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Re: patinierte Klopfsteine aus Feuerstein

Verfasst: 28.10.2022 11:10
von Pitassa
Ja, die Anekdoten von Ceram sind in der Tat geradezu göttlich. Der hat den Akteuren der damaligen Spatenforschung offenbar über Jahre in einer ganz unauffälligen Weise über die Schulter geschaut. Dabei hat er sich noch wirklich die nötige Zeit genommen. Wenn so einer mit Tee, Obst und frischem Brot im Outback aufschlug, war alles fein. Sein Buch "Enge Schlucht und Schwarzer Berg" ist in der Hinsicht ebenfalls sehr lesenswert. :hallo:

Re: patinierte Klopfsteine aus Feuerstein

Verfasst: 28.10.2022 17:05
von enrohs
Da ich nun noch einen neuen Beitrag eröffnet habe, komme ich ganz durcheinander. Dieser Beitrag sollte eigentlich hier landen: http://www.archaeoforum.de/viewtopic.ph ... 060#p60060
Das sind Bilder von Klopfsteinen.

Re: patinierte Klopfsteine aus Feuerstein

Verfasst: 03.11.2022 12:46
von Sculpteur
Hier eine erste Impression der von Sven freundlciherweise leihweise zur Verfügung gestellten Schlagsteine, die ich aktuell makroskopisch analysiere.

Leider ist mein Makroskop, dass ich auf dem Flohmarkt erworben habe etwas veraltet und macht Softwaretechnisch Probleme, weshalb es sehr aufwändig ist, Makroskopien anzufertigen. Ich werde mal schauen, ob sich für das Makroskop noch ein Update beim Hersteller finden lässt, um zügiger Aufnahmen machen zu können.

Die Oberflächenanalyse der Schlagsteine bzw. Klopfsteine ist jedoch bereits sehr aufschlussreich: Auf dem Makrofoto (siehe Abb. 1) kann man die Disposition der einzelnen eingebeundenen Gesteinsbestandteile und den Abnutzungsgrad der Oberfläche bereits sehr gut erkennen.

Möglicherweise - das kann ich bisher jedoch nur vermuten - lassen sich auf der makroskopierten Oberfläche des Schlagsteins entweder Anhaftungen der Umgebung, in der er gelagert war, erkennen und/oder es lassne sich möglicherweise auch Anhaftungen des einstmals damit bearbeiteten MAterials ausmachen. Um das beurteilen zu können, wären Laboruntersuchungen eines Experten notwendig.

Zum Oberflächenvergleich in Abb. 2 eine von mir mit einem Abschlag von Helgoländer Flint angepickte Oberfläche.

Re: patinierte Klopfsteine aus Feuerstein

Verfasst: 03.11.2022 17:48
von enrohs
Hallo Sculpteur,

vielen Dank für das erste Bild und das Vergleichsbild vom frisch gepickten Feuerstein.
Ich meine nun zu erkennen, dass in dem alten Stück lauter feine Risse zu sehen sind, die nun weiß erscheinen. Da das beim frisch verwendeten Stein nicht der Fall zu sein scheint, gehe ich davon aus, dass durch diese feinen Risse im Laufe der Zeit eine Veränderung geschieht, die man als optisches Phänomen bezeichnen könnte, von mir hier als Patina angesprochen.
Das erklärt diese "Patina", nicht aber die, die wie hier die ganze Oberfläche überzieht:
patinierter Klopfstein.jpg
Die Frage, was mit den Klopfsteinen geschlagen wurde, ist sicher nicht so einfach zu ergründen.
Verwendet wurden sie sicher zur Bearbeitung von Reibmühlen und zur formgebenden Zurichtung von Felsgesteingeräten wie Steinbeile,-äxte und Dechselklingen, auch Geröll-und Scheibenkeulen.
Ein noch nicht erwähnter Verwendungszweck wird wohl das Schlagen von Funken an Pyrit zum Entfachen von Feuer auf Zunder sein. Das könnte eventuell nachweisbare Spuren hinterlassen. Felsgesteine werden aber sicher kaum nachweisbare Spuren hinterlassen haben.
Die Stellen, an denen ich diese Klopfer finde, sind in der Regel Siedlungsstellen der Bandkeramiker, wo ich auch Felsgesteinbearbeitung nachweisende Artefakte, Halbfabrikate, Rohlinge, Sägespuren und Bohrkerne auflesen konnte. Auch ein Exemplar mit unvollendeter Hohlbohrung in Amphibolit ist dabei.

Re: patinierte Klopfsteine aus Feuerstein

Verfasst: 03.11.2022 19:26
von Sculpteur
Hallo Sven, sehr interessant!
Ich melde mich morgen dazu. Ich habe jetzt eine Serie von Aufnahen gemacht und gerade leider technische Probleme, die ich zunächst beheben muss.

Re: patinierte Klopfsteine aus Feuerstein

Verfasst: 04.11.2022 17:41
von Sculpteur
Hier weitere Impressionen der Makroaufhanmen von Sven´s Fundstücken:

Die Zuordnung der Abbildungen zu den Fundstücken erfolgt über die jeweilige Bezeichnung, die ich anschließend am Bild erläutere. Ich hoffe, ich habe jetzt keine Aufnahmen durcheinandergebracht.

Hinweis:

Die Abbildungen geben nicht unbedingt die tatsächlichen Größenverhältnisse der Schlagsteine im Verhältnis zueinander wieder.

Eine Möglichkeit zum exakten Wiegen hatte ich kurzfristig lleider nicht und dann habe ich auch noch vergessen, das Lineal neben die Exponate zu legen... :2:

Die Reihenfolgen der Abbildungen sind beim Hochladen teilweise verrutscht und nicht chronologisch gelistet. Da müsst Ihr Euch einfach mal durchlesen.

Ich habe mir jetzt auch nicht extra die Arbeit gemacht und kartographiert, welche Makro ich an welcher Stelle an welchem Schlagstien aufgenommen habe. Das hätte den Rahmen meines bescheidenen Zeitbudgets gesprengt.

Re: patinierte Klopfsteine aus Feuerstein

Verfasst: 04.11.2022 20:28
von enrohs
Vielen Dank, Vinzenz!
Ich interpretiere die Bilder so, dass man da eine Oberflächenveränderung durch den klopfenden Gebrauch sieht. Die weiße Verfärbung - ein optischer Effekt aufgrund erhöhter Porosität - scheint aber erst im Laufe der Zeit, eventuell begünstigt durch verschiedene Lagerungen in unterschiedlichen chemischen Milieus oder Temperaturschwankungen, Sonneneinstrahlung, zu entstehen, wenn ich deinen vorigen Beitrag betrachte. Auch Auswaschungen von Mineraleinschlüssen könnten die Oberflächenveränderung hervorgerufen haben.
Diese für mich Teilweise neuen Erkenntnisse habe ich dem Beitrag von Högberg und Olausson (2012): Scandinavian Flint - An Archaeological Perspective. Aarhus: Aarhus University Press., entnommen, meinen besten Dank an ulfr!
Fraglich bleibt für mich die teilweise starke weiße Patina, die teilweise noch durch chemische Prozesse verfärbt ist. Sie ist auch nicht nur einseitig, was man auf Sonnenlicht zurückführen könnte, sondern ringsum, wie es in Salzwasser vorkommt. Das kann man hier in Mitteldeutschland aber wohl ausschließen.

Re: patinierte Klopfsteine aus Feuerstein

Verfasst: 05.11.2022 15:08
von Sculpteur
Hallo Sven,
Dir gilt der Dank ebenfalls! Die Aufnahmen haben Spaß gemacht und sind sehr aufschlussreich!
Ja, so sehe ich es auch: Die Makroskopien bestätigen stellenweise vielfach die Charakteristika von Oberflächen, die durch Zertrümmerung der Oberflächenbestandteile mit zielgerichteten Impact (im steilen Winkel bis zu nahe 90° zur Oberfläche erzeugt wurden). Erkennbar ist das sehr gut an den feinen Einrissen und teilweisen Abplatzungen mancher Kornbestandteile. Deutlich sichtbar ist häufig, dass Mikroabplatzungen und feine Haarrisse in teilweise noch eingebundene Oberflächen-körner hineinreichen.
Ein anderer, deutlich sichtbarer Aspekt ist vermutlich die - vermutlich teilweise auch durch Auswaschungen verursachte Oberflächenzerklüftung mit kraterartigen Mikromulden, die bei manchen Aufnahmen wie ein Abfotografiertes verschmutztes Schneefeld aussehen, was vermutlich dem senkrechten Lichteinfall des Makroskops geschuldet ist.

Leider waren mit dem Gerät aufgrund der Form und Struktur nur 20-fache Vergrößerungen möglich.

Sehr gut bereits erkennbar an den herkömmlichen Fotos sind die Oberflächenbereiche bestimmter Stücke, bei denen die Zerklüftung schartenartig stark in das Material hineinreicht: Hier ist sehr gut erkennbar, das zielgerichteter punktueller Impact auf die Oberflächen wirkte.
Solches Erscheinungsbild ist stellenweise zwar auch an durch Abrollung entstandenen, also natürlich gebildeten Oberflächen vermutlich hier und dort möglich, weist auf den dargestellten Stücken jedoch eine große und oberflächenverteilte Häufung auf.

Zum direkten Vergleich werde ich demnächst eine durch natürliche Abrollung entstandenen Oberfläche makroskopieren.

Zu kristallinen Ausblühungen in Gestein konnte ich mein Wissen inzwischen wieder auffrischen, Ausblühungen können demnach möglicherweise auch durch in der Luft enthaltene Salze begünstigt werden, wenn ich das jetzt richtig interpretiere.
Die Gründe für Bodenversalzung, wie Du ja sicherlich weißt, sind komplex.

Es ist reine Spekulation und sehr unwahrscheinlich, aber könnte es sich bei drn spezifischen Oberflächen auch um Kalkablagerungen oder Flechten handeln?

Re: patinierte Klopfsteine aus Feuerstein

Verfasst: 05.11.2022 18:57
von ulfr
Sculpteur hat geschrieben: Kornbestandteile [...] noch eingebundene Oberflächenkörner
Da muss ich leider mal reingrätschen, Sculpteur. Feuerstein ist kryptokristallin und amorph, besteht also nicht aus Körnern. Im Grunde ist es eine Flüssigkeit (Siliziumdioxyd) mit extrem hoher Oberflächenspannung. Was beim Picken passiert, ist Folgendes: Durch den Aufprall auf das Werkstück entstehen im Klopfstein unter der Oberfläche viele kleine Hertz´sche Kegelbrüche, und durch weitere Zerrüttung werden Bruchteile davon herausgelöst, dadurch schärft sich der Klopfstein immer wieder selbst nach. Ich poste morgen mal Fotos dieser Kegel - wir arbeiten gerade an einem Experiment zu diesem Thema.
Außerdem werde ich einen meiner eigenen Klopfsteine fotografieren, ich arbeite damit gerade an einer Felsgestein-Beilklinge, dann habt Ihr mal ein rezentes Vergleichsmaterial.

Re: patinierte Klopfsteine aus Feuerstein

Verfasst: 05.11.2022 19:01
von Sculpteur
Vielen Dank für diesen Hinweis, Ulfr. Eine bessere Bezeichnung fiel mir adhoc nicht ein. Ich habe die Weisheit diesbezüglich natürlich nicht mit Löffeln eingeflößt bekommen und bin im Bereich des Flints eher neubewandert. Mich interessieren im Bereich der Steinbearbeitung mit Flintwerkzeugen vor allem die markanten Oberflächen. Auf Deine Postings bin ich gespannt.

Re: patinierte Klopfsteine aus Feuerstein

Verfasst: 06.11.2022 11:27
von ulfr
Hier die angekündigten Bilder, der rote Kasten gibt jeweils in etwa den Ausschnitt für das nächste Bild wieder. Ich habe hier die kleinen Hertz´schen Kegel festgehalten, die unter der Oberfläche entstehen, wenn ein Flintbeil geschliffen wird. Der Druck auf exponierte Kanten - in diesem Fall die Kanten eines Schlagnegativs - reicht aus, um diese zu erzeugen.
flint1_1gross (Medium).jpg
flint1_2mittel (Medium).jpg
flint1_3klein-neu (Medium).jpg

Re: patinierte Klopfsteine aus Feuerstein

Verfasst: 06.11.2022 11:37
von Sculpteur
Sehr interessant, Ulfr!
Jetzt kann ich die Gesamtvorgänge und das Material insgesamt besser einordnen. :18:
Mir hat zum Thema "Flüssigkeiten" übrigens ein Physiker, der Kunstausstellungen macht, in denen Glas und seine Eigenschaften eine Rolle spielen, erklärt, dass z.B. modernes Industrieglas, das als Fensterscheiben verwendet wird, sich über Jahrmillionen weiter verformen würde: Die Fensterscheibe würde theoretisch allmählich "herunterfließen". Ob solche Eigenschaften auch auf Flint als quasi "Flüssigkeit" zutreffen würden, kann ich nicht beurteilen.

Was für ein Gerät mit welcher Auflösung hast Du für die Aufnahmen verwendet?

Re: patinierte Klopfsteine aus Feuerstein

Verfasst: 06.11.2022 11:58
von enrohs
Einen herzschen Kegel kann ich auch noch beisteuern:
Kegel 1jpg.jpg
Aber auch an diesem Seitenschaber, wo anstelle des Bulbus dieser Schlagkegel stehenblieb:
Seitenschaber ventral.jpg
Ich verknüpfe einmal diesen Beitrag: http://www.archaeoforum.de/viewtopic.ph ... 717#p60117
mit diesem hier, da Pitassa da eine zum hiesigen Thema passende Beobachtung gemacht hat.
An diesem Klopfstein sieht man neben einer Seite (unten), die kaum patiniert ist, auch die weiß patinierte obere Seite und Flächen mit einer gelblichen Patina, welche wohl eher entstanden sein muss:
600 a.jpg
Zudem befindet sich im Stein eine schon von Natur aus weiße "Störung", hier mittig zu sehen:
600 b.jpg
Diese knollenförmigen Bildungen weisen eine andere Struktur auf, sie zersplittert offensichtlich nicht so wie der glasige Silex und kommen regelmäßig in nordischem Feuerstein vor. So etwas ist schon bei dem Bild oben (mit dem Schlagkegel) zu erkennen, hier noch ein Stück frisch geschlagener Flint von der Ostseeküste:
IMG_3351.JPG

Re: patinierte Klopfsteine aus Feuerstein

Verfasst: 06.11.2022 12:15
von Sculpteur
Die weißen Störungen interessieren mich immer mehr!

Ich denke bei Betrachtung der Oberflächen unweigerlich an Stalaktiten und Stalagmiten.

Re: patinierte Klopfsteine aus Feuerstein

Verfasst: 06.11.2022 17:32
von enrohs
Sculpteur hat geschrieben:Die weißen Störungen interessieren mich immer mehr!

Ich denke bei Betrachtung der Oberflächen unweigerlich an Stalaktiten und Stalagmiten.
Ich würde vermuten, dass diese Strukturen, die häufig mittig in den Feuersteinknollen zu finden sind, fossilen Ursprungs sind. Auch um Seeigel und Belemniten haben sich ja solche Kieselsäuregebilde entwickelt. Eventuell sind das ja Ansammlungen von Mikroorganismen wie Bakterien oder auch Algen (Kieselalgen), um die sich dann der ehre glasige Feuerstein gebildet hat.