Holzbearbeitung mit Streitäxten

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ulfr
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Holzbearbeitung mit Streitäxten

Beitrag von ulfr »

Eine britische Archäologin hat Versuche zur Holzbearbeitung mit Streitäxten aus Felsgestein angestellt:

https://exarc.net/issue-2020-3/ea/new-u ... -formation

Ich bin mit der Methode und der Durchführung des Experiments nicht ganz einverstanden.

Die Autorin beklagt wiederholt ihr Problem, geeignetes Holz für die Versuche in ausreichender Menge zu beschaffen. Meiner bescheidenen Meinung nach sollte für einen Versuch dieser Art jedoch das größte Augenmerk auf das Holz gelegt werden - ich würde sonst die Ergebnisse der Tests infrage stellen. Für die Spaltversuche verwendet sie 30 cm lange Stücke von halbtrockenen Birkenstämmen, mit einer modernen Säge rechtwinklig abgesägt - solche Hölzer hat man in der Früh-BZ sicher nicht hergenommen. Und ich vermute ganz stark, dass, wenn man damals überhaupt Feuerholz in solchen Abmessungen gespalten hat, sicher auch einen schönen Hauhubbel (Hackklotz) nicht verschmäht hätte. Ich möchte die junge Dame mal sehen, nachdem sie in dieser Arbeitshaltung einen Raummeter Holz verarbeitet hat. Wie sind die 2000 Schläge für den Spaltversuch zustande gekommen?

Meckern muss ich leider auch über den Film zum Astabhacken: Wenn mich meine Baumkenntnis nicht trügt, dann wird da keine Kiefer bearbeitet, sondern eine Eibe. Zweitens sieht man ab 0:15 gar nichts mehr.

Außerdem vermisse ich Bilder der Bäume nach dem Versuch. Und die Bilder zu den Benutzungsspuren finde ich nicht besonders aussagekräftig. Gibt es da noch eine richtige Publikation mit allen Daten?

Aber bevor es jetzt wieder heißt, ich würde alles gleich ins Nirvana bombardieren, bleibt mir nur, Mrs. Roy zu ermutigen, den nächsten Versuch besser vorzubereiten. Wir haben in Ergersheim auch mehrere Anläufe gebraucht, bevor wir belastbare Ergebnisse erzielt haben. Vielleicht hat sie ja Lust, nächstes Jahr mal auf richtige Eichen loszugehen, ich werde sie dementsprechend einladen.
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Sculpteur
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Re: Holzbearbeitung mit Streitäxten

Beitrag von Sculpteur »

Moin.

Wieso, Ulfr? Du wendest doch nur einleuchtende Kritikpunkte an.
Wer solche Experimente durchführt, sollte im Vorfeld doch seine Hausaufgaben machen und das geeignete Material besorgen.

Bei der Eingangs zu begutachtenden Schlagtechnik frage ich mich außerdem, welchen Sinn es macht, Schläge zu zählen. Repräsentativ können solche Zählungen doch niemals sein:

Für ein solches Experiment, bei dem Schläge gezählt werden um zu ermitteln, wiviele Schläge notwendig sind, um ein bestimmtes Gehölz nach dieser Methode zu durchtrennen, sollten doch möglichst viele verschiedene Werkzeuge UND Axtbediener unterschiedlicher Konstituition Experimente durchführen.

Idealer angepasste Schäftungen sind sicherlich auch ein Thema.

Oder irre ich mich da etwa?

:8:
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ulfr
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Re: Holzbearbeitung mit Streitäxten

Beitrag von ulfr »

Sculpteur hat geschrieben:Idealer angepasste Schäftungen sind sicherlich auch ein Thema.
Darauf wollte ich jetzt nicht auch noch rumreiten: In der Literatur sind die spärlichen erhaltenen Schäfte alle als sorbus-Arten bzw. rosaceae resp. pomoidae bestimmt, weder Kiefer noch Birke werden genannt, halte ich auch für denkbar ungegeignet für eine Axt. Letztlich spielt die Holzart natürlich bei solch einem Versuch nicht die ganz große Rolle, wenn man nur 2000 mal damit zuschlägt ... Aber ob ein Schaft dann über 11.000 heftige Schläge aushält wie die aus Ulm/Esche oder der Ulmen-Stiel des Breitkeils mit gerade mal 20 mm Dicke und zigtausend Schlägen in Ergersheim, wage ich zu bezweifeln. Die damalige Wahl der Holzart spricht für sich.
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Sculpteur
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Re: Holzbearbeitung mit Streitäxten

Beitrag von Sculpteur »

Stimmt, Ulfr.
Die Holzart ist je nach experimentellem Aufbau und Ziel einer Experimentereihe erstmal zweitrangig. Allerdings gehen die interessanten Erkenntnisse bei ausführlicheren Experimenten ja nicht nur in die Richtung des Fragens nach der Effektivität eines Hiebs. Besonders interessant für aufwändigere Untersuchungen ist doch die Anpassung der Werkzeuge an den menschlichen Körper. Ergonomie und Gesundheitsfragen spielen eine besondere Rolle, wenn eine Holzart z.B. wesentlich schneller splittert und bricht als eine andere (muss ich Dir als erfahrenem Holzwurm natürlich nicht erzählen, ist aber im Thema interessant und hast Du ja auch schon angeschnitten). Bei Kiefer z.B ist die damit einhergehende Verletzungsgefahr als wesentlich größer einzuschätzen - da sind schwere Verletzungen häufiger möglich, als z.B. mit einem Eschenstiel.
Auch wenn Schäftungen zu instabil sind, wirkt sich das negativ auf Knochen, Muskeln, Sehnen und Bänder des Anwenders aus, wie ja jeder erfahrener Werkzeuganwender weiß. In diesem Sinne falsche Werkzeugmaterialien haben das damalige Leben unserer Altvorderen teilweise äußerst negativ beeinflusst und können auch heutigen Experimentatoren auf Dauer irreparable Schäden zufügen.
Von daher wäre es neben dem Aspekt der Authentizität eines Versuchsaufbaus meiner Meinung nach in Ordnung gewesen, wenn Du diesen Aspekt freimütig auch noch erwähnt hättest.
Ich persönlich finde es wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass bestimmte Hölzer sich nicht grundlos für Werkzeugstiele etabliert haben. Diese wichtigen Aspekte sollte ein ensthaft agierender Experimentator berücksichtigen. Holzarten für Werkzeugstiele und ihre Machart haben auch kulturelle Aspekte des täglichen Zusammenlebens unserer Altvorderen (und nebenbei die Entwicklung der Naturheilkunde und des Ärzteberufs :3: ) mitbeeinflusst und mitbefördert, was doch im Sinne der Experimentalarchäologie sehr interessant ist.
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Trebron
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Re: Holzbearbeitung mit Streitäxten

Beitrag von Trebron »

Abgesehen von den Erfahrungen, die wir in den Jahren der Ergersheimer Experimenten machen durften, hatte sie vermutlich in der Vorbereitung nicht die besten/erfahrendsten Berater !


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FlintMetz
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Re: Holzbearbeitung mit Streitäxten

Beitrag von FlintMetz »

Hallo zusammen,

vielleicht sollte man der Dame die Möglichkeit geben, nach entsprechend intensiver Diskussion und Kommunikation mit ihr (und falls gewünscht mit entsprechend qualifizierten Ratschlägen und Anregungen) eine Update-Version ihrer "Experimente" aufzulegen und durchzuführen. Einen größeren Lernprozess, als diesen, kann man nicht durchleben! Und für uns wäre es sehr interessant, wie weit dann die Ergebnisse der Reihe 1 von der Reihe 2 abweichen. Damit hätte man dann dieses verunglückte "Holz-Kloppe-Experiment" ganz elegant und voll auf die methodische Ebene verlegt, was auch irre spannend Ergebnisse verspräche.

Schöne Grüße...

Robert
Dem Retuscheur ist nichts zu schwör...
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Sculpteur
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Re: Holzbearbeitung mit Streitäxten

Beitrag von Sculpteur »

Das ist eine sehr gute Idee, Robert!
Dann könnte man ihr auch noch wertvolle Anregungen zum Thema persönliche Schutzausrüstung und zur Videodokumentation im Allgemeinen geben, was die ganze Sache, die ja an für sich sehr interessant ist, insgesamt aufwerten würde. :o

Viele Grüße,

Sculpteur
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Blattspitze
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Re: Holzbearbeitung mit Streitäxten

Beitrag von Blattspitze »

Hmm, in dem hier geschilderten Versuch standen nicht der Werkzeuggebrauch / W.-Effektivität / zu bearbeitete Materialien an sich im Fokus, sondern es sollten generell Gebrauchsspuren an den Axtklingen erzeugt werden, die dann mit archäologischen Funden verglichen werden sollten. Ich teile Wulf`s Einschätzung, dass die fotografische Dokumentation der Gebrauchsspuren zu wünschen übrig lässt, ich erkenne da auch wenig bis nix, besonders bei suggestiven Linien auf den Fotos, aber weder Schäftung / Arbeitshaltung noch detaillierte Holzart scheint wesentlich, solange die Axtschneiden effektiv gleichartigen Belastungen ausgesetzt wurden und sich Mikro-Beschädigungen / Spuren bildeten.
Dies ist der Autorin nach Ihrer Einschätzung auch gelungen und sie zieht daraus ein Fazit, das auch in der Zusammenfassung ihrer Diss steht:
"Die durchlochten Streitäxte und Hammeräxte aus Stein aus der Frühbronzezeit Großbritanniens wurden entweder herangezogen, um den Status jener Individuen abzuleiten, mit denen sie begraben worden waren, oder sie wurden übersehen; dies gilt insbesondere für Hammeräxte. Bislang wurde angenommen, dass Streitäxte ausschließlich zeremonielle Funktionen hatten, während die gröberen Hammeräxte als weder funktional noch prestigeträchtig galten, da sie zu groß und zu roh für Prestigeobjekte waren. Im 20. Jahrhundert fokussierten die Untersuchungen auf das Erstellen einer Typologie und das Erfassen der Herstellung und der petrologischen Quellen der Steine und kamen zu dem Schluss, dass eine wahllose Nutzung von Gesteinen zu einer Vielfalt unterschiedlicher Formen beider Gerätearten führte. Dieser Beitrag untersucht erneut, wie diese Artefakte genutzt wurden. Er legt die Ergebnisse der ersten umfassenden Anwendung von Gebrauchsspurenanalysen auf Streit- und Hammeräxte der britischen Frühbronzezeit aus dem Norden Großbritanniens und der Isle of Man vor. Auf Grundlage der Kombination der Ergebnisse der Gebrauchsspurenanalyse mit experimenteller Archäologie und Kontextanalyse wird argumentiert, dass diese Objekte funktionale Werkzeuge waren, von denen einige über längere Zeit und möglicherweise von verschiedenen Nutzern gebraucht worden waren. Die Ergebnisse zeigen, dass die wenigen in Grabkontexten gefundenen Exemplare sowohl funktional als auch symbolisch waren; mit ihrer Verwendung im Kontext der Bestattung verweisen sie auf Beziehungen, die durch die Biographien der Objekte entstanden waren. Es wird zudem deutlich, dass Benutzung und Behandlung bei allen Typen von Streit- und Hammeräxten gleich waren, mit manchen regionalen Unterschieden bei der Deponierung von Hammeräxten in Südwestschottland. Es wird der Schluss gezogen, dass Streit- und Hammeräxte unterschiedliche und vielfältige Rollen und Bedeutungen hatten und dass es möglich ist festzustellen, wofür jedes Artefakt gebraucht wurde, wenn Gebrauchsspurenanalysen angewandt werden."

https://www.cambridge.org/core/journals ... 758EDC8303
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Re: Holzbearbeitung mit Streitäxten

Beitrag von ulfr »

Blattspitze hat geschrieben: aber weder Schäftung / Arbeitshaltung noch detaillierte Holzart scheint wesentlich, solange die Axtschneiden effektiv gleichartigen Belastungen ausgesetzt wurden und sich Mikro-Beschädigungen / Spuren bildeten.
Einspruch: Wenn ich an einer Replik eines prähistorischen Werkzeugs Spuren erzeugen möchte, um sie mit den Originalen zu vergleichen und Schlüsse daraus zu ziehen, muss ich mich doch bemühen, alle Parameter des Versuchs so gut wie möglich den Bedingungen anzugleichen, unter denen die Spuren an den Originalen entstanden sind. Um es Dir mal in einem Feuersteinbild zu verdeutlichen: Wenn ich wissen will, wie Lackglanz auf Sichelschneideneinsätzen entsteht und wie so eine Klinge aussieht, wenn ich ein Emmerfeld damit abgeerntet habe, dann kann ich doch nicht die Klingen einzeln in die Hand nehmen und drei frische Maispflanzen damit umlegen ...
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Re: Holzbearbeitung mit Streitäxten

Beitrag von Sculpteur »

Ich teile Ulfr´s Meinung.

Ich finde außerdem, dass ein jedes öffentlich rezipierbares seriöses Experiment im Bereich der Experimentalarchäologie (und auch in anderen Disziplinen) die Mindestanforderungen und Standards der Arbeitssicherheit und in puncto persönlicher Schutzausrüstung einhalten sollte - und dazu gehört auch das Thema Schäftung: Die im Video gezeigte Schäftung ist in Sachen Arbeitssicherheit als sehr bedenklich einzustufen - und damit auch im Sinne eines auf lange Zeit zuverlässig funktionierenden Werkzeugs bedenklich. Damit gefährdet der Experimentator sich selbst und andere und bedient einen bedenklichen Nachahmungseffekt (Holz mit Streitaxtköpfen aus Stein spalten in Reiterstiefeln und kurzen Hosen...)

Sicherlich wäre ein Experimentierfeld mit der Fragestellung interessant:"Welche möglichen Verletzungen gab es in der Steinzeit und welche Variationen traten bei Verletzungen auf", aber man muss es ja nicht so sehr forcieren, wie es in dem Video demonstriert wird...

Jeder halbherzige Versuch, Nutzungsspuren mit einem Werkzeug nachzuahmen wird in puncto Ergebnis (in diesem Fall Bearbeitungsspuren an Werkzeugköpfen) schnell verändert in eine Richtung, die zu stark von möglichen Interpretationen abhängig ist.

Irgendeine Art von Bearbeitungsspuren an Werkzeugen erzeugen ist kein Problem. Solche Spuren können auf verschiedenste Arten und Weisen entstehen. Eine bestimmte Art von Spuren im Experiment nachbilden, erfordert möglichst originale Bedingungen.

Ansonsten hätte ich hier in den letzten Jahren in puncto Bedingungen und Definition der Experimentalarchäologie wirklich etwas falsch verstanden und mich umsonst bemüht.
:mammut2:
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Blattspitze
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Re: Holzbearbeitung mit Streitäxten

Beitrag von Blattspitze »

Ja, auch auf mich (als erfahrener Steinaxt-Silberrücken mit hohem Bessermach-Potential) wirkt der geschilderte Versuch in handwerklicher Sicht (bezogen auf Schäftung, bearbeitetes Material, Arbeitshaltung ...) nicht grade professionell. Ich weiß auch nicht, ob hier im Vorfeld ausreichend praktische Erfahrungen im Umgang mit entsprechenden Tätigkeiten und Werkzeugen gesammelt wurden, was ja oft als Grundbedingung für entsprechende Versuche angesehen wird. Dabei möchte ich positiv bemerken, das der Versuch so frank und frei mit wenn auch wackeligen Videos dokumentiert wurde, das wir in die Lage versetzt werden, entsprechend kritische Details festzustellen. Mit einer geschickten Auswahl von lediglich Fotos hätten wir sicher weniger Anhaltspunkte. Es gibt da so manche publizierte Experimente in den Exp-Arch Bänden, da wäre man doch gerne dabei gewesen. Wenn ich an unseren eigenen Einbaum - Bau (Drehwuchs, falsche Eiche ...) vor über 30 Jahren und an die Menge der dabei zerbrochenen Beile zurückdenke, ein echter Neolithiker hätte sich totgelacht ...
Sculpteur hat geschrieben: Mindestanforderungen und Standards der Arbeitssicherheit und in puncto persönlicher Schutzausrüstung einhalten sollte - und dazu gehört auch das Thema Schäftung: Die im Video gezeigte Schäftung ist in Sachen Arbeitssicherheit als sehr bedenklich einzustufen - und damit auch im Sinne eines auf lange Zeit zuverlässig funktionierenden Werkzeugs bedenklich.
Roy trägt Schutzbrille und Handschuhe und arbeitet nicht direkt neben den Füßen, das ist bereits mehr als in fast allen entsprechenden Versuchen, an denen ich teilgenommen habe oder bei denen ich live zugegen war. Zur Schäftung selbst schreibt Sie, dass die Axtklinge exakt in das Loch eingepasst wurde und durch wässern so fest saß, das kein Drehen des Axtkörpers auf dem Schaft erfolgte. Es erscheint mir somit ausreichend.
ulfr hat geschrieben:Wenn ich an einer Replik eines prähistorischen Werkzeugs Spuren erzeugen möchte, um sie mit den Originalen zu vergleichen und Schlüsse daraus zu ziehen, muss ich mich doch bemühen, alle Parameter des Versuchs so gut wie möglich den Bedingungen anzugleichen, unter denen die Spuren an den Originalen entstanden sind. Um es Dir mal in einem Feuersteinbild zu verdeutlichen: Wenn ich wissen will, wie Lackglanz auf Sichelschneideneinsätzen entsteht und wie so eine Klinge aussieht, wenn ich ein Emmerfeld damit abgeerntet habe, dann kann ich doch nicht die Klingen einzeln in die Hand nehmen und drei frische Maispflanzen damit umlegen ...
Naja, sie hat sich doch bemüht und sie hat eben auch ehrlich geschildert, wie begrenzt ihre Ressourcen waren. Da gibt es großes Verbesserungspotential, ganz klar.
Die entscheidende Frage ist aber:
Sind die geschilderten Ergebnisse in Form der erstmalig festgestellten und sich frühzeitig entwickelnden Gebrauchsspuren, die sich dann im weiteren Nutzungsverlauf verändern, real und tatsächlich auf prähistorische Funde übertragbar? Wenn diese nicht das reine Ergebnis falscher Grundbedingungen sind (evtl.: 90°-Arbeiten gegen gesägtes Stirnholz, wie wurden die Repliken im Schneidenbereich hergestellt?), hat sie trotz aller Unzulänglichkeiten im Verfahren eine echte Entdeckung gemacht, die es auch wert ist, publiziert zu werden!
Es schreit nach Wiederholung ...
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Re: Holzbearbeitung mit Streitäxten

Beitrag von ulfr »

Blattspitze hat geschrieben:Dabei möchte ich positiv bemerken, das der Versuch so frank und frei mit wenn auch wackeligen Videos dokumentiert wurde, das wir in die Lage versetzt werden, entsprechend kritische Details festzustellen.
Kann man so sehen, kann man aber auch als völlige Unbedarftheit, wenn nicht Hybris werten - aber wie ich schon oben schrub, kochen auch wir alle nur mit (Weih)Wasser, und deshalb ...
Blattspitze hat geschrieben:Es schreit nach Wiederholung ...
Einladung nach Ergersheim 2021 ist raus, Mrs. Roy ist definitely interested, ich werde halten Euch aufgedatumt
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Re: Holzbearbeitung mit Streitäxten

Beitrag von Sculpteur »

@Blattspitze:
Es geht ja keinesfalls darum, die mühevolle Arbeit der guten Frau in irgendeiner Art und Weise zu diskreditieren: Die Ergebnisse der Experimentatorin ließen sich aber eben mit relativ kleinem Aufwand in eine positivere - und auch positiver rezipierbare - Bahn lenken.
Wie Ulfr schon sagte, kochen wir alle auch nur mit Wasser. Aufnahmen einer Großküche kommen aber eben dann besonders gut und professionell rüber, wenn bestimmte Kriterien eingehalten, bzw. thematisiert werden.

Zum Thema Arbeitssicherheit: Da lässt sich immer etwas verbessern, wenn man es thematisiert. Verbesserungen in dem Bereich können nur im Interesse aller sein. Ich habe das Argument schon zur Genüge gehört, dass bestimmte Verhaltensweisen "normal" sind und als akzeptabel eingestuft werden, weil sie eben normal sind. Normal bedeutet dabei häufig "gewohnt".

Beim Thema Arbeitssicherheit geht es stets um das größtmögliche und mit relativ geringem Aufwand erzeugbare Maß an SIcherheit. In dem Bereich ist deshalb immer wieder hier und dort dies und das zu verbessern. Das funktioniert aber nur, wenn diese Bereiche thematisiert werden. Ich halte die im Video ablesbare Arbeitssicherheit nicht für ausreichend und damit für verbesserungswürdig.
Blattspitze hat geschrieben: ...Wenn diese nicht das reine Ergebnis falscher Grundbedingungen sind (evtl.: 90°-Arbeiten gegen gesägtes Stirnholz, wie wurden die Repliken im Schneidenbereich hergestellt?), hat sie trotz aller Unzulänglichkeiten im Verfahren eine echte Entdeckung gemacht, die es auch wert ist, publiziert zu werden!
Es schreit nach Wiederholung ...
Ein wichtiger Einwand, Blattspitze, die Frage nach der Herstellung der Repliken im Schneidenbereich:
Würden solche Schneiden - nur mal angenommen - mit modernen Mitteln und Methoden hergestellt (Winkelschleifer, Schleifmaschine, etc.) kann es nach meiner Einschätzung je nach bearbeitetem Material und je nach verwendeten Maschinenwerkzeugen geschehen, dass am bearbeiteten Material eine höhere Oberflächenspannung erzeugt wird, als dies bei handbearbeitetem Material der Fall wäre. Dies kann das Gesamtergebnis, also die Frage, wie ein so angefertigtes Werkzeug z.B. eine Schneide beim Aufprall auf ein Material reagiert, teilweise gravierend verändern (andersartige Oberflächenspannung im Material, erzeugt durch maschinelle Bearbeitung).
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Re: Holzbearbeitung mit Streitäxten

Beitrag von ulfr »

Amber Roy wird aller Voraussicht nach an Ergersheim 2021 teilnehmen und sicher viele Erkenntnisse mit nachhause nehmen.
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