Bergkristallbearbeitung nach Theophilus Presbyter
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Bergkristallbearbeitung nach Theophilus Presbyter
Im Kölner Domblatt 2006 (Einundsiebzigste Folge) wird sehr dezidiert und lesenswert über die Ausgrabung einer ehem. Bergkristallwerkstatt des 12. Jahrhunderts in der Kölner Domimmunität berichtet (Autoren: Jens Bertolt/ Marcus Trier). Inhalt des Beitrags ist u.a. die "Bergkristallverarbeitung im Spiegel der Kölner Werkstattfunde" [Zwischenüberschrift im Kölner Domblatt,2006,68 besagten Artikels].
[Zitat]
Über die Arbeitsschritte der mittelalterlichen Hartsteinschleifer berichtet der Benediktinermönch Theophilus Presbyter (um 1070 - nach 1125) in seinem 1122/23 entstandenen Werk "Diversarum artium schedula" (De diverses artibus) ausführlich. Bei Theophilus handelt es sich vermutlich um den aus den Schriftquellen Bekannten Goldschmied Roger(us) von Helmarshausen, der zwischen 1100 und 1107 im Kloster St. Pantaleon zu Köln lebte.
[Zitatende] [Kölner Domblatt 2006,68]
Im Artikel werden nun die überlieferten Anleitungen des Theophilus Presbyter zur Bergkristallbearbeitung übersichtlich wiedergegeben:
Zugeschlagen wurden die Bergkristalle als Ausgangsmaterial laut Theophilus mit einem Werkzeug [Zitat] [...]wie ein kleiner Finger dick, nahezu eine Querhand lang und an beiden Enden sehr spitz und gut verstählt.
[Zitat Ende] [Kölner Domblatt 2006,70]
Der Artikel führt des weiteren aus, dass für feinere Retuschen möglicherweise zusätzlich nagelartige Metallstifte Verwendung fanden. Solche Metallstifte fand man bei den Ausgrabungen der Bergkristallwerkstatt in Köln. [Kölner Domblatt 2006,70]
Geschliffen wurden die Bergkristalle laut dem Artikel in aufwändigen Schleifvorgängen in der traditionellen Reihenfolge Grobschliff, Ebauchieren, Feinschliff. [Kölner Domblatt 2006,72]
[Zitat]
Theophilus erteilte dazu den Rat:"[...] reibe ihn mit beiden Händen unter Zugießen von Wasser auf einem harten Sandstein, bis er die gewünschte Form annimmt, dann auf einem anderen Stein derselben Art, der feinkörniger und glätter ist, bis er völlig glatt ist" [Kölner Domblatt, 2006,72]
Quelle: Kölner Domblatt, Jahrbuch des Zentral-Dombau-Vereins, 2006, im Auftrag des Vorstands herausgegeben von Barbara Schock-Wernet und Rolf Lauer, Verlag Kölner Dom, 2006
Fortsetzung folgt...
[Zitat]
Über die Arbeitsschritte der mittelalterlichen Hartsteinschleifer berichtet der Benediktinermönch Theophilus Presbyter (um 1070 - nach 1125) in seinem 1122/23 entstandenen Werk "Diversarum artium schedula" (De diverses artibus) ausführlich. Bei Theophilus handelt es sich vermutlich um den aus den Schriftquellen Bekannten Goldschmied Roger(us) von Helmarshausen, der zwischen 1100 und 1107 im Kloster St. Pantaleon zu Köln lebte.
[Zitatende] [Kölner Domblatt 2006,68]
Im Artikel werden nun die überlieferten Anleitungen des Theophilus Presbyter zur Bergkristallbearbeitung übersichtlich wiedergegeben:
Zugeschlagen wurden die Bergkristalle als Ausgangsmaterial laut Theophilus mit einem Werkzeug [Zitat] [...]wie ein kleiner Finger dick, nahezu eine Querhand lang und an beiden Enden sehr spitz und gut verstählt.
[Zitat Ende] [Kölner Domblatt 2006,70]
Der Artikel führt des weiteren aus, dass für feinere Retuschen möglicherweise zusätzlich nagelartige Metallstifte Verwendung fanden. Solche Metallstifte fand man bei den Ausgrabungen der Bergkristallwerkstatt in Köln. [Kölner Domblatt 2006,70]
Geschliffen wurden die Bergkristalle laut dem Artikel in aufwändigen Schleifvorgängen in der traditionellen Reihenfolge Grobschliff, Ebauchieren, Feinschliff. [Kölner Domblatt 2006,72]
[Zitat]
Theophilus erteilte dazu den Rat:"[...] reibe ihn mit beiden Händen unter Zugießen von Wasser auf einem harten Sandstein, bis er die gewünschte Form annimmt, dann auf einem anderen Stein derselben Art, der feinkörniger und glätter ist, bis er völlig glatt ist" [Kölner Domblatt, 2006,72]
Quelle: Kölner Domblatt, Jahrbuch des Zentral-Dombau-Vereins, 2006, im Auftrag des Vorstands herausgegeben von Barbara Schock-Wernet und Rolf Lauer, Verlag Kölner Dom, 2006
Fortsetzung folgt...
Zuletzt geändert von Sculpteur am 10.07.2022 11:39, insgesamt 1-mal geändert.
Re: Bergkristallbearbeitung nach Theophilus Presbyter
Weitere Schritte der Bergkristallbearbeitung nach Theophilus Presbyter:
Für jeden, der sich mit den Fragen über die historischen Bearbeitungsmethoden von Kristallen auseinandersetzt, ist der hier besprochene Artikel im Kölner Domblatt 2006 - wie ich finde - sehr erhellend.
Bergkristall ist ein schwierig zu bearbeitendes und zu schleifendes Material, wie Mitglieder dieses Forums bestätigen können.
Die Steinschleifer des Mittelalters waren bereits wahre Experten auf diesem Gebiet und verfügten über eigene "Patentlösungen" Vorgehensweisen und Rezepturen, über die ich stellenweise staune. Zum einen, weil es sich um seltene Informationen handelt, zum anderen, weil in den Überlieferungen auch Methoden besprochen werden, die stark gesundheitsschädlich sein können (Umgang mit Blei).
Interessierten kann ich den besprochenen Artikel im Kölner Domblatt nur empfehlen. Der Artikel führt natürlich viel weiter aus, als ich das hier in einer kleinen Zusammenfassung der wesentlichen Aspekte, die mich dabei im experimentalarchäologischen Sinne interessierten, weitergeben kann.
Die Autoren des hier besprochenen Artikels im Kölner Domblatt 2006 führen weiter aus:
Es wird vermittelt, dass Theophilus aufgrund seiner Beschreibung der Schleiferkunst wassergetriebene rotierende Schleifsteine nicht gekannt haben kann, Die Autoren geben an, dass diese erst seit dem Spätmittelalter im deutschsprachigen Raum bekannt waren [Kölner Domblatt, 2006,73].
EBAUCHIEREN
[inhaltliches gekürztes Zitat]
Laut Autoren wurden beim Ebauchieren die Oberflächen bereits zugerichteter Rohsteine (Bergkristalle) mit ihren flächendeckenden gratigen Abschlagsnegativen geglättet, wodurch Werkstücke weiter in die angestrebte Form gebracht wurden. Vorrangig wurden hierfür laut Angaben der Autoren rote und hellgraue Sandsteine mit gröberer und mittlerer Körnung verwendet (Sandsteinfragmente von bis zu 1,1 x 0,8 x 0,15 m wurden in der ehem. ausgegrabeneb Bergkristallwerkstatt gefunden. Die Autoren äußern ihre Vermutung, dass solche Handschleifsteine aufgrund ihres Gewichts fest auf Werkbänken installiert gewesen sein müssen. Als Herkunftsort der Sandsteine wird die Nordeifel spekuliert.
Bei Zugabe von Wasser und bislang nicht nachgewiesener Schleifzusätze seien die Kristalle laut Autoren geschliffen worden. Um dies zu ermöglichen, wäre es laut Autoren notwendig gewesen, die zu bearbeitenden und häufig sehr kleinen Kristallobjekte zu schäften, d.H. auf einen Stab aufzukitten, wie es noch heute gebräuchlich ist. Dieser Arbeitsschritt sei erforderlich, um ein zu schleifendes Objekt über einen Schleifstein führen zu können. Hierfür Verwendung gefunden haben könnten laut Annahme der Autoren Schäfte aus Holz, Tierknochen oder Geweih.
Die Autoren vermittlen keine eindeutige Kenntnis über den vermutlich in der ausgegrabenen Bergkristallwerkstatt damalig verwendeten Klebstoff, gehen aber aufgrund von entsprechend zahlreich gefundenen Resten einer schwarzen Masse an Tierknochen und anderen Kleinfunden wie z.B. Schleifsteinen von Holzpech aus, dass laut Autoren für eine Kittung von Bergkristall in Frage kommt. (Untersucht wurden die in der Werkstatt gefundenen Knochen laut Angaben der Autoren von Dr. Hubert Berke, Köln).
[inhaltliches Zitat Ende] [Kölner Domblatt, 2006,73,74]
Die Autoren lenken das Augenmerk auf ein Zitat des Theophilus, der zu diesem Thema überlieferte:
[Zitat]
Theophilus schreibt hierzu: "Nimm die Masse, die Tenax heißt [...], setze sie ans Feuer bis sie flüssig wird, und kitte (damit) den Kristall auf einen langen Stock, der ihm an Dicke ähnlich ist." Tenax wurde aus Wachs, Ziegelmehl, Pech und Wasser gemischt.
[Zitat Ende] [Kölner Domblatt, 2006,74]
Interessant wird es nun in dem Artikel, weil es um die Feinbearbeitung der zugerichteten und in Form geschliffenen Kristalle geht.
[inhaltliches Zitat]
Hierfür seien laut Autoren für den Feinschliff (entgültige Formgebung) vor allem feinkörnige Schleifsteine (hellgrauer Sandstein und Siltstein) zum Teil beidseitig verwendet worden. Das Format solcher Schleifsteine besaß laut der Autoren eine annähernd rechteckige Grundform bei Größen von ca. 0,2 x 0,2 x 0,05 m. Vermutlicher Bezugsort solcher Schleifsteine seien laut Autoren die Ardennen gewesen.
[inhaltliches Zitat Ende] [Kölner Domblatt, 2006,75]
Polieren
[inhaltliches Zitat]
Laut Autoren wurden feingeschliffene Schmucksteine bei vermuteter Zugabe von Polierzusätzen poliert, d.H. solange bearbeitet, bis sie fein glänzten. Die Autoren vermuten, dass solche Bleiplatten in einem Holzbrett als stabile Unterlage eingelassen waren, was einer möglichen Verformung der Platten laut Autoren entgegengewirkt hätte.
[inhaltliches Zitat Ende] [Kölner Domblatt, 2006,75,76]
Auch zu diesem interessanten Thema zitieren die Autoren Theophilus:
[Zitat]
In der Werkstattgrube wurde eine längliche Bleiplatte geborgen [...] wie Theophilus sie vergleichbar beschreibt: "Nimm dann [nach dem Schleifen] eine ebene Bleitafel, streue drauf feuchten Ziegelstein, den du mit Speichel auf einem harten Schleifstein zerrieben hast, und poliere darauf besagten Kristall, bis er Glanz annimmt".
[Zitat Ende] [Kölner Domblatt, 2006,75,76]
(Wichtiger Hinweis: Achtung, große Gesundheitsgefahr bei solcher Verwendung von Blei! Bitte nicht nachmachen.)
Wikipedia-Quellen
Seite „Kristall“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 3. Februar 2022, 19:40 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?ti ... =219839325 (Abgerufen: 10. Juli 2022, 10:25 UTC)
Für jeden, der sich mit den Fragen über die historischen Bearbeitungsmethoden von Kristallen auseinandersetzt, ist der hier besprochene Artikel im Kölner Domblatt 2006 - wie ich finde - sehr erhellend.
Bergkristall ist ein schwierig zu bearbeitendes und zu schleifendes Material, wie Mitglieder dieses Forums bestätigen können.
Die Steinschleifer des Mittelalters waren bereits wahre Experten auf diesem Gebiet und verfügten über eigene "Patentlösungen" Vorgehensweisen und Rezepturen, über die ich stellenweise staune. Zum einen, weil es sich um seltene Informationen handelt, zum anderen, weil in den Überlieferungen auch Methoden besprochen werden, die stark gesundheitsschädlich sein können (Umgang mit Blei).
Interessierten kann ich den besprochenen Artikel im Kölner Domblatt nur empfehlen. Der Artikel führt natürlich viel weiter aus, als ich das hier in einer kleinen Zusammenfassung der wesentlichen Aspekte, die mich dabei im experimentalarchäologischen Sinne interessierten, weitergeben kann.
Die Autoren des hier besprochenen Artikels im Kölner Domblatt 2006 führen weiter aus:
Es wird vermittelt, dass Theophilus aufgrund seiner Beschreibung der Schleiferkunst wassergetriebene rotierende Schleifsteine nicht gekannt haben kann, Die Autoren geben an, dass diese erst seit dem Spätmittelalter im deutschsprachigen Raum bekannt waren [Kölner Domblatt, 2006,73].
EBAUCHIEREN
[inhaltliches gekürztes Zitat]
Laut Autoren wurden beim Ebauchieren die Oberflächen bereits zugerichteter Rohsteine (Bergkristalle) mit ihren flächendeckenden gratigen Abschlagsnegativen geglättet, wodurch Werkstücke weiter in die angestrebte Form gebracht wurden. Vorrangig wurden hierfür laut Angaben der Autoren rote und hellgraue Sandsteine mit gröberer und mittlerer Körnung verwendet (Sandsteinfragmente von bis zu 1,1 x 0,8 x 0,15 m wurden in der ehem. ausgegrabeneb Bergkristallwerkstatt gefunden. Die Autoren äußern ihre Vermutung, dass solche Handschleifsteine aufgrund ihres Gewichts fest auf Werkbänken installiert gewesen sein müssen. Als Herkunftsort der Sandsteine wird die Nordeifel spekuliert.
Bei Zugabe von Wasser und bislang nicht nachgewiesener Schleifzusätze seien die Kristalle laut Autoren geschliffen worden. Um dies zu ermöglichen, wäre es laut Autoren notwendig gewesen, die zu bearbeitenden und häufig sehr kleinen Kristallobjekte zu schäften, d.H. auf einen Stab aufzukitten, wie es noch heute gebräuchlich ist. Dieser Arbeitsschritt sei erforderlich, um ein zu schleifendes Objekt über einen Schleifstein führen zu können. Hierfür Verwendung gefunden haben könnten laut Annahme der Autoren Schäfte aus Holz, Tierknochen oder Geweih.
Die Autoren vermittlen keine eindeutige Kenntnis über den vermutlich in der ausgegrabenen Bergkristallwerkstatt damalig verwendeten Klebstoff, gehen aber aufgrund von entsprechend zahlreich gefundenen Resten einer schwarzen Masse an Tierknochen und anderen Kleinfunden wie z.B. Schleifsteinen von Holzpech aus, dass laut Autoren für eine Kittung von Bergkristall in Frage kommt. (Untersucht wurden die in der Werkstatt gefundenen Knochen laut Angaben der Autoren von Dr. Hubert Berke, Köln).
[inhaltliches Zitat Ende] [Kölner Domblatt, 2006,73,74]
Die Autoren lenken das Augenmerk auf ein Zitat des Theophilus, der zu diesem Thema überlieferte:
[Zitat]
Theophilus schreibt hierzu: "Nimm die Masse, die Tenax heißt [...], setze sie ans Feuer bis sie flüssig wird, und kitte (damit) den Kristall auf einen langen Stock, der ihm an Dicke ähnlich ist." Tenax wurde aus Wachs, Ziegelmehl, Pech und Wasser gemischt.
[Zitat Ende] [Kölner Domblatt, 2006,74]
Interessant wird es nun in dem Artikel, weil es um die Feinbearbeitung der zugerichteten und in Form geschliffenen Kristalle geht.
[inhaltliches Zitat]
Hierfür seien laut Autoren für den Feinschliff (entgültige Formgebung) vor allem feinkörnige Schleifsteine (hellgrauer Sandstein und Siltstein) zum Teil beidseitig verwendet worden. Das Format solcher Schleifsteine besaß laut der Autoren eine annähernd rechteckige Grundform bei Größen von ca. 0,2 x 0,2 x 0,05 m. Vermutlicher Bezugsort solcher Schleifsteine seien laut Autoren die Ardennen gewesen.
[inhaltliches Zitat Ende] [Kölner Domblatt, 2006,75]
Polieren
[inhaltliches Zitat]
Laut Autoren wurden feingeschliffene Schmucksteine bei vermuteter Zugabe von Polierzusätzen poliert, d.H. solange bearbeitet, bis sie fein glänzten. Die Autoren vermuten, dass solche Bleiplatten in einem Holzbrett als stabile Unterlage eingelassen waren, was einer möglichen Verformung der Platten laut Autoren entgegengewirkt hätte.
[inhaltliches Zitat Ende] [Kölner Domblatt, 2006,75,76]
Auch zu diesem interessanten Thema zitieren die Autoren Theophilus:
[Zitat]
In der Werkstattgrube wurde eine längliche Bleiplatte geborgen [...] wie Theophilus sie vergleichbar beschreibt: "Nimm dann [nach dem Schleifen] eine ebene Bleitafel, streue drauf feuchten Ziegelstein, den du mit Speichel auf einem harten Schleifstein zerrieben hast, und poliere darauf besagten Kristall, bis er Glanz annimmt".
[Zitat Ende] [Kölner Domblatt, 2006,75,76]
(Wichtiger Hinweis: Achtung, große Gesundheitsgefahr bei solcher Verwendung von Blei! Bitte nicht nachmachen.)
Wikipedia-Quellen
Seite „Kristall“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 3. Februar 2022, 19:40 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?ti ... =219839325 (Abgerufen: 10. Juli 2022, 10:25 UTC)
Re: Bergkristallbearbeitung nach Theophilus Presbyter
Danke für den Beitrag, Sculpteur, sehr interessant - vor allem, weil die steinzeitlichen Bearbeitungsmethoden der groben Zurichtung durch Retusche sich offenbar durch die Zeiten gehalten haben. Spannende Frage wäre, ob es sich um eine fortgesetzte Tradition oder eine Neuentdeckung in den jeweiligen Kulturen (Bronze- und Eisenzeit, Römer, Mittelalter) handelt? Die zeitlich jüngsten mir bekannten Objekte aus Bergkristall, die mittels Druckretusche geformt wurden, sind Pfeilspitzen aus dem Neolithikum, aber das ist sicher meiner beschränkten Sichtweise geschuldet
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
oeis
Hubertus Meyer-Burckhardt
oeis
Re: Bergkristallbearbeitung nach Theophilus Presbyter
Danke Ulfr!
Da bin ich überfragt. Ich denke mir gerade, wenn man sich an die Faustregel "altbewährtes hält sich hartnäckig" hält, kann man an Beispielen in der Weltgeschichte (z.B. bei den Alten Ägyptern) sehen, dass sich bestimmte Bearbeitungsmethoden einfach als bewährt durchsetzen. Dies aber immer im Hinblick auf verfügbare Ressourcen (und im Sinne der Alten Ägypter auch im Hinblick auf Außenhandelspolitik und Abschottung).
Bei der Grobzurichtung der Bergkristalle und dem anschließenden Ebauchieren sehe ich es aber so, dass die Eigenhärte des Materials es einfach anbot, schartige Abschläge zu verwenden, um damit das gleiche Material zu bearbeiten. Ansonsten hätte man ja anderes Material mit entsprechenden Eigenschaften verwenden müssen (z.B. Flinte oder Hornstein), das entsprechend hätte beschafft werden müssen.
Ich glaube die ökonomischste Methode ergibt sich in der Bearbeitung von Bergkristall mit Bergkristalle in diesen Arbeitsphasen.
Bei der Frage nach den Druckretuschen glaube ich, dass diese von Kultur zu Kultur nicht zwangsläufig verwendet wurden, da es ja auch über diverse Schlagtechniken möglich ist, Gestein zuzurichten. So tief bin ich aber noch nicht im Thema drin, um auf genügend Indizienkentniss zugreifen zu können.
Da bin ich überfragt. Ich denke mir gerade, wenn man sich an die Faustregel "altbewährtes hält sich hartnäckig" hält, kann man an Beispielen in der Weltgeschichte (z.B. bei den Alten Ägyptern) sehen, dass sich bestimmte Bearbeitungsmethoden einfach als bewährt durchsetzen. Dies aber immer im Hinblick auf verfügbare Ressourcen (und im Sinne der Alten Ägypter auch im Hinblick auf Außenhandelspolitik und Abschottung).
Bei der Grobzurichtung der Bergkristalle und dem anschließenden Ebauchieren sehe ich es aber so, dass die Eigenhärte des Materials es einfach anbot, schartige Abschläge zu verwenden, um damit das gleiche Material zu bearbeiten. Ansonsten hätte man ja anderes Material mit entsprechenden Eigenschaften verwenden müssen (z.B. Flinte oder Hornstein), das entsprechend hätte beschafft werden müssen.
Ich glaube die ökonomischste Methode ergibt sich in der Bearbeitung von Bergkristall mit Bergkristalle in diesen Arbeitsphasen.
Bei der Frage nach den Druckretuschen glaube ich, dass diese von Kultur zu Kultur nicht zwangsläufig verwendet wurden, da es ja auch über diverse Schlagtechniken möglich ist, Gestein zuzurichten. So tief bin ich aber noch nicht im Thema drin, um auf genügend Indizienkentniss zugreifen zu können.
Re: Bergkristallbearbeitung nach Theophilus Presbyter
Ulfr,
Nachdem ich drüber nachgelesen und nachgedacht habe, muss ich doch nochmal genauer nachhaken, ich bin mir nämlich nicht sicher, ob ich vollends begriffen habe, wie der Begriff Druckretusche unter Expertinnen verwendet wird.
Wie definierst Du Druckretusche? Gehört zur Druckretusche auch das erzeugen von Abschlägen mittels z.B. Stiften aus Metall, Horn oder Holz, die mit einem "Schlägel" bzw. auch Schlagstein angetrieben werden?
Nachdem ich drüber nachgelesen und nachgedacht habe, muss ich doch nochmal genauer nachhaken, ich bin mir nämlich nicht sicher, ob ich vollends begriffen habe, wie der Begriff Druckretusche unter Expertinnen verwendet wird.
Wie definierst Du Druckretusche? Gehört zur Druckretusche auch das erzeugen von Abschlägen mittels z.B. Stiften aus Metall, Horn oder Holz, die mit einem "Schlägel" bzw. auch Schlagstein angetrieben werden?
Re: Bergkristallbearbeitung nach Theophilus Presbyter
Druckretusche wird immer direkt mit einem geeigneten Werkzeug an das Werkstück appliziert, steinzeitlich wären das Spitzen aus Geweih, Knochen, vielleicht auch Elfenbein, und in der späten Phase auch Kupfer. Die können einfach aus einem Stück sein, z.B. Hirschgeweihsprossen, oder aber geschäftet wie z.B. der kleine Druckstab des "Ötzi". Ethnologisch nachgewiesen z.B. durch die Pfeilspitzen-Technik von Ishi, dem first nation Häuptling.
Wenn das Werkstück mit einem Gerät bearbeitet wird, das wiederum selbst angetrieben wird - Beispiel Hammer und Meißel - dann spricht man von indirekter Technik. Ich habe den obigen Text so verstanden - allerdings schnellgelesen *hüstel* - dass der Rohling erst durch indirekte Technik mit Metallspitzen grob zurechtgeschlagen wird und dann mittel Druckretusche überarbeitet ... Ich lese es nochmal in Ruhe durch, wenn ich mehr Zeit hab.
Wenn das Werkstück mit einem Gerät bearbeitet wird, das wiederum selbst angetrieben wird - Beispiel Hammer und Meißel - dann spricht man von indirekter Technik. Ich habe den obigen Text so verstanden - allerdings schnellgelesen *hüstel* - dass der Rohling erst durch indirekte Technik mit Metallspitzen grob zurechtgeschlagen wird und dann mittel Druckretusche überarbeitet ... Ich lese es nochmal in Ruhe durch, wenn ich mehr Zeit hab.
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
oeis
Hubertus Meyer-Burckhardt
oeis
Re: Bergkristallbearbeitung nach Theophilus Presbyter
Danke für die erhellenden Infos, Ulfr!
So wie ich es überblicke, geht aus dem Artikeltext im Kölner Domblatt (2006) gar nicht spezifiziert hervor, auf welche Art und Weise die gefundenen Metallstifte für Retuschen verwendet wurden (indirekte Technik oder eben Retusche).
Möglicherweise waren diese Begrifflichkeiten 2006 noch nicht so stark definierend getrennt (kann ich nicht beurteilen), vielleicht hielt man eine Spezifizierung aber auch nicht für notwendig oder möglich.
Dies wäre auch eine der interessanten Fragen z.B. im Bereich der Kristallbearbeitung: Woran man in eindeutigen Indizien am Werkstück den Unterschied zwischen Anwendung von Retuschen und indirekter Technik (bzw. "indirekter Retuschiertechnik"?) unterscheiden kann. Sicherlich gibt es hierzu Literatur und Erkenntnisse (wenn man weiß, wo man suchen muss). Diese Fragestellung ist auch für meine eigenen Steinbearbeitungsexperimente von großem Interesse.
Für das Antworten besteht kein Grund zur Eile, ich denke dieses Thema ist so interessant, dass es hier noch eine Weile beschäftigen wird.
So wie ich es überblicke, geht aus dem Artikeltext im Kölner Domblatt (2006) gar nicht spezifiziert hervor, auf welche Art und Weise die gefundenen Metallstifte für Retuschen verwendet wurden (indirekte Technik oder eben Retusche).
Möglicherweise waren diese Begrifflichkeiten 2006 noch nicht so stark definierend getrennt (kann ich nicht beurteilen), vielleicht hielt man eine Spezifizierung aber auch nicht für notwendig oder möglich.
Dies wäre auch eine der interessanten Fragen z.B. im Bereich der Kristallbearbeitung: Woran man in eindeutigen Indizien am Werkstück den Unterschied zwischen Anwendung von Retuschen und indirekter Technik (bzw. "indirekter Retuschiertechnik"?) unterscheiden kann. Sicherlich gibt es hierzu Literatur und Erkenntnisse (wenn man weiß, wo man suchen muss). Diese Fragestellung ist auch für meine eigenen Steinbearbeitungsexperimente von großem Interesse.
Für das Antworten besteht kein Grund zur Eile, ich denke dieses Thema ist so interessant, dass es hier noch eine Weile beschäftigen wird.
Re: Bergkristallbearbeitung nach Theophilus Presbyter
Bergkristall BOHREN
Besonders interessant wird es in dem hier besprochenen Artikel des Kölner Domblatts (2006) nochmals, weil das Thema "Bergkristall durchbohren" angesprochen wird:
Die Autoren erläutern in dem Artikel, dass Bergkristallknäufe in den betreffenden Zeitabschnitten manuell unter Anwendung eines eigenen Artbeitsschritts durchbohrt wurden [indirekltes Zitat, Kölner Domblatt, 2006,76]:
[Zitat]
In der Werkstattgrube wurden drei Bruchstücke von zwei doppelkonisch geschliffenen Knäufen entdeckt [...] beide hatten einen Durchmesser von maximal 2 cm bei einer Höhe um 1 cm.
Die Knäufe zerbrachen während des Durchbohrens kurz vor Vollendung der Arbeit, da jeweils nur 1 bis 2 mm zum Durchbruch des Bohrkanals fehlten. Theophilus beschreibt den Arbeitsschritt ausführlich: "Hast du dem Knauf seine Form gegeben, schneide in ein Holz eine Vertiefung, lege ihn so hinein, das er zur Hälfte darin liegen kann und kitte ihn mit Wachs auf ebendies Holz, so daß er festhaftet. Nimm dann einen von den Hämmern und schlage leise in der Mitte des Knaufes auf eine Stelle, bis du ein kleines Loch machst, und vergrößere durch Schlagen auf die Mitte und durch vorsichtiges Brechen ringsherum die Höhlung.
Bist du, so fortfahrend, bis zum Mittelpunkt des Knaufes gelangt, so wende ihn und bearbeite die andere Seite in gleicher Weise.
[Zitat Ende] [Kölner Domblatt, 2006,76]
Besprochen wird in dem Artikel also eine uralte Technik, die bereits in der Steinzeit Anwendung gefunden hat (hier im Forum bereits besprochen) und als "Durchpickung" bezeichnet werden kann.
Das Beeindruckende an dieser Technik ist neben der im Bereich der Bergkristallbearbeitung erforderlichen Präzision bei Verwendung eines Hämmerchens (ggf. in Kombination mit einem Metallstift, wie ich vermute) dass sich diese Technik auch bei sehr kleinen Werkstücken (aus sprödem Material, wie Bergkristall es ist) anwenden lässt.
Der Unterschied im Hinblick auf verwendete Materialien liegt hierbei im Vergleich zwischen Steinzeit und Mittelalter lediglich darin, dass während der Steinzeit (natürlich) Werkzeuge aus Stein verwendet wurden, um Pickungen in harten (und weichen) Gesteinen möglich zu machen, während im Mittelalter Werkzeuge und Werkzeugköpfe aus "gestähltem" (also vermutlich zu Stahl verhüttetem und ggf. zusätzlich gehärtetem Eisen) verwendet wurden.
Die interessante Frage wäre dabei, wie klein sich "Bohrpickungen" (ich nenne das jetzt einfach mal so) mit steinernen Werkzeugen überhaupt (z.B. an Edelsteinen) - im Hinblick auf Querschnitte - ausführen lassen (und ließen) im Vergleich zu solchen, die mit metallenen Werkzeugen hergestellt wurden.
Von den Alten Ägyptern ist bekannt, dass sie Perlen manufakturartig im großen Stil, also quasi in Form einer Massenproduktion herstellten und durchbohrten, wofür sie sehr spezielle Werkzeuge, Mittel und Methoden verwendeten (Bohrtisch, Fidelbohren, z.B: 3 Bohrer, die gleichzeitig in einer Hand geführt werden). [Stocks, 2004,203-222] (Stocks bespricht hier - übersetzt aus dem Englischen - "Werkzeuge, Mittel und Methoden der thebanischen Massenproduktion").
Dabei kann meiner Meinung und Erfahrung nach davon ausgegangen werden, dass auch die alten Ägypter ihre zu durchbohrenden Perlen zunächst wie bei Theophilus beschrieben vorpickten. Dieser Arbeitsschritt ist relativ zwangsläufig und sinnvoll, wenn eine Hartgesteinsperle manuell durchbohrt werden soll: Eine Anpickung trägt in gleicher Zeit vermutlich mehr Material ab als im Vergleich eine Fidelbohrung (solange auf eine Fidelbohrung verzichtet werden kann) und der später einsetzbare Fidelbohrer bekommt eine gute Führung im Doppelkonisch ausgepickten Hartgesteinsmaterial.
Stocks hebt hervor, dass die alten Ägypter ihre doppelkonisch geformten Bohrungen in Perlen aus Hartgestein und Weichgestein ursprünglich unter Verwendung von in die Hand genommenen oder an Holzgriffen geführten pfeilspitzenartigen "Flintwerkzeugen" durchführten [Stocks, 2004, 204].
Fortsetzung folgt...
Quellen:
Kölner Domblatt, Jahrbuch des Zentral-Dombau-Vereins, 2006, im Auftrag des Vorstands herausgegeben von Barbara Schock-Wernet und Rolf Lauer, Verlag Kölner Dom, 2006
Stocks, Denis A. Experiments in egyptian archaeology - Stone working technology in Ancient Egypt, Routledge (Imprint of the Taylor & Francis Group, Taylor&Francis e-library, London/New York, 2004.
Besonders interessant wird es in dem hier besprochenen Artikel des Kölner Domblatts (2006) nochmals, weil das Thema "Bergkristall durchbohren" angesprochen wird:
Die Autoren erläutern in dem Artikel, dass Bergkristallknäufe in den betreffenden Zeitabschnitten manuell unter Anwendung eines eigenen Artbeitsschritts durchbohrt wurden [indirekltes Zitat, Kölner Domblatt, 2006,76]:
[Zitat]
In der Werkstattgrube wurden drei Bruchstücke von zwei doppelkonisch geschliffenen Knäufen entdeckt [...] beide hatten einen Durchmesser von maximal 2 cm bei einer Höhe um 1 cm.
Die Knäufe zerbrachen während des Durchbohrens kurz vor Vollendung der Arbeit, da jeweils nur 1 bis 2 mm zum Durchbruch des Bohrkanals fehlten. Theophilus beschreibt den Arbeitsschritt ausführlich: "Hast du dem Knauf seine Form gegeben, schneide in ein Holz eine Vertiefung, lege ihn so hinein, das er zur Hälfte darin liegen kann und kitte ihn mit Wachs auf ebendies Holz, so daß er festhaftet. Nimm dann einen von den Hämmern und schlage leise in der Mitte des Knaufes auf eine Stelle, bis du ein kleines Loch machst, und vergrößere durch Schlagen auf die Mitte und durch vorsichtiges Brechen ringsherum die Höhlung.
Bist du, so fortfahrend, bis zum Mittelpunkt des Knaufes gelangt, so wende ihn und bearbeite die andere Seite in gleicher Weise.
[Zitat Ende] [Kölner Domblatt, 2006,76]
Besprochen wird in dem Artikel also eine uralte Technik, die bereits in der Steinzeit Anwendung gefunden hat (hier im Forum bereits besprochen) und als "Durchpickung" bezeichnet werden kann.
Das Beeindruckende an dieser Technik ist neben der im Bereich der Bergkristallbearbeitung erforderlichen Präzision bei Verwendung eines Hämmerchens (ggf. in Kombination mit einem Metallstift, wie ich vermute) dass sich diese Technik auch bei sehr kleinen Werkstücken (aus sprödem Material, wie Bergkristall es ist) anwenden lässt.
Der Unterschied im Hinblick auf verwendete Materialien liegt hierbei im Vergleich zwischen Steinzeit und Mittelalter lediglich darin, dass während der Steinzeit (natürlich) Werkzeuge aus Stein verwendet wurden, um Pickungen in harten (und weichen) Gesteinen möglich zu machen, während im Mittelalter Werkzeuge und Werkzeugköpfe aus "gestähltem" (also vermutlich zu Stahl verhüttetem und ggf. zusätzlich gehärtetem Eisen) verwendet wurden.
Die interessante Frage wäre dabei, wie klein sich "Bohrpickungen" (ich nenne das jetzt einfach mal so) mit steinernen Werkzeugen überhaupt (z.B. an Edelsteinen) - im Hinblick auf Querschnitte - ausführen lassen (und ließen) im Vergleich zu solchen, die mit metallenen Werkzeugen hergestellt wurden.
Von den Alten Ägyptern ist bekannt, dass sie Perlen manufakturartig im großen Stil, also quasi in Form einer Massenproduktion herstellten und durchbohrten, wofür sie sehr spezielle Werkzeuge, Mittel und Methoden verwendeten (Bohrtisch, Fidelbohren, z.B: 3 Bohrer, die gleichzeitig in einer Hand geführt werden). [Stocks, 2004,203-222] (Stocks bespricht hier - übersetzt aus dem Englischen - "Werkzeuge, Mittel und Methoden der thebanischen Massenproduktion").
Dabei kann meiner Meinung und Erfahrung nach davon ausgegangen werden, dass auch die alten Ägypter ihre zu durchbohrenden Perlen zunächst wie bei Theophilus beschrieben vorpickten. Dieser Arbeitsschritt ist relativ zwangsläufig und sinnvoll, wenn eine Hartgesteinsperle manuell durchbohrt werden soll: Eine Anpickung trägt in gleicher Zeit vermutlich mehr Material ab als im Vergleich eine Fidelbohrung (solange auf eine Fidelbohrung verzichtet werden kann) und der später einsetzbare Fidelbohrer bekommt eine gute Führung im Doppelkonisch ausgepickten Hartgesteinsmaterial.
Stocks hebt hervor, dass die alten Ägypter ihre doppelkonisch geformten Bohrungen in Perlen aus Hartgestein und Weichgestein ursprünglich unter Verwendung von in die Hand genommenen oder an Holzgriffen geführten pfeilspitzenartigen "Flintwerkzeugen" durchführten [Stocks, 2004, 204].
Fortsetzung folgt...
Quellen:
Kölner Domblatt, Jahrbuch des Zentral-Dombau-Vereins, 2006, im Auftrag des Vorstands herausgegeben von Barbara Schock-Wernet und Rolf Lauer, Verlag Kölner Dom, 2006
Stocks, Denis A. Experiments in egyptian archaeology - Stone working technology in Ancient Egypt, Routledge (Imprint of the Taylor & Francis Group, Taylor&Francis e-library, London/New York, 2004.
Re: Bergkristallbearbeitung nach Theophilus Presbyter
Abschließend möchte ich erläutern, wie der besprochene Artikel im Kölner Domblatt 2006 zu den weiteren Arbeitsschritten für die Durchbohrung von Bergkristall im Mittelalter beschreibt:
AUSWEITEN EINER DOPPELKONISCHEN VORGEPICKTEN BOHRUNG IN BERGKRISTALL
Besonders interessant finde ich die folgenden Arbeitsschritte zur Durchbohrung von Bergkristall, wie sie in dem Artikel besprochen werden:
[ZITAT]
Theophilus beschreibt den Arbeitsschritt ausführlich: "Hast Du ihn (ganz) durchlocht, schmiede einen runden Kupferdraht von Fußlänge so zurecht, daß er durch das Loch hindurchgeht, nimm mit Wasser angemachten scharfen Sand, schütte ihn in das Loch und schleife mit dem Kupferdraht. Hast Du aber das Loch etwas erweitert, schmiede einen dickeren Kupferdraht und schleife mit ihm in gleicher Weise; und wenn es nötig wird, nimm einen dritten, noch dickeren hinzu. Hast Du die Bohrung nach Wunsch erweitert, zerkleinere Sandstein fein, gib diesen darein und schleife mit einem weiteren Kupferdraht, bis sie glatt ist. Dann nimm Blei, ebenfalls in Drahtform, tue Ziegelmehl mit Speichel hinzu und poliere die Bohrung innen und den Knauf, wie oben, auch außen".
[ZITAT ENDE] [Kölner Domblatt, 2006, 76]
Diese interessante Beschreibung der "Durchbohrung" eines Bergkristallknaufs (nach vorhergehender Durchlochung mittels Picken) beschreibt also im weitesten Sinne eine "Nasstrennschleifung" mit metallenen Trennschleifwerkzeugen (Draht) unter Zuhilfenahme spezieller Sande (und hier auch mittels zermahlenen grebrannten Tons).
Trennschleifungen wie sie hier beschrieben werden, finden ihre Vorbilder (neben den neolithischen Vorbildern, siehe ausführliche Experimentierreihen eines Forenmitglieds) nach Erkenntnissen von Denis A. Stocks und anderer in diesem Bereich Forschender bereits im Alten Ägypten, wobei sich lediglich die verwendeten Werkzeuge unterscheiden: Die Alten Ägypter verwendeten für gerade Schnitte in Gestein (Hart- und Weichgesteine) laut Stocks kupferne Trennschleifblätter.
Belege für Trennschleifungen mittels Draht unter Verwendung von geeigneten Sanden sind mir für das Alte Ägypten nicht bekannt. Das Prinzip, das die Trennschleifung erzeugt, ist jedoch das gleiche: Ein Schleifmedium aus weichem Metall erzeugt im Trennschleifschnitt einen trennschleifenden Effekt, weil die Weichheit des Metalls eine mikropskopische "Verzahnung" der Sandkörnchen zwischen Schleifmedium und Wandung eines Trennschleifschnitts erzeugt. Dadurch werden Partikel des Schleifabrrassivs mit dem Schleifedium mittransportiert und erzeugen die eigentliche Schleifarbeit [Stocks, 2004].
Hinweis: Vor einer wie hier beschriebenen Verwendung von Bleidraht aufgrund der damit einhergehenden gesundheitlichen Gefahren muss dringend gewarnt werden (Bleivergiftungsgefahr; BITTE NICHT NACHMACHEN!).
Quellen:
Kölner Domblatt, Jahrbuch des Zentral-Dombau-Vereins, 2006, im Auftrag des Vorstands herausgegeben von Barbara Schock-Wernet und Rolf Lauer, Verlag Kölner Dom, 2006
Stocks, Denis A. Experiments in egyptian archaeology - Stone working technology in Ancient Egypt, Routledge (Imprint of the Taylor & Francis Group, Taylor&Francis e-library, London/New York, 2004.
AUSWEITEN EINER DOPPELKONISCHEN VORGEPICKTEN BOHRUNG IN BERGKRISTALL
Besonders interessant finde ich die folgenden Arbeitsschritte zur Durchbohrung von Bergkristall, wie sie in dem Artikel besprochen werden:
[ZITAT]
Theophilus beschreibt den Arbeitsschritt ausführlich: "Hast Du ihn (ganz) durchlocht, schmiede einen runden Kupferdraht von Fußlänge so zurecht, daß er durch das Loch hindurchgeht, nimm mit Wasser angemachten scharfen Sand, schütte ihn in das Loch und schleife mit dem Kupferdraht. Hast Du aber das Loch etwas erweitert, schmiede einen dickeren Kupferdraht und schleife mit ihm in gleicher Weise; und wenn es nötig wird, nimm einen dritten, noch dickeren hinzu. Hast Du die Bohrung nach Wunsch erweitert, zerkleinere Sandstein fein, gib diesen darein und schleife mit einem weiteren Kupferdraht, bis sie glatt ist. Dann nimm Blei, ebenfalls in Drahtform, tue Ziegelmehl mit Speichel hinzu und poliere die Bohrung innen und den Knauf, wie oben, auch außen".
[ZITAT ENDE] [Kölner Domblatt, 2006, 76]
Diese interessante Beschreibung der "Durchbohrung" eines Bergkristallknaufs (nach vorhergehender Durchlochung mittels Picken) beschreibt also im weitesten Sinne eine "Nasstrennschleifung" mit metallenen Trennschleifwerkzeugen (Draht) unter Zuhilfenahme spezieller Sande (und hier auch mittels zermahlenen grebrannten Tons).
Trennschleifungen wie sie hier beschrieben werden, finden ihre Vorbilder (neben den neolithischen Vorbildern, siehe ausführliche Experimentierreihen eines Forenmitglieds) nach Erkenntnissen von Denis A. Stocks und anderer in diesem Bereich Forschender bereits im Alten Ägypten, wobei sich lediglich die verwendeten Werkzeuge unterscheiden: Die Alten Ägypter verwendeten für gerade Schnitte in Gestein (Hart- und Weichgesteine) laut Stocks kupferne Trennschleifblätter.
Belege für Trennschleifungen mittels Draht unter Verwendung von geeigneten Sanden sind mir für das Alte Ägypten nicht bekannt. Das Prinzip, das die Trennschleifung erzeugt, ist jedoch das gleiche: Ein Schleifmedium aus weichem Metall erzeugt im Trennschleifschnitt einen trennschleifenden Effekt, weil die Weichheit des Metalls eine mikropskopische "Verzahnung" der Sandkörnchen zwischen Schleifmedium und Wandung eines Trennschleifschnitts erzeugt. Dadurch werden Partikel des Schleifabrrassivs mit dem Schleifedium mittransportiert und erzeugen die eigentliche Schleifarbeit [Stocks, 2004].
Hinweis: Vor einer wie hier beschriebenen Verwendung von Bleidraht aufgrund der damit einhergehenden gesundheitlichen Gefahren muss dringend gewarnt werden (Bleivergiftungsgefahr; BITTE NICHT NACHMACHEN!).
Quellen:
Kölner Domblatt, Jahrbuch des Zentral-Dombau-Vereins, 2006, im Auftrag des Vorstands herausgegeben von Barbara Schock-Wernet und Rolf Lauer, Verlag Kölner Dom, 2006
Stocks, Denis A. Experiments in egyptian archaeology - Stone working technology in Ancient Egypt, Routledge (Imprint of the Taylor & Francis Group, Taylor&Francis e-library, London/New York, 2004.
Re: Bergkristallbearbeitung nach Theophilus Presbyter
Soeben habe ich die Rezeptur von Theophilus Presbyter für TENAX (einen mittelalterlichen und bei der Herstellung potenziell gesundheitsgefährdenden Klebstoff, also bitte nicht nachmachen!) erfolgreich erprobt. Die Mengenverteilung der 4 Komponenten Pech (hier im Versuch ursprünglich von Ulfr hergestelltes Birkenpech), Bienenwachs (selbstgewonnenes), Ziegelmehl (von modernem Terrakotta) und Wasser (aus dem Wasserhahn) erfolgte bei häufigem Rühren unter kontrollierter Hitzezufuhr nach der Faustregel "Pi mal Daumen und dann gucken, was passiert und gegebenenfalls nachbessern".
Das hat sehr gut geklappt.
Ich werde baldmöglich darüber berichten.
Aber soviel sei schon gesagt: Das Tenax weist erstaunliche Eigenschaften auf und besitzt gegenüber dem (seit Jahren eingelagerten, sofern das eine Rolle spielen sollte) Birkenpech bei gleicher Raumtemperatur den Vorteil, dass es nicht wie das Birkenpech bricht, splittert und bröselt. Das Tenax verhält sich zäh-plastisch und ist auch nach Aushärtung (bei ca. 30°) Raumtemperatur formbar ohne es zusätzlich erwärmen zu müssen (z.B. durch Körpertemperatur).
Das hat sehr gut geklappt.
Ich werde baldmöglich darüber berichten.
Aber soviel sei schon gesagt: Das Tenax weist erstaunliche Eigenschaften auf und besitzt gegenüber dem (seit Jahren eingelagerten, sofern das eine Rolle spielen sollte) Birkenpech bei gleicher Raumtemperatur den Vorteil, dass es nicht wie das Birkenpech bricht, splittert und bröselt. Das Tenax verhält sich zäh-plastisch und ist auch nach Aushärtung (bei ca. 30°) Raumtemperatur formbar ohne es zusätzlich erwärmen zu müssen (z.B. durch Körpertemperatur).
Re: Bergkristallbearbeitung nach Theophilus Presbyter
TENAX-Herstellung (nach Theophilus Presbyter; in eigener Mischung)
(Bitte nicht nachmachen! Das Hantieren mit offenen Flammen und Stoffen, die miteinander vermischt und erhitzt werden, birgt potenzielle Gesundheitsgefahren! Dieser Beitrag ist ausdrücklich KEINE Rezeptempfehlung und bespricht ausschließlich die Klebstoffherstellung nach mittelalterlicher Überlieferung zum Zwecke fundierter experimentalarchäologischer Forschung. Die Herstellung des besprochenen Klebstoffs nach dieser Dokumentation wird keinesfalls zur Nachahmung empfohlen und ist keinesfalls für den alltäglichen Gebrauch gedacht! Jedes Nachahmen der in diesem Beitrag erläuterten Methoden erfolgt auf eigenes Risiko und eigene Gefahr unter Ausschluss jedweder Haftung seitens des Verfassers.)
Hier die Präsentation der einzelnen Schritte meines ersten (erfolgreichen) Versuchs, die überlieferte Tenax-Zusammensetzung von Theophilus Presbyter (in eigener Mischung) nachzuversuchen:
(Bitte nicht nachmachen! Das Hantieren mit offenen Flammen und Stoffen, die miteinander vermischt und erhitzt werden, birgt potenzielle Gesundheitsgefahren! Dieser Beitrag ist ausdrücklich KEINE Rezeptempfehlung und bespricht ausschließlich die Klebstoffherstellung nach mittelalterlicher Überlieferung zum Zwecke fundierter experimentalarchäologischer Forschung. Die Herstellung des besprochenen Klebstoffs nach dieser Dokumentation wird keinesfalls zur Nachahmung empfohlen und ist keinesfalls für den alltäglichen Gebrauch gedacht! Jedes Nachahmen der in diesem Beitrag erläuterten Methoden erfolgt auf eigenes Risiko und eigene Gefahr unter Ausschluss jedweder Haftung seitens des Verfassers.)
Hier die Präsentation der einzelnen Schritte meines ersten (erfolgreichen) Versuchs, die überlieferte Tenax-Zusammensetzung von Theophilus Presbyter (in eigener Mischung) nachzuversuchen:
- Dateianhänge
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- Ein mit dem hergestellten Tenax auf einen speziell vorbereiteten Stock aufgeschäfteter Karneol (bohnenförmiger Trommelstein). Das Aufschäften eines Edelsteins mit dieser Formgebung ist eine Herausforderung. Der Karneol hält nach Auskühlen des Tenax und aufgrund der Muldung des Holzstockendes jedoch sehr gut. Zu beobachten ist, dass sich das Tenax auch nach Erkalten (bei geschätzten 20° Celsius Umgebungstemperatur) auf einfache Art und Weise verformen lässt (Daumennagelprobe).
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- Selbstgewonnenes Bienenwachs, Birkenpech (von Ulfr freundlicherweise zur Verfügung gestellt), eine anteilig kleine Menge Ziegelmehl (gewonnen aus moderner Terrakotta) und ein wenig Wasser werden bei vorsichtigem Erhitzen unter permanentem Rühren allmählich miteinander vermischt. Die Rolle des Wassers in der Zusammensetzung des Tenax ist dabei für mich noch nicht palusibel nachvollziehbar, weil sich das Wasser mit den übrigen Komponenten auch bei vorsichtigem Erhitzen nicht wirklich vermischt. Nachdem überschüssiges Wasser wieder abgeschüttet wurde, ließ sich das Tenax jedoch herstellen.