Umgang mit bedenklichen Äußerungen in Quellen

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Sculpteur
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Re: Umgang mit bedenklichen Äußerungen in Quellen

Beitrag von Sculpteur »

Wenn Ihre Prämisse Wissenschaftlichkeit widerspiegeln sollte, haben Sie mir mit Ihren Antworten wirklich weitergeholfen!:
Unter der Prämisse würde ich mich zukünftig keinesfalls einer wissenschaftlichen Arbeitsweise verpflichten.
Ich würde auch bewusst wissenschaftliche Unredlichkeit betreiben und bestimmte Quellen eher einfach ignorieren, als dass ich kritische Zusammenhänge über das Wirken einer Person außerhalb seiner Wissenschaft unhinterfragt ließe, während Bücher einer wissenschaftlich arbeitenden Person mit kritischem Image weiterhin unhinterfragt vermarktet würden und das Image einer solchen Person von der Neutralität der Wissenschaftlichkeit weiterhin unhinterfragt bleibt.

In diesem Zusammenhang fällt mir nur die "oberste Direktive" des ursprünglich von Gene Roddenberry begründeten Star Trek Universums ein: Das Prinzip der Nicht-Einmischung, das in so vielen Zusammenhängen in Star Trek zu einem tiefen Zwiespalt und (um Ihr Wort zu verwenden) Dilemma geführt hat und schließlich dennoch häufig die oberste Direktive verletzte, weil die Entscheidung im Rahmen der Film- oder Serienhandlung (meiner Meinung nach) absolut richtig war, weil sie eben genau diesen Zwiespalt (bewusst) beleuchtete.

Sie schrieben, dass wir beide nicht wissen, was Zahi Hawass gesagt hat. Wir könnten es aber sehr wohl in Erfahurng bringen, wenn wir es denn wollten.
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Sculpteur
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Re: Umgang mit bedenklichen Äußerungen in Quellen

Beitrag von Sculpteur »

@Pitassa:
Kubisch [B1]schreibt:

[Zitat]
Die Epochen vor der sogenannten ägyptischen Frühzeit gehören in die prähistorische oder vorgeschichtliche Zeit, das heißt, aus dieser Zeit existieren noch keine schriftliche [sic!] Aufzeichnungen. ...
Im Detail betrachten wir mit der Geschichte des pharaonischen Ägypten einen Zeitraum von mehr als 3000 Jahren. Die Vorgeschichte der altägyptischen Kultur beginnt jedoch schon sehr viel früher in der Altsteinzeit bzw. dem Paläolithikum (ca. 500 000-10 000 v. Chr.). ...
Erst in der Endphase dieses Zeitalters im späten Paläolithikum (ca. 25 000-10 000 v. Chr.) begannen sich bestimmte Charakteristika und lokale Eigenheiten einer eigenen Kultur herauszubilden. Es lassen sich nun Bestattungen archäologisch nachweisen und auswerten, es gibt Hinweise auf saisonale Siedlungen und Anfänge von Subsistenzwirtschaft. Die Menschen beobachteten den Wechsel der Jahreszeiten, wanderten zwischen verschiedenen, je nach Jahreszeit günstigen Siedlungsplätzen hin und her und wurden so zu Halbnomaden. Diese partielle Sesshaftigkeit führte zu einem starken Anstieg der Bevölerungsdichte, die sich in einer größeren Konzentration von Siedlungsplätzen niederschlug. ...
In den Jahrtausenden zwischen ca. 25 000 und 10 000 v. Chr. liegt die "Geburtsstunde" der ägyptischen Kultur.
[ZITAT ENDE]

Hallo Pitassa: Im Sinne der hier nachzulesenden Eingrenzung Kubisch´s muss ich meine vorherigen Angaben relativieren: Kubisch hat keine konkreten 20.000 Jahre als Zeitraum genannt, geht aber bei der sehr vorsichtigen (notwendigerweise gebotenen) Schätzung (siehe [Kubisch, B1, 34]) von einem Zeitraum von zwischen ca. 25.000 und 10.000 Jahren aus.

:18:

QUELLEN:
[B1] Kubisch, S.: Das Alte Ägypten - Von 4000 v. Chr. bis 30 v. Chr. Verlag Marix (marixwissen), Wiesbaden 2017.
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Pitassa
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Re: Umgang mit bedenklichen Äußerungen in Quellen

Beitrag von Pitassa »

Ich hatte bis jetzt keine Gelegenheit das bei dir genannte, von Sabine Kubisch veröffentlichte Buch zu lesen und versuche dies bei Gelegenheit nachzuholen.

Für mich ist es halt so, dass die ägyptische Kultur und der Nil so eng miteinander verwoben sind, dass die Ägypter für mich das Volk am Nil sind. Daher gilt es zu beachten, dass der Victoria See während der letzten Eiszeit um 12.700 vor Christi ausgetrocknet war, Zum Ende der letzten Eiszeit füllte sich das Becken des heutigen Victoria Sees dann wieder. Um 10.000 v. Chr. trat der Victoria See an seiner Nordseite bei der heutigen Ortschaft Jinja über das Ufer und hat dort seither seinen Abfluss, den Weißen Nil. Der heutige Weiße Nil brach also um 10.000 vor Christi nordwärts durch und erst damit etablierte sich das Flussbett des heutigen Nil, welchen wir nordwärts durch den Sudan und Ägypten gehend in seinem Delta bei Alexandria in das Mittelmeer strömen sehen. Erst in dieser Zeit entstand der heutige Nil und erst damit, so meine ich, kam die ägyptische Kultur auf.

Natürlich ist es richtig, dass es zuvor Altnile gab, doch diese entsprangen den zwischen Tibesti und Ennedi Gebirge gelegenen Ounianga Seen. Der dort im Gebiet der Erdis entsprungene Eosahabi entwässerte jedoch zunächst ins Kufra-Becken und zuletzt über den Quena River bei Assuan, sowie über den Wadi Fesh-Fesh in den Gelben Nil, besser bekannt als Wadi Howar. Ob man diese Zeit jedoch als Zeit der ägyptischen Kultur auffassen darf, scheint meines Erachtens bislang noch gar nicht erörtert worden zu sein. Mir selbst ist diesbezüglich nur die Abhandlung von Pauline und Philippe de Flers, sowie Jean Loic Le Quellec aufgefallen (*), und diese betrachten vornehmlich die Zeit des Holozän, also etwa 9.700 - 2.700 v. Chr. Von daher bleibe ich im Ergebnis also lieber bei Herodot II, 142 und leite daraus ab, dass sich die Zeit der altägyptischen und pharaonischen Kultur von etwa 10.000 v. Chr. bis in die Zeit des Decius (251 n.Chr.) erstreckt haben könnte. Eine erste Entstehung der ägyptischen Kultur vor 12.000 v. Chr. ist meines Erachtens nach nicht anzunehmen. :34:

Aber ansonsten : Danke für den Literaturhinweis und die Mühe, diese Quelle nochmals nachgeschlagen zu haben. Das Buch von Sabine Kubisch scheint mir sehr interessant zu sein.

Gruß Pitassa :rhino:


Quelle (*) : Le Quellec, Jean Loic ; De Flers, Pauline et Philippe : Peintures et gravures d'avant les Pharaons du Sahara ou Nil, Paris 2005.
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Re: Umgang mit bedenklichen Äußerungen in Quellen

Beitrag von KlausKunze »

Sculpteur hat geschrieben:Wenn Ihre Prämisse Wissenschaftlichkeit widerspiegeln sollte, haben Sie mir mit Ihren Antworten wirklich weitergeholfen!:
Unter der Prämisse würde ich mich zukünftig keinesfalls einer wissenschaftlichen Arbeitsweise verpflichten. Fiktiv angenommen: Würde man mir eines Tages den Karlspreis verleihen wollen, würde ich ihn ablehnen.
Es gibt - philosophisch - keine Verpflichtung auf Wissenschaftlichkeit. Da sind Sie völlig frei.
Es ist eine höchstpersönliche Frage, was jemanden motiviert, z.B. archäologisch zu graben, zu publizieren oder was auch immer.
Darum ist mein persönlicher Standpunkt nicht verallgemeinerungsfähig: Ich will unbedingt wissen, wie es früher tatsächlich war. Darauf bin ich unendlich neugierig. Dagegen interessiert mich nicht die Bohne, wie heutigen Moralisten retrospektiv darüber denken, denn moralisieren kann ich auch allein, wenn mir danach sein sollte.
Verallgemeinerungsfähig sein sollte aber die Forderung nach Ehrlichkeit: Wer wissenschaftlich publiziert, darf nicht Erkenntnisse verschweigen, bloß weil sie ihm nicht in den Kram passen. Und wenn er in Wahrheit nur gräbt oder forscht, um sich mit Versatzstücken für seine Religion oder Ideologie einzudecken, sollte redlicherweise offen zugeben: Was ich hier mache, ist nicht Wissenschaft.
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Re: Umgang mit bedenklichen Äußerungen in Quellen

Beitrag von ulfr »

Um Hawass´Äußerungen zu verstehen, braucht man kein Arabisch lernen:
https://www.welt.de/kultur/history/arti ... hamun.html

Ich denke, dass man nie herausfinden kann und wird, wie etwas früher tatsächlich war. Wir kennen weder die Taten noch die Sachen persönlich - Sachen verändern sich, Taten werden beschrieben - und selbst wenn wir es täten, wären unsere Erinnerungen daran ab dem Moment beeinflusst, in dem das Ereignis Geschichte geworden ist. Geschichtswahrnehmung/schreibung ist immer subjektiv und interpretativ. Meine Kinder erinnern sich an zurückliegende familiäre Ereignisse anders als ich, und kein Video, kein Foto kann die Wahrheit über das Damals abbilden, weil schon die Aufzeichnung ein Filter ist.
Ein fiktives Hügelgrab, das 1890 ausgegraben würde, ergäbe mit Sicherheit andere Erkenntnisse, wenn es 1938 oder 2021 oder in 1000 Jahren ausgegraben würde. Das hat weniger mit Moralismus zu tun als mit veränderten wissenschaftlichen Methoden, technischen Fähigkeiten der Ausgrabenden oder - viel wichtiger - deren soziologischem Kontext wie Bildung, politische Einstellung, gesellschaftliche Stellung usw. und den sich daraus ergebenden Fragestellungen.
Wenn ich also alte Literatur zur Interpretation archäologischer Funde und Befunde heranziehe, was ich manchmal tue, dann ist es m.E. absolut unerlässlich, den Hintergrund zu klären, vor dem diese Literatur enstanden ist. Ich muss sie nicht werten, aber ich kann sie niemals losgelöst von ihrem historischen Kontext hinzuziehen. Und wenn ein Autor in einem Beitrag in der Einleitung von "germanischer Kulturhöhe" schwadroniert, werde ich seine wissenschaftlichen Erkenntnisse mit größter Vorsicht betrachten (müssen!), auch wenn ich sie vielleicht nicht ignorieren sollte, weil sie ja zu meinem Forschungsgebiet dazugehören. Und wenn ich sie nicht ignoriere, dann steht es mir frei, seinen Beitrag zu kommentieren. So funktioniert Wissenschaft.
Das war´s von meiner Seite - der Herd ruft
:kessel:
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
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Re: Umgang mit bedenklichen Äußerungen in Quellen

Beitrag von Sculpteur »

@KlausKunze: Es fällt mir auf, dass Sie sich in aufeinanderfolgenden Beiträgen - meiner Wahrnehmung nach - in Ihren Äußerungen doch sehr stark widersprechen.
Ich habe aber tatsächlich kein interesse mehr daran, den Diskurs über dieses Thema mit Ihnen weiterzuführen - vor allem, weil es nun einige Zeit in Anspruch nehmen würde, Ihre von mir so wahrgenommenen Widersprüche zu sortieren. Dafür fehlt mir gerade die Zeit und auch die Geduld. Ich habe meine Einstellung zu meiner ursprünglichen Fragestellung - tatsächlich auch dank Ihrer Beiträge - eruiert. Ihre Meinung hat Ihre absolute Berechtigung. Ich danke Ihnen nochmals für Ihre Beiträge. Wass ich allerdings ablehne ist, das Sie hier (verallgemeinernd) Regeln aufstellen und zu kommunizieren suchen, aber gleichzeitig den Begriff des Moralisten ins Spiel bringen und ihn auf das anwenden, was Ihren (meiner Meinung nach) doch sehr stark moralisierend wirkenden Äußerungen entgegensteht.

@ulfr: Vielen Dank für Deinen Breitrag und Deine interessante Wahrnehmung des Themas! :18:
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