Seite 15 von 20

Verfasst: 14.02.2011 22:03
von FlintSource
Das Dokumentieren der Klingen ist noch eine ziemliche Portion Arbeit. Ich habe heute den ganzen Tag hinter dem Laserscanner verbracht und doch nur die Hälfte der Klingen geschafft. Ulfr, die Teile sind deutlich zu sorgfältig angefertigt, die glatte Oberfläche und das insgesamt doch ziemlich dunkle Gestein braucht viele Scans, speziell bei den langen Schuhleistenkeilen, wenn wir die volle Auflösung von 0,2 bis 0,25 mm erreichen wollen. Das Ergebnis ist aber sehr zufriedenstellend, so hast du deine Lieblingen noch nie gesehen. Anbei mal eine schnelle Renderung zusammengeschnitten, noch ohne Längs- und Querschnitte. Wenn wir das als TIFF herausschmeissen statt als JPG wie hier fürs Netz kann man das direkt als Abbildung verwenden (daher auch mal 'versaut', damit das Bild nicht ungefragt im Netz weiterverwendet wird), exakter Maßstab 1 zu 3 bei 300 dpi. Die eingeschliffenen Markierungen, hier auf Klinge VI unschwer zu erkennen, helfen ungemein, um die glatten Oberflächen zusammenzuführen.
Wird fortgesetzt.

Bild
adult image hosting

Verfasst: 16.02.2011 22:53
von FlintSource
Hier ist dann die versprochene Fortsetzung. Die Klingen sind gescanned und komplett durchfotografiert, die wichtigsten Masse entnommen.
Die Kollektion passt hervorragend in die jüngere Bandkeramik, hier mal die von Ulfr hergestellten Exemplaren in Vergleich zu den Dechseln der Gräberfelder von Elsloo und Niedermerz. Auf der X-Achse die Breite, Y-Achse der Höhen-Breite-Index (H/B*100), die mittlerweile klassische Einteilung.

Bild
image host

Rechts unten die flach-breiten 'Flachhacken', hier verstecken sich zwei unterschiedliche Modelle, einmal trapezförmig (Kopie von einer Klinge aus dem Brunnen von Altscherbitz) und einmal deutlich länger mit subparallelen Seiten.

Die unteren drei im oberen Cluster sind klassische Schuhleistenkeile, wie das oben als Laserscan abgebildete Stück, darüber eine schmal-hohe Klinge, in Anlehnung an dem Fund aus Satec (s. Weiner/Pawlik 1995, Abb. 6). An der linken Seite dann zwei 'Miniaturschuhleistenkeile', wiederum basierend auf einem Fund aus dem Brunnen.

Verfasst: 17.02.2011 10:29
von ulfr
Das ist jetzt wirklich staunenswert, Flintsource, und führt mich etwas off topic ins Reich der egoterischen Spekulationen:

ich hab mich schon mal gewundert, dass, wenn ich bei Vorführungen so ganz nebenher Pfeilspitzen drücke, während ich mich mit den Besuchern unterhalte und gar nicht hinschaue, was ich da mache, die Pfeilspitzen immer alle etwa gleich groß werden und fast dieselbe Form annehmen, fast wie von allein, als ob sich bei mir eine Form "eingebrannt" hätte.

Nun kommst Du mit dieser Beilstatistik, die ja ähnlich anmutet. Ich habe, bevor ich die Klingen gemacht habe, bis auf die von Altscherbitz kein Vorbild, weder real noch als Abb. angesehen und schon gar nicht versucht, Originale exakt zu kopieren. Seltsame Koinzidenzen ...

Verfasst: 17.02.2011 11:43
von Trebron
Kann ich daraus schließen, dass die Formen genetisch in unseren Hirnen eingebrannt ist ? :D

Verfasst: 17.02.2011 23:06
von FlintSource
Das Diagramm zeigt überwiegend, dass die Klassifikation die für Dechselklingen verwendet wird zwar sehr gut zu brauchbar ist für eine grobe Einteilung, die Feinheiten aber nicht berücksichtigt. Sehr klar ist aber, dass die drei großen Schuhleistenkeile ziemlich robust sind und gemäßigt hoch, keine 'Flombornkeile' aber auch keine 'Hinkelsteinkeile'. Die zwei unterschiedlichen Formen von Flachbeilen lassen sich in diesem Diagramm nicht fassen. Es ist übrigens sehr schwierig um irgend etwas Beilartiges herzustellen was sich nicht in diesem Diagramm abbilden lässt. Die Klingen die Ulfr gemacht hat lassen sich aber tatsächlich kaum von Originalen unterscheiden

Ich sollte eigentlich auch noch das Gräberfeld von Flomborn und das mittelneolithische Gräberfeld von Trebur als Vergleichsdaten dazu stellen, dann sieht man, dass die Verteilung der Experimentalklingen doch relativ typisch ist für die jüngere LBK. Ich werde es für den Vortrag während des Experiments auch noch machen, auch immer gut für Publikationen.

Verfasst: 21.02.2011 22:47
von TZH
Papua Dechsel auf PaleoPlanet!

(Misc. Primitive Weapons/Stone axes, celts etc, Seite 6.)

VG:

Zoltán

Re: Bäume fällen mit der Dechsel

Verfasst: 06.03.2011 23:35
von Eckhard
Hallo mal wieder!

Muss zugeben, dass ich erst nach einigen Monaten mal wieder reingeschaut und nicht alle
Beiträge zum Thema gelesen habe.
Möchte aber bevor ulfr's wichtiges Experiment startet, noch was in die Runde werfen.
Seit fast zwanzig Jahren arbeite ich mit Dechseln und hab die Vorzüge dieses Werkzeuges
schätzen gelernt. Meine Lieblingswerkzeuge sind Plagiate aus Westafrika mit Eisenklingen.
Mit den entspreched zugearbeiteten Schneiden lassen sich sowohl neolithische als auch BZ Schlagmarken
hübsch authentisch ausführen.

Der Schäftungswinkel liegt schätzungsweise bei 80°. Neolithische Schäftungen - z.B. bei Tüllenschäftungen von
"Behaubeilen" - sind, wenn überhaupt, meist nur wenig steiler.
Auch mit Repliken dieser neolithischen Tüllenbeile habe ich ausgiebig gearbeitet.

Bei geschickter Handhabung der Dechsel lassen sich ohne Probleme Holzfasern im rechten Winkel zum Stamm
durchtrennen ... für alle diejenigen, die das "ausgefranste Zeug" Richtung Wurzel nicht ertragen.

Mein Facit: Wichtig ist der Schäftungswinkel und eine geschickte Handhabung des Werkzeuges.

Re: Bäume fällen mit der Dechsel

Verfasst: 07.03.2011 10:55
von ulfr
Danke, Eckard.
Ich habe jetzt einen der großen "Schuhleistenkeile" geschäftet, der Schäftungswinkel entspricht mit 60° exakt meinem Dechsel von Papua-Neuguinea. Zwei andere kleine Schäfte für flachbreite Klingen haben 70° bzw 80°, und ein zweiter hochschmaler wird ebenfalls bei ca, 70° liegen, dann haben wir ein bisschen Auswahl und Vergleichsmöglichkeiten. Am meisten bin ich aber auf die 115°-Dechsel gespannt, mal sehen, wofür man die am besten gebrauchen kann ...
Zu guter Letzt werden wir auch noch eine 1:1-Kopie des Ötzi-Beiles am Start haben, dann können wir auch gleich die Frage klären, ob man wirklich damit Bäume fällen kann, Blattspitze hatte sich da ja mal etwas kritisch geäußert.

Re: Bäume fällen mit der Dechsel

Verfasst: 07.03.2011 23:05
von Eckhard
Hi, wulrf,
psssst, ich will Dir den Spass am Ötzibeil nicht nehmen...
aber Du wirst Erfolg mit dem Teil haben. Hatte es letztes Jahr mit einer Klinge
aus Elektrolytkupfer (mehr als 99 % Cu, Rest fällt mir grad nicht ein) an einem
gut 20 cm starken Eschenfrischholz ausprobiert - ca. 300 Schläge bis das Ding
knickte ... Schneide war noch ok.

Dennoch viel Spass beim Testen - ist ein ganz anderes Gefühl als mit 'nem Steinbeil

Re: Bäume fällen mit der Dechsel

Verfasst: 08.03.2011 10:42
von ulfr
Hi Eckard,
ich will Dir den Spass am Ötzibeil nicht nehmen...
kannste auch gar nicht, ich hab ja schon diverse Male damit gearbeitet, u.a. am Stuttgarter Einbaum, und bei der SF-Steinzeit-Serie hab ich es auch zum Bäumefällen hergenommen. Aber das waren immer nur "Reben", wie eingangs in diesem Thread gesagt wurde, oder Weichstholz (Babbl). An dicke Eichen hab ich das Beil noch nicht gelegt, und auch nicht unter den zu erwartenden Dokumentationsbedingungen. Blattspitze vermutete aufgrund des langen Stiels, dass es eher als Waffe geeignet wäre denn als Werkzeug.

Re: Bäume fällen mit der Dechsel

Verfasst: 08.03.2011 10:47
von Steve Lenz
dass es eher als Waffe geeignet wäre denn als Werkzeug.

Waffe = Werkzeug. :axt:

Re: Bäume fällen mit der Dechsel

Verfasst: 08.03.2011 22:05
von FlintSource
Eckhard hat geschrieben: Mit den entspreched zugearbeiteten Schneiden lassen sich sowohl neolithische als auch BZ Schlagmarken
hübsch authentisch ausführen.
Das interessiert mich natürlich brennend: Wie sind die Schneiden dann zugearbeitet und wo liegt die Schneide gegenüber der Oberseite der Klinge? Bei den meisten metallenen Dechseln liegt die Schneide fast direkt an der Oberseite mit einer Fase an der Unterseite. In de Literatur wird immer davon gesprochen, dass bei (bandkeramischen) Steinklingen die Schneide in 'frischer' Zustand etwa in der Mitte der Klinge liegen soll. Die (meist unausgesprochene) Begründung ist, dass die gewölbte Oberseite den Span vom Holz wegdrücken soll. Wie siehst Du das?

Grüße,
Rengert

Re: Bäume fällen mit der Dechsel

Verfasst: 09.03.2011 11:16
von Blattspitze
Zu guter Letzt werden wir auch noch eine 1:1-Kopie des Ötzi-Beiles am Start haben, dann können wir auch gleich die Frage klären, ob man wirklich damit Bäume fällen kann, Blattspitze hatte sich da ja mal etwas kritisch geäußert.
Hallo Ihr Lieben,
... ääh, ich habe mich ja selbst schon gern und (zu) weit aus dem Fenster gelehnt, aber wenn ich mich nicht irre, kann exp. Arch. strenggenommen nur klären, wie es nicht war und nicht wie es war?

Habt Ihr denn bei der Ötzi-Beil - Reko die Schneide nur geschliffen und nicht durch Dengeln verdichtet? So schreibt es ja Egg in der letzten Publikation?

Schlage vor, Ihr lost auch einen Freiwilligen aus, dem mit dem Ötzi-Beil mal so richtig in die Rübe und den Bauch geschlagen wird, und dokumentiert die Verletzungen, so das wir einen Vergleich haben hihi ...

Aber im Ernst, wäre nicht die Herstellung eines Eibenbogen - Rohlings und abschließend ein Detail - Vergleich der Spuren mit dem Original Bogenstab das Ultimative????

Re: Bäume fällen mit der Dechsel

Verfasst: 09.03.2011 11:38
von ulfr
Jetzt verrat doch nicht alles ...

Die Klinge ist nicht gedengelt, ich bin selbst gespannt.

Ich bin allerdings nicht sicher, ob die Bearbeitungsspuren am Bogen von einem (dem) Kupferbeil stammen, mir sehen sie eher nach Schnitzfacetten eines Flintgerätes aus. Aber das werden wir sehen, allerdings erst im nächsten Winter, dann gibts wieder frische Eibe.

Re: Bäume fällen mit der Dechsel

Verfasst: 21.03.2011 08:57
von Bullenwächter
Chris und ich sind wieder gut heimgekommen. Es war ein wirklich schönes Wochende das viel Spaß gemacht und sehr interessant war, und unbedingt eine Fortsetzung erfahren muss!

Schön, viele alte Bekannte endlich mal real kennengelernt und andere nach langer Zeit mal wieder getroffen zu haben.

Jetzt werden wir uns erst einmal an das Sichten der 950 Fotos machen.