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Verfasst: 07.04.2009 14:14
von Kurt A.
Die gegenwärtig in München gezeigte Ausstellung war letztes Jahr in Zürich. Auch ich war da sehr sehr skeptisch gegenüber der ganzen Sache, weil die Ausstellung doch sehr offensiv beworben wird. Hab mich dann aber doch entschieden (trotz der Eintrittspreise!!) hinzugehen. Ausstellungstechnisch fand ich sie gar nicht mal so schlecht, zumal auch der archäologische Kontext (Befund) und die Fundgeschichte endlich mal etwas Beachtung fanden. Die Ausstellung ist jedenfalls um Welten besser als ich ursprünglich erwartet hatte. Wenn es mir recht ist, steht eine Eventagentur als Veranstalter dahinter. Die Repliken sind auf den ersten Blick auch nicht so schlecht gemacht, wie man zunächst meinen könnte. Sicher haben einzelne Kopien beim genaueren Hinsehen ihre Mängel, aber das sieht man auf den ersten Blick nicht wirklich gut. Viele Objekte sieht man in der Ausstellung zwei mal, einmal im Kontext ihres Befundes, einmal als Einzelobjekte. Die haben also alle die tollen Stücke sicher zwei Mal kopiert. So gesehen wars mal was ganz Anderes als was man so an Ausstellungen zum Alten Ägypten kennt. Wenn man berücksichtigt, dass ja für die Fertigung der zahlreichen, recht komplexen Repliken auch ein schöner Batzen Geld ausgegeben werden musste, dann wird der hohe Eintrittspreis irgendwie auch verständlich. Ob er nun gerechtfertigt ist, darüber kann man sich streiten. Ich hab die Investition jedenfalls nicht bereut. Würde mich interessieren, ob andere Forumsteilnehmer auch schon in der Ausstellung waren und wie ihre Eindrücke so waren.

Verfasst: 14.04.2009 09:56
von Mela
Jep, hier - wohl eine der wenigen, die mehrmals drin war (ich habe einen kleinen Tutenchamun-Fan daheim :wink: der fast geweint hat, als ich ihm erklärt habe, dass es die Ausstellung jetzt nicht mehr gibt)

Also kann ich zwei Standpunkte vertreten:
- der "gemeine" Besucher, evt. mit Kind/Kleinkind: der Preis war happig (vormittags 22 Franken, Museumsmitarbeiterkarte wurde leider nicht akzeptiert) - aber dafür hatten wir einen sehr spannenden Ausflug - die Verpflegung durch ein Cateringunternehmen war verhältnismässig billig, fand ich.
Mein Sohn war begeistert und das habe ich auch von anderen Kindern (allerdings normalerweise etwas grösser) beobachten - "normale" Besucher konnten durchaus ihren Kindern etwas erklären und zeigen.
Aus Besuchersicht: ziemlich gelungen.

- Archäologin: ich fand den Aufbau nicht schlecht, es wurde relativ viel vermittelt an Wissen über das Grab, die Zeit... (verglichen mit der Ausstellung einiger Originale in Basel vor ein paar Jahren, zu einem ähnlichen Preis übrigens: deutlich besser vermittelt, dort war ich irgendwann nur noch genervt)
Einige Repliken waren super - andere mässig (besonders mit "Fake-Lapislazuli" hatten sie grosse Mühe, ebenso Knochenmaterial...). Aber insgesamt wirklich nicht schlecht - und vielleicht auch eine Anregung, wie man (Museum) auch mal andere Besucher(zahlen) anlockt.

Liebe Grüsse

Mela

Verfasst: 14.04.2009 12:52
von Fridolin
Wenn eine Replik dem Schutz von einmaligem Kulturgut dient, das nicht transportiert werden kann: ein uneingeschränktes Ja zur Replik (solange sie nicht die Landschaft verschandelt, wie im Falle von Wunhenge).

Aber ich ärgere mich schon gewaltig, wenn in Museen Repliken nicht als solche gekennzeichnet sind. Gut, kleinere Museen können für den Schutz bzw. die Sicherheit gewisser Funde oft nicht sorgen (Diebstahl, Korrosion usw.). Dies liegt aber auch daran, dass die Schätze des ländlichen Raums gleichsam als Beutekunst in die großen hauptstädtischen Museen gelangen. Die wiederum erhalten beträchtliche Geldmittel, um für den Schutz der Funde sorgen zu können... Und die ländlichen Museen werden - wenn überhaupt - mit billigen Kopien abgespeist.

Andererseits darf man nicht übersehen, dass auch in großen Museen sehr viele Ausstellungsobjekte ergänzt und geschönt werden. Da wird schon mal aus 1-2 Scherben ein ganzer Topf ?rekonstruiert? oder aus einer stark korrodierten Bronzefibel mit minimalen Patinaresten, die vielleicht nur noch 2% der sog. originalen Oberfläche repräsentiert, eine ansehnliches Schmuckstück schönrestauriert....

Bei den Restauratoren gibt es verschiedene Philosophien, v.a. (a) Ergänzungen sollen weitestgehend ?unsichtbar? dem Original angepasst werden oder (b) Ergänzungen müssen grundsätzlich als solche zu erkennen sein (schaut oft furchtbar aus) oder (c) dem Originalfund wird eine Replik zur Seite gestellt.
Die Grenzen vom Original zur Replik sind also fließend...

Verfasst: 14.04.2009 13:31
von Joze
Die Diskussion hier ist ja voll interessant! Viele verschiedene Aspekte wurden mitgeteilt - das freut mich!
Danke!!
Gruss, Jo¸e

Verfasst: 14.04.2009 14:10
von Claudia
Fridolin, wenn es möglich ist, bevorzuge ich Methode c. Also Originalfund und Replik, möglichst beides ausgestellt. Dann hat man bei neuen Erkenntnissen zum Fund auch eher mal die Möglichkeit, die dann als falsch erkannte Rekonstruktion aus dem Verkehr zu ziehen und eine neue, bessere Replik anzufertigen.
Außerdem liefert so eine Replik dem Besucher, der keine oder nicht viel Ahnung und/oder Vorstellungskraft hat, wie das Original mal ausgesehen haben könnte, einen viel faßbareren Eindruck. Ein sehr schönes Beispiel sind die bronze- und eisenzeitlichen Schmuckfunde im Archäologischen Museum in Herne, wo in derselben Vitrine die Originale und die Repliken liegen. Bei manchen Stücken ein echter Aha-Effekt.

Was nicht gekennzeichnete Repliken in Museen angeht, gibt es da häufig noch ganz andere Probleme: Ich krige z.B. enorme Magenschmerzen, wenn ein Museum moderne Kunstobjekte ohne Kennzeichnung zwischen die historischen plaziert. Wenn ich eine bunte Plastikfigur in der Vitrine mit den Idolfigürchen sehe, kann ich das Dings noch als neuzeitlich zuordnen - problematisch wird es dann, wenn z.B. "historisch inspirierte" Keramik ohne Kennzeichnung mitten zwischen den historischen Stücken steht. Wer da nicht gewisse Vorkenntnise mitbringt, hält so ein Teil schon mal für echt. So gesehen übrigens im Töpfereimuseum Siegburg. Dabei krieg ich dann viel mehr den Gnatz als bei einer Replik.
Oder die Geschichte mit den heimlich in die Ausstellung gemogelten Fakes, die wir schon mal in einem anderen Thread hatten.

Verfasst: 15.04.2009 10:10
von Trebron
Claudia hat geschrieben:Fridolin, wenn es möglich ist, bevorzuge ich Methode c. Also Originalfund und Replik, möglichst beides ausgestellt. Dann hat man bei neuen Erkenntnissen zum Fund auch eher mal die Möglichkeit, die dann als falsch erkannte Rekonstruktion aus dem Verkehr zu ziehen und eine neue, bessere Replik anzufertigen.
Außerdem liefert so eine Replik dem Besucher, der keine oder nicht viel Ahnung und/oder Vorstellungskraft hat, wie das Original mal ausgesehen haben könnte, einen viel faßbareren Eindruck. Ein sehr schönes Beispiel sind die bronze- und eisenzeitlichen Schmuckfunde im Archäologischen Museum in Herne, wo in derselben Vitrine die Originale und die Repliken liegen. Bei manchen Stücken ein echter Aha-Effekt.



Sehe ich auch so. Ergänzungen aus Plexiglas finde ich abgrundhäßlich und störend.

Trebron

Verfasst: 15.04.2009 10:45
von Claudia
Trebron, mit den Ergänzungen aus Plexiglas kann ich noch eher leben als mit Rekonstruktionen, wo man eben nicht sieht, wo das Originalteil anfängt und wo es aufhört. Wenn da falsch rekonstruiert worden ist, entsteht in den Köpfen der Leute sehr schnell ein Faktoid.
Dann lieber Plexiglas, wenn das Geld für eine Replik nicht reicht.

Verfasst: 15.04.2009 11:06
von Fridolin
Claudia hat geschrieben: Wenn da falsch rekonstruiert worden ist, entsteht in den Köpfen der Leute sehr schnell ein Faktoid.


Genau, Claudia, und Archäologen zählen auch zu den "Leuten".

Viele Grüße aus den Sonne
Fridolin

Verfasst: 15.04.2009 20:54
von ulfr
Claudia hat geschrieben:Trebron, mit den Ergänzungen aus Plexiglas kann ich noch eher leben als mit Rekonstruktionen, wo man eben nicht sieht, wo das Originalteil anfängt und wo es aufhört. Wenn da falsch rekonstruiert worden ist, entsteht in den Köpfen der Leute sehr schnell ein Faktoid.
Dann lieber Plexiglas, wenn das Geld für eine Replik nicht reicht.


Jep! Und Ergänzungen aus Plexi können, wenn elegant und handwerklich sauber gemacht, sehr ansprechend sein. Lässt sich aber leider nicht auf alle Repliken anwenden, stellt Euch ein Steinzeithaus vor, dessen gesamtes Aufgehendes durchsichtig ist (denn mehr wissen wir eigentlich nicht...)

Verfasst: 16.04.2009 06:29
von Trebron
Hätte was "Wintergartenmäßiges" :D

Verfasst: 16.04.2009 09:09
von Mela
Ich bin bei dem Thema etwas hin- und hergerissen - muss ich ja fast, wenn man meinen Arbeitsort kennt :wink:

Einerseits finde ich es bei Objekten enorm wichtig, die Ergänzung zu kennzeichnen, andererseits sehe ich, wie viel sich mit "realen Bildern"/Rekos vermitteln lässt.
Was ich - jetzt von museumspädagogischer/archäologischer Seite - enorm wichtig finde, ist, dass dies halt auch thematisiert wird.
Bei Führungen, Werkangeboten, Arbeitsmaterial...

Liebe Grüsse

Mela

Verfasst: 16.04.2009 09:35
von Joze
Genau - finde Mela's Stellung /Vorschlag diesbezüglich als notwendig!

Gruss, Jo¸e

Verfasst: 16.04.2009 11:17
von Fridolin
Die Plexiglaskonstruktionen sind eigentlich Stützkonstruktionen, die entweder mit Sägen und Feilen in die passende Form gebracht wurden, wobei Originalfunde, z.B. die Scherben eines Glasgefäßes mechanisch eingepasst und evtl. mit Klebepunkten fixiert werden. Oder die Glasscherben werden mit Hilfe von stäbchenförmigen Klebebrücken an einen Plexiglaskern angeklebt (ähnlich wie bei Diatretgläsern). Dies ist im Sinne der Reversibilität eine saubere Sache, da die Funde nicht (oder nur minimal) mit anderen Substanzen kontaminiert werden, was spätere Restaurierungsmaßnahmen oder naturwissenschaftliche Untersuchungen erleichtert bzw. erst ermöglicht. Und sie täuscht nicht darüber hinweg, was Original und was moderne Ergänzung ist.

Problematisch ist es, wenn Ergänzungs- bzw. Festigungsmaterialien genauso wie der Originalfund eingefärbt oder Originalfund und Ergänzung mit derselben Farbe angepinselt werden, z.B. bei Keramik, Eisen- oder Bronzefunden. Dagegen sehen die mit weißem, nicht kolorierten Gips ergänzten Gefäße in der Vitrine einfach nur scheußlich aus... Wenn die Ergänzungsmasse unaufdringlich koloriert wird, so dass sie sich von der Farbe des Originals ein wenig unterscheidet, sieht auch der Laie, was Originalteile und was Ergänzungen sind, das ist meiner Einschätzung nach o.k. Welcher Weg letztlich beschritten wird hängt halt von den Vorlieben des Restaurators bzw. den Wünschen des Auftraggebers bzw. Vorgesetzten ab. Ist nicht ganz ideologiefrei...

@Mela, Du sprichst mir aus der Seele ("meine Worte seit Jahrtausenden...") Dabei sehe ich ein ganz großes Defizit bereits im Studium der Archäologen, die mit den verschiedenen Möglichkeiten der allgemeinen Fundbehandlung, der Restaurierung und Konservierung eher selten bis nie in Berührung kommen! Aber wo soll das Wissen herkommen, wo doch fast alle Restaurierungswerkstätten an deutschen UFG-Instituten wegrationalisiert wurden? Und der Kenntnisstand von Museumspädagogern in Sachen Restaurierung dürfte sich auch auf minimalistischer Ebene bewegen, oder?

Viele Grüße

Fridolin

Verfasst: 16.04.2009 11:53
von Mela
Fridolin [quote]@Mela, Du sprichst mir aus der Seele ("meine Worte seit Jahrtausenden...") Dabei sehe ich ein ganz großes Defizit bereits im Studium der Archäologen, die mit den verschiedenen Möglichkeiten der allgemeinen Fundbehandlung, der Restaurierung und Konservierung eher selten bis nie in Berührung kommen! Aber wo soll das Wissen herkommen, wo doch fast alle Restaurierungswerkstätten an deutschen UFG-Instituten wegrationalisiert wurden? Und der Kenntnisstand von Museumspädagogern in Sachen Restaurierung dürfte sich auch auf minimalistischer Ebene bewegen, oder? [/quote]
Ich denke, da kann man wieder mal sagen: "es kommt drauf an" :wink:
Ich komme von Haus aus ja aus einem winzigen UFG-Institut, unsereins hatte gar nie eine Restauratorenstelle - dennoch war und ist bei unserem Studiengang der Materialbezug relativ wichtig, teils als Anteil vom Curriculum, aber auch - von Profseite gern gesehen - privat, hobbymässig oder in den Praktika.
Genauso auch bei den Museumspädagogen: in meinem Fall "sitzt" die Pädagogin ein Büro neben dem Restaurator, hat selber früher dort mitgeholfen und ein sehr gutes Auge und Händchen für Materialien. Andere Häuser trennen da viel stärker - logisch, dass da vieles untergeht.

Liebe Grüsse

Mela