Männliche Sicht auf das Mittelalter

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Blattspitze
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Männliche Sicht auf das Mittelalter

Beitrag von Blattspitze »

Eine feministische Archäologin sagt:
Die Mittelalterarchäologie ist ungerecht.
Die Lebenswelt von Frauen, Kindern oder Dienstboten wird dagegen nur selten betrachtet und untersucht.
„Wir müssen neue Fragen an die archäologischen Belege stellen“, sagt die Forscherin. „Wie waren beispielsweise die Geschlechterrollen konstruiert und reguliert? Und wie war es für eine Person, die kein Mann der Elite war, in einem mittelalterlichen Schloss zu leben?“ Die Einbeziehung von Genderaspekten ist nach Ansicht der Archäologin daher keine Frage des Trends oder der politisch-feministischen Korrektheit, sondern dringend notwendig, um ein vollständiges Bild der mittelalterlichen Lebenswelt zu erhalten. „In dieser Hinsicht hängt die Archäologie hinter der Zeit zurück“, konstatiert Dempsey.

https://www.wissenschaft.de/geschichte- ... ttelalter/
https://www.cambridge.org/core/journals ... 5BFA43E9AA
"Was an der Unverschämtheit des Heute
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
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ulfr
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Re: Männliche Sicht auf das Mittelalter

Beitrag von ulfr »

... hatte ich neulich ein Gespräch mit einem polnischen Gerüstbauer, der unser aktuelles Projekt eingerüstet hat: "Ist ja ganz spannend, was Ihr da macht ... aber Geschichte interessiert mich nicht so. Ist ja sowieso so: Der Gewinner nimmt alles, oder? Geschichte wird doch immer nur von den Siegern geschrieben."

Und da liegt das Problem - gibt es Aufzeichnungen von Personen, die nicht als Mann der Elite in einem Schloss gelebt haben oder als Mönch in einem Kloster? Das Leben eines mittelalterlichen Zimmermanns zu erzählen muss zwangsläufig genauso eine Konstruktion sein wie das Stundenbuch des Duc de Berry, der auch nur erzählt, was ihm wichtig war.
Lediglich unser Blickwinkel kann sich ändern bzw. weiten, wir können die Geschichtsschreibung hinterfragen und sollten das auch tun, hat übrigens olle Brecht schon angemerkt:

http://ingeb.org/Lieder/werbaute.html

und auch er schließt mit : ... "so viele Fragen!"
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
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Blattspitze
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Re: Männliche Sicht auf das Mittelalter

Beitrag von Blattspitze »

Abgesehen davon, dass es bestimmt manchmal besser ist, wenn die Sieger die Geschichte erzählen, hat die Thematik ja wesentlich mit Erhaltung und Überlieferung zu tun.
Arme und Benachteiligte haben ja immer weniger Spuren als die "Sieger" hinterlassen können. Sie haben zwar mit Ihrer Hände Arbeit die Dinge geschaffen, die ausgegraben werden, aber diese Dinge liegen in Gräbern der Elite und sind mit herausgestellten Personen verbunden. Mit Einführung der Schrift wird`s noch extremer.
Wenn es stimmt, dass die handwerklichen Produkte von Frauen eher aus Materialien bestehen, die nur unter günstigeren Erhaltungsbedingungen überliefert sind, so sind diese verständlicherweise unterrepräsentiert.
Ansonsten ist es eben die Frage, wie stark der Bias ist.
Wie sollen "Fürstengräber" gleichberechtigt zur beigabenlosen Bestattung eines Tagelöhners gewertet werden können?
Der bildungsbürgerliche "Endkonsument" der Archäologie ist bestimmt auch eher an Gold und Kunst interessiert und ihm das abgewöhnen zu wollen, ...?
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Monolith
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Re: Männliche Sicht auf das Mittelalter

Beitrag von Monolith »

Im Vasa-Museum in Stockholm dreht sich ein ein Teil der Ausstellung ganz um die Crew der Vasa. Natürlich sind wir hier zeitlich außerhalb des Mittelalters, aber das Prinzip ist ja dasselbe. Man hat versucht, das Leben der Crew zu rekonstruieren und dafür stehen uns ja auch genügend Wuellen zur Verfügung in dieser Zeit und für das Mittelalter, nämlich Friedhöfe, Latrinen, Kirchregister- oder Grundbucheinträge. Natürlich war die Wissenschaft bisher oft auf die herausstehenden Persönlichkeiten aus, deren Leben sich wahrscheinlich am einfachsten rekonstruieren lässt. Aber ich denke, dass auch das Publikum am "normalen Bürgen" "wie Du und ich" interessiert ist, wenn es entsprechend aufbereitet wird, gerade weil man sich mit diesen Personen am besten identifizieren kann. Ich denke, aus dieser Perspektive lassen sich Männer UND Frauen ganz gut analysieren. Ich weiß allerdings nicht, ob es auch so gut mit den Kindern klappt. Ich vermute, dass sie unterrepräsentiert sein könnten.
KlausKunze

Re: Männliche Sicht auf das Mittelalter

Beitrag von KlausKunze »

Zum Thema der "männlichen Sicht" auf das Mittelalter, insbesondere schwerpunktmäßig das dabei in den Quellen vorfindliche Bild von Frauen, habe ich publiziert, komme allerdings zu keinem "feministischen" Ergebnis. Das liegt teilweise daran, daß ich auch viele von Frauen geschriebene Quellen herangeogen habe, die ein anderes Bild vermitteln:
https://www.amazon.de/ewig-Weibliche-Wa ... 3938176717
Aus dem Inhaltverzeichnis:
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT 8
VORGESCHICHTE 10
Die geraubten Frauen von Eulau 10
Die Frau von Egtved 14
GERMANENZEIT 17
Magische Kräfte 19
Nomen est Omen 21
Unter Muntschaft 24
Die Kriegerin von Birka 26
Kriegerische Zeiten: patriarchalische Zeiten 28
Das Haus 30
Vor Gericht 32
Die verheiratete Frau 34
Gehorsam oder Liebesheirat? 38
Die Ambivalenz der Freiheit 40
Von der Rache zum Wergeld 41
Frauenraub 43
Ehrloses Verhalten von Frauen? 43
MITTELALTER 47
Die "feuchte und kalte" Frau 48
Im Spiegel des Wortschatzes 50
Die merowingische Frau 52
Die Stiftsdame 55
Die höfische Frau 57
Die Hexe 60
Die Heilerin 64
Hochblüte der Minne 66
Die untreue Frau 73
Die Frau als Braut Christi 79
Ein Zivilisationszusammenbruch und seine Folgen 86
Böse Mädchen 89
Die dörpische Frau 96
Die bäuerliche Frau 99
Das unstete Weib 103
Die Ehefrau 105
Die zünftige Frau 113
Die klösterliche Frau 116
Die utopische Frau 120
DIE AUFKLÄRUNG 122
Die Hierarchie 124
Die Frau im neuzeitlichen Naturrecht 126
Die regierende Frau 129
Die amoralische Frau 134
Das Taubenhaus 136
Die archetypische Frau 138
Die Hexe, die keine war 145
Die Frau mit Hosen an 153
Die geprügelte Frau 156
Die verhaßte Frau 158
Die albernen Weiber und die gelehrten Frauen 160
Das Frauenbild einer Ärztin 162
Die Frau auf Männerjagd 167
Die konsequente Auflösung der Moral 171
DIE BÜRGERLICHE EPOCHE 177
Die gebildete Frau 180
Die bürgerliche Frau 183
Die züchtige Hausfrau 190
DIE MODERNE 193
Die Epochen der Weiblichkeit 193
Zwischen Sehnsucht und Verlustangst 194
Die ledige Mutter 195
Die Arbeiterin 197
Die funktionale Frau 198
Gleichheit statt Identität 201
Die Auflösung der Weiblichkeit 205
Freie Liebe und freier Sex 206
Der normative Kern des Frauenbildes 210
Die biologische Frauenbild 212
Die gegenderte Frau 217
Gesetzmäßigkeiten und Konstruktionen 219
Ausblick 224
ANMERKUNGEN 227
LITERATURVERZEICHNIS 243
ÜBER DEN AUTOR 247
STICHWORTVERZEICHNIS 248
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Roeland Paardekooper
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Re: Männliche Sicht auf das Mittelalter

Beitrag von Roeland Paardekooper »

@KlausKunze, danke fuer Dein 1. Beitrag, kannst Du dich bitte erst vorstellen unter https://archaeoforum.de/viewforum.php?f=3
Unsere Arbeit ist ernsthaft, aber wir brauchen nicht Ernsthaft zu sein wenn wir arbeiten" (our work is serious but we don't need to be serious while working)
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ulfr
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Re: Männliche Sicht auf das Mittelalter

Beitrag von ulfr »

KlausKunze hat geschrieben: habe ich publiziert
Sehr geehrter Herr Kunze,

einige Mitglieder dieses Forums haben schon publiziert, es hat aber bisher noch niemand einen link zu einem amazon-Angebot seiner eigenen Publikationen gepostet, höchstens auf online-Bereitstellungen wie z.B. auf academia.edu verwiesen. Ihr obiger Beitrag, der im Übrigen mit der Aufzählung des gesamten Inhaltsverzeichnisses imho ziemlich overdone ist und hart an der Grenze zur kommerziellen Werbung entlangschrammt - die in diesem Forum nicht gestattet ist, siehe Forenregeln - ist eben darum in der vorliegenden Form hier nicht wirklich erwünscht. Ich bitte in Zukunft von solchen Posts abzusehen.

Dies ist ein Diskussionsforum, keine Litfaßsäule.

Danke für Ihr Verständnis!
ULFR
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