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Re: Nesseleintopf
Verfasst: 13.12.2011 20:23
von Beate
Entsprechen die wirklich bronzezeitlichen oder eisenzeitlichen Kulturpflanzen? Nach meiner Erfahrung sind diese "alten" Sorten gewöhnlich nicht älter als 18. Jhd.
Eigentlich auch klar, denn mit der gezielten Züchtungen von Nutzpflanzen ging es erst so richtig ab 17. Jhd. los.
Ich baue übrigens Saubohnen (eine Rückzüchtung) in meinem kleinen Garten an.
Wäre an Tausch z.B. gegen Getreide interessiert.
Re: Nesseleintopf
Verfasst: 13.12.2011 20:57
von hugo
@ Beate: wenn Du an grösseren Mengen interessiert bist, wär Szasalombhatta sicherlich der ideale Tauschpartner. Ich hab Probleme damit, weil die Gründerin Ildiko Poroszlai genau so tot ist, wie der Tauschpartner Peter Reynolds, an den ich sie seinerzeit vermittelte.
Gruß
hugo
Re: Nesseleintopf
Verfasst: 13.12.2011 22:08
von Andreas K.
@ Beate:
Versuchs mal in der deutschen Genbank Gatersleben oder im Karlsgarten in Aachen, dem Kaiserstühler Sortengarten oder dem botanischen Garten der Uni Bayreuth. Außerdem gibt es eine ganze Reihe bestandserhaltender Vereine wie ArcheNoah, VEN, VERN, ProSpeciaRara, Kokopellie, Save our Seeds, SAVE foundation, etc. pp. Einfach mal eine Internetsuche nach "Bestandsschutz" und "historische Kulturpflanzen" machen.
Re: Nesseleintopf
Verfasst: 13.12.2011 22:17
von Andreas K.
@ Beate:
Auch bei Saubohnen soll es noch einige wenige Sorten geben, die sich angeblich bis aufs Mittelalter zurückverfolgen lassen. Potentiell sind von den drei Arten (var. minor, var. equina, var. maior) die kleineren (minor und equina) eher von einem alten Typ. D.h. auch wenn es vielleicht nicht die alten Sorten sind, so kommen sie scheinbar doch anhand von Aussehen, Färbung, Größe und eventuell auch Geschmack noch am ehesten an vormittelalterliche Sorten ran. Besser als die aus Südamerika stammende Faseolus-Familie zu nutzen ist es auf jeden Fall.
Re: Nesseleintopf
Verfasst: 13.12.2011 22:23
von Andreas K.
Interessanter Nebenaspekt:
Vicia Faba gehören nördlich der Alpen nicht zum neolithischen Kulturpaket und treten in den Fundstellen erst ab der Bronzezeit gehäuft auf.
Weitere Infos z.B. bei Udelgard Körber-Grohne: Nutzpfanzen in Deutschland
Re: Nesseleintopf
Verfasst: 13.12.2011 23:09
von hugo
Vorsicht bei Körber-Grohe. Ich benütze sie auch als Basisinfo, der aktuelle Forschungsstand ist es aber nicht mehr.
Re: Nesseleintopf
Verfasst: 14.12.2011 06:39
von Andreas K.
Ich versuche sie nach Möglichkeit gegenzuprüfen. Vor allem die ältesten Nachweise stimmen mittlerweile nicht mehr. In den letzten fast zwanzig Jahren ist die Welt eben nicht stehen geblieben. Sie bietet aber, so weit mir bekannt, immer noch den besten Überblick über die Thematik und wird noch viel zitiert -mit der gebotenen Vorsicht natürlich. War hauptsächlich als Lesetipp zum Einstieg in das Thema gedacht.
Re: Nesseleintopf
Verfasst: 14.12.2011 09:26
von Beate
Ich fange mit dem Thema nicht grad erst an.
Die Körber-Grohne... okay, das war mal zum Einstieg, verstaubt mittlerweile bei mir im Schrank.
Die meisten der oben genanten bestandserhaltenden Vereine sind mir bekannt und ich habe deren Sortelisten bereits durchsucht. Aber wie gesagt... alles zu neu. Guck doch mal in den Shop von Arche Noah
http://shop.arche-noah.at/index.php/ (den kannte ich noch nicht): was davon möchtest du denn verwenden???
Ich habe einiges bei Dreschflegel
http://www.dreschflegel-saatgut.de/ bestellt, die haben immerhin Leindotter (allerdings ist die Sorte auch schon wieder neuzeitlich), Einkorn, Helgoländer Wildkohl...
Mein Garten ist leider zu klein für Großmengen. Ich möchte eine kleine Auswahl an Pflanzen für Demonstrationszwecke anbauen (Schautisch), insbesondere um den Vergleich zu neuzeitlichen Sorten deutlich zu machen. Aktuell habe ich nur die kleinen Saubohnen (habe mal eine Handvoll bei einem Museum abgezweigt und vermehrt) und Schlangenlauch, den ich mit Hilfe von Dr. Kroll gefunden habe, sowie einige Wildkräuter. Mein Schwerpunkt liegt bisher auch noch deutlich bei den vermutlich für die Ernährung verwendten Wildkräutern, denn die sind wesentlich einfacher (nämlich in freier Natur) zu finden (siehe z.B. Artikel "Collected seeds and fruits from herbs as prehistoric food"
Karl-Ernst Behre in Vegetation History and Archaeobotany 2008)
Auf Dr. Krolls HP gibt es eine Möglichkeit zur Literatursuche
http://www.archaeobotany.de/database.html, leider wurde diese nach 2004 nicht weitergeführt.
Noch ein Tipp: hier gibt es eine Broschüre zum Download "Die kultivierten Nutzpflanzen der Äcker und Gärten deutscher Museen"
http://www.nutzpflanzenvielfalt.de/best ... iftenreihe, ist zwar nicht mehr aktuell, gibt aber immerhin einen Hinweis,was man in welchen Museum finden könnte.
Re: Nesseleintopf
Verfasst: 14.12.2011 10:55
von hugo
@ Beate: Frag doch im Forum bei Roeland und Pinguin an. Die müssten Kleinmengen an Getreide für Dich haben.
Gruß
hugo
Re: Nesseleintopf
Verfasst: 14.12.2011 13:01
von Andreas K.
Ich fange mit dem Thema nicht grad erst an.
Ohne unhöflich sein zu wollen: Ich auch nicht.
Nur das Anbauen wird nächstes Jahr eine Premiere sein, da ich bisher keinen Garten dazu hatte. Außerdem bewege ich mich in einer ganz anderen Zeitstufe.
Arche Noah ist aus meiner Sicht eher eine Kompromisslösung und auch nicht meine erste Anlaufstelle. Für Spätmittelalter hätten sie einige Sachen - Kohlsorten, "Bohnen" (z.B. Augenbohnen), Blattgemüse, Kürbisse, Kräuter ... Das meiste natürlich "moderne" Sorten, die nur vom Typ her etwas altertümlicher sind. Das Sortiment scheint mir auch nicht jedes Jahr gleich zu sein. Mal haben sie mehr, mal weniger, was ich als eventuell brauchbaren
Kompromiss einstufen würde. Getreide haben die leider keines, das hatte ich vor dem Einstellen des Beitrages leider nicht bei allen überprüft. Das Problem bei den meiste Vereinen ist, dass sie gerne mit Begriffen wie "alt" oder "uralt" arbeiten aber konkrete Datierungen nur selten zu finden sind - daher auch meine Zusammenarbeit mit Archäobotanikern.
Der Link zur HP von Dr. Kroll funzt bei mir leider nicht.
Re: Nesseleintopf
Verfasst: 15.12.2011 09:32
von S. Crumbach
Graupen, Rollgerste (polierte Körner) und Grütze ist nicht das gleiche. Grütze sind geschrote Körner (in der Tüte aus dem russischen Supermarkt, Bioladen, selber mahlen, Mahlstein wäre auch eine Möglichkeit). Bei Kochen macht Grütze einen völlig anderen Effekt als die reisartige Rollgerste.
Beate, waren Graupen in der heutgen Form nicht auch eine neuzeitl. Angelegenheit?
Bulgur ist wieder etwas ganz anderes:
http://www.schulefood.de/schule/de/pres ... guranlage/
Re: Nesseleintopf
Verfasst: 15.12.2011 11:41
von hugo
Es war mir schon klar, dass Grauoen, wie alle polierten Körner eine neuzeitliche Erfindung sind. Es sollte auch kein Kochexperiment sein, sondern eine Annäherung an die römische Küche mit Zutaten, die man im Laden um die Ecke bekommt und da hielt ich geschrotete Rollgerste für eine Möglichkeit.
In den übrigen Zutaten ist die Kollegin für Überraschungen gut. Ich will ihrem Buch aber nicht vorgreifen.
Ihre Gerichte unterscheiden sich jedenfalls großteils positiv von dem, das ich sündteuer in Spezialmuseen erlebte.
Auf den Bulgur kam sie, weil auf der Verpackung blöderweise etwas von Grütze stand.
Gruß
hugo
Re: Nesseleintopf
Verfasst: 15.12.2011 15:35
von Andreas K.
Das mit dem Bulgur (oder Graupen oder Rollgerste,...) zum die Rezepte
erstmal überhaupt ausprobieren finde ich eigentlich gar nicht so schlimm. Der sollte halt im fertigen Buch durch etwas wahrscheinlicher zutreffendes ersetzt werden. Wenn ich bei meinen Vorversuchen nicht ganz sicher bin, welches Ergebnis dabei heraus kommt und ob zwei verschiedenen Gerichte zusammen passen, dann nehme ich auch möglichst "geschmacksneutrale" moderne Alternativen als Beilage (z.B. bei Soßen: Nudeln) oder das, was ich denke was passen könnte (z.B. Weißwurst, Basmatireis oder ähnliches) um die Rezepte zu verschiedenen Zeitpunkten getrennt von einander auszuprobieren. Dadurch bekommt man zumindest schon mal einen ersten Geschmackseindruck und die Kosten lassen sich besser verteilen. Man sollte nur beachten, dass das Endergebnis mit Zutaten die näher an den historischen liegen eventuell anders ausfallen könnte. Soll das ganze dann noch "alltagstauglich" sein, muss man sich leider manchmal mit dem behelfen, was der Supermarkt her gibt. Bei mir stehen die Experimente mit den "Originalzutaten" bisher auch eher am Ende der Arbeit und ich arbeite so lang mit allem, was ich einfach bekommen kann und was als ein guter Kompromis erscheint. Man muss ja erstmal an die historischen ran kommen und irgendwo anfangen.
Zum mal ausprobieren also: Ja, geht schon. Definitive Aussagen zu Geschmack, Aussehen, Konsistenz etc. sind dann wiederum allerdings erst mit den möglichst korrekten Zutaten möglich.
Re: Nesseleintopf
Verfasst: 15.12.2011 17:45
von S. Crumbach
Ich bin immer gespannt auf Essen und Rezeptumsetzungen
Habt Ihr bei Euch Reform-Häuser? Da kann man Körniges zum Teil besser kaufen als im Bio-Laden.
Ich denke manchmal garnicht über den absoluten Einkaufsluxus bei uns im Ruhrgebiet nach
Re: Nesseleintopf
Verfasst: 15.12.2011 18:54
von Andreas K.
Ich kann nicht für Österreich sprechen, aber Franken ist ganz gut bestückt mit Bioläden und Supermärkten, die nebenbei auch Bioprodukte führen. Trotzdem gibt es manchmal Sachen, die man nur schwer auftreiben kann. Dicke Bohnen sind da z.B. ein Kandidat. In den drei Supermärkten, in denen ich normalerweise einkaufe gibt es in lediglich einem genau eine Sorte aus konventionellem Anbau. Dann haben wir in Bamberg noch einen Laden mit Sachen aus dem Nahen Osten, da gibt es eine Sorte Augen-/ Kuhbohnen und eine Sorte kleine Saubohnen in Dosen, allerdings in vier verschiedenen schon vorgewürzten Varianten, was für meine Zwecke leider nicht so super ist. Ansonsten sind Asieläden (da habe ich es leider noch nicht rein geschafft) und ähnliche Spezialitätegeschäfte meist eine gute Anlaufstelle für schwer verfügbare Artikel. In einem italienischen Geschäft hier bei uns habe ich vor kurzem in Salzlake eingelegte Lupinen erstehen können. Die waren lecker.
Wenn es historisch noch korrekter sein muss, bleibt einem der Eigenanbau leider selten erspart - da arbeite ich gerade dran.
Auf dem Hunsrück, wo meine Eltern leben, schaut das alles schon ganz anders aus. Da ist es teilweise schon schwer "etwas exotischere" Artikel aus konventioneller Produktion zu bekommen. Aber die Hunsrücker entdecken auch langsam Bio für sich und das Angebot wächst langsam. Aber was will man auch erwarten in einer ländlichen Verbandsgemeinde, die insgesamt nicht einmal so viele Einwohner hat wie die Stadt Lauf in Franken alleine.