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Re: Gewinnung von Leinöl
Verfasst: 07.06.2011 00:07
von hugo
Da ich schon auf diese Schiene aufgesprungen bin, überlege ich, welche Siccative in der Urzeit möglich waren, welchen Sinn sie hätten und wie sie nachweisbar wären. Als Basis von Kitt macht Leinöl ja auch Sinn. Wer noch klassische Fenster mit eingekitteten Scheiben hat, weiss wie rasch sich der Leinölgeruch verflüchtigt.
ist aber schon OT
Re: Gewinnung von Leinöl
Verfasst: 07.06.2011 10:19
von LS
@Flintsource:
im Bandkeramiker-Taschenbuch von Lüning und Co im Kapitel "Kochen" oder so (aus dem Kopf zitiert).
Mich würde im Gegenzug interessieren, wer denn wo schriftlich behauptet hat, das Leinöl sei schon ausgepresst worden?
Gruß L
Re: Gewinnung von Leinöl
Verfasst: 07.06.2011 10:24
von Beate
Trebron hat geschrieben:Ich könnte mir vorstellen, dass bei Ölsamen in einem Holzmörser, das Öl nur in das Holz gestampft wird, zumindest am Anfang. Kommt vielleicht auch auf das Holz an.
Ich würde da einen Steinmörser verwenden, da ist die Oberfläche im Stein irgendwann vom Öl gesättigt und nimmt nichts mehr auf.
In dem Fall müsste man davon ausgehen, dass Leinsamen in Überfluss zur Verfügung stehen, damit man soviel leichtsinnig verschwenden kann. Und das möchte ich doch bezweifeln.
Re: Gewinnung von Leinöl
Verfasst: 07.06.2011 21:27
von Claudia
Trebron hat geschrieben:Ich könnte mir vorstellen, dass bei Ölsamen in einem Holzmörser, das Öl nur in das Holz gestampft wird, zumindest am Anfang. Kommt vielleicht auch auf das Holz an.
Ich würde da einen Steinmörser verwenden, da ist die Oberfläche im Stein irgendwann vom Öl gesättigt und nimmt nichts mehr auf.
Die Enzyklopädie von Krünitz aus dem 18. Jh. beschreibt das Schlagen von Leinöl in Eichenholzmörsern. Wenn man mal die dort beschriebene Technologie des Antriebs mit Wasserrädern abzieht, bleibt immerhin übrig, daß es mit Holzmörsern wohl gehen muß.
Außerdem nimmt auch Holz irgendwann nichts mehr auf, ebenso wie Stein.
@Beate: Nein, Leinsamen im Überfluß ist dazu gar nicht nötig. Man verwendet ja nicht alle paar Wochen/Monate einen neuen Mörser, sondern hat die sicher jahre- oder jahrzehntelang verwendet.
Bei Leinöl für Nahrungsmittelzwecke sehe ich eher ein anderes Problem: Leinöl wird extrem schnell ranzig (schon nach zwei Wochen kühler Lagerung ist es bitter), für Nahrungsmittel müsste man es also immer frisch zubereiten.
Re: Gewinnung von Leinöl
Verfasst: 07.06.2011 22:37
von FlintSource
Hallo LS,
Danke, gefunden. Der Topf enthielt (Zitat nach Berthold et al. im genannten Band): "entschälte, gekochte Ackerbohnen mit ölhaltigen Leinsamen und Haselnüssen, dazu Reste von geröstetem, gesäuertem Brot". Klingt vom Effekt her fast wie Ritschert, ausgezeichnete Mischung aus Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten. Die Analyse stammt jedoch laut Literaturverzeichnis aus 1935 (Fundberichte aus Schwaben N.F. 8, 50). Ich werde es morgen mal nachschlagen.
Zu einer Herstellung von reinem Öl habe ich mich nicht geäußert, nur dass es hinweise gibt für zwei verschiedene Varietäten von Faser- und Ölleinen. Das Neueste dazu ist Christoph Herbig, Ursula Maier, Flax for oil or fibre? Morphometric analysis of flax seeds and new aspects of flax cultivation in Late Neolithic wetland settlements in southwest Germany, Vegetation History and Archaeobotany (1 April 2011), pp. 1-7. doi:10.1007/s00334-011-0289-z mit weiterführender Literatur. Am wichtigsten dabei sind die Arbeiten von Allaby & Fu (und umgekehrt).
@ allen
Wenn ich so die Beiträge lese, scheint es mir unwahrscheinlich, dass wir es im Neolithikum bereits mit reinem Öl zu tun haben. Mein Groschen dazu: Wenn ich eine schöne kleine Pfütze Leinöl habe, wie bewahre ich das denn auf? In dieser porösen Keramik, oder vielleicht ein Ledersäckchen? Gut zum Imprägnieren, aber sicher nicht für Aufbewahrung. Tierische Fette lassen sich deutlich leichter Herstellen und sind dank des viel höheren Schmelzpunktes, sei es bei Butter oder Schmalz, deutlich einfacher handhabbar. Zudem sind sie länger haltbar und schmecken besser.
(unqualifizierter Karnivorenbeitrag).
Rengert
Re: Gewinnung von Leinöl
Verfasst: 07.06.2011 22:52
von hugo
Den Befund von Stuttgart-Zuffenhausen zitierte ich auch schon mal im Zusammenhang mit Brot. Ich erhielt kein Feedback und bin daher ziemlich misstrauisch und würde die Funde gern sehen und analysieren.
hugo
Re: Gewinnung von Leinöl
Verfasst: 08.06.2011 11:59
von Manu
@ allen
Wenn ich so die Beiträge lese, scheint es mir unwahrscheinlich, dass wir es im Neolithikum bereits mit reinem Öl zu tun haben. Mein Groschen dazu: Wenn ich eine schöne kleine Pfütze Leinöl habe, wie bewahre ich das denn auf? In dieser porösen Keramik, oder vielleicht ein Ledersäckchen? Gut zum Imprägnieren, aber sicher nicht für Aufbewahrung.
Ja, das scheint mir nun auch der Fall zu sein. Auch mit aufkochen kommt man nicht weit, da sagen wir mal ein "schwieriger" Brei entsteht. Ölig zwar schon aber meilenweit von reinem Öl entfernt.
Ich beschreibe den Brei besser nicht weiter.
Auch durch "hammerhartes Klopfen" hat sich natürlich auch nicht ein einziger Tropfen Öl rausquetschen lassen.
Also zusammengefasst ist es erstens nicht nachgewiesen, dass Öl aus dem Leinsamen gewonnen wurde, nur der Leinsamen selbst wurde gefunden, zweitens die Aufbewahrung wäre ungeklärt, was zur Folge hätte, dass man das Öl sofort verwendet
hätte haben müssen wenn man es gehabt hätte. (das ist hoffe ich noch deutsche Sprache). Das Thema des Gefäßes ist vielleicht noch ein anderes Thema. Ein ölgesättigtes Gefäß wäre sich ok gewesen, aber wie macht man das Leinöl haltbar? Fragen über Fragen...
Re: Gewinnung von Leinöl
Verfasst: 08.06.2011 12:35
von hugo
Mir fällt aus der Ethnographie noch das Mohnnaberl ein. Das ist ein hölzerner Mörser für Mohn. Mohn ist in A und CZ, wahrscheinlich auch in Bayern für Mehlspeisen sehr beliebt, während er in GB unter das Suchtmittelgesetz fällt und nur in Apotheken in kleinen Dosen gehandelt wird.
Im Naberl ensteht aber kein Öl, sondern nur Mohnbrei. Ähnliches könnte ich mir für Leinsamen vorstellen, wenn man sie unbedingt essen will. Der Befund von Zuffenhausen spricht ja schon dafür.
Re: Gewinnung von Leinöl
Verfasst: 08.06.2011 13:40
von Andreas K.
Hat schon mal jemand versucht den Leinsamenbrei längere Zeit, z.B. über Nacht oder einige Tage, in ein Tuch gewickelt mit Steinen zu beschweren? Bei den bisher hier beschriebenen Versuchen fehlen meines Erachtens noch weitere Pressversuchalternativen. Soweit ich mich an Ölpressen von Mittelalter bis heute erinnern kann, wird der Trester zunächst sehr fein zermahlen und dann oft noch in einer Presse mit Steingewichten oder Spindel u.ä. ausgepresst. Reine Muskelkraft dürfte ohne Verstärker wie Hebel, Spindel oder Gewichte nicht ausreichend sein.
Zumindest kurzfristig dürfte das Öl z.B. in nahtlosen Rindenbehältern, wie sie in anderen Themen schon behandelt wurden, aufzufangen und kurz lagerbar sein.
Re: Gewinnung von Leinöl
Verfasst: 08.06.2011 15:16
von Hans T.
Ich stehe der Gewinnung von reinem Lein-Öl in der nordalpinen VG recht skeptisch gegenüber. Eben mangels des Belegs von Pressen. Tpyische Ölmühlen, wie man sie südalpin oder meditteran kennt, helfen eigentlich auch nicht. Durch die rasche Oxidation ist es auch praktisch unter VG-Bedingungen nicht zu lagern.
Die Bogenbauer, aber auch Farbenmischer sollten sich nicht so arg auf Leinöl versteifen.
Die Frage nach Sikkativen w.o. ist schwierig zu beantworten, dies sind ja Oxidationsbeschleuniger(Katalysatoren). Bestimmte Metalloxide helfen, zb auf Zinn- oder Bleibasis, aber das ist jetzt hochspekulativ. Metallsalze scheiden wegen der komplexen Herstellung aus. Auch würde man Verdünnungsmittel (Terpentin) benötigen und das scheidet auch aus. Also insgesamt wäre die Faktenlage dazu extrem dünn, wenn überhaupt vorhanden.
Re: Gewinnung von Leinöl
Verfasst: 08.06.2011 15:35
von Fridolin
Wenn man einen Brei aus zerstampften Leinölsamen aufs Holz aufträgt sollte doch etwas Öl vom Holz aufgesaugt werden. Anschließend den Breirest abwischen bzw. abschaben. Ausprobieren.
Und Sikkative standen durchaus zur Verfügung, z.B. Ocker. Siehe
http://kremer-pigmente.de/78400.htm
Und wenn Ocker oder Rötel etwas großzügiger zugemischt wird hätte man gleich einen Farbanstrich.
Viele Grüße
Fridolin
Re: Gewinnung von Leinöl
Verfasst: 08.06.2011 16:13
von Hans T.
Ja, schon klar, ich sagte ja Metalloxide. Wobei der Wert der Sikkative überbewertet ist, es kostet ja "nur" Zeit mit dem Aushärten.
Etliche unserer Rekos sind mit Eisenoxid-Pigment und Öl gefasst, aber immer mit einer gewissen Skepsis.
Re: Gewinnung von Leinöl
Verfasst: 09.06.2011 08:21
von Fridolin
Manu, Du könntest ja mal bei Ursula Maier in Hemmenhofen nachfragen. Sie hat über Lein gearbeitet, ein Aufsatz ist jüngst erschienen:
Christoph Herbig & Ursula Maier (2011): Flax for oil or fibre? Morphometric analysis of flax seeds and new aspects of flax cultivation in Late Neolithic wetland settlements in southwest Germany. Vegetation History and Archaeobotany
Viele Grüße
Fridolin
Re: Gewinnung von Leinöl
Verfasst: 09.06.2011 10:54
von Manu
@Friedolin
Danke für den Tipp. Habe Frau Dr. Maier angeschrieben. Wenn es was neues gibt, poste ich wieder
Re: Gewinnung von Leinöl
Verfasst: 09.06.2011 18:34
von Manu
Also, ich habe schon eine Antwort von Frau Dr. Ursula Maier erhalten. Sie sagt, dass sie sich ausführlich mit diesem Thema befasst hat. Unter anderem meint sie, dass es keine Hinweise auf Leinölgewinnung gibt, ansonsten hätten Presskuchen gefunden werden müssen und es gibt keinerlei Hinweise auf eine Presse. Weiter schrieb sie auch, dass gerösteter Leinsamen lange haltbar ist und sicher bei Bedarf dann verzehrt wurde.
Also, auch wissenschaftlich gesehen nix mit Leinöl ... irgendwie schade