Hallo Zusammen,
da ist die Büchse der Pandora mal wieder geöffnet, es warten uns ein weites Feld, viel Spekulation und sehr wenig gesicherte Kenntnisse. Letztendlich hat Holz aus dem Frühneolithikum, wenn überhaupt, nur in den Brunnen überlebt, wobei lediglich Mohelnice, Erkelenz, Zwenkau, Plaußig, Altscherbitz und jetzt auch Arnoldsweiler nennenswerte Holzerhaltung aufwiesen. Zudem ist keiner der Brunnen umfassend publiziert.
Auf diesem schüttern Datenbasis hier schnell ein paar Gedanken bzw. Hinweise. Erstens gehöre ich zu den Traditionalisten, die davon ausgehen, dass die bandkeramischen ‚Flachhacken’ und ‚Schuhleistenkeile’ alle quer geschäftet waren. Alle Klingen die ich bislang in Händen hatte an den Schäftungsspuren erkennbar waren, deuten auf eine asymmetrische Schäftung, sprich Dechselschäftung, hin. Im Mittelneo kann es etwas anders aussehen, da gibt es tatsächlich eher symmetrische Klingen, aber ich hatte bislang noch nicht das Vergnügen eine mit interpretierbaren Schäftungsspuren zu begegnen. Ausführlich zu den Schäftungsspuren: J. Weiner & A. Pawlik, Neues zu einer alten Frage. Beobachtungen und Überlegungen zur Befestigung altneolithischer Dechselklingen und zur Rekonstruktion bandkeramischer Querbeilholme. In: Experimentelle Archäologie, Bilanz 1994. Symposium in Duisburg, August 1993. Archäologische Mitteilungen Nordwestdeutschland, Beiheft 8 (Oldenburg 1995) 111–144, mit weiterführender Literatur.
Die Holzschäftungen (siehe den Thread
http://www.archaeoforum.de/viewtopic.php?t=2913) selber sind ebenfalls so gut wie unbekannt. Jürgen Weiner hat ein, noch unveröffentlichtes, Exemplar aus Erkelenz; eins kommt aus dem zweiten Brunnen von Eythra (I. Campen, Zwei weitere bandkeramische Brunnen aus dem Tagebau Zwenkau. Archäologie aktuell im Freistaat Sachsen 6, 2000, 42–47., jetzt live zu sehen in einer Ausstellung in Dresden,
http://www.archaeologie.sachsen.de/lmv/ ... Screen.htm) und nur als Abdruck erhalten die Schäftungsreste aus Altscherbitz, dafür aber mit flach-breiter, eindeutig quergeschäfteter Klinge (R. Elburg, Eine Dechselklinge mit Schäftungsresten aus dem bandkeramischen Brunnen von Altscherbitz, Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege 50, 2008, 9-15, Klinge ebenfalls in der oben genannten Ausstellung). Als unpublizierte Neuigkeit kann jetzt auch noch ein verworfenes Halbfabrikat aus Altscherbitz hinzugefügt werden, nicht ganz erstaunlich weist auch dieses Teil eine stumpfe Winkel zwischen Stiel und Auflagefläche auf. An die Arbeit Jungs, wofür kann man solche Schäftungen einsetzen?
Für die eigentliche Holzbearbeitung ist die Literaturlage möglich noch dünner. Grundsätzlich gibt es da nur einen Aufsatz in dem Bearbeitungsspuren veröffentlicht und interpretiert sind, dazu noch ziemlich entlegen publiziert: J. Weiner & J. Lehmann, Remarks concerning early neolithic woodworking : the example of the Bandkeramik well of Erkelenz-Kückhoven, Northrhine-Westfalia, Germany. In: L. Castelletti & A. Pessina (eds.), Introduzione all’Archeologia degli Spazi Domestici. Atti del seminario – Como, 4–5 novembre 1995. Archeologia dell’Italia Settentrionale 7 (Como 1998) 35–55. In dem Brunnen von Erkelenz gibt es nur zwei Hölzer die Spuren aufweisen die vom Fällen und Ablängen eines Stammes herrühren: Ein Stück Ahorn mit einem Durchmesser von 16 cm aus der Verfüllung sowie ein Konstruktionselement aus dem äußeren Kasten. Die Hölzer aus den Eythraer und Plaußiger Brunnen sind untersucht aber noch unveröffentlicht, nur so viel ist klar: Auch hier sind keine fundamentale Erkenntnisse zu erwarten.
In Altscherbitz sieht es nicht viel besser aus, die Lage ist dort sehr vergleichbar mit Erkelenz. Wir haben ein Rundholz mit eindeutigen Spuren vom Fällen/Ablängen, fast identisch mit dem Teil aus Erkelenz, alle Konstruktionselemente (fast alles Spaltbohlen), wenn sie überhaupt interpretierbare Negative an den Enden aufweisen, sind erst nach dem Spalten der Stämme abgelängt. Die Stirnen sind in diesen Fällen in Aufsicht (also von der Splintseite gesehen) dreieckig, die Bearbeitungsspuren zeigen, dass sie von beiden Seiten mit einer parallel zur Faserrichtung eingeschlagenen Kerbe auf Länge gebracht sind. In einem Fall ist der Stamm sicher mit Hilfe von Feuer durchtrennt, wobei nicht klar ist ob dies beim Fällen, Ablängen in Stammtrommeln oder Ablängen der bereits gespaltenen ‚Bretter’ geschehen ist, obwohl die letztere Möglichkeit eher unwahrscheinlich ist.
Was jedoch extrem klar wird, ist der Unterschied in Benutzung von „Flachhacken“ und (überwiegend sehr schmalen) „Schuhleistenkeilen“. Die Oberflächenbearbeitung wird durchgehend mit flach-breiten Dechseln durchgeführt, so bald etwas abgetrennt werden muss, auch wenn es ein Splitter von nur einem Zentimeter Dicke ist, wird eine schmal-hohe Klinge eingesetzt. Wenn ihr, wie Rolf Peter, zum Treffen der AG Werkzeug und Waffen gekommen wäret (sagt nicht ihr habt es nicht gewusst:
http://www.archaeoforum.de/viewtopic.php?t=3581) hätten wir da noch weiter diskutieren können auf Basis der Bearbeitungsspuren aus Altscherbitz. Aber kein Not, der Eric Biermann nervt mich bereits seit Wochen damit ich das Ganze bis Ende des Jahres zu Papier bringe, ein Verlag für die Proceedings ist bereits gefunden. Ein wenig Geduld also noch.
Vorausgreifend noch eine Beobachtung: In keinem Fall konnten irgendwelche abgebrochene Splitter oder Späne beobachtet werden und die Negative sind alle immer gleich ausgerichtet, parallel zur Faserrichtung. Die Bandkeramiker haben es also irgendwie geschafft schön und säuberlich die Späne abzutrennen.
Insgesamt gibt es also bislang eigentlich keine Befunde die eine Beurteilung der Fällmethoden zulassen. Weil wir, wenn überhaupt, fast immer nur bearbeitete Hölzer finden ist auch in Zukunft hier nicht mit sicheren und eindeutigen Belegen zu rechnen. Deshalb auch in diesem Falle: An die Arbeit! Gerne auch mit dicken Eichen, in Erkelenz ist der dickste Baum mindestens 106 cm in Durchmesser, in Altscherbitz sind wir seit dieser Woche dabei herumzuspielen mit den Querschnitten der Spaltbohlen, eine ‚maximale Mindestdicke’ ist also noch nicht zu geben (wird demnächst nachgeliefert), es gibt aber tatsächlich Elemente die über 40 cm hoch/breit sind, also aus einem mindestens 90 cm dicker Stamm kommen. Das verspricht ziemliche Blasen auf den Händen. Und bitte, bitte, bitte, publiziert die Ergebnisse in Druck, ich bin da auch gerne bereit die öden Schreibarbeiten zu übernehmen. Zeitaufwand und solche Größen sind eigentlich weniger interessant, die Neolithiker werden sicherlich viel besser gewesen sein. Interessant sind Beobachtungen wie sich die Fällkerbe entwickelt und was der Effekt von dem Durchmesser des Baums ist, ob man tatsächlich nur von einer Seite schlagen kann/muss, wie die Negative aussehen und so fort und so weiter.
Noch eine Bemerkung zu dem Bild von Ulfr: Die Oberfläche sieht genau so aus wie die der Balken von dem Modell des bandkeramischen Brunnens in Asparn/Zaya, gebaut durch Wolfgang Lobisser. Dies stimmt nicht überein mit den Spuren wie wir sie in Altscherbitz beobachten. Wie gerade oben geschrieben: Wenn eine Oberfläche angelegt wurde ist diese immer mit flach-breite Dechseln be- oder überarbeitet.
Es tut mir leid, dass dieser Beitrag etwas zu lang geraten ist, aber ich stecke gerade ziemlich in der Materie drin.
Herzliche Grüße und hoffentlich viel Experimentalerfolg,
Rengert