Felsreliefs im nördlichen Arabien ins Neolithikum datiert

[Pitassa]

Wie das Wissensmagazin Archäologie in Deutschland (AID) berichtet, datierten das Max-Planck-Institut, sowie das CNRS und die King Saud University die 21 Reliefs einer im nördlichen Arabien befindlichen prähistorischen Kamelstätte in die Zeit gegen Ende des 6. Jahrtausends vor Christi.

Siehe https://www.aid-magazin.de/2021/09/15/l ... olithikum/

Hauptautorin ist Dr. Maria Guagnin.

[Sculpteur]

Hallo Pitassa,

danke für diesen interessanten Artikel!
Ich finde es mal wieder kurios, wie hier unter der Bezeichnung "Wissenschaft" Ergebnisse in einem Übersichtsartikel präsentiert werden, die teilweise als Ergebnisse von Vermutungen, Spekulationen und Interpretationen von Wissenschaftlern zu bezeichnen sind, während im gleichen Artikel keine konkreten Indizien genannt und wenig Ausblick auf konkrete Deduzierungsmethoden geliefert werden.
Es mag sein, dass die an anderer durchzuklickender Stelle präsentiert werden, aber im Gesamttenor bleibt im Text für die Leser das schlagzeilenträchtige stehen: "Neolithische Kamelreliefcampingsite mit regelmäßig stattfindenden Gatherings".

Möglicherweise war das Hauptziel bei Verfassen des besprochenen Artikels also wieder einmal (leider) "Schlagzeilenträchtigkeit".

Sehr interessant sind die verschiedenen genannten technischen Methoden der Datenerhebung im Projekt mit den genannten Gerätschaften!

Dem gegenüber sauer stoßen mir die Schlussfolgerungen des Projekt-Steinmetzen auf, was die spekulierte Herstellungszeit der Reliefs angeht. Ich höre da im Geiste bereits ganz viele wissenschaftliche Taschenrechner klickern und klackern, die auf Grundlage solcher Erkenntnisse mal eben hochrechnen, in wie vielen Jahren Bauzeit und bei wievielen Mannstunden die Felsenstadt Petra erbaut wurde.
Auch die Spekulationen über die Notwendigkeit einer bestimmten Anzahl von damals an der Herstellung der Reliefs Beteiligten (Gerüste aufgebaut haben müssen bedeutet automatisch, dass mehrere - viele - Personen beteiligt gewesen sein müssen).
Fraglich für mich, warum es überhaupt so wichtig ist, wie schnell vor langer, langer Zeit solche Kamel-Reliefs hergestellt worden sein könnten.

Aufgrund im Artikel fehlender Daten und Hinweise für mich absolut nicht nachvollziehbar ist, weshalb es sich bei den verwendeten Werkzeugen zur Herstellung der Reliefs um Hornsteinwerkzeuge gehandelt haben soll? Weil sich zufällig eine Hornsteinfundstelle in 15 km Entfernung befand? Habe ich da irgendetwas überlesen?

Im Endeffekt liest sich der Artikel so, wie er dann wohl weiter übertragen und abgeschrieben werden wird:
"Viele neolithische Steinmetzen und Gerüstbauer haben mit Werkzeugen aus Hornstein monumentale neolithische Kunst erschaffen, damit sie sich zu jährlichen Gatherings treffen konnten."

Vielleicht hat ein einzelner Einsiedler sämtliche Kamelreliefs in zeitlich andauernder Arbeitswut über viele Jahre größtenteils mit herumliegenden Gesteinbrocken in den Fels gehauen und nur hier und dort einen Flusskiesel oder Knochen oder ein Hornsteinwerkzeug verwendet für die ganz feinen Feinheiten.

Die Thematik des Artikels an sich ist hochinteressant. Leider kommen die wirklich interessanten Aspekte darin neben den Hauptaussagen nicht zur Geltung und das obwohl als Qualitätssiegel Max-Planck-Institut oben drüber steht.

[Pitassa]

Ich halte die Nutzung dieses Platzes im Neolithikum durchaus für möglich. Mich interessieren dazu insbesondere die Datierungen der dort gefundenen organischen Faunenreste. Ist über diesen Fundplatz bereits ein Wikipedia Artikel verfasst worden ? Der Fundort Göbekli Tepe datiert überraschender Weise sogar in das Präkeramische Neolithikum (8800 - 7000 v. Chr.) : https://de.wikipedia.org/wiki/Göbekli_Tepe (Sorry, der Link tut's irgendwie nicht)

[Sculpteur]

Hallo Pitassa,

es steht außer Zweifel, dass der Platz auf diese Art und Weise genutzt sein könnte.
Meine Kritik ging in eine andere Richtung.

Dein Link funktioniert nicht, weil beim Link ein Teil fehlt.
Am besten kopierst Du die Zitierangabe in "Artikel zitieren" bei Wikipedia einfach noch einmal und fügst ihn neu ein.

Mich interessieren bei der Thematik insbesondere die bildhauerischen Arbeiten und die dafür in Frage kommenden verwendeten Werkzeuge.

Gleiches gilt für die pfeilerartigen skulpturalen Strukturen in Göbelike Tepe.

Ob es einen Wikipedia-Artikel zum Thema gibt, weiß ich nicht.

Nachtrag (1): Unter "Provinz Al-Dschauf" gibt es bei Wikipedia zumindestens schon einmal einen Artikel zur Region (Wenn das die richtige Region ist)[1]. Dort finden sich auch geschichtliche Hintergründe, von den Kamel-Reliefs konnte ich dort bisher jedoch nichts lesen.

Nachtrag (2): Es gibt eine hochinteressante Datenbank zu Pollenablagerungen auf Meeresboden für die mesopotamische Region von vor 10.000 Jahren (oder so ähnlich und wenn ich mich richtig erinnere).
Ich muss das nochmal recherchieren.

QUELLEN:
[1]
Seite „Provinz al-Dschauf“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 12. November 2021, 13:09 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?ti ... =217208392 (Abgerufen: 14. August 2022, 17:18 UTC)

[Pitassa]

Hallo Sculpteur,

danke für den Tipp !

[Sculpteur]

Gerne, Pitassa!
Falls es von Interesse für Dich ist: Unter Archaeobotanik findet man bei deutschen Universitäten großartige Datenbanken und Querverweise zu faunischen Themen.

Damit ich jetzt keine Quellenangaben einfügen muss, einfach mal z.B. die aus der Tasche gegriffenen Begriffe Uni, Thübingen und Archaeobotanik in den Search-Engine eingeben

Nachtrag: Da habe ich doch jetzt tatsächlich Flora und Fauna verwechselt. Die anhaltende Dürre und Hitze setzt wohl auch dem Denken zu. Egal. Interessant ist das Thema Flora der Antike und Vorzeit allemal.

P.S.: Ich kann mich jetzt wunderbar herausreden, weil die Fauna natürlich auch in der Antike und Frühgeschichte etwas (zumeist) aus der Flora schnabulieren musste, um zu überleben. Beides greift von der Thematik her also ohnehin zusammen

[Pitassa]

Hi Sculpteur,

aus dem von ulfr eingestellten Beitrag zur zerstörungsfreien chronologischen Bestimmung der prähistorischen Felskunst (28.01.22) lässt sich entnehmen, dass das Max-Planck-Institut mittels eines Röntgenfluoreszenzgerätes die Verteilung von Mangan und Eisen in der als "Gesteinslack" bezeichneten Kruste auf der Oberfläche von Felsreliefs datiert.

Diese zerstörungsfreie chronologische Datierungsweise wurde möglich, weil sich der Gesteinslack nach dem Einritzen der Reliefs neu ausbildete, wie Meinrat und Tracey Andreae vom MPI in Mainz dazu in ihrem Beitrag in PLOS One mitteilten. Diese von ihnen angewandte Methode der Röntgenfluoreszenzspektroskopie scheint ebenfalls recht zuverlässige Ergebnisse zu liefern. Mal sehen, ob ich den Beitrag von Andreae & Andreae irgendwo auftreiben kann ... .

Gruß Pitassa

[Pitassa]

Inzwischen bin ich auf den entsprechenden Fachbeitrag zu den untersuchten Felsreliefs gestoßen. Die Fundplätze befinden sich in Sakaka (Kamelstätte) und Kilwa (Jabal Tubaiq). Die Ergebnisse sind deshalb von besonderer Bedeutung, weil die Art und Weise, wie die Technik der Röntgenfluoreszenzspektroskopie eingesetzt wurde, eine relativ genaue und zuverlässige chronologische Datierung der Felsreliefs ermöglichte. Dies war bezüglich der prähistorischen Objekte ohne organisches Material bislang oftmals ein großes Problem.

Link : https://www.aminer.org/pub/5ff6891fd415 ... and-sakaka (View via publisher)
Link : https://www.onlinelibrary.wiley.com/doi ... /aae.12167 (leider nur über die Suchmaschine der Homepage)

Quelle :

Andreae, Meinrat ; Al-Amri, Abdullah ; Andreae, Claire ; Guagnin, Maria ; Jochum, Klaus Peter ; Stoll, Brigitte ; Weis, Ulrike : Archaeometric Studies on the Petroglyphs and Rock Varnish at Kilwa and Sakaka, northern Saudi Arabia.
In : Arabian Archaeology and Epigraphy, Vol. 31, Issue 2, Munksgaard 2020, S. 219 - 244.

Download as Open Source at the Wiley Online Library

sowie :

Link : https://link.springer.com/content/pdf/1 ... 1559-6.pdf

Quelle :

Hilbert, Yamandu Hieronymus ; Clemente-Conte, Ignacio ; Guagnin, Maria ; Crassard, Rémy ; Charloux, Guillaume : Traceological analysis of lithics from the Camel Site, al-Jawf, Saudi Arabia : an experimental approach to identifying mineral processing activities using silcrete tools.
In : Archaeological and Anthropological Sciences, Bd. 14, Berlin 2022, Article number 93.

[Sculpteur]

Vielen Dank Pitassa, sehr interessant!