Kritik an Resititution der Benin-Bronzen

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Bullenwächter
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Kritik an Resititution der Benin-Bronzen

Beitrag von Bullenwächter »

Wie umgehen mit Resitutionsforderungen?

Hierzu wurde der Wikipedia-Artikel Benin-Bronzen kürzlich um folgenden interessanten Aspekt ergänzt:
In einer Petition an die britische Charity Commission kritisierte die amerikanische Restitution Study Group im August 2022 die Absicht der Universitäten von Oxford und Cambridge, Bronzen nach Nigeria zurückzugeben. Stattdessen lehnte die Gruppe jegliche Rückgabe ab, da das Königreich Benin aus dem Sklavenhandel Profit geschlagen hatte[31][32]. Die Bronzen sind zudem aus den Manillen hergestellt, die das Königreich Benin als Zahlung für den Verkauf der Sklaven und Sklavinnen erhielt[33]. Die Gruppe forderte Frankreich, Großbritannien, die USA und andere Museen auf, die Bronzen weiterhin in westlichen Museen auszustellen, da die Bronzen so den tatsächlichen Nachfahren von Sklaven zugänglich seien, die dafür „mit ihrem Leben bezahlt“ hätten, und nicht den Nachfahren von Sklavenhändlern. Die Gruppe schreibt: „Das Königreich Benin würde, durch Nigeria, durch die Rückführung dieser Relikte ungerechtfertigt bereichert. Schwarze Menschen unterstützen Sklavenhändler-Erben nicht, nur weil sie schwarz sind. Nigeria und das Königreich Benin haben sich nie für die Versklavung unserer Vorfahren entschuldigt.“[32]
Einzelnachweise:
[*]31: Craig Simpson: Benin Bronzes must not be returned to Nigeria as it ‘profited from slavery’. In: The Telegraph. 15. August 2022, ISSN 0307-1235 (telegraph.co.uk [abgerufen am 22. August 2022]).
[*]32: U.S. activists say Benin Bronzes shouldn't be returned to Nigeria as it 'profited from slavery'. 16. August 2022, abgerufen am 22. August 2022 (englisch).
[*]33: https://mobile.twitter.com/deadriafp. Abgerufen am 22. August 2022.
The day may be near when we must kill to conserve.
"Dekmalschützer" Giles Cato in der MIDSOMER-MURDERS-Episode The House in the Woods
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Pitassa
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Re: Kritik an Resititution der Benin-Bronzen

Beitrag von Pitassa »

Hi Bullenwächter,

ich komm dazu mal moralisch. Die Restitution der Benin-Bronzen an die Republik Nigeria wird sicherlich kommen, denn die neuen Plantagen in Amerika wurden im 16. - 19. Jahrhundert nicht von Schwarzen betrieben. Auch die Schiffe, auf denen zahllose Sklaven unter unmenschlichen Bedingungen transportiert wurden, wurden nicht von afrikanischen Reedern dorthin dirigiert.

Das Ganze erinnert mich an jene 2009 im Vorfeld vorgetragenen Argumente, als bekannt wurde, dass US Präsident Barack Obama in Kapstadt die Verbrechen der Sklaverei ächten und als solche völkerrechtlich anerkennen wollte. Man bezeichnete Obama damals als "Sohn des Abgrunds" und das war nicht historisch rückblickend gemeint, sondern ablehnend. Die Ächtung der Sklaverei wurde 2010 in Kapstadt allgemeinverbindlich und als Akt der Barbarei des Westens völkerrechtlich anerkannt. Daher würde Malcom X die VertreterInnen der Restitution Study Group - sofern die angeführte Textstelle authentisch ist - vermutlich als "House Bimbos" oder schlimmeres gegeißelt haben.

Obama hatte sich, zweihundert Jahre nach dem mühevoll erstrittenen Verbot der Sklaverei durch die Briten, zu einer Durchsetzung der Ächtung der Sklaverei auf Völkerrechtlicher Ebene entschlossen. Die Briten hatten diese 1809 verboten, weil sie damit der Französischen Revolution, dessen Code Civil, sowie der spanischen Konkurrenz entgegen treten wollten. Der Weg zum Besseren ist halt nicht immer gradlinig und wir sind halt alle keine Engel. Aber unsere Bonzen waren damals mit Abstand die schmutzigsten von allen ... . :hirsch:
"Habe keine Angst vor Büchern, ungelesen sind sie völlig harmlos." Unbekannt
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Sculpteur
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Re: Kritik an Resititution der Benin-Bronzen

Beitrag von Sculpteur »

Hallo Bullenwächter, Hallo Pitassa.

Wenn ich den Zusammenhang richtig herauslese, betitelt die Studentengruppe das Gesamtnigerianische Volk als Nachfahren von Sklavenhändlern.

Das wäre dann eine sehr bedenkliche und wohl auch absolut unvereinbare Aussage.

Zur Kernkritik der Studentengruppe habe ich aktuell folgende Einstellung:

Der Begriff der "Raubkunst" bedarf einer erweiternden Definition: Raubkunst kann Kunst auch dann sein, wenn sie mittels z.B. versklavter und / oder in Schuldknechtschaft unterdrückter Menschen hergestellt wurde. Die Kunstwerke als Resultat wurden durch einen Raub an Kraft, Freiheit und Grundrechten versklavter Menschen erzeugt und betreffen damit Objekte, an denen die Verursacher der Ausbeutung keine Eigentumsrechte besitzen sollten.

Im Sinne des political-correctness-Prozederes, zu Unrecht außer Landes verschaffte Kunst zurückzuführen, fällt dies zunächst einmal unter den Zusammenhang, das was als gestohlen definiert wird auch gestohlen bleibt, solange es nicht zurück gegeben wird.

Es werden zwei unterschiedliche Thematiken von den Benin-Bronzen berührt: Die eine betrifft Eigentumsrecht, das klar geregelt ist, bzw. intergesellschaftlich definiert werden kann.
Die andere betrifft moralischen und ethischen Kodex, aber da werden die verschiedenen Lager wohl nicht damit aufhören, sich zu widersprechen und den korrekten moralischen Anspruch für sich zu proklamieren.

Ich persönlich bin der Meinung, dass solche Streitstücke von kolonialer Kunstausbeutung tatsächlich in ein international unabhängiges und diesem Themenspektrum gewidmetes und für jeden frei zugängliches Museum gehören, das solche Stücke auch für Wanderausstellungen frei gibt.

Ich kann mir aber kaum vorstellen, das dies im Hinblick auf die Benin-Bronzen der Fall sein wird.
Zuletzt geändert von Sculpteur am 28.08.2022 18:06, insgesamt 2-mal geändert.
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Blattspitze
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Re: Kritik an Resititution der Benin-Bronzen

Beitrag von Blattspitze »

Schwieriges Thema, ich habe keine abschließende Meinung dazu. Es gibt in einigen Fällen sicher gute Gründe für Restitutionen, zumindest wenn eine eindeutige Dokumentation der Gegenstände vorliegt, die klar bezeugt, dass nicht gehandelt, sondern geraubt wurde. Provenienzforschung und Restitutionsvorgänge haben die ihres Forschungsgegenstands langsam verlustig gehende Ethnologie neu belebt.
Den Hinweis auf den Sklavenhalter- Hintergrund des Königreiches Benin finde ich sehr interessant.
Die meisten Gesellschaften der später Zwangskolonisierten waren zuvor ebenfalls keine die Menschenrechte achtenden Demokratien, sondern im heutigen Sinne Ungerecht und von Willkür, Stammeskriegen, Sklaverei und Unterdrückung gekennzeichnet.
"Was an der Unverschämtheit des Heute
gegenüber der Vergangenheit tröstet, ist die
vorhersehbare Unverschämtheit der Zukunft
gegenüber dem Heute." Nicolás Gómez Dávila
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