Ich hab´s getan - ich war oben ...
Letzten Dienstag hab ich zusammen mit meinem Sohn, seinem Kumpel und 8 weiteren Wanderern an der Ötzi Glacier Tour teilgenommen. Nach einer Woche Einbaumbau war ich zwar ziemlich groggy, aber zumindest schon mal ein bisschen an 1500 m Höhe gewöhnt - für einen Fischkopp born and raised at NHN absolut notwendig.
Mit der Seilbahn geht es von Kurzras auf 3200 m Höhe nach Grawand, und schon bei der Verteilung der Ausrüstung wird mir klar, dass mich
kein Rentnerspaziergang erwartet - Steigeisen und Glettergurte, Karabinerhaken, Seile ... Wir steigen dann über den Hochjochferner-Gletscher auf 2800 m ab, über Eis- und Geröllfelder, queren strudelnde Gletscherbäche, und ich habe zum ersten Mal live eine Ahnung bekommen, wie es vor 15.000 Jahren in Schleswig-Holstein ausgesehen haben mag (denkt man sich mal all die Dreitausender weg). Das ganze Programm: Drumlins, Nunataks, Oser, Findlinge, die auf dem Eis talwärts rutschen, Moränen - ich war und bin immer noch fasziniert.
Dann kommt die Nagelprobe für den alten Mann vom Meer: steiler Aufstieg durch einen Schutthang auf 3200 m, die letzten hundertfünfzig Meter in der Seilschaft im blanken Fels klettern. Kurz vorm Gipfel denke ich an eine rote Trage und den Hubschrauber, aber: Zähne zusammenbeißen und durch. Wenn man dann oben ist, den Ausblick genießen darf und seinen kleinen Teil zum obligatorischen Steinmandl beitragen kann, dann lohnt sich die Quälerei. Das Wetter ist zwar nicht optimal, aber zumindest hat es nicht geregnet.
Weiter gehts über den Kreuzferner, immer am Seil im Gänsemarsch, und ein Blick in eine abyssale Gletscherspalte reicht, um mich von der Notwendigkeit der geführten Tour zu überzeugen - wen es da runter haut, der braucht nix mehr ... Und rechts oben dräut die Finailspitze, aus dem Hang lösen sich ständig Steinbrocken unterschiedlicher Größe und folgen mit vernehmlichem Rumpeln dem Gesetz der Schwerkraft, um in Millionen Jahren als Schlick im schwarzen Meer zu enden.
Einsam ist es und still, am Weg liegt eine tote Schwalbe, die es wohl im Frühjahr nicht über den Alpenkamm geschafft hat. Hierher kommen nur noch der Steinbock und die Gemse, da und dort wächst ein winziges Grasbüschel oder ein Alpen-Hahnenfuß, ansonsten Erde, Wasser, Luft ...
Und immer wieder klettern, steile Abstiege und Gegenanstiege, manche Stellen sind mit Seilen gesichert, eine Ganzkörperherausforderung nach der anderen. Die junge Extrembergsteigerin Tamara Lunger, die uns begleitet, lächelt sicher innerlich über uns Flachlandtiroler und springt elegant von Stein zu Stein, ohne auch nur zu schnaufen, aber ich komme mir vor wie Krakauer.
Die Fundstelle selbst ist unspektakulär, eine schneegefüllte Felswanne. Das Steinmal wurde in einiger Entfernung am Steilhang überm Tisental errichtet, damit man es vom Archeoparc aus sehen kann.
Nach einer kurzen Pause auf der Similaunhütte mit fantastischem Apfelstrudel und Sportwasser folgt der Abstieg ins Tal, 1900 m bis zum Stausee, und der kommt und kommt nicht näher. War es bisher anstrengend, wird es nun auch schmerzhaft, die Beine bleischwer, die Knie weich, und ich bin froh über die Wanderstöcke, die ich mir noch gekauft habe. Sohnemann und Kumpel sind schon unten, da krebse ich zusammen mit Günter (62, Versicherungsvertreter aus Düsseldorf) immer noch bergab. Aber irgendwann sind auch wir am Ziel und genießen ein kühles Bier wie sonst selten im Leben.
Wer mich kennt, weiß, dass Stolz eher nicht zu meinen Gefühlsregungen zählt, aber jetzt platze ich fast vor demselben:
Ich hab´s getan, ich war oben ...
Die sehr empfehlenswerte geführte Tour gibt´s im Sommer jeden Dienstag, Dauer ca. 9 Stunden, Länge etwa 15 km. In der Info-Broschüre steht leichthin formuliert: "Basiskondition erforderlich" - das ist imho etwas untertrieben, man sollte körperlich ziemlich gut beieinander sein, klettersicher und ausdauernd. Auf 3400 ist die Luft schon sehr dünn. Wichtig: Ausreichend Getränke, Schokolade, Traubenzucker, Magnesium, warme Mütze, Gamaschen, Wanderstöcke, Handschuhe, Sonnenbrille und vor allem vorher an die Höhe akklimatisieren.
Anmeldung:
http://www.archeoparc.it