du sagtest in deinem Beitrag vom 01.08.23 sinngemäß folgendes aus :
Zitat BlattspitzeDer von mir verlinkte Artikel beschäftigt sich ausschließlich mit dem Jungpaläolithikum und ... es ist im Prinzip völlig unklar und derzeit nicht annähernd beweisbar, in welcher Funktion die Frauen hier [dereinst] dargestellt wurden. .... Eindeutig ist nur : [als] Frau !
Damit hast du dich aus jeder Form der Hermeneutik (Auslegung) zurückgezogen und befindest dich auf der sicheren Seite. Das es hierzu bereits in früherer Zeit Interpretationen gab und diese nunmehr zunehmend im Feuer der Kritik stehen, dürfte außer Frage stehen. Der Prähistoriker Hermann Müller-Karpe vertrat unter dem Eindruck des zweiten Vatikanischen Konzils hierzu den isochronologischen Ansatz und sagte in seiner Votivdeutung der paläolithischen Bildwerke aus, dass "Darstellungen von Jagdtieren als religiöse Dankesbekundungen für jeweils erlegte Tiere verstanden werden können. Darstellungen von Raubtieren [wären] als Dank für eine gut ausgegangene Begegnung mit einem solchen [bejagten Tier] zu interpretieren ... . Mitunter zeigen Menschendarstellungen erhobene Arme mit geöffneten Händen, also eine Geste, die in späteren Kulturen als Adorationsgeste bezeugt sind." Letztere Aussage bezog er ausdrücklich auch auf eine gravierte Darstellung, welche sich auf einem Knochen in der Grotte von Isturitz fand. (1) (2) (3) Don Hitchkock trägt diesbezüglich noch deutlich weitergehende Aussagen vor, welche von mir durchaus geteilt werden.
Es gibt also seriöse wissenschaftliche Abhandlungen, in welchen Frauen als "Priester" dargestellt werden und diese Interpretationen sollte man nicht unterschlagen. Im Lexikon der Steinzeit findet man im Artikel "Venusfiguren" zudem unter anderem folgende Aussage : "Tatsächlich stehen sie ... in ihrem Symbolgehalt durchaus der erotisch-sexuellen Idee der ursprünglichen (noch nicht verklärten) Venus-Konzeption der Griechen nahe. Außerdem führt ihre oft betonte Fraulichkeit und Mütterlichkeit sie in die Nähe der Idee der Muttergottheiten und Gottesmütter (Mariensymbolik). Nach Analogien der Alten Geschichte und Völkerkunde handelt es sich dabei um Bereiche, die speziell die geistige Welt der Frauen repräsentieren." (4) Ich teile auch diesen von Emil Hoffmann, sowie Hansjürgen Müller-Beck (5) vertretenen Standpunkt, wonach die in ganz Europa gefundenen, jungpaläolithischen Venusfiguren der Idee von Muttergottheiten und Gottesmüttern (Magna Mater / Alma Mater) nahe stehen und ihren jüngsten Ausdruck in der Mariensymbolik finden und damit speziell die Spiritualität der Frauen repräsentieren. Ich hätte nicht gedacht, dass man sich in diesem Forum von solchen Aussagen distanzieren würde. Man fühlt sich inhaltlich an das Niveau erinnert, welches Tilman Spreckelsen an den Tag legte, als er seine Rezension zur 3. Auflage des von Müller-Beck verfassten Standardwerkes zum besten gab. (6)
Beste Grüße
Pitassa
Quellenangaben
(1) Müller-Karpe, Hermann : Religionsarchäologie - Archäologische Beiträge zur Religionsgeschichte, Frankfurt a.M. 2009, S. 19 - 21 u. Abb. 2, Nr. 3 (Gravur von Isturitz).
Siehe online : https://books.google.de/books?id=A2EKd5 ... &q&f=false
(2) Müller-Karpe, Hermann : Geschichte der Gottesverehrung von der Altsteinzeit bis zur Gegenwart, Paderborn 2005, S. 15 - 34.
(3) Müller-Karpe, Hermann : Handbuch der Vorgeschichte, Bd. 1 : Altsteinzeit, München 1966,
Siehe online unter : https://archive.org/details/handbuchder ... ew=theater
(4) Hoffmann, Emil : Lexikon der Steinzeit, München 1999, S. 389 (Art. Venusfiguren).
(5) Müller-Beck, Hansjürgen : Die Steinzeit. Der Weg der Menschen in die Geschichte, München 1998.
Siehe dazu : https://de.wikipedia.org/wiki/Hansjuergen_Mueller-Beck sowie : https://www.amazon.de/Die-Steinzeit-Men ... 3406477194
(6) Spreckelsen, Tilman : Rezension zu : Müller-Beck, Hansjürgen : Die Steinzeit. In : Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Ausg v. 02.11.2008, S. 72.
Siehe online unter : https://www.gbv.de/dms/faz-rez/SD1200811021987788.pdf