Viele Kinder für grössere Überlebenschancen?

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Manu

Beitrag von Manu »

Morgen,

@KatrinA

nicht zu vergessen, daß in Naturvölker oft bei Beginn der Menstruation der Mädchen durch einen Initiationsritus die Mädchen in die "Geheimnisse der Frauen" eingeweiht werden. Ebenso gibt es Initiationsriten, wenn der "Knabe zum Mann" wird. Ich denke da an verschiedene Mutproben, wie z.B. mit einem Seil vom Baum springen, je höher je besser....

Frage ist, wußten es die Männer auch, oder war es Sache der Frau zu entscheiden.

@ Fredewulf
Wie oft die Kindstötung auch der Frau unterliegt, aus unterschiedlichen Gründen. (Behinderung, Vergewaltigung, Überforderung...).
Das Ringen des Menschen um das Menschsein in der Evolution.
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ulfr
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Beitrag von ulfr »

B. Röder schreibt in "Frauen - Zeiten - Spuren":

"Gut untersucht und auch für spätere neolithische Kulturen Mitteleuropas nachgewiesen ist jedoch die unterschiedliche Lebenserwartung der Geschlechter. Während im Mesolithikum Männer und Frauen eine ähnlich hohe Lebenserwartung hatten, sank diese mit der Neolithisierung speziell für die Frauen drastisch ab. Frauen starben in der Bandkeramik im Schnitt ein Jahrzehnt früher als Männer. [...] Die meisten Frauen starben im dritten Lebensjahrzehnt [...] Als wichtiger Faktor, der die Lebenserwartung der Frauen herabsetzte, wird ihre Belastung durch die sehr früh und dann in kurzen Abständen aufeinander folgenden Schwangerschaften vermutet. Angesichts der oben geschilderten archäologischen Indizien für ein starkes Anwachsen der Bevölkerung in bandkeramischer zeit ist diese Erklärung plausibel."
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
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Thomas Trauner

Beitrag von Thomas Trauner »

@KatrinA: Hilfreicher Hinweis. Bei Teilen der Genesis geht man üblicherweise von einer Entstehungszeit um den Beginn des 2.Jahrtausends v.Chr. aus, Bronzezeit.

@Fredewulf: Kindstötung oder Kindesaussetzung kommt immer vor, bestimmt, ob legalisiert oder nicht, auch im Neolithikum. Aus verschiedenen Gründen, sei es auch psychologisch/medizinischen oder sozialen Gründen.
Welche Methoden zur Vermeidung von Schwangerschaft jedoch tatsächlich eingesetzt wurden, müsste ich auch nachlesen. Ich halte mich aus mangelnder medizinischer Fachkenntnis da auch aus einer Detaildiskussion heraus. Ausserdem widerstrebt mir eine evtl. ?Geheimwissen?-Diskussion mit ihren ganzen Folgen.
Persönlich stelle ich mir da nicht spektakuläres vor. Kondome waren in der BZ- und Eisenzeit wohl schon bekannt, Stillzeiten spielten eine Rolle, bestimmte anti-rezeptive Kräuter, prä-oder post- koital verwendet, vermutlich auch. Na ja, und der Schwangerschaftsabbruch noch.

@ulfr: Die Vermutung, dass die offenbar höhere Frauensterblichkeit mit der Geburten- und Schwangerschaftsrate zusammenhängt liegt auf der Hand, weil dies ja genau der biologische Kern des Unterschieds m/w ist.

Vermutlich denke ich hier aber zu arg ums Eck oder stoße mich nur an der verkürzten Ausdrucksweise oder ich versteh was nicht. Wobei die letzte Möglichkeit die wahrscheinlichste ist.

Aber die Erklärung: Viele Schwangerschaften ? früher Tod ist zu einfach, befürchte ich.
Schwangerschaften und Geburten führen nicht zum Tod. (Am Beginn der medizinischen Versorgung von Gebärenden waren die Ärzte selbst wohl die häufigste Todesursache..)

Infektionen töten. Oft ohne erkennbare Markierungen an den Knochen.
Im Neolithikum stieg durch die einseitige Ernährung und harte Körperliche Arbeit die Anfälligkeit, durch die Nähe zu den Tieren die Anwesenheit von Bakterien und Viren und durch die Enge der Siedlung die Verbreitungswahrscheinlichkeit von Infektionen.
Deshalb denke ich eher an die Reihenfolge: Geburt ? Infektion - Exitus.
Bei der mesolithischen Bevölkerung entfiel dies.
Ich denke also, dass die Sterbehäufigkeit im fertilen Alter der Frau keinen Rückschluss auf die Häufigkeit von Schwangerschaft zulässt, sondern nur einen Rückschluss auf das gestiegene medizinische Risiko.

Jetzt ists wieder so lang..tschulligung.

Thomas
Manu

Beitrag von Manu »

@Thomas Trauner
Ausserdem widerstrebt mir eine evtl. „Geheimwissen“-Diskussion mit ihren ganzen Folgen.
Das sollte wohl eher an meine Adresse.
Da es ein schwieriges und schwer aufzugreifendes Thema ist, nieder damit :baer:

Aber eines möchte ich gerne zum Abschluß noch wissen:
Kondome waren in der BZ- und Eisenzeit wohl schon bekannt,
Was war das für ein Material :oops: ??

Manu
Thomas Trauner

Beitrag von Thomas Trauner »

Nein - das sollte nicht an Deine Adresse. Das Problem ist halt, dass heute Geburt und Sex natürlich stark unter das Thema Selbstbestimmung der Frau fallen. Damit ist aber ein eher unguter, weil scheinbarer Berührungspunkt zwischen Vorgeschichte und Gegenwart gegeben und wir Gefahr laufen, entweder angebliche Tatsachen der VG auf heute zu übertragen oder umgekehrt.
Deshalb versuche ich ja möglichst detailliertem Überlegen und genauem Hinschauen nicht in die Falle der Übertragung rezenter oder subrezenter Sozialgeschichte der Frau auf die vorgeschichtlichen Verhältnisse zu tappen.

Wg. den Kondomen. Schlag mich, aber mir geistert da irgendwas durch den Kopf, wenn ich mich recht entsinne, war das Material Schafsdarm. Aber ich bin mir da wg. der Zeitstellung so unsicher wie das vatikanische Roulett wirkt....irgendwas römisches oder gar ägyptisches....

Scheint nicht gut geklappt zu haben, wir wären ja sonst nicht da. :D

Thomas

..... das vatikanische Roulett ist die Temperaturmethode, um die rezeptionsfreie Zeit zu erkennen.....
Manu

Beitrag von Manu »

Danke, dann hör ich jetzt mit den Projektionen und Übertragungen auch mal auf und danke dir herzlich für deine wirklich guten Argumente. Ich tu mich da geschichtlich wirklich schwer und brauche oft jemand der mich auf den Boden der Tatsachen bringt :?

Ich hätte mir gewünscht, daß sich auch noch mehr Frauen an der Diskussion beteiligt hätten, aber was nicht ist ...

Manu :lol:

Wir bräuchten mal einen Ikon, auf dem eine Gruppe von Menschen um ein Feuer sitzt und feiert, was meinst du Trebron?
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Trebron
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Beitrag von Trebron »

Manu hat geschrieben: Ich hätte mir gewünscht, daß sich auch noch mehr Frauen an der Diskussion beteiligt hätten, aber was nicht ist ...

Manu :lol:

Wir bräuchten mal einen Ikon, auf dem eine Gruppe von Menschen um ein Feuer sitzt und feiert, was meinst du Trebron?
Hmmm, ist schon erstaunlich, dass sich außer Dir und KatrinA kein weiteres "Weibchen" an diesem Thema beteiligt hat. Schon der Grund warum würde mich interessieren.
Bei 590 Aufrufen ist es wohl schon ein wichtiges Thema.
Ich habe es jedenfalls interessiert verfolgt.

In der Stuttgarter "Eiszeitausstellung" werden die Bücher der "Ayla" - Serie mehrfach gezeigt und sind dort auch erhältlich ! In dieser Reihe geht die Autorin auch sehr häufig auf die "Kinderhaltung" ein. Einmal bei den Neandertalern, bei denen sie aufwuchs und später beim modernen Menschen. Die Schilderungen dieser Sozialstrukturen, auch das Verhältnis W/M waren für mich interessant zu lesen. Ich gehe mal davon aus, dass sie auch da gut recherchiert hat, bei heute noch lebenden "Naturvölkern".

Wegen des Ikons "Palaver um ein Lagerfeuer" müssen wir Nils fragen !


Niiiiiiihiiiils ????


Gruß

Trebron
PS: Da ich seit einiger Zeit Schmerzen im linken Daumen habe, war ich mal beim Doc. Diagnose : Daumensattelgelenksarthrose :evil:
Zuletzt geändert von Trebron am 09.10.2009 11:45, insgesamt 3-mal geändert.
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Chris
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Beitrag von Chris »

Manu hat geschrieben:Ich hätte mir gewünscht, daß sich auch noch mehr Frauen an der Diskussion beteiligt hätten, aber was nicht ist ...

Manu :lol:
Danke für den Hinweis :wink:

Ich lese schon seit Tagen interessiert mit, komme aber nicht wirklich zu dem Punkt, mal meine Gedanken zum Thema zu sortieren...

Deshalb also nur eine kurze Mitteilung zum Kondom:

In der Ausstellung "100.000 Jahre Sex" gabs Kondome aus Schafsdarm zu sehen, das waren allerdings neuzeitliche Originale (mit dekorativer blauer Seidenschleife *grins*)... In der noch erhaltenen Bedienungsanleitung hieß es, man solle das Kondom vor Benutzung in Milch einlegen, nach der Benutzung in Essig waschen und wieder sorgfältig trocknen...
Es gab so eine hübsche Schachtel dazu zur Aufbewahrung :oops:

Wann es allerdings die ersten Überzieher gab, ist mir nicht in Erinnerung geblieben - nur so viel: Die dort gezeigten Kondome sollten eigentlich vor sexuell übertragbaren Krankheiten schützen (vor allem Syphillis) - Verhütung war eher ein Nebeneffekt...
Me transmitte sursum, Caledoni!
Thomas Trauner

Beitrag von Thomas Trauner »

Chris, in den Ausstellungskatalog habe ich gestern auch noch mal geguckt. Ich habe aber immer noch irgendwas in Richtung Kondome und VG im Kopf, aber ich lasse das jetzt mal.
Interessant in dem Katalog waren auch die überlieferten Verhütungsmethoden der Römergriechinnen.
Verhütung war eine Sache der Frau (natürlich....) und wurde von allen Bevölkerungsschichten angewandt.

Die Methoden waren:

- Aberglauben (Bändchen um den Oberschenkel..etc.)
- Kontrarezeptive Naturmittel, die vor allem den Säure/Basenhaushalt in der Vagina veränderten und damit die Spermien schädigten oder in der Bewegung hinderten (Spermien sind ja wirklich schw*nzgesteuert... :D )
- Mechanische, postkoitale Mittel wie Waschungen etc, um das Ejakulat zu entfernen.
- nichtrezeptive Sexpraktiken

Nicht erwähnt wird die Beachtung des Kalenders, bzw. in einem Fall sogar eher kontraproduktiv, da dieser griechische Arzt dachte, die Fruchtbarkeit läge um die Tage der Menstruation und eben nicht in der Mitte des Zyklus.

Interessant ist auch, so zumindest lt. des Artikels, dass der Verhütungswunsch in erster Linie sozialer Natur war, also vor allem dann Anwendung fand, wenn ein Kind eine soziale oder wirtschaftliche Benachteiligung nach sich zog.
Ich zitiere hier nur. Erwähnt wurden:

- Hetären, weil eine Schwangerschaft einen Verdienstausfall bedeutete
- verheiratete Frauen, wenn sie einen Liebhaber hatten
- Sklavinnen, deren Alltagsschicksal eh schon sehr belastend war.

Verhütung im Sinne der Selbstbestimmheit der Frau, der freieren Liebe oder gar aus Verantwortungsgefühl der Männerwelt - Pustekuchen.

Thomas
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Trebron
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Beitrag von Trebron »

Ich lese gerade nochmal das Buch"die Welt des Neandertalers" von Juan Luis Aruaga, Piper-Verlag.
Kapitel sechs, "das große Aussterben"
Da geht es auf Seite 175 ff um die so genannte "Großmutterhypothese"
Siehe: http://www.google.de/search?hl=de&sourc ... mutterhypo

Ist schon interessant !

Gruß

Trebron
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KatrinA

Beitrag von KatrinA »

Mal ne andere Frage:
In Stockholm im Museum zeigt man das Skelett einer (alt?)steinzeitlichen Frau, die mit Jagdwaffe (Speer) aufgefunden wurde, aber auch zwei Kinder geboren haben soll.
Ich schließe daraus, dass es irgendeine Methode geben muss, anhand des Frauenskeletts (Becken?) auf die Zahl der Geburten zu schließen.
Gibt es nennenswerte Untersuchungen zu diesem Thema und statistische Auswertungen?

Wird der Anstieg der Geburten pro Frau mit der Sesshaftwerdung durch solche Untersuchungen gestützt?
Mela
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Beitrag von Mela »

Die Methode ist wohl etwas knifflig (bzw. auch teilweise in Fachkreisen umstritten), Katrin - und setzt unter anderem sehr gute Erhaltungsbedingungen voraus.

Liebe Grüsse

Mela
Beate

Beitrag von Beate »

Trebron hat geschrieben: Hmmm, ist schon erstaunlich, dass sich außer Dir und KatrinA kein weiteres "Weibchen" an diesem Thema beteiligt hat. Schon der Grund warum würde mich interessieren.
Das Thema ist zwar interessant, ich habe aber von der Zeitschiene keine Ahnung. Einzig allein die Eigenschaft "weiblich" befähigt frau doch nicht was Brauchbares zum Thema beizutragen. :wink:
Vladislawa

Beitrag von Vladislawa »

Also wenn ich das richtig verstehe kann man an der Lendenwirbelsäule als auch an den Bandansätzen am Knochen Veränderungen nachweisen (nicht immer).

"Über Veränderungen am Meso- und Parametrium oder den Aufhängungselementen der Beckenorgane bzw. des Peritoneums während der Schwangerschaft ist relativ wenig bekannt."

"Statikveränderungen zeigen sich häufig in Form einer verstärkten Lordosierung der Lendenwirbelsäule mit Anteriorisierung des Sakrums bei leichter In-flare Stellung der beiden Ilia."

(Das Becken aus osteopathischer Sicht: funktionelle Zusammenhänge nach dem Tensigrity-Modell von Guido F. Meert, 2. Auflage, Elsevier, Urban-Fischer, 2006, S.149)

Im Falle einer Schwangerschaft eben noch die Estradiolmengen im Knochen... http://webdoc.sub.gwdg.de/diss/2005/zierdt/

Oder was gibts da sonst noch ausser Knochen, Collagen, Sehnenansätze und inhaltliche Analysen?
Manu

Beitrag von Manu »

Also wenn ich das richtig verstehe kann man an der Lendenwirbelsäule als auch an den Bandansätzen am Knochen Veränderungen nachweisen (nicht immer).
Ich glaube so was ähnliches versucht man doch auch bei Tieren, ob sie einen Pflug gezogen haben o.ä.

Aus meiner Schwangerschaft weiß ich noch, daß ich zum Schluß zu richtig "hinken" mußte, um laufen zu können. Die Orthopäden konnten mir damals nicht helfen, bzw wollten da nicht eingreifen. Die Belastung in den Lendenwirbel war zu groß. Ich könnte mir (ohne med. Kenntnisse zu haben) gut vorstellen, daß man sollche Stellungsveränderungen im Becken an benannten Stellen sehen kann.
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