Re: Stempelrichtung des Diskos von Phaistos
Verfasst: 11.07.2022 17:07
Weiter oben wurde hier von mir der von Luigi Pernier begründete Standpunkt übernommen, wonach der Diskos von Phaistos von links nach rechts und damit also von innen nach außen, vom Zentrum zur Peripherie hin gehend, zu lesen ist (1).
Ebenso bedeutend für die auf dem Diskos überlieferte Erzählung ist jedoch auch die Datierung des Alters desselben, denn erst darüber lässt sich der chronologische Hintergrund des Textinhaltes näher eingrenzen und bestimmen. Genau hier jedoch wird der von Pernier dazu vertretene Standpunkt, wonach der Diskos von Phaistos der Epoche des späten Mittleren Minoikums (MM III) zuzuordnen und damit in die Zeit zwischen 1700 - 1600 v. Chr. zu setzen sei, als wissenschaftlich überholt bezeichnet. Einige der wichtigsten Argumente für eine deutlich spätere Datierung des Zeitpunktes der Entstehung und Niederlegung des Diskos von Phaistos lieferte Pernier selbst. Daher werden diese hier nun nochmals wie folgt vorgetragen :
Als Begründung dafür, dass der Diskos von Phaistos "della fine del medio periodo minoico" (1700 - 1600 BC) zu datieren sei, gibt Pernier an, dass der Raum 8, in welchem der Diskos gefunden worden ist, zu einem Gebäudekomplex gehört, welcher in der Ersten und Zweiten Palastzeit errichtet worden ist (2). In seinem umfassenden Abschlussbericht des Jahres 1935 räumt er jedoch ein : "Il vasellame trovato nell' edificio [XL 101] del disco, è in predominanza degli ultimi tempi MM [Middle Minoan III], ma nello strato più superficiale si vide mescolato con frammenti tardo-minoici [Late Minoan III] e persino ellenici, ... ." (3) Der den Fundort bildende Gebäudekomplex war also mit Gebäudeteilen durchsetzt, welche im Späten Minoikum (LM III) errichtet worden sind. Diese spätminoischen Gebäudeteile sind in seinem 1935 publizierten Bericht stets hellgrau schraffiert dargestellt und durchziehen den Fundort von Ost nach West gehend (4). Der genaue, 1908 dokumentierte Fundort, Raum 8 des Gebäudes XL 101 des Palastes zu Phaistos, zeigt diese helle Schraffierung noch nicht, sei hier aber im Anhang vorgestellt.
Die von Pernier zunächst über das Alter des Gebäudes vorgenommene Datierung hängt also und tatsächlich ist es ein Beifund, welcher letztlich zur damaligen Datierung des Diskos geführt hat. Wie sich aus dem 1908 erstellten Lageplan ergibt, wurde im Raum 8 des Gebäudes XL 101 nicht nur der Diskos, sondern auch eine in Linear A abgefasste Tontafel gefunden (5). Die Fundstelle der in Linear A abgefassten Tontafel ist mit einem Kreuz + markiert, die des Diskos mit einem Stern * gekennzeichnet. Über diese ebenfalls im Raum 8 des Gebäudes XL 101 aufgefundene Linear A Tafel wurde der Diskos von Phaistos schließlich in die Epoche des späten Mittleren Minoikum (MM III) datiert (6). Auch Arthur Evans pflichtete dieser Datierung Perniers bei un bemerkte : The Tablet with Inscription of Linear A would bring down the date of the Disk to an advanced stage of M.M. III (Middle Minoan III) (7). Tatsächlich kam die minoische Linear A Schrift bereits zwischen 1700 und 1600 v. Chr. in Benutzung, doch diese Tafel kann unmöglich als Schlußstück des Depots fungieren, denn chronologisch ist sowohl die Fundlage, als auch das zweite Fundstück, nämlich der Diskos von Phaistos, in eine deutlich spätere Zeit zu datieren. Auch hierzu führte erneut Pernier selbst drei entscheidende Argumente ins Feld.
Erstens bemerkt er 1909 zu der auf Seite 287, Nr. 22 vorgestellten Rosette, welche das Zentrum der A-Seite des Diskos von Phaistos bildet, dass dieses Motiv erst "Nell' arte minoica, specialmente del tardo periodo (minoico) [LM I-III]" in Benutzung gekommen sei und verweist diesbezüglich auf eine steinerne Opferschale (8). Diese steinerne Opferschale wurde ebenfalls zu Phaistos im Raum 8 des Gebäudes XL 101 gefunden und trägt auf der Seitenwand mittig dieselbe Rosette wie das Zentrum der A-Seite des Diskos. In seinem 1935 erschienen Abschlussbericht ist diese steinerne Opferschale S. 227, Fig. 105 abgebildet und mit der Datierung "di epoca tardo minoica I" versehen. Als Fundort ist Raum 8 angegeben, jener Raum also, in welchem auch der Diskos von Phaistos entdeckt wurde. Der Innendurchmesser der Schale beträgt 9,5 cm, der von Längsseite zu Längsseite gemessene Außendurchmesser beträgt 11,5 - 12 cm (9). Diese Opferschale wurde von Pernier in die Zeit zwischen 1600 und 1450 v. Chr. datiert und trägt dasselbe Motiv wie der Diskos von Phaistos. Zudem wurde sie in demselben Raum wie dieser aufgefunden, aber nicht verzeichnet, wie es sich für bedeutende Fundstücke gehört. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass der Diskos selbst regelmäßig auf dieser Schale abgelegt wurde, damit er seine Form behält. Beide Artefakte gehören schon der gemeinsamen Motivwahl zueinander ins Verhältnis gesetzt. Daher wird diese spätminoische Schale hier ebenfalls im Anhang gezeigt.
Zweitens erkannte Pernier bereits 1909, S. 281, Nr.6 direkt, dass es sich bei dem auf dem Diskos häufig wiederkehrenden Piktogramm des Irokesen um einen Angehörigen der Philister handeln wird und bemerkte dazu : "Invece una soprendente, somiglianza con le teste piumate del disco di Phaesto, offrono le teste dei Pulesatha o Filistei i quali, vinti e fatti prigionieri dal Faraone Ramses III (verso il 1200 a.C.) si veggono scolpiti sulle pareti del tempio di Medinet Habu." (10) Auch Arthur Evans erkennt deutlich die Parallele zwischen dem mehrfach auf dem Diskos gezeigten Ideogramm des Irokesen und den Philistern des Seevölkersturmes und datiert dieses Ereignis ebenfalls in die Zeit um 1200 v. Chr. (11). Doch hier durchbrach der ansonsten sehr profunde Pernier die dazu bereits recht bekannte Chronologie und behauptete, dass die Philister bereits seit dem 16. Jahrhundert v. Chr. von Kreta aus das Meer in Richtung Palästina durchquert hätten (12). In diesem Punkt wurde Pernier bereits von seinen Zeitgenossen, so etwa Paul Feuerherd, klar widerlegt (13). Der auf dem Diskos gezeigte Philister gehört demnach der Zeit der Trojanischen Kriege, sowie Ramses III. und des Heli sacerdos an und ist in die Zeit kurz nach 1200 v. Chr. zu datieren.
Eine besondere Bedeutung bringt hinsichtlich der chronologischen Datierung des Diskos von Phaistos die konkrete Fundsituation mit sich. Über diese berichtet Pernier : "a circa m. 0,55 sopra il fondo roccioso di esso, in mezzo a terra ... e frammenti ceramici, si è rinvenuto un disco di terracotta." (14). Der Diskos von Phaistos wurde demnach also in einer Tiefe von nur etwa 50 cm unterhalb des Bodeniveaus entdeckt ! Dies entspricht aber nicht etwa dem Stratum der Epoche des späten Mittleren Minoikums (MM III), sondern der Kulturschicht des ausgehenden Späten Minoikums (LM III). Beachtet man diese sehr geringe Tiefe der Grabung, so gehört der Diskos von Phaistos, dem Stratum der Fundsituation entsprechend, nicht etwa der Zeit zwischen 1700 - 1600 v. Chr. an, sondern ist in die Zeit zwischen 1400 - 1100 v. Chr. zu datieren. Dies gilt es inzwischen umso mehr zu beachten, denn als die 1939 publizierten Ergebnisse des Archäologen Spyridon Marinatos zur Auswirkung des Ausbruchs des Vulkanes Thera auf der Ägäis Insel Santorin von der Fachwelt anerkannt wurden, war die Existenz der "Tephra" genannten Ascheschicht für Archäologen ein wichtiges Faktum (15). Marinatos datierte den Ausbruch des Thera in die Zeit um 1500 v. Chr. und der Diskos von Phaistos wurde im obersten Stratum, oberhalb dieser Ascheschicht gefunden. Daher ist er nach fachlichen Gesichtspunkten in die Epoche des Späten Minoikums (LM III) zu setzen und datiert somit in die Zeit zwischen 1400 - 1100 v. Chr.
Ebendiese Kritikpunkte wurden 1962 in zwei von dem Archäologen Kristian Jeppesen verfassten Aufsätzen veröffentlicht. Dieser kritisierte insbesondere die Tatsache, dass das Stratum, in welchem der Diskos von Phaistos zutage gefördert wurde, nicht der Epoche MM III (1700 - 1600 BC) zugerechnet werden könne und formuliert zunächst : "The time of the deposition of the Phaistos Disk in the level in which it was found can lie between the end of MM III and the end of LM III, i.e. about 1600 to 1100 BC." (16) Im weiteren Abgleich der Faktenlage kommt er dann jedoch zu dem Schluss : "The Phaistos Disk cannot be earlier than about 1400 BC."(17) Diesem von Jeppesen vertretenen Standpunkt wird hier aus den oben genannten Gründen gefolgt und der Zeitpunkt der Herstellung und Niederlegung des Diskos von Phaistos in die Zeit zwischen 1400 und 1100 v. Chr. datiert. Zuletzt wurde der 1962 von Jeppesen vertretene Standpunkt einer solchen Spätdatierung durch Louis Godart bestätigt, welcher zu dem Ergebnis kam, dass der Diskos von Phaistos "chronologisch in die Zeit zwischen 1550 v. Chr. und dem Ende des 13. Jahrhunderts v. Chr. einzuordnen ist." (18) Da die Untersuchungen des Spyridon Marinatos zur Gewalt des Ausbruches des Thera Vulkanes und seine Ascheschicht dazu geführt haben, dass die Straten der Fundplätze der Ägäis durch eine solche, recht genau datierbare Schicht voneinander unterschieden werden können, darf die geringe Tiefe, in welcher der Diskos gefunden wurde, nicht unbeachtet bleiben. Deshalb wird hier im Anhang abschließend eine Skizze eingeführt, welche Jeppesen anhand einer von Enrico Stefani gefertigten Vorlage dazu fertigte (19).
Gruß in die Runde
Pitassa
Literaturverzeichnis :
(1) Pernier, Luigi : Il Disko di Phaestos con Caratteri Pittografici. In : Ausonia, Vol. 3, Rom 1909, S. 274. Online verfügbar unter : https://omnika.conscious.ai/library/aus ... ttografici sowie in den Internet Archive die Gesamtausgabe des 3. Bandes der Ausonia, Vol. 3, S. 255 - 302.
(2) Pernier, Luigi : Ebenda, S. 265.
(3) Pernier, Luigi : Il palazzo minoico di Festos, Vol. 1, Rom 1935, S. 356. Dieser selbstkritische Bericht erstreckt sich ebenda, S. 355 - 358. Siehe dazu auch : Ebenda, S. 49, Fig. 24, Übersichtsplan mit Legende Costruzioni posteriori, sowie die Detailansicht mit Gebäude XL 101, Ebenda, S. 355, Fig. 209.
(4) Pernier, Luigi : Il palazzo minoici di Festòs, Vol. 1, Rom 1935, S. 49, Fig. 24 u. S. 355, Fig. 209. Online verfügbar über die Volltexte der Uni-Heidelberg unter : http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/pernier1935bd1 mit diversen Karten und Fotografien zum Fundort.
(5) Pernier, Luigi : Il Diskos di Phaestos con Caretteri Pittografici, Rom 1909, S. 257, Fig. 1 (Pianta della località dove fu trovato il disco)
(6) Pernier, Luigi : Ebenda, Rom 1909, S. 267, Fig. 10. (Die 1908 in Raum 8 aufgefundene Linear A Tafel)
(7) Evans, Arthur : The Phaistos Disk in its Minoan Relations. In : Evans, Arthur : The Palace of Minos at Knossos, Bd.1, London 1921, S. 649. Die Ausgabe ist online verfügbar unter : https://www.archive.org/details/palaceo ... ew=theater und geht detailliert auf den 1909 von Pernier verfassten Bericht ein.
(8) Pernier, Luigi : Ebenda, Rom 1909, S. 287, Nr. 22 (La Rosetta)
(9) Pernier, Luigi : Il palazzo minoico di Festos, Vol. 1, Rom 1935, S. 227, Fig. 105, Inv. Nr. C / 188 (Baccinella da offerte di Phaestos di epoca tardo-minoica I)
(10) Pernier, Luigi : Il Diskos di Phaestos con Caretteri Pittografici, Rom 1909. S. 281 - 282, Nr. 6 u. Fig. 13 (Filisteo di Medinet Habu).
(11) Evans, Arthur : Ebenda, S. 665 - 666.
(12) Pernier, Luigi : Ebenda, S. 283 (Filistei da Creta occupiamo ... la Palestina non solo dalla fine del seculo XVI al secolo XII a.C.)
(13) Feuerherd, Paul : Geoffrey of Monmouth und das Alte Testament, Halle 1915. Online als Volltext verfügbar in Internet Archive.
(14) Pernier, Luigi : Ebenda, S. 261 (Fundbericht zur Entdeckung des Diskos von Phaistos, vom 03.Juli 1908)
(15) Marinatos, Spyridon : The volcanic destruction of Minoan Crete. In : Antiquity, Vol. 13, Cambridge 1939, S. 425 - 439.
(16) Jeppesen, Kristian : Some remarks on the Archaelogical Placing of the Phaistos Disc. In : KULM, Arbog for Jysk Arkeologisk Selskab, Aarhus 1962, S. 182. Diese Beiträge sind online verfügbar unter : https://www.tidsskrift.dk/kuml/article/ ... 930/152880 und finden sich S. 157 - 180 zum Fundort und zur Fundlage in Raum 8, Gebäude XL 101, sowie S. 180 - 190 Bemerkungen zur Datierung.
(17) Jeppesen, Kristian : Ebenda, S. 188.
(18) Godart, Louis : Der Diskus von Phaistos - Das Rätsel einer Schrift der Ägäis, Heraklion 1995.
(19) Jeppesen, Kristian : En gammelkretisk Gade. Nogle bemaerkniger om Faistosskivens arkeologiske placering. In : KULM, Aarhus 1962, S. 160, Fig. 1 (Longitudinal section through room 8. Sketch intended to illustrate the position of the Phaistos disc.)
Ebenso bedeutend für die auf dem Diskos überlieferte Erzählung ist jedoch auch die Datierung des Alters desselben, denn erst darüber lässt sich der chronologische Hintergrund des Textinhaltes näher eingrenzen und bestimmen. Genau hier jedoch wird der von Pernier dazu vertretene Standpunkt, wonach der Diskos von Phaistos der Epoche des späten Mittleren Minoikums (MM III) zuzuordnen und damit in die Zeit zwischen 1700 - 1600 v. Chr. zu setzen sei, als wissenschaftlich überholt bezeichnet. Einige der wichtigsten Argumente für eine deutlich spätere Datierung des Zeitpunktes der Entstehung und Niederlegung des Diskos von Phaistos lieferte Pernier selbst. Daher werden diese hier nun nochmals wie folgt vorgetragen :
Als Begründung dafür, dass der Diskos von Phaistos "della fine del medio periodo minoico" (1700 - 1600 BC) zu datieren sei, gibt Pernier an, dass der Raum 8, in welchem der Diskos gefunden worden ist, zu einem Gebäudekomplex gehört, welcher in der Ersten und Zweiten Palastzeit errichtet worden ist (2). In seinem umfassenden Abschlussbericht des Jahres 1935 räumt er jedoch ein : "Il vasellame trovato nell' edificio [XL 101] del disco, è in predominanza degli ultimi tempi MM [Middle Minoan III], ma nello strato più superficiale si vide mescolato con frammenti tardo-minoici [Late Minoan III] e persino ellenici, ... ." (3) Der den Fundort bildende Gebäudekomplex war also mit Gebäudeteilen durchsetzt, welche im Späten Minoikum (LM III) errichtet worden sind. Diese spätminoischen Gebäudeteile sind in seinem 1935 publizierten Bericht stets hellgrau schraffiert dargestellt und durchziehen den Fundort von Ost nach West gehend (4). Der genaue, 1908 dokumentierte Fundort, Raum 8 des Gebäudes XL 101 des Palastes zu Phaistos, zeigt diese helle Schraffierung noch nicht, sei hier aber im Anhang vorgestellt.
Die von Pernier zunächst über das Alter des Gebäudes vorgenommene Datierung hängt also und tatsächlich ist es ein Beifund, welcher letztlich zur damaligen Datierung des Diskos geführt hat. Wie sich aus dem 1908 erstellten Lageplan ergibt, wurde im Raum 8 des Gebäudes XL 101 nicht nur der Diskos, sondern auch eine in Linear A abgefasste Tontafel gefunden (5). Die Fundstelle der in Linear A abgefassten Tontafel ist mit einem Kreuz + markiert, die des Diskos mit einem Stern * gekennzeichnet. Über diese ebenfalls im Raum 8 des Gebäudes XL 101 aufgefundene Linear A Tafel wurde der Diskos von Phaistos schließlich in die Epoche des späten Mittleren Minoikum (MM III) datiert (6). Auch Arthur Evans pflichtete dieser Datierung Perniers bei un bemerkte : The Tablet with Inscription of Linear A would bring down the date of the Disk to an advanced stage of M.M. III (Middle Minoan III) (7). Tatsächlich kam die minoische Linear A Schrift bereits zwischen 1700 und 1600 v. Chr. in Benutzung, doch diese Tafel kann unmöglich als Schlußstück des Depots fungieren, denn chronologisch ist sowohl die Fundlage, als auch das zweite Fundstück, nämlich der Diskos von Phaistos, in eine deutlich spätere Zeit zu datieren. Auch hierzu führte erneut Pernier selbst drei entscheidende Argumente ins Feld.
Erstens bemerkt er 1909 zu der auf Seite 287, Nr. 22 vorgestellten Rosette, welche das Zentrum der A-Seite des Diskos von Phaistos bildet, dass dieses Motiv erst "Nell' arte minoica, specialmente del tardo periodo (minoico) [LM I-III]" in Benutzung gekommen sei und verweist diesbezüglich auf eine steinerne Opferschale (8). Diese steinerne Opferschale wurde ebenfalls zu Phaistos im Raum 8 des Gebäudes XL 101 gefunden und trägt auf der Seitenwand mittig dieselbe Rosette wie das Zentrum der A-Seite des Diskos. In seinem 1935 erschienen Abschlussbericht ist diese steinerne Opferschale S. 227, Fig. 105 abgebildet und mit der Datierung "di epoca tardo minoica I" versehen. Als Fundort ist Raum 8 angegeben, jener Raum also, in welchem auch der Diskos von Phaistos entdeckt wurde. Der Innendurchmesser der Schale beträgt 9,5 cm, der von Längsseite zu Längsseite gemessene Außendurchmesser beträgt 11,5 - 12 cm (9). Diese Opferschale wurde von Pernier in die Zeit zwischen 1600 und 1450 v. Chr. datiert und trägt dasselbe Motiv wie der Diskos von Phaistos. Zudem wurde sie in demselben Raum wie dieser aufgefunden, aber nicht verzeichnet, wie es sich für bedeutende Fundstücke gehört. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass der Diskos selbst regelmäßig auf dieser Schale abgelegt wurde, damit er seine Form behält. Beide Artefakte gehören schon der gemeinsamen Motivwahl zueinander ins Verhältnis gesetzt. Daher wird diese spätminoische Schale hier ebenfalls im Anhang gezeigt.
Zweitens erkannte Pernier bereits 1909, S. 281, Nr.6 direkt, dass es sich bei dem auf dem Diskos häufig wiederkehrenden Piktogramm des Irokesen um einen Angehörigen der Philister handeln wird und bemerkte dazu : "Invece una soprendente, somiglianza con le teste piumate del disco di Phaesto, offrono le teste dei Pulesatha o Filistei i quali, vinti e fatti prigionieri dal Faraone Ramses III (verso il 1200 a.C.) si veggono scolpiti sulle pareti del tempio di Medinet Habu." (10) Auch Arthur Evans erkennt deutlich die Parallele zwischen dem mehrfach auf dem Diskos gezeigten Ideogramm des Irokesen und den Philistern des Seevölkersturmes und datiert dieses Ereignis ebenfalls in die Zeit um 1200 v. Chr. (11). Doch hier durchbrach der ansonsten sehr profunde Pernier die dazu bereits recht bekannte Chronologie und behauptete, dass die Philister bereits seit dem 16. Jahrhundert v. Chr. von Kreta aus das Meer in Richtung Palästina durchquert hätten (12). In diesem Punkt wurde Pernier bereits von seinen Zeitgenossen, so etwa Paul Feuerherd, klar widerlegt (13). Der auf dem Diskos gezeigte Philister gehört demnach der Zeit der Trojanischen Kriege, sowie Ramses III. und des Heli sacerdos an und ist in die Zeit kurz nach 1200 v. Chr. zu datieren.
Eine besondere Bedeutung bringt hinsichtlich der chronologischen Datierung des Diskos von Phaistos die konkrete Fundsituation mit sich. Über diese berichtet Pernier : "a circa m. 0,55 sopra il fondo roccioso di esso, in mezzo a terra ... e frammenti ceramici, si è rinvenuto un disco di terracotta." (14). Der Diskos von Phaistos wurde demnach also in einer Tiefe von nur etwa 50 cm unterhalb des Bodeniveaus entdeckt ! Dies entspricht aber nicht etwa dem Stratum der Epoche des späten Mittleren Minoikums (MM III), sondern der Kulturschicht des ausgehenden Späten Minoikums (LM III). Beachtet man diese sehr geringe Tiefe der Grabung, so gehört der Diskos von Phaistos, dem Stratum der Fundsituation entsprechend, nicht etwa der Zeit zwischen 1700 - 1600 v. Chr. an, sondern ist in die Zeit zwischen 1400 - 1100 v. Chr. zu datieren. Dies gilt es inzwischen umso mehr zu beachten, denn als die 1939 publizierten Ergebnisse des Archäologen Spyridon Marinatos zur Auswirkung des Ausbruchs des Vulkanes Thera auf der Ägäis Insel Santorin von der Fachwelt anerkannt wurden, war die Existenz der "Tephra" genannten Ascheschicht für Archäologen ein wichtiges Faktum (15). Marinatos datierte den Ausbruch des Thera in die Zeit um 1500 v. Chr. und der Diskos von Phaistos wurde im obersten Stratum, oberhalb dieser Ascheschicht gefunden. Daher ist er nach fachlichen Gesichtspunkten in die Epoche des Späten Minoikums (LM III) zu setzen und datiert somit in die Zeit zwischen 1400 - 1100 v. Chr.
Ebendiese Kritikpunkte wurden 1962 in zwei von dem Archäologen Kristian Jeppesen verfassten Aufsätzen veröffentlicht. Dieser kritisierte insbesondere die Tatsache, dass das Stratum, in welchem der Diskos von Phaistos zutage gefördert wurde, nicht der Epoche MM III (1700 - 1600 BC) zugerechnet werden könne und formuliert zunächst : "The time of the deposition of the Phaistos Disk in the level in which it was found can lie between the end of MM III and the end of LM III, i.e. about 1600 to 1100 BC." (16) Im weiteren Abgleich der Faktenlage kommt er dann jedoch zu dem Schluss : "The Phaistos Disk cannot be earlier than about 1400 BC."(17) Diesem von Jeppesen vertretenen Standpunkt wird hier aus den oben genannten Gründen gefolgt und der Zeitpunkt der Herstellung und Niederlegung des Diskos von Phaistos in die Zeit zwischen 1400 und 1100 v. Chr. datiert. Zuletzt wurde der 1962 von Jeppesen vertretene Standpunkt einer solchen Spätdatierung durch Louis Godart bestätigt, welcher zu dem Ergebnis kam, dass der Diskos von Phaistos "chronologisch in die Zeit zwischen 1550 v. Chr. und dem Ende des 13. Jahrhunderts v. Chr. einzuordnen ist." (18) Da die Untersuchungen des Spyridon Marinatos zur Gewalt des Ausbruches des Thera Vulkanes und seine Ascheschicht dazu geführt haben, dass die Straten der Fundplätze der Ägäis durch eine solche, recht genau datierbare Schicht voneinander unterschieden werden können, darf die geringe Tiefe, in welcher der Diskos gefunden wurde, nicht unbeachtet bleiben. Deshalb wird hier im Anhang abschließend eine Skizze eingeführt, welche Jeppesen anhand einer von Enrico Stefani gefertigten Vorlage dazu fertigte (19).
Gruß in die Runde
Pitassa
Literaturverzeichnis :
(1) Pernier, Luigi : Il Disko di Phaestos con Caratteri Pittografici. In : Ausonia, Vol. 3, Rom 1909, S. 274. Online verfügbar unter : https://omnika.conscious.ai/library/aus ... ttografici sowie in den Internet Archive die Gesamtausgabe des 3. Bandes der Ausonia, Vol. 3, S. 255 - 302.
(2) Pernier, Luigi : Ebenda, S. 265.
(3) Pernier, Luigi : Il palazzo minoico di Festos, Vol. 1, Rom 1935, S. 356. Dieser selbstkritische Bericht erstreckt sich ebenda, S. 355 - 358. Siehe dazu auch : Ebenda, S. 49, Fig. 24, Übersichtsplan mit Legende Costruzioni posteriori, sowie die Detailansicht mit Gebäude XL 101, Ebenda, S. 355, Fig. 209.
(4) Pernier, Luigi : Il palazzo minoici di Festòs, Vol. 1, Rom 1935, S. 49, Fig. 24 u. S. 355, Fig. 209. Online verfügbar über die Volltexte der Uni-Heidelberg unter : http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/pernier1935bd1 mit diversen Karten und Fotografien zum Fundort.
(5) Pernier, Luigi : Il Diskos di Phaestos con Caretteri Pittografici, Rom 1909, S. 257, Fig. 1 (Pianta della località dove fu trovato il disco)
(6) Pernier, Luigi : Ebenda, Rom 1909, S. 267, Fig. 10. (Die 1908 in Raum 8 aufgefundene Linear A Tafel)
(7) Evans, Arthur : The Phaistos Disk in its Minoan Relations. In : Evans, Arthur : The Palace of Minos at Knossos, Bd.1, London 1921, S. 649. Die Ausgabe ist online verfügbar unter : https://www.archive.org/details/palaceo ... ew=theater und geht detailliert auf den 1909 von Pernier verfassten Bericht ein.
(8) Pernier, Luigi : Ebenda, Rom 1909, S. 287, Nr. 22 (La Rosetta)
(9) Pernier, Luigi : Il palazzo minoico di Festos, Vol. 1, Rom 1935, S. 227, Fig. 105, Inv. Nr. C / 188 (Baccinella da offerte di Phaestos di epoca tardo-minoica I)
(10) Pernier, Luigi : Il Diskos di Phaestos con Caretteri Pittografici, Rom 1909. S. 281 - 282, Nr. 6 u. Fig. 13 (Filisteo di Medinet Habu).
(11) Evans, Arthur : Ebenda, S. 665 - 666.
(12) Pernier, Luigi : Ebenda, S. 283 (Filistei da Creta occupiamo ... la Palestina non solo dalla fine del seculo XVI al secolo XII a.C.)
(13) Feuerherd, Paul : Geoffrey of Monmouth und das Alte Testament, Halle 1915. Online als Volltext verfügbar in Internet Archive.
(14) Pernier, Luigi : Ebenda, S. 261 (Fundbericht zur Entdeckung des Diskos von Phaistos, vom 03.Juli 1908)
(15) Marinatos, Spyridon : The volcanic destruction of Minoan Crete. In : Antiquity, Vol. 13, Cambridge 1939, S. 425 - 439.
(16) Jeppesen, Kristian : Some remarks on the Archaelogical Placing of the Phaistos Disc. In : KULM, Arbog for Jysk Arkeologisk Selskab, Aarhus 1962, S. 182. Diese Beiträge sind online verfügbar unter : https://www.tidsskrift.dk/kuml/article/ ... 930/152880 und finden sich S. 157 - 180 zum Fundort und zur Fundlage in Raum 8, Gebäude XL 101, sowie S. 180 - 190 Bemerkungen zur Datierung.
(17) Jeppesen, Kristian : Ebenda, S. 188.
(18) Godart, Louis : Der Diskus von Phaistos - Das Rätsel einer Schrift der Ägäis, Heraklion 1995.
(19) Jeppesen, Kristian : En gammelkretisk Gade. Nogle bemaerkniger om Faistosskivens arkeologiske placering. In : KULM, Aarhus 1962, S. 160, Fig. 1 (Longitudinal section through room 8. Sketch intended to illustrate the position of the Phaistos disc.)