skythischer Bogen

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Steve Lenz
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Beitrag von Steve Lenz »

Welche Bogentypen?
S. Crumbach

Beitrag von S. Crumbach »

Die Publikation der Ergebnisse sollte nach der nächsten Tagung erhältlich sein. (unter der angegeben Web-Adresse)
Striker

Beitrag von Striker »

He Melli, treffen wir uns mal in der Cafete, da finden wir bestimmt was.
;)
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Godehardt
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Beitrag von Godehardt »

melli hat geschrieben:Danke!
Es geht mir hier hauptsächlich um praktische Erfahrungen mit einem solchen Bogen. Funde, Beschreibung von Skythischen Original-Bögen hab ich schon hinter mir.
:D
Berichte über Original-Funde würden mich sehr interessieren. Beschreibungen mag es geben, ebenso Darstellungen (griechische Vasenbilder, skythische Reliefs und Broschen). Aber Originalfunde? Hier sind bisher (einschließlich Arzhan II) doch nur zwei Grabfunde bekannt, die vermutlich auch nur als Grabbeigaben gedacht waren, wenn man sich die Rekonstruktionen ansieht (der Arzhan-II-Bogen ist viel zu dick und nur aus Holz laminiert, könnte man ihn überhaupt ausziehen, so würde er diesem ziehenden Herkules vermutlich in Bruchstücken um die Ohren fliegen). Der andere bekannte Bogen wird von Holger Eckhardt mermals genannt, unter anderem in "Gold der Steppe" und als bestehens aus nicht miteinander verleimten, nur durch Wicklung zusammen gehaltenen geraden Stäben beschrieben. Kannst Du mir weitere Funde nennen? Ich wäre sehr interessiert. Bisher haben besagter von Ferro genannter Bogenbauer und ein weiterer sechs Nachbauten hergestellt, die nach meinen Vorstellungen, basierend auf den Bildern, gemacht wurden. Drei sind aus Holz mit Sehnenbelag, drei weiterre sind echte Kompositbögen. Ferro hat den siebten Bogen bekommen. Die mit Sehnen belegten Bögen, die eine Länge von etwa 120 cm haben (über das Holz gemessen), kann man bis 65 cm ausziehen. Für weiteren Auszug gibt es keine Garantie durch den Bogenbauer. Die Kompositbögen kann man sicher bis 72 cm ausziehen. Aber das ist schon mehr als ich mit meinem jetzigen Stil ziehe (ja, als ich noch mit modernem Compound schoss, waren 72 cm meine Zuglänge, aber da steht man ganz gerade, beim "traditionellen" Schießen steht man etwas gebückter).
Ich habe von allen sechs Bögen die Kraft-Weg-Kurven erstellt, ebenfalls die Anfangsenergien und -geschwindigkeiten und die Effizienzen bestimmt (für insgesamt zehn verschiedene Pfeiltypen). Ebenso wurden mehrere Schilde beschossen, um die Durchschlagkragt zu testen. Ein Teil der Ergebnisse wird in B. Molloys Buch "The Cutting Edge" im Tempus-Verlag Anfang 2007 publiziert. Ein weiterer Teil soll in einem Grabungsband über Arzhan II erscheinen (Herausgeber: Cugunov, Nagler, Parzinger).
Echte Kompositbögen oder Bögen, die aus Horn mit einem Sehnenbelag bestehen, kann man weiter ausziehen als Holzbögen (egal ob mit Sehnen belegt oder nicht). Dies hat mir ein kurzer Hornbogen gezeigt, der nur 88 cm lang ist mit beweglichen Wurfarmen, die je nur etwa 30 cm messen, und einem starren Griff. Diesen Bogen kan ich mehr als 57 cm ziehen, ehe die Wurfarme fast parallel zum Pfeil liegen (dann geht es natürlich nicht mehr weiter).
Der Bau eines solchen Kompositbogens ist kein Geheimnis. In Kürze will ich es auch selbst einmal probieren. Zuerst werde ich wohl den ganz kurzen Bogen überarbeiten und mit einer weiteren Sehnenschicht versehen. Dann kommt wohl ein Eigenbau auf der Basis von Mufflon-Hörnern. Ich scheue ein wenig vor dem Auftrennen des Horns zurück. Das Arbeiten mit Hautleim ist nicht so schlimm, wie ich finde (die Finger kleben ganz gut zusammen). Frag den Bogenbauer, der Ferros Bogen gemacht hat, ob er Dir eine Anleitung gibt. Man muss auch durchaus nicht zuerst einen Holzbogen (Flach- oder Langbogen) gebaut haben, ehe man sich an einen Horn- oder Kompositbogen trauen darf!
Wir können uns gern zusammen setzen und über Deine und meine Ergebnisse reden, zumal ich noch weiter in diese Richtung forschen will und inzwischen auch zwei Forschungsprojekte über antike Bögen habe. Ein drittes soll noch nachkommen.
Gruß, Erhard
Erhard Godehardt
Damion

Beitrag von Damion »

Mahlzeit

Allen, die sich an den Bau eines Hornkompositreiterbogens wagen wollen, empfehle ich, sich mal an Dr. Joachim Rutschke zu wenden.
Er "firmiert" unter Snake-Jo im Bogen- und Pfeilbauerforum Fletchers Corner und hat mal eine sehr gute und ausführliche Anleitung zum Bau eines solchen Bogens verfasst und schon mehrere Reiterbögen unterschiedlicher Konstruktion gebaut.
Außerdem gibt es von ihm eine gute Anleitung zum Thema "Sehnenbacking".
Zu meiner Zeit hat er diese Anleitung zusammen als Cd zum Selbstkostenpreis verschickt.
Seine Anleitung erfolgt natürlich aus der Sicht des Bogenschützen und nicht unter dem Gesichtspunkt historisch korrekter Rekonstruktion. Trotzdem birgt sie sicher viele wichtige Hinweise zur grundsätzlichen Konstruktion (Maße) und zum verwendeten Material.

hth

Michael
melli

Beitrag von melli »

Originalfunde kenne ich leider auch keine weiteren! Bleibe aber dran.
Der skythische Bogen ist in meiner Magisterarbeit nur ein relativ kurzer Abschnitt, aber da das Hauptthema der Bogenbau sein soll, wären eben Versuche mit einer Rekonstruktion eines skythischen Bogens so interessant.
Ich selbst baue keine Kompositbögen, möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt zumindest auch nicht anfangen. Erstmal soll der Bau von "Stabbögen" genügen. Das ist ja dann auch der größte Abschnitt meiner Arbeit, die Rekonstruktion eines Mitteleuropäischen Bogens aus der Zeit zwischen dem 7. und 2. Jahrhundert v. Chr. (wird wohl genauer gesagt so in etwa 5. und 4. Jhdt. werden, eben Blütezeit des skythischen Reichs und anscheinend "Einführung" des Kompositbogens in Griechenland)
Mit Funden aus dieser Zeit, falls es Dokumentationen gibt, muss ich mich aber noch genauer befassen. Sie sollen eben im Vergleich mit skythischen und auch griechischen Bögen stehen.
Danke für die vielen Antworten, helfen mir schon weiter.
Grüße
melli
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Godehardt
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Beitrag von Godehardt »

melli hat geschrieben:..., die Rekonstruktion eines Mitteleuropäischen Bogens aus der Zeit zwischen dem 7. und 2. Jahrhundert v. Chr. (wird wohl genauer gesagt so in etwa 5. und 4. Jhdt. werden, eben Blütezeit des skythischen Reichs und anscheinend "Einführung" des Kompositbogens in Griechenland)
Mit Funden aus dieser Zeit, falls es Dokumentationen gibt, muss ich mich aber noch genauer befassen. Sie sollen eben im Vergleich mit skythischen und auch griechischen Bögen stehen.
Danke für die vielen Antworten, helfen mir schon weiter.
Grüße
melli
Der Kompositbogen war aller Wahrscheinlichkeit nach bereits in der Mykenischen Zeit den Griechen bekannt. Hierzu gibt es ein Büchlein über die mykenischen Griechen im Osprey-Verlag, in dem argumentiert wird, dass reine Holzbögen für Kampfwagen viel zu lang waren. Ebenso wird die Frage aufgeworfen, dass die Griechen - wenn sie schon den Kampfwagen aus Asien importiert hätten - sicher sich auch die dort benutzten Bögen genau angesehen hätten. Das Buch heißt "The Mykenaeans 1600-1200 BC". Weiter könnte das inzwischen vergriffene Buch von Tölle-Kastenbein: "Griechische Bögen" hilfreich sein (wenn auch die Nomenklatur der Bögen nicht immer korrekt ist. Unter einem Angularbogen versteht man z.B. etwas anderes als dort angegeben.
Grüße, Erhard
Erhard Godehardt
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Godehardt
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Beitrag von Godehardt »

melli hat geschrieben:..., die Rekonstruktion eines Mitteleuropäischen Bogens aus der Zeit zwischen dem 7. und 2. Jahrhundert v. Chr. (wird wohl genauer gesagt so in etwa 5. und 4. Jhdt. werden, eben Blütezeit des skythischen Reichs und anscheinend "Einführung" des Kompositbogens in Griechenland)
Mit Funden aus dieser Zeit, falls es Dokumentationen gibt, muss ich mich aber noch genauer befassen. Sie sollen eben im Vergleich mit skythischen und auch griechischen Bögen stehen.
Danke für die vielen Antworten, helfen mir schon weiter.
Grüße
melli
Der Kompositbogen war aller Wahrscheinlichkeit nach bereits in der Mykenischen Zeit den Griechen bekannt. Hierzu gibt es ein Büchlein über die mykenischen Griechen im Osprey-Verlag, in dem argumentiert wird, dass reine Holzbögen für Kampfwagen viel zu lang waren. Ebenso wird die Frage aufgeworfen, dass die Griechen - wenn sie schon den Kampfwagen aus Asien importiert hätten - sicher sich auch die dort benutzten Bögen genau angesehen hätten. Das Buch heißt "The Mykenaeans 1600-1200 BC". Weiter könnte das inzwischen vergriffene Buch von Tölle-Kastenbein: "Griechische Bögen" hilfreich sein (wenn auch die Nomenklatur der Bögen nicht immer korrekt ist. Unter einem Angularbogen versteht man z.B. etwas anderes als dort angegeben.
Grüße, Erhard
Erhard Godehardt
Armin

Kompositbögen

Beitrag von Armin »

Hier hab' ich jede Menge ganz nützliches gefunden:

http://de.wikipedia.org/wiki/Kompositbogen

Armin
melli

Beitrag von melli »

Auf Tölle-Kastenbein beziehe ich mich hauptsächlich. Kompositbögen ja, vielleicht. Ich meinte den s-förmigen Bogen der Skythen, der wahrscheinlich in Griechenland Mitte bis Ende 6. Jahrhundert eingeführt wurde. Mit 5-4. Jhdt. hab ich mich vertippt, meinte 6.!
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Godehardt
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Beitrag von Godehardt »

melli hat geschrieben:Ich meinte den s-förmigen Bogen der Skythen, der wahrscheinlich in Griechenland Mitte bis Ende 6. Jahrhundert eingeführt wurde. Mit 5-4. Jhdt. hab ich mich vertippt, meinte 6.!
Ein Band aus der Reihe Archaeologia Homerica beschäftigt sich mit der Jagd. Darin sind noch weitere Abbildungen der "skythischen" Bögen. Früher glaubten wir (Michael Bittl und ich), dass die Griechen den s-förmigen Bogen von den Skythen übernommen haben. Da sind wir uns inzwischen aber nicht mehr so sicher, da die griechischen und die skythischen kurzen s-förmigen Bögen sich in kleinen, aber wichtigen Punkten unterscheiden. Die Abbildungen der Skythen zeigen meist Bögen, die starre Bogenenden haben, sich aber im Griff und in den Wurfarmen zu biegen scheinen (zumindest ist der Griff nicht stärker als die Wurfarme). Die griechischen Bögen scheinen einen starren Griff zu besitzen, biegen sich dafür in den Wurfarmen einschließlich der Enden. Hierzu läuft gerade ein Forschungsprojekt an, in dem wir dies zu klären versuchen. Wie früher gesagt, erprobe ich gerade einen ersten Versuch des Nachbaus eines griechischen Kompositbogens (42 Pfund Zuggewicht auf 55 cm Auszug, wie ich heute gemessen habe, also nicht sehr stark).
Vor Kurzem hat Lucas Novotny (Eigentümer von Saluki Bows) einen skythischen Bogen nachgebaut. Dieser ist in einer Rubrik von www.atarn.org zu sehen. Er ist etwas schärfer gebogen als unsere Rekonstruktionen. Die Durchbiegung bei vollem Auszug zeigt, dass es sich um einen echten Kompositbogen handelt; ein nur mit Sehnen belegter Holzbogen würde bei dieser Überdehnung brechen.
Gruß, Erhard
Erhard Godehardt
Taran

Besonderheiten

Beitrag von Taran »

Eine Besonderheit skythischer Bögen, wie ich in der Ausstellung gesehen habe, ist doch, dass sie (zumindest teilweise)

1. asymmetrisch waren

und/oder

2. manchmal deutlich unter der Bogenmitte gegriffen wurden, also nicht am tiefsten Punkt des zurückgesetzten Mittelstücks in der Hand lagen, wie wir das heute bei einem Grozer-"Skythen" etc. automatisch machen würden.

Insofern ist die Belastung der beiden Wurfarme schon sehr, sehr unterschiedlich. Ich muss da an einen 1/4-Yumi denken :wink:

Nun ist das mit der Detailtreue von künstlerischen Abbildungen ja so eine Sache...
Oder:
Vielleicht hat ja mancher Schütze, bei dem die Wurfarme aus dem Gleichgewicht geraten waren (ob beim Bau oder später) durch Verschieben des Druckpunktes kompensiert? Bei Selfbögen geht das ja auch (in gewissen Grenzen...).
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Godehardt
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Beitrag von Godehardt »

Die Asymmetrie in manchen Abbildungen (nicht in allen) ist mir auch aufgefallen. Allerdings liegt bisher kein Beweis in Form eines Bogenfundes hierfür vor. Der Bogen aus dem Grab in Arzhan scheint eher symmetrisch zu sein. Er war allerdings auch eine reine Grabbeigabe und - wegen seiner Wurfarmdicke von 3 cm bei unter 120 cm Länge - wohl nicht wirklich ein Gebrauchsstück.
Wie das beim Bogen von Olon Kurin Gol ist (dem zweiten je bisher gefundenen vollständigen Bogen nach dem von Arzhan) werden wir vermutlich im März nächsten Jahres selber sehen, falls wir dann den Fund wirklich besichtigen dürfen.
Gruß,
Erhard
Erhard Godehardt
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