?Wie ist es deiner Meinung nach mit dem sog. Ahnenkult, da waeren wir ja fast wieder im heroisierten Bereich?!?
Ich halte den ?Ahnenkult? für eine Unterstellung. Ich denke, es hat mehr mit der Assoziationsfähigkeit des oder der Ausgräber und Interpretatoren zu tun, als mit stichhaltigen und zwingenden Hinweisen im archäologischen Fundgut.
In der Hallstattzeit werden manchmal Stelen auf den Hügelgräbern aufgestellt, anfänglich nur einfache Steine, danach ?grob? menschenförmig.
Für Hirschlanden liegt eine Männerform vor, für den Glauberg drei (oder vier.)
Hirschlanden und Glauberg haben sicher die griechischen Kuroi, die selbst wieder auf ägyptischen Statuen zurückgehen, zum Vorbild. Der Kuroi in Griechenland dient nicht dem Ahnenkult.
Diese Stelen, vor allem die in?Kuroiform? sind sehr selten. Die allermeisten der Hügel haben keine. Sollte ein Ahnenkult vorliegen, müsste dies regelhafter der Fall sein.
Außerdem fehlen uns weitere Hinweise, denkbar wären ja Abbildungen, z.b. auf Situlen o.ä. Diese zeigen zwar Festivitäten, aber jeweils ohne Bestattungszeremonie. Außerdem findet sich auch nichts in den (späteren) Textquellen zu den Kelten in Sachen Ahnenkult.
Denkt man jedoch an die Traditionen und kulturellen Anleihen der Kelten, erklären sich die Stelen und zumindest Teile des Bestattungskultes leichter.
Am Ende der UK tauchen die ersten Wagengräber und Hügelgräber auf. Die Verbrennung der Leichen in Ha C steht sicher in UK-Tradition. Es besteht also ein Übergang, eine keineswegs plötzliche Veränderung.
Dass ab Ha D ?etruskisch/griechisch? wohl die Mode in der Keltike war, bringt wohl auch den ?griechischen? Stil in die Baukunst, siehe Heuneburg. Ergo wohl auch die Form und Ausführung der Statuen. Glauberg steht sicher noch in der Hallstatttradition, es handelt sich ja um eine riesige Grabanlage mit Körperbestattung. Ebenso sind ja in LT A noch Wagengräber vorhanden.
Dass Grabanlagen beeindruckend sein können, ohne dass im klassischen Sinne ein ?Ahnenkult? vorliegt, zeigen verschiedene Beispiele. Die Ehrung der Verstorbenen, der respektvolle Umgang und die Schaffung der Gelegenheit der Verstorbenen zu gedenken, ist nicht das, was man üblicherweise unter ?Ahnenkult? versteht. Im Kult sind die Ahnen ja für etwas zuständig, sie ?verursachen? im Diesseits ja noch etwas.
In Ha-Lt A sind die Toten so eindeutig für ein Leben im ?Jenseits? ausgestattet, dass sie ihre Rolle auch dort finden, nicht mehr im Diesseits.
Dem Hirschlandener und dem oder, besser, den Glaubergern würde ich zwanglos eine Denkmalsfunktion zuschreiben, jedoch sicher keinen Ahnenkult unterstellen.
Die Figuren von Entremont etc. zu bewerten, ist sicher schwierig. Wenn es die Glaubergkanne nicht gäbe, würde ich die Sitzhaltung tatsächlich mit handwerklichen Gründen begründen.
Ich denke, es sind männliche und weibliche ?Wächter? der Grabanlage oder tatsächlich sogar noch Denkmäler für einzelne Bestattete. Ihnen fehlt irgendein Attribut eines Gottes (wie soll man denn sonst erkennen, wer gemeint ist ?) aber auch irgendetwas, was das Individuum, den Ahnen erkennen lässt. Es sind jeweils Menschen im ?besten Alter? ausgestattet mit den geschlechts- und rollenspezifischen Merkmalen an Kleidung und Werkzeug/Waffen. Männer werden offenbar in dieser Zeit gerne in Leinenpanzern dargestellt, siehe Schwertgrab 994 in Hallstatt, siehe Glauberg.
Vielleicht sind die Grenzen zwischen Grabanlage, Denkmal und Ahnenkult ja fließend. Aber ?Ahnenkult? ist ein vor allem in der Ethnologie besetzter Begriff, der eben die Ahnen neben die Naturgötter stellt und ihnen eine Macht im Diesseits zubilligt.
Das geht für die Keltike m.E. viel zu weit.
Ob eine ?Heroisierung? stattfand, wage ich auch zu bezweifeln. Ich halte dieses Interpretationsmuster für eine Übertragung ?klassisch? vorgebildeter Wissenschaftler.
Sicher liegt sie nahe, auch bei heutigen Denkmäler wird der/die Dargestelle/r ja schnell zum Helden/zur Heldin.
Aber die Frage ist, ob die Kelten den Heldenbegriff für sich überhaupt kannten und, wenn ja, er sich in den Statuen manifestiert.
Ich denke nicht. Ich denke auch hier, dass die ?Kuroi? einfach nur modische Übernahmen sind. Kuroi sind auch keine ?Heroen?. Es sind einfach nur schöne, junge Männer...
Auch die phallische Darstellung am Hirschlandener muss keine wirkliche ? Bedeutung? haben, ausser der, dass, der Kuroi-Darstellung folgend, das primäre Geschlechtsmerkmal mit dargestellt wird. Da das Material keine wirklich dreidimensionale Darstellung wie am Kuroi möglich macht, bleibt nur die Darstellung im Flachrelief. Und dann halt eindeutig.
Die Unterstellung der ?heroischen? Nacktheit ist nicht weiter als eine Vorstellung des 19.Jh. Die Griechen hatte halt einfach nicht die Scheu Menschen in der Kunst nackt zu zeigen. Sie waren in der Kunst halt auf der Suche nach dem ?Schönen?, nach dem ?Idealbild?.
Zusammenfassend:
Es liegt m.E. nur eine Übernahme etruskisch/griechischer Darstellungsform vor. Keine Übernahme oder gar eigene Erfindung irgendeiner Bedeutung.
Ahnenkult ist nur eine Assoziation anhand der Statuen, die sonstigen Bestattungsmuster deuten keineswegs darauf hin.
Ähnlich wie bei den Situlen werden bei den Statuen großgriechische Darstellungsform und keltische Details vermischt.
Thomas
PS: Es gibt da z.b. auch eine Schule, die in den Darstellungen von fliegenden Vögeln auf Situlen gar eine Übernahme des Adlers und damit des "Zeus" in der Keltike sieht. Ich halte das für blanken Unsinn. Diese Vögel sehen erstens eher aus wie Raben und tauchen als Füllmaterial für leere Flächen auch auf etruskischen Grabgemälden auf.
Die Löwen auf dem Hochdorfer Kessel bedeuten ja auch nicht, dass der Hochdorfer Verbindung mit Asien/Afrika hatte oder sich gar einen Zoo hielt.....