Hi,
danke erst mal für die Willkommensgrüße. Ich bin eigentlich schon recht lange eingeschrieben (seit September 2006), aber hatte bisher nicht die Zeit hier was zu posten - Krteks Verweis auf arch-de wegen des Vorfalls in Paderborn hat mich dann wieder hierher verschlagen, obwohl die Diskussion hier scheinbar kaum jemanden von arch-de angelockt hat. Anyway.
Euer HaC/D Herrenhof interessiert mich klarerweise auch sehr. Vor allem, weil ja einige KollegInnen und ich seit längerem an einem Hallstattdorf herumspinnen, das in unserer Vorstellung schon weitgehend steht, aber wofür uns in der Realität noch ein paar Millionen ¤ fehlen, um es auch umsetzen zu können. Ich weiß nicht, ob ihr den Link auf meiner Uni-Webseite mit der Grobvorstellung des Projekts schon kennts, sicherheitshalber hier der Verweis drauf:
http://www.bangor.ac.uk/history/researc ... ton.php.en .
Ich hab mich zwar seit längerem nicht mehr allzu intensiv mit Häuserrekos auseinandergesetzt (weil meine Forschungen in den letzten Jahren eher in andere Richtungen gegangen sind, die zwar auch teilweise das Siedlungswesen betreffen, aber nicht unbedingt Rekos), aber eine meiner StudentInnen hat vor zwei Jahren ihre Magisterarbeit in Wien zu diesem Thema geschrieben, und dabei recht eng mit der historischen Bauforschung in der Architektur zusammengearbeitet. Das eigentliche Forschungsziel - eine Grobbestimmung dessen, was im Holzbau statisch eigentlich überhaupt geht - hat die Arbeit zwar nicht erreicht, weil statisch scheinbar viel mehr geht, als wir uns in unseren kühnsten Träumen vorzustellen wagen, aber generell wars trotzdem eine recht feine Arbeit.
Es handelt sich um relativ große (12x18 Meter und zwei mal 9 x 12 m) große einschiffige Gebäude. ... Da durch die Einschiffigkeit die Mittelpfosten fehlen, sieht sich die Autorin nicht in der Lage, Aussagen zur Dachkonstruktion zu machen.
Das Problem ist, dass sie nur rein archäologische Fachbücher zu Rate zieht. Dort wird halt (immer noch) davon ausgegangen, dass ein Überspannen von 12 m ohne Mittelpfosten nicht möglich wäre.
Dem ist aber nicht so.
Ja, das ist auch eines der Grundprobleme, das Du da ansprichst, das meine Studentin eben über den Weg der Auseinandersetzung mit Holzbau-Architekten und -statikern anzugehen versucht hat, und wo wir ursprünglich 'archäologischem Denken' folgend davon ausgegangen sind, daß diese Zusammenarbeit mit denen uns recht rasch zeigen wird, wo sozusagen die 'physikalischen Grenzen' liegen, über die unsere Rekos nicht drüber dürfen. Leider war aber da das Ergebnis ziemlich unbefriedigend, weil die Holzbaustatiker mehr oder minder klar gesagt haben, daß alles, was wir haben, so ziemlich alles drüber aufgebaut erlaubt, was man sich nur irgendwie vorstellen kann (bis, so ein wörtliches Zitat, 'zum 10-stöckigen Holzhochaus').
Frei überspannbare Weiten stellen ein ähnliches Problem dar - es kommt nach Aussagen der Statiker, mit denen meine Studentin da zusammengearbeitet hat, nur drauf an, wie man es macht - aber selbst 'nur' mit den archäologisch für die Eisenzeit belegten Holzbautechniken geht da so ziemlich alles. Was für den ursprünglichen Zweck ihrer Arbeit nicht grade befriedigend war, wie man sich vorstellen kann...
Hinzu kommen die von Ray zurecht beklagten festgefügten Bilder, in meinem konkreten Fall die Vorstellung der Flechtwerk/Lehm-Konstruktion der Wände. Auch das ist ein "Bild" dass nicht zwingend ist.
Ja, ebenfalls ein klassisches Problem, daß wir im Medionemeton-Projekt auch anzusprechen versucht haben. Dort versuchen wir, eine möglichst große Varianzbreite an Möglichkeiten, sowohl in der Qualität der Ausgestaltung als auch in der Bauweise zu zeigen. Nicht jede Wand muß eine Flechtwerkwand gewesen sein, nicht jedes Dach mit demselben Material gedeckt, nicht jedes Haus gleich ausgeschaut haben wie sein nächster Nachbar in einer prähistorischen Reihenhaussiedlung, nicht jedes muß ein multifunktionales Gebäude gewesen sein, das eine oder mehrere von drei Basisfunktionen (Wohnraum/Werkstatt/Lagerraum) erfüllt haben muß. Ordentlich und unordentlich, sauber und drecking, arm und reich etc. können direkt nebeneinander bestanden haben und dürften das wenigstens dem archäologischen Befund nach auch.
Das zu zeigen erscheint uns sogar wichtiger als 'vernüftige' Uniformitäten zu zeigen, die es sicher auch gegeben hat. Eine Siedlung, die Zugang zu viel Schilf aber kaum Holz hat wird wohl primär Schilf- und kaum oder keine Schindeldächer haben. Und selbst wenn sie gleichermaßen Zugang zu beidem hat, wird sich vermutlich auch eine 'lokale Tradition' der Dachdeckung herausbilden, die dazu führt, daß obwohl auch die jeweils andere Möglichkeit bestünde, die Dächer im 'Dorf' relativ 'uniform' gedeckt sein werden. Trotzdem, es scheint uns sinnvoller - da wir sicher nicht 50 unterschiedliche Dörfer irgendwo hinstellen können, um so die Bandbreite des 'möglichen' zu zeigen - das in einem Dorf zu mischen. Nachdem es Schema-X-Rekos schon mehr als genug gibt, ist die Darstellung der Variabilität unserer Ansicht nach Vermittlungstechnisch eben wichtiger als die begründbare Uniformität in gewissen Aspekten...
Wie sollen also 1:1 Rekos anders werden, wenn die "normale" arch. Fachliteratur sich immer wieder in diesen Bildern bewegt.
Ja, das ist genau der Punkt. Wenn die Darstellung in der Fachliteratur (und nicht nur in dieser) stets unter unproblematischem Rückbezug auf bereits bestehende Bilder erfolgt, werden diese (an sich im Einzelfall oft unproblematischen) Vorbilder und ihre Nachfolger für sich zum Problem, weil sie alle anderen Möglichkeiten verdrängen. Dadurch wird einerseits der wissenschaftliche Diskurs abgewürgt (weil jede 'alternative' Reko durch die Dominanz eines bestimmten Bildes zunehmend als unvernünftig', teilweise sogar als 'absurd' erscheint) und andererseits ein in Summe definitiv falsches - eben uniformes - Bild der Vergangenheit präsentiert (auch wenn jedes Einzelbild für sich stimmig und vielleicht sogar die jeweils wahrscheinlichste Reko des abgebildeten ist!).
Liebe Grüße,
RAY