/wunder ... 84068.html
Freizeitvergnügen, Publikumsbespaßung, Tengelmann-Tarzane? - die Meinungen in den Kommentaren sind ziemlich deutlich ...
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
oeis
Hubertus Meyer-Burckhardt
oeis
Re: Leben wie in der Steinzeit?
Ich bin mir nicht sicher, ob die Meßergebnisse durch ein Waschlederkostüm aussagekräftiger werden.
Es gibt eine Menge Ergebnisse zu Keramik, Ernährung etc. aus den letzten 80 (oder mehr) Jahren. Ich frage mich immer wieder, ob es zum "Erfahrungshorizont" gehören muss alles nocheinmal auszuprobieren und zu erfahren. Vielleicht ist es keine schlechte Idee vorab "Hausaufgaben" zu machen und sich auf den Stand der publizierten Ergebnisse und Erfahrungen in den genannten Bereichen zu bringen.
Insbesondere Rauchbelastung durch Feuer ist stark davon abhängig, ob Essen überhaupt so lange gekocht wurde - ob im Haus oder draußen, mit welche Holz (oder getrockneten Torf, Kuhdung etc.). Gibt da nicht die Anatomie der Moorleichen mehr her?
Das soll jetzt nicht heißen, dass Holzbearbeitung, die einmal probiert wurde nie wieder angegangen werden soll. Nein - ganz im Gegenteil - die Fähigkeiten und Möglichkeiten sind völlig andere.
Aber bei Hähnchen von Grill sehe ich das spontan nicht.
Es gibt eine Menge Ergebnisse zu Keramik, Ernährung etc. aus den letzten 80 (oder mehr) Jahren. Ich frage mich immer wieder, ob es zum "Erfahrungshorizont" gehören muss alles nocheinmal auszuprobieren und zu erfahren. Vielleicht ist es keine schlechte Idee vorab "Hausaufgaben" zu machen und sich auf den Stand der publizierten Ergebnisse und Erfahrungen in den genannten Bereichen zu bringen.
Insbesondere Rauchbelastung durch Feuer ist stark davon abhängig, ob Essen überhaupt so lange gekocht wurde - ob im Haus oder draußen, mit welche Holz (oder getrockneten Torf, Kuhdung etc.). Gibt da nicht die Anatomie der Moorleichen mehr her?
Das soll jetzt nicht heißen, dass Holzbearbeitung, die einmal probiert wurde nie wieder angegangen werden soll. Nein - ganz im Gegenteil - die Fähigkeiten und Möglichkeiten sind völlig andere.
Aber bei Hähnchen von Grill sehe ich das spontan nicht.
- Bullenwächter
- Beiträge: 1556
- Registriert: 05.12.2005 15:23
- Wohnort: Halstenbek
- Kontaktdaten:
Re: Leben wie in der Steinzeit?
Wenn sie die älterne Häuser auf dem Gelände experimentell belebt haben werden die Messergebnisse wenig aussagekräftig sein, denn Dächer der Häuser haben eingezogenen Plastikplanen zur Abdichtung der selben. Das wurde vor ein paar Jahren auf einer EXAR-Tagung schon thematisiert. Ob die Dächer der neueren Hausrekonstruktionen ähnlich konstruiert sind weiß ich nicht.
Analysen oder Beobachtungen zu Kohle- oder Teerrückständen aus dem Rauch der Herdfeuer im Lungengewebe von Moorleichen sind mir spntan nicht in Erinnerung. Zudem haben die wenigsten Moorleichen eine entsprechend gute Erhaltung die solche Analysen im Spurenelementebereich sicher zulassen würden.
Analysen oder Beobachtungen zu Kohle- oder Teerrückständen aus dem Rauch der Herdfeuer im Lungengewebe von Moorleichen sind mir spntan nicht in Erinnerung. Zudem haben die wenigsten Moorleichen eine entsprechend gute Erhaltung die solche Analysen im Spurenelementebereich sicher zulassen würden.
The day may be near when we must kill to conserve.
"Dekmalschützer" Giles Cato in der MIDSOMER-MURDERS-Episode The House in the Woods
"Dekmalschützer" Giles Cato in der MIDSOMER-MURDERS-Episode The House in the Woods
Re: Leben wie in der Steinzeit?
Nun wissen wir endlich wie die Frauen damals gekleidet waren. Nämlich nicht anders als heute, mit Minirock und Bikini-Oberteil. .
Das ist wieder so typisch, man schickt irgendwelche Leute da rein, die noch keine Erfahrungen mit Feuermachen, Töpfern, etc. haben, und will dann Aussagen über die "Lebensfähigkeit" in der Steinzeit machen. Da ist es doch klar, dass die meisten Menschen immer noch davon ausgehen, dass damals eher Halbaffen als Menschen waren.
Ich finde so was prinzipiell wirklich toll, vor allem, wenn man es regelmäßig macht wie im AÖZA, aber meiner Meinung muss davor noch einiges an praktischen Wissen beigebracht werden!
Das ist wieder so typisch, man schickt irgendwelche Leute da rein, die noch keine Erfahrungen mit Feuermachen, Töpfern, etc. haben, und will dann Aussagen über die "Lebensfähigkeit" in der Steinzeit machen. Da ist es doch klar, dass die meisten Menschen immer noch davon ausgehen, dass damals eher Halbaffen als Menschen waren.
Ich finde so was prinzipiell wirklich toll, vor allem, wenn man es regelmäßig macht wie im AÖZA, aber meiner Meinung muss davor noch einiges an praktischen Wissen beigebracht werden!
- Blattspitze
- Beiträge: 2572
- Registriert: 17.11.2007 17:38
- Wohnort: Hamburg
Re: Leben wie in der Steinzeit?
Hmm, um den Anspruch des Projektes richtig zu beurteilen, sollten wir lediglich die Zitate der begleitenden Wissenschaftler werten:
"Die jungen Studenten müssen sich erst mal bekannt machen mit den Materialien, gucken, wie was funktioniert", sagt die Organisatorin, Tosca Friedrich. "Man darf nicht vergessen, wir kommen von der Universität Hamburg - wir sind Stadtmenschen."
...
"Wenn man als Archäologe auf Funde guckt und mit dem Material noch nie gearbeitet hat, wie soll man diese Funde dann interpretieren?"
Ich denke, es geht hier um eine allererste Ausbildung ausserhalb der Universität.
Reißerische Bilder von Fellkleidung im Supermarkt, die mit einem offensichtlichen Gegensatz und Widerspruch Aufmerksamkeit und Ablehnung(?) erzeugen sollen, zeigen nur wieder den suggestiven Meinungs-Rahmen und Filter des Spiegel-Schmierfinks, durch den hindurch wir dies betrachten sollen.
Mir fällt dazu ein Zitat ein:
Einer Wahrheit kann nichts schlimmeres passieren, als durch das Gehirn eines Journalisten gequetscht zu werden.
Und anonyme Kommentare unter online-Artikeln zeigen ja häufig bloß, dass der Unterschied zu denen, die aktiv an einer Steinigung vermeintlicher Ehebrecher einige tausend Kilometer entfernt teilnehmen, nur gering ist?
"Die jungen Studenten müssen sich erst mal bekannt machen mit den Materialien, gucken, wie was funktioniert", sagt die Organisatorin, Tosca Friedrich. "Man darf nicht vergessen, wir kommen von der Universität Hamburg - wir sind Stadtmenschen."
...
"Wenn man als Archäologe auf Funde guckt und mit dem Material noch nie gearbeitet hat, wie soll man diese Funde dann interpretieren?"
Ich denke, es geht hier um eine allererste Ausbildung ausserhalb der Universität.
Reißerische Bilder von Fellkleidung im Supermarkt, die mit einem offensichtlichen Gegensatz und Widerspruch Aufmerksamkeit und Ablehnung(?) erzeugen sollen, zeigen nur wieder den suggestiven Meinungs-Rahmen und Filter des Spiegel-Schmierfinks, durch den hindurch wir dies betrachten sollen.
Mir fällt dazu ein Zitat ein:
Einer Wahrheit kann nichts schlimmeres passieren, als durch das Gehirn eines Journalisten gequetscht zu werden.
Und anonyme Kommentare unter online-Artikeln zeigen ja häufig bloß, dass der Unterschied zu denen, die aktiv an einer Steinigung vermeintlicher Ehebrecher einige tausend Kilometer entfernt teilnehmen, nur gering ist?
"Was an der Unverschämtheit des Heute
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
Re: Leben wie in der Steinzeit?
Was die Presse betrifft, bei Dir.
Aber Bilder von Supermarkteinkäufen etc. war bis ins Ruhrgebiet in der Zeitung. Warum nicht zum Einkaufen (klar, essen muss man/frau) mal eben in eine Hose springen. Das hat für meine Begriffe zu einem guten Teil mit Selbstinszenierung zu tun.
Darbietung im Kostüm sind immer eine zweischneidige Anglegenheit. Handelt es sich um ein Technik-Seminar oder Living History?
Schwierig insbesondere für Epochen, für die nur sehr wenig Aussagen zur Bekleidung möglich sind.
Ich kann dem Artikel nicht entnehmen, ob Vermittlung an das Publikum auch Seminar-Thema gewesen ist. Auf der EXAR-Tagung wurde die These aufgestellt, dass Vermittlungmöglichkeiten nur im Kostüm "oder im weißen Kittel" zur großer Publikumsaufmerksamkeit und zum "haftenbleiben" der Inhalte führt.
Aufmerksamkeit hat der Supermarkeinkauf mit Sicherheit erreicht.
Aber Bilder von Supermarkteinkäufen etc. war bis ins Ruhrgebiet in der Zeitung. Warum nicht zum Einkaufen (klar, essen muss man/frau) mal eben in eine Hose springen. Das hat für meine Begriffe zu einem guten Teil mit Selbstinszenierung zu tun.
Darbietung im Kostüm sind immer eine zweischneidige Anglegenheit. Handelt es sich um ein Technik-Seminar oder Living History?
Schwierig insbesondere für Epochen, für die nur sehr wenig Aussagen zur Bekleidung möglich sind.
Ich kann dem Artikel nicht entnehmen, ob Vermittlung an das Publikum auch Seminar-Thema gewesen ist. Auf der EXAR-Tagung wurde die These aufgestellt, dass Vermittlungmöglichkeiten nur im Kostüm "oder im weißen Kittel" zur großer Publikumsaufmerksamkeit und zum "haftenbleiben" der Inhalte führt.
Aufmerksamkeit hat der Supermarkeinkauf mit Sicherheit erreicht.
Re: Leben wie in der Steinzeit?
- Da gebe ich Blattspitze absolut recht.Blattspitze hat geschrieben:um den Anspruch des Projektes richtig zu beurteilen, sollten wir lediglich die Zitate der begleitenden Wissenschaftler werten
Soweit ich mich darüber informieren konnte, soll mit diesem jährlich stattfindenden Projekt die drei Punkte - Archäologisches Experiment, Living History, Museumspädagogik - miteinander verbunden werden, was von vornerein schon sehr schwierig ist. Bin dennoch immer noch der Meinung, dass man gerade bei der Kleidung vorsichtig sein sollte und zumindest Vorbilder von etwas jüngeren Funden genommen werden sollten. Aber die Diskussion ob "Verkleidung" bei der Vermittlung von Wissens sinnvoll ist oder nicht und wie die Kleidung damals ausgegesehen haben könnte, gab es ja schon öfter und ich möchte deshalb auch nicht weiter darauf eingehen!
Schade finde ich, dass man kaum Informationen über die Ergebnisse finde. Einen Artikel konnte ich in der Bilanz 2008 finden, seitdem gab es aber anscheinen nichts mehr. Also wer noch mehr hat...
Re: Leben wie in der Steinzeit?
Ich denke, das diese Sache Spezialisten anvertraut werden sollte.
Und dann diese Leute (zBp. 3 Stück von euch) müßte man in einem altersgetreuen Umgebung Krisissituationen aussetzen. Zbp. ihr habt ne Sturmbeschädigte neolitisches Haus, Steinwerkzeuge, ein Eschewäldchen und zwei Ziegen und kein Feuer. Was tut ihr?
Mit einen Haufen Auszubildenden kommt ihr bestimmt nicht weiter.
Zum Beispiel.
Und dann diese Leute (zBp. 3 Stück von euch) müßte man in einem altersgetreuen Umgebung Krisissituationen aussetzen. Zbp. ihr habt ne Sturmbeschädigte neolitisches Haus, Steinwerkzeuge, ein Eschewäldchen und zwei Ziegen und kein Feuer. Was tut ihr?
Mit einen Haufen Auszubildenden kommt ihr bestimmt nicht weiter.
Zum Beispiel.
Re: Leben wie in der Steinzeit?
Ich finde den Spiegel-Artikel jetzt gar nicht soo "schmierfinkig", da gabs schon viel Schlimmeres. Und was die Kommentare angeht: am Steg stehen immer die besten Steuerleute! Auch wenn wir von öffentlichen Steinigungen denn doch noch weit entfernt sind ... (hoffentlich)
Den Wert dieses Auftritts sehe ich allerdings auch eher in der PR fürs Museum denn in der wissenschaftlichen Aussagekraft, wiewohl ich Toscas und Birtes Arbeit schätze, denn ich finde es schon wichtig, dass sich Studierende auch praktisch/haptisch mit ihrem Studienfach auseinandersetzen, und habe in dieser Richtung ja auch selbst schon viele Semester "unter meinen Fittichen" gehabt. Und ich habe mich ja auch schon mehrfach für Brüche in Geschichtsdarstellungen ausgesprochen.
Aber selbst wenn man wie in Oerlinghausen meint, die Steinzeit nicht seriös darstellen zu können, dann sollte man doch darauf achten, dass es nicht albern wird. Und da ist die Grenze schnell überschritten: Darsteller in Disco-Lederschnürjeans, die sich Hirschgeweih an den Bauhelm tackern, "Alle meine Entchen" singend durchs Museumsdorf laufen und mit Pfeil und Bogen auf Plüschbären schießen, tragen vielleicht zur Erheiterung der Besucher bei, aber ob jemand von denen etwas für das Geschichtsverständnis mit nachhause nimmt, sei dahingestellt. Mesolithikum re-enacten wollen und dann 1A-Schweinekamm Kilo 1,99 ausm Discounter auf den Grill hauen wird auch nicht unbedingt zur Bildung beitragen. Wenn schon, dann als echtes und auch als solches gekennzeichnetes Theater!! Mit ziemlichem Unbehagen beobachte ich seit einiger Zeit, dass vielen Museen das Geld ausgeht, dass die Besucherzahlen sinken und man sich zunehmend hektisch nach Attraktionen umsieht, die nichts kosten dürfen. Völlig klar, dass bei diesem ratrace seriöse Anbieter auf der Strecke bleiben, stattdessen zerlegen grunzende bemalte Schmerbäuche mit Runentattoos Schmalrehe vorm Keltenhaus - "Geil!!" Die Feuersteinklingen gibts bei ebay. Unser allseits verehrter Hugo sprach neulich gewohnt lästerlich von "Kulissen für zeitverschobenen Karneval"!
Ich befürchte, dass wir uns vergebens dem Trend entgegenstemmen; dass Qualität und Kompetenz nicht mehr gefragt und vielleicht mittlerweile oder in absehbarer Zeit gar nicht mehr möglich sind, wenn außerschulische Lernorte (junge) Menschen anziehen sollen, die sich abends Fernsehformate reinziehen, wo nackte Paare an Strand flirten oder sich Leute freiwillig in Situationen begeben, wo alle Hemmschranken fallen, Demütigung cool und der Ekel Programm ist.
Wenn also Hamburg im AÖZA Studierende an die Praxis ranführen will, warum nicht. Aber Ihr fragt zu Recht, ob Chromlederbikinis zur Wissensvermehrung beitragen oder eher Klischees zementieren, ob diskussionswürdige Steinzeit-Hausnachbauten wissenschaftliche Erkenntnisse über die Rauchbelastung überhaupt erlauben, auch wenn die Probanden high-tech-Messgeräte um den Hals tragen. Und wenn man Unterricht im Töpfern, Schuhemachen oder anderen prähistorischen Techniken geben will, dann sollte man sich kompetente "Ausbilder" einladen, auch wenn es finanziell schwerfällt. Am juristischen Seminar lehren auch keine Handschuhmacher ...
Den Wert dieses Auftritts sehe ich allerdings auch eher in der PR fürs Museum denn in der wissenschaftlichen Aussagekraft, wiewohl ich Toscas und Birtes Arbeit schätze, denn ich finde es schon wichtig, dass sich Studierende auch praktisch/haptisch mit ihrem Studienfach auseinandersetzen, und habe in dieser Richtung ja auch selbst schon viele Semester "unter meinen Fittichen" gehabt. Und ich habe mich ja auch schon mehrfach für Brüche in Geschichtsdarstellungen ausgesprochen.
Aber selbst wenn man wie in Oerlinghausen meint, die Steinzeit nicht seriös darstellen zu können, dann sollte man doch darauf achten, dass es nicht albern wird. Und da ist die Grenze schnell überschritten: Darsteller in Disco-Lederschnürjeans, die sich Hirschgeweih an den Bauhelm tackern, "Alle meine Entchen" singend durchs Museumsdorf laufen und mit Pfeil und Bogen auf Plüschbären schießen, tragen vielleicht zur Erheiterung der Besucher bei, aber ob jemand von denen etwas für das Geschichtsverständnis mit nachhause nimmt, sei dahingestellt. Mesolithikum re-enacten wollen und dann 1A-Schweinekamm Kilo 1,99 ausm Discounter auf den Grill hauen wird auch nicht unbedingt zur Bildung beitragen. Wenn schon, dann als echtes und auch als solches gekennzeichnetes Theater!! Mit ziemlichem Unbehagen beobachte ich seit einiger Zeit, dass vielen Museen das Geld ausgeht, dass die Besucherzahlen sinken und man sich zunehmend hektisch nach Attraktionen umsieht, die nichts kosten dürfen. Völlig klar, dass bei diesem ratrace seriöse Anbieter auf der Strecke bleiben, stattdessen zerlegen grunzende bemalte Schmerbäuche mit Runentattoos Schmalrehe vorm Keltenhaus - "Geil!!" Die Feuersteinklingen gibts bei ebay. Unser allseits verehrter Hugo sprach neulich gewohnt lästerlich von "Kulissen für zeitverschobenen Karneval"!
Ich befürchte, dass wir uns vergebens dem Trend entgegenstemmen; dass Qualität und Kompetenz nicht mehr gefragt und vielleicht mittlerweile oder in absehbarer Zeit gar nicht mehr möglich sind, wenn außerschulische Lernorte (junge) Menschen anziehen sollen, die sich abends Fernsehformate reinziehen, wo nackte Paare an Strand flirten oder sich Leute freiwillig in Situationen begeben, wo alle Hemmschranken fallen, Demütigung cool und der Ekel Programm ist.
Wenn also Hamburg im AÖZA Studierende an die Praxis ranführen will, warum nicht. Aber Ihr fragt zu Recht, ob Chromlederbikinis zur Wissensvermehrung beitragen oder eher Klischees zementieren, ob diskussionswürdige Steinzeit-Hausnachbauten wissenschaftliche Erkenntnisse über die Rauchbelastung überhaupt erlauben, auch wenn die Probanden high-tech-Messgeräte um den Hals tragen. Und wenn man Unterricht im Töpfern, Schuhemachen oder anderen prähistorischen Techniken geben will, dann sollte man sich kompetente "Ausbilder" einladen, auch wenn es finanziell schwerfällt. Am juristischen Seminar lehren auch keine Handschuhmacher ...
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
oeis
Hubertus Meyer-Burckhardt
oeis
Re: Leben wie in der Steinzeit?
Lieber Ulfr, jetzt würde ich sehr gerne den "Gefällt mir!"-Button anklicken!
Ich finde es an sich wunderbar, Studierenden auch praktische Erfahrungen zu verschaffen - aber auch da ist es wie bei allen Aktionen, die sich in Museen abspielen und (zumindest teilweise) vor Publikum: Bitte kein Etikettenschwindel!
Eine Ausprobierwoche ist keine Experimentelle Archäologie, ein teil-modernes Gebäude kein geeignetes Experimentierfeld und nicht jede(r) kann alles fachlich so vermitteln, daß es Sinn macht...
Achja, und falls bestimmte Personen hier (wieder) mitlesen: Ich darf das schreiben, ich habe nämlich (wie wir alle) ein Recht auf eine eigene Meinung und deren Äußerung
Ich finde es an sich wunderbar, Studierenden auch praktische Erfahrungen zu verschaffen - aber auch da ist es wie bei allen Aktionen, die sich in Museen abspielen und (zumindest teilweise) vor Publikum: Bitte kein Etikettenschwindel!
Eine Ausprobierwoche ist keine Experimentelle Archäologie, ein teil-modernes Gebäude kein geeignetes Experimentierfeld und nicht jede(r) kann alles fachlich so vermitteln, daß es Sinn macht...
Achja, und falls bestimmte Personen hier (wieder) mitlesen: Ich darf das schreiben, ich habe nämlich (wie wir alle) ein Recht auf eine eigene Meinung und deren Äußerung
Me transmitte sursum, Caledoni!
Re: Leben wie in der Steinzeit?
Um es nach dem Stumpsinns-Mode-Satz mancher Politiker zu sagen: "Da bin ich ganz bei Ihnen!". Besser hätte man es nicht ausdrücken können ulfr.
Es ist wirklich traurig, dass viele Museen dermaßen um ihre Existenz kämpfen müssen, dass es oftmals gilt, wie bekomme ich möglichst viele Besucher. Da muss zwangsläufig die Wissenschaft etwas zurückstecken. Und wer ist mal wieder schuld an diesem Dilema ... die Lobby...
Es ist wirklich traurig, dass viele Museen dermaßen um ihre Existenz kämpfen müssen, dass es oftmals gilt, wie bekomme ich möglichst viele Besucher. Da muss zwangsläufig die Wissenschaft etwas zurückstecken. Und wer ist mal wieder schuld an diesem Dilema ... die Lobby...
Trotzdem oder gerade deshalb wie Don Quijchote unermüdlich weiterkämpfen, vielleicht hat man ja, im Gegensatz zu ihm Glück und kann die Windmühlen besiegenulfr hat geschrieben:Ich befürchte, dass wir uns vergebens dem Trend entgegenstemmen
Re: Leben wie in der Steinzeit?
Meiner Auffassung nach ist es nicht nur eine Frage des Geldes, sondern auch ein Bewußtsein für Qualität.
Es gibt ein paar wunderbare ältere Artikel dazu (nicht zu letzt die Klassiker von C. Ahrends). Für den Bereich Archäo-Technik sehe ich immer wieder das Problem, das Fährigkeiten notwendig sind, die kaum erlernbar sind. Also Fährigkeiten, die über die Beherrschung von Techniken hinausgehen.
Parallel dazu wurde auf der Berufsmesse Archaeoworks über Archäo-Technik und Living-History als berufliche Perspektive informiert.
Auf der anderen Seite beobachte ich in den letzten 2-3 Jahren verstärkt, dass immer wieder der Topos der trockenen und lebensfernen "Elfenbeinturm" Wissenschaft beschwören wird. Der Tenor verschärft sich schon fast dahingehend Entschuldigungen dafür vorbringen zu müssen wissenschaftliche Ergbnisse (oder sogar Methoden) in die Öffentlichkeit zu vermitteln.
Es schon fast beängstigend welchen Zuspruch dieses Vorgehen erntet.
Knochen, der Lobby-Begriff bietet in diesem Zusammenhang möglichweise schon fast eine Perspektive. Das "Expertentum" für Kostüme für wird dem Living-Histoy-Bereich zugesprochen, für das rasche "Erleben" von Geschichte ist jede Kulisse gut genug. Die wissenschaftliche Forschung scheint zu einem Zulieferbetrieb für bunte Bilder zu werden. Und das alles um "das Publikum abzuholen wo es steht". Vielleicht ist es anregend darüber nachzudenken "wer den Besucher dort hingestellt hat"?
Es gibt ein paar wunderbare ältere Artikel dazu (nicht zu letzt die Klassiker von C. Ahrends). Für den Bereich Archäo-Technik sehe ich immer wieder das Problem, das Fährigkeiten notwendig sind, die kaum erlernbar sind. Also Fährigkeiten, die über die Beherrschung von Techniken hinausgehen.
Parallel dazu wurde auf der Berufsmesse Archaeoworks über Archäo-Technik und Living-History als berufliche Perspektive informiert.
Auf der anderen Seite beobachte ich in den letzten 2-3 Jahren verstärkt, dass immer wieder der Topos der trockenen und lebensfernen "Elfenbeinturm" Wissenschaft beschwören wird. Der Tenor verschärft sich schon fast dahingehend Entschuldigungen dafür vorbringen zu müssen wissenschaftliche Ergbnisse (oder sogar Methoden) in die Öffentlichkeit zu vermitteln.
Es schon fast beängstigend welchen Zuspruch dieses Vorgehen erntet.
Knochen, der Lobby-Begriff bietet in diesem Zusammenhang möglichweise schon fast eine Perspektive. Das "Expertentum" für Kostüme für wird dem Living-Histoy-Bereich zugesprochen, für das rasche "Erleben" von Geschichte ist jede Kulisse gut genug. Die wissenschaftliche Forschung scheint zu einem Zulieferbetrieb für bunte Bilder zu werden. Und das alles um "das Publikum abzuholen wo es steht". Vielleicht ist es anregend darüber nachzudenken "wer den Besucher dort hingestellt hat"?
Re: Leben wie in der Steinzeit?
JETZT möchte ICH mal den "like"-Button drücken!! Sehr schön, Frau Crumbach ...S. Crumbach hat geschrieben: Vielleicht ist es anregend darüber nachzudenken "wer den Besucher dort hingestellt hat"?
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
oeis
Hubertus Meyer-Burckhardt
oeis
- Blattspitze
- Beiträge: 2572
- Registriert: 17.11.2007 17:38
- Wohnort: Hamburg
Re: Leben wie in der Steinzeit?
Eure Antworten klingen ja äußerst pessimistisch und werden zur Globalkritik. Der Spiegel-Artikel als Anlass, den Verlust der "reinen Lehre" zu beklagen.
Ich habe hier einmal aus dem Vorlesungsverzeichnis die entsprechende Übung herausgesucht, zu dem (als kurzes Praktikum) der Aufenthalt im AÖZA gehörte:
Die Frage nach den Lebenswelten vergangener Zivilisationen ist einer der Grundfragen in der archäologischen Forschung. Da sich die Lebenswelt jedoch nur bedingt an den materiellen Hinterlassenschaften und den archäologischen Funden erschließen lassen, werden unterschiedliche Methoden angewandt – dazu gehört auch die Experimentelle Archäologie, die u. a. im praktischen Versuch Informationen über das Handlungsfelder, Produktionswege aber auch Alltägliche Situationen vergangener Zeiten liefern kann. Im Rahmen dieser Übung werden Rekonstruktionsmöglichkeiten der vor- und frühgeschichtlichen Lebenswelten mit Hilfe von Experimenten untersucht und besprochen aber auch ihre Gefahren und Probleme diskutiert. Zur Untersuchung werden verschiedene Experimente, wie z.B. im Bereich der Werkzeugherstellung, Behausung, Textilien, Metallherstellung und Bestattung herangezogen. Neben der theoretischen Bearbeitung des Themas „Experimentelle Archäologie“ stehen eigene Versuchsaufbauten im Mittelpunkt der Übung. Die Studierenden sind aufgefordert, eigene Projekte zu formulieren, die im Rahmen der Übung vorbereitet und besprochen werden. Ihre praktische Umsetzung soll im besten Fall im Anschluss während der praktischen Woche im Steinzeitdorf Albersdorf erfolgen. Neben der Experimentellen Archäologie steht die Frage nach einer angewandten Vermittlung von archäologischen Inhalten im Museum als zweiter wichtiger Schwerpunkt im Blickfeld. In der Übung werden unterschiedliche museale Vermittlungsmethoden und die praktische Umsetzung dargestellt und die Studierenden werden aktiv eingebunden, insbesondere im Hinblick auf das anschließende Praktikum im Steinzeitpark Albersdorf, eigene Präsentationen vorzubereiten.
http://www.fbkultur.uni-hamburg.de/de/v ... -2014.html
Es handelte sich lediglich um eine Übung für Studenten, kein Seminar o.ä..
Ich war weder vor Ort noch kenne ich das Projekt genauer. Ich verstehe Eure Vorbehalte, aber es bleibt eben immer eine Gratwanderung, es gibt da kein schwarz oder weiss. Ihr fordert letztlich ein bißchen weniger grau?
Konsequent zu Ende gedacht kann man Steinzeit nicht darstellen. Zack.
Wir verlangen also, dass man sich vor dem Verlassen der Stationen für den Einkauf umzuziehen hat? Eine Folie im Dachaufbau macht die Übung obsolet?
Chromlederbikinis? Seit den 70ern in Hjerl Hede und auch aktuell in Lejre und anderswo zu sehen. Welches Kleidungsstück wäre alternativ möglich und erschwinglich gewesen? Oder keine Verkleidung und keine Reporter? (Nebenbei ist der früheste Nachweis für Bikinis römisch, oder?)
Ich habe mich nie verkleidet, habe aber gehört, dass es den Teamspirit und die Motivation sehr fördern soll. Wir wissen nicht, ob Zuschauern und dem Reporter deutlich Einschränkungen genannt wurden, die er aber nicht mehr für wichtig gehalten hat. Die Bilder prägen uns und machen die Story zum Aufreger.
Ich frage mich, ob der Spiegel-Fotograf mitbekommen hat, dass man einkaufen geht und seine Chance gewittert hat. Bilder sind immer viel mächtiger als Worte. Lest den Artikel einfach einmal ohne die Bilder.
Sylvia schrieb einmal: "Alles Lüge" Das trifft es immer ...
Ich habe hier einmal aus dem Vorlesungsverzeichnis die entsprechende Übung herausgesucht, zu dem (als kurzes Praktikum) der Aufenthalt im AÖZA gehörte:
Die Frage nach den Lebenswelten vergangener Zivilisationen ist einer der Grundfragen in der archäologischen Forschung. Da sich die Lebenswelt jedoch nur bedingt an den materiellen Hinterlassenschaften und den archäologischen Funden erschließen lassen, werden unterschiedliche Methoden angewandt – dazu gehört auch die Experimentelle Archäologie, die u. a. im praktischen Versuch Informationen über das Handlungsfelder, Produktionswege aber auch Alltägliche Situationen vergangener Zeiten liefern kann. Im Rahmen dieser Übung werden Rekonstruktionsmöglichkeiten der vor- und frühgeschichtlichen Lebenswelten mit Hilfe von Experimenten untersucht und besprochen aber auch ihre Gefahren und Probleme diskutiert. Zur Untersuchung werden verschiedene Experimente, wie z.B. im Bereich der Werkzeugherstellung, Behausung, Textilien, Metallherstellung und Bestattung herangezogen. Neben der theoretischen Bearbeitung des Themas „Experimentelle Archäologie“ stehen eigene Versuchsaufbauten im Mittelpunkt der Übung. Die Studierenden sind aufgefordert, eigene Projekte zu formulieren, die im Rahmen der Übung vorbereitet und besprochen werden. Ihre praktische Umsetzung soll im besten Fall im Anschluss während der praktischen Woche im Steinzeitdorf Albersdorf erfolgen. Neben der Experimentellen Archäologie steht die Frage nach einer angewandten Vermittlung von archäologischen Inhalten im Museum als zweiter wichtiger Schwerpunkt im Blickfeld. In der Übung werden unterschiedliche museale Vermittlungsmethoden und die praktische Umsetzung dargestellt und die Studierenden werden aktiv eingebunden, insbesondere im Hinblick auf das anschließende Praktikum im Steinzeitpark Albersdorf, eigene Präsentationen vorzubereiten.
http://www.fbkultur.uni-hamburg.de/de/v ... -2014.html
Es handelte sich lediglich um eine Übung für Studenten, kein Seminar o.ä..
Ich war weder vor Ort noch kenne ich das Projekt genauer. Ich verstehe Eure Vorbehalte, aber es bleibt eben immer eine Gratwanderung, es gibt da kein schwarz oder weiss. Ihr fordert letztlich ein bißchen weniger grau?
Konsequent zu Ende gedacht kann man Steinzeit nicht darstellen. Zack.
Wir verlangen also, dass man sich vor dem Verlassen der Stationen für den Einkauf umzuziehen hat? Eine Folie im Dachaufbau macht die Übung obsolet?
Chromlederbikinis? Seit den 70ern in Hjerl Hede und auch aktuell in Lejre und anderswo zu sehen. Welches Kleidungsstück wäre alternativ möglich und erschwinglich gewesen? Oder keine Verkleidung und keine Reporter? (Nebenbei ist der früheste Nachweis für Bikinis römisch, oder?)
Ich habe mich nie verkleidet, habe aber gehört, dass es den Teamspirit und die Motivation sehr fördern soll. Wir wissen nicht, ob Zuschauern und dem Reporter deutlich Einschränkungen genannt wurden, die er aber nicht mehr für wichtig gehalten hat. Die Bilder prägen uns und machen die Story zum Aufreger.
Ich frage mich, ob der Spiegel-Fotograf mitbekommen hat, dass man einkaufen geht und seine Chance gewittert hat. Bilder sind immer viel mächtiger als Worte. Lest den Artikel einfach einmal ohne die Bilder.
Sylvia schrieb einmal: "Alles Lüge" Das trifft es immer ...
"Was an der Unverschämtheit des Heute
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
Re: Leben wie in der Steinzeit?
Zur Frage nach der Wirkung "Kleidung" hatte ich Anfang der 1990er eine prima Übung: Der Geschäftsführer des erste Bekleidungsgeschäft am Ort (Kleinstadt im Bergischen Land) hatte sich für sein Verkäuferinnen in der Probezeit einen schön "Soft-Skill" Test ausgedacht. Ziel des Versuchs war Kundenfreundlichkeit ohne Kompromisse. Meine Aufgabe dabei war gradewegs von der Baustelle (und im entsprechenden Ornat) in dieses Geschäft zu gehen und ein Paar schöne Strümpfe oder eine schöne Stumpfhose zu kaufen. Eine Art "Testkauf" sozusagen. (Die Stümpfe durfte ich behalten.)
Als ich die Bilder aus Albersdorf im Sommer in der WAZ gesehen habe, fiel mir diese Episode sofort ein. Kleidung (und Benehmen) verursacht Reaktionen. Und was die Reaktionen angeht wäre kritisch zu betrachten, ob das so gewünscht ist - oder eben nicht. Die (fast) bundesweite Verbreitung der Bilder und die Reaktionen darauf gäben für meine Begriffe eine schöne Übung in Sachen kritischer Einschätzung von Formen der Öffentlichkeitsarbeit ab.
Wer sich im Kostüm inszeniert, sollte die mit den Reaktionen umgehen lernen. Das Ganze könnte man/frau weiterentwickeln - z.B. mit Bilderserien mit dem selben Kostüm an verschiedenen Personen und verschiedenen Kontexten.
Für das Begleitheft zur Ausstellung "Frauen und Mode" im Belginum-Museum haben wir für die Auswahl der "Models" und Inszenierungen solche Überlegungen zu Grunde gelegt: Es sollten junge und ältere dicke und schlankere Frauen zu sehen sein. Das war der einfache Teil.
Benötigt wurden ein paar Bilder von Armringen an der Frau. Als wir alle kritisch auf unsere Hände gekuckt haben, hatten wir künstliche Nägel übermäßig schöne Bürohändchen und noch ein paar mehr Dinge dabei, die im heutigen Alltag kaum bewußt sind.
Als ich die Bilder aus Albersdorf im Sommer in der WAZ gesehen habe, fiel mir diese Episode sofort ein. Kleidung (und Benehmen) verursacht Reaktionen. Und was die Reaktionen angeht wäre kritisch zu betrachten, ob das so gewünscht ist - oder eben nicht. Die (fast) bundesweite Verbreitung der Bilder und die Reaktionen darauf gäben für meine Begriffe eine schöne Übung in Sachen kritischer Einschätzung von Formen der Öffentlichkeitsarbeit ab.
Wer sich im Kostüm inszeniert, sollte die mit den Reaktionen umgehen lernen. Das Ganze könnte man/frau weiterentwickeln - z.B. mit Bilderserien mit dem selben Kostüm an verschiedenen Personen und verschiedenen Kontexten.
Für das Begleitheft zur Ausstellung "Frauen und Mode" im Belginum-Museum haben wir für die Auswahl der "Models" und Inszenierungen solche Überlegungen zu Grunde gelegt: Es sollten junge und ältere dicke und schlankere Frauen zu sehen sein. Das war der einfache Teil.
Benötigt wurden ein paar Bilder von Armringen an der Frau. Als wir alle kritisch auf unsere Hände gekuckt haben, hatten wir künstliche Nägel übermäßig schöne Bürohändchen und noch ein paar mehr Dinge dabei, die im heutigen Alltag kaum bewußt sind.