So, diesen alten Thread mal wieder beleben. Ich war heute in einer Ausstellung im Dresdner Verkehrsmuseum über "Verkehr in der Steinzeit", oder so war das zu mindest angekündigt. Ich hatte mich bereits auf Räder, Einbäume und co. gefreut, aber weit daneben.
Völlig unverhofft (das hat man davon. wenn man sich schlecht vorbereitet) landete ich dann in einer Veranstaltung unter der Name "Kam Kolumbus 15.000 Jahre zu spät" und befasste sich das Ganze nur mit den Heldentaten von Herrn Görlitz. Bei den ersten Paneelen habe ich noch versucht etwas davon irgendwie seriös zu nehmen, als dann aber Thor Heyerdahl als erster Experimentalarchäologe aufgeführt wurde und die ältesten Einbäume ins 6. Jahrtausend datiert wurden, war bei mir der Ofen aus. Was sich dann anschloss war nur noch Hanebüchen: Nicht nur die wohlbekannte Fringe-Themen wie Nikotin und Kokain in ägyptischen Mumien (Obwohl die Publikation tatsächlich in einer seriösen Zeitschrift war: S. Balabanova/S. Parsche/W. Pirsig, First identification of drugs in Egyptian mummies, Naturwissenschaften 79/8, 1992, 358 [tatsächlich aber ein Einseiter]; hier ein Überblick, leider ohne Quellen:
http://answers.yahoo.com/question/index ... 706AAaqs2g) und die ursachlichen Zusammenhängen von Landwirtschaft und Pyramiden in der alten und neuen Welt. Aber dann kam es dicke mit 'Geheimen Landkarten', die Solutrées als direkte Vorfahren von Clovis (hatten wir auch bereits mal im Forum) bis hin zu Sternzeichen, die wenn sie auf den Globus projiziert werden genau die Küsten und Strömungen folgen. (Und wenn's nicht so ist, wird das von der Regierung vertuscht.)
Über die Boote schweigen wir mal lieber. Wer damit als Käptn ohne große Hochseeerfahrung versucht den Atlantik zu überqueren und das ohne Begleitboot sollte sofort wegen versuchten Totschlags angeklagt werden. Noch mal komplett davon abgesehen, dass das natürlich nichts, aber auch überhaupt nichts mit experimenteller Archäologie zu tun hat. Alle Boote sind mit Kilometern industrieller Seilen zusammengebunden, alle Bretter kommen aus dem Baumarkt und obwohl ständig wieder betont wird 'die Leuten waren nicht primitiv' gibt es nirgendwo eine anständige Holzverbindung, alles ist irgendwie zusammengeflickt. Dass die Ruder gebrochen sind braucht einem nicht zu wundern: Das sind Bretter die in einem Schlitz am Ende eines Zaunpfahls festgebunden sind.
Kein Wunder, dass alle Publikationen über die Projekte von Görlitz in Eigenverlag erschienen sind, ein wissenschaftliches peer-review, auch wenn es nur über den Anspruch als Experimentalarchäologie ginge, würde diese gequirlte Scheiße nicht überstehen.
Fazit: Wenn man als kleiner Junge davon träumt Thor Heyerdahl nachzuspielen und das als erwachsener Kerl auch macht, ist das OK. Aber versuche das dann nicht als Experimentalarchäologie zu verkaufen.
Edit: Was mich auch noch maßlos geärgert hat, ist die Tatsache, dass die einzige sowohl schriftlich (Saga von Erik der Rote) als archäologisch (L'Anse aux Meadows) gut belegte präkolombianische Atlantik-Überquerung mit keinem Wort erwähnt wird.