Hallo Ulfr,
ich denke, dass sich in den letzen 15 - 20 Jahren seit meiner Lehrzeit nicht viel geändert hat. Heute lernen die Auszubildenden m.E. im Durchschnitt bei weitem nicht das, was für Handwerker dieses Gewerks möglich wäre (in Bezug auf die Bandbreite).
Ein "Flexmetz" z.B. kann mit einem schwerpunktmäßig traditionell handwerklich ausgebildeten Steinmetzen in Bezug auf Arbeitstechniken und Variationen nicht mithalten, obwohl er das eine oder andere wesentlich schneller anfertigen kann. Jedoch kann auch nicht jeder traditionell handwerklich ausgebildete Steinmetz mit allen berufstypischen Maschinen gründlich und sicher umgehen.
Natürlich sind Maschinen heute allgemeinüblicher Teil der Handwerksarbeit geworden (so wie früher teilweise auch schon). Aber ob in der Ausbildung im ersten Lehrjahr eine Vogeltränke noch von Hand ausgespitzt wird oder mit der Schleifmaschine einfach ausgeschliffen wird, ist schon ein Unterschied. Hinzu kommt, dass - meiner Meinung nach - die Maschinenarbeit nicht immer sinnvoll ist und das gewünschte Ergebnis bringt (es gibt entrüstende Beispiele von Steinmetzarbeiten und Bildhauerarbeiten, welche nahezu ausschließlich mittels Maschinen angefertigt wurden).
Ich finde auch, dass behauptet werden kann (natürlich wieder je nach Ausbildungsfirma, Ausbildern und eigenem Talent), dass in 3 Jahren manchmal nicht viel zu lernen ist im Hinblick auf die Anforderungen, die dann tatsächlich (und plötzlich) an einen Gesellen bzw. eine Gesellin in diesem Gewerk gestellt werden. Bei den Steinmetz(innen) muss sich allein in den ersten Lehrmonaten und Lehrjahren und darüber hinaus der Körper erst einmal auf die enormen Anforderungen einstellen (natürlich je nach Unternehmen und tatsächlich ausgeübtem Bereich).
Spezialisiert haben sich die Handwerker bestimmter Gewerke nach erinnertem Berufsschulwissen schon früh. Wenn ich mich recht entsinne, gab es auch im MA die Kategorien Steinbrecher, Steinsäger (bzw. auch Steinschleifer), Maurer, Steinmetz, Steinbildhauer... - Baumeister.
Es war ausbildungstechnisch allein in Bezug auf die durchschnittliche Lebenserwartung ein Wunder, wenn ein Steinmetz oder Steinbildhauer es im MA überhaupt jemals bis zum Baumeister schaffte (was weiteres Wissen und weitere Erfahrungen erforderte). D.H. bevor z.B. ein Steinbildhauer überhaupt Baumeister werden konnte, konnten rechnerisch gesehen um die 20 Jahre oder mehr vergehen. Vielfach haben sich die Bauhütten deshalb möglicherweise ihre eigenen Baumeister herangezogen (zwischenzeitlich wurden die "Zöglinge"dann auf die Walz geschickt, um andere Arbeitstechniken zu erlernen).
Die Gewerke waren natürlich ineinander verzahnt. Der Beruf verlagerte sich abhängig von technologischen Entwicklungen und schließlich entstehendem industriellen Zeitlater wohl immer mehr, auch was Anforderungen angeht (z.B. Schmieden kann heute kaum noch ein Steinmetz - und das Werkzeugschmieden ist bekannterweise sehr speziell).
Dabei bringen geschliffene Oberflächen im Vergleich zu handwerklich traditionell bearbeiteten nicht immer unbedingt Vorteile mit sich (außer dem des Zeitfaktors). Geschliffene Oberflächen haben einen ganz anderen Charakter, andere Eigenschaften und eigene Problematiken (natürlich je nach verarbeiteter Natursteinsorte).
Was im wesentlichen heute auch immer mehr verloren zu gehen scheint, ist z.B. die gründliche alte Kunst des Planens und Vermessens, die auch in bestimmten Überlieferungen z.B. dem Alten Ägypten (ein Bereich, den ich privat beforsche) m.E. heute kaum nachvollzogen wird.
Auch der Beruf des Baumeisters hat sich im Grunde auf den heutigen Architekten verlagert, der aber oft genug eigentlich abgespalten sein mag von der eigentlichen, ursprünglichen handwerklichen Tätigkeit (auch in Abhängigkeit zu heutzutage üblichen Bautechniken, Baustilen und verbauten Materialien).
Ich wage mit Grund zu behaupten, dass der hier im Forum gelebte Standard ein hohes handwerkliches Niveau besitzt.
Darum schlage ich vor, dass Robert auf jeden Fall schon mal 2 Kettchen tragen darf!;
Man könnte sich noch viel über dieses Thema austauschen. Vielleicht ist es sinnvoller, ein eigenes Thema mit diesem Bezug aufzumachen.
Herzliche Grüße,
Vinzenz