'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Träger der Kulturen der Völkerwanderungszeit bis zu den Anfängen des frühen Mittelalters

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Gerald der Uhl zu Wilhaim

Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitrag von Gerald der Uhl zu Wilhaim »

Sind das nicht Buckler? :?:

Die Wandmalereien finde ich ziemlich abstrahiert und nicht so sehr als realistische Wiedergabe.
Die Malereien aus Westerwijtwerd sind etwas naiv im Malstil, die in Woldendorp wirken noch realistischer, aber die Haltung der Krieger ist wirklichkeitsgetreu.

Auch die Größe der Rundschilde passt eigentlich noch in diese Zeit. Es müssen nicht zwangsläufig Buckler sein.

Also zur Haltung, schon der Autor des I.33 schreibt das diese Huten üblich für diese Zeit sind, und aus Erfahrung kann ich sagen, das diese so am besten schützen.
Auch die Haltung der Füsse stimmt exakt mit der Realität überein, ebenso die weit vorgebeugte Stellung.

Gruoss
der Uhl
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hugo
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitrag von hugo »

Mit der Eingrenzung auf den Ango durch Xorx tendiere ich mehr in Richtung einer Szene aus dem "fränkischen" Bereich. Dank des von Beate eingestellten Bildes von Woldendorp mit den klar enkennbaren Schlaufen assoziierte ich spontan mit der byzantinischen Amtstracht, die von Franken und ihren Vasallen, sowie von den Awaren in unterschiedlicher Form übernommen wurde. Die Gürtel dürften sich von den Pteryges herleiten, auf die Hans schon tippte, und bestehen aus dem Leibriemen und einigen daran hängenden Nebenriemen die in Riemenzungen enden und daher archäologisch erfassbar sind. Hier kenn ich bairische und awarische Garnituren. http://univie.academia.edu/ElisabethNow ... ort_paper_
Das wär ein Beispiel mit weiterführender Literatur.
Damit sind wir heuristisch ein grosses Stück weiter gekommen und haben uns von der friesischen Tracht entfernt. Es geht doch nichts über "Schwarmintelligenz" :)
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Hans T.
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitrag von Hans T. »

Nun denn, auf ein Neues.... :wink:
Ich hab mir auf You Tube mal die 5 Filmchen zum Thema Friesische Krieger im Mittelalter, Teil 1 bis 5 von Michael Tegge angesehen. Herr Tegge hält die Szene für eine Art gerichtlicher Zweikampf und meint auch, die Gürtel seien die Ausstattung extra für diesen Zweikampf. Er führte mich zudem auf diese Spur, die Grabplatte von Eppo von Rinsumageest - jetzt fühl' ich mich schon eher zuhause, denn meine Kenntnis der Ausstattungen des 14. Jhd basiert mehr oder weniger auf der Auswertung von Grabplatten dieser Zeit (Spezialthema ist dabei ein bestimmter Panzertyp).

http://www.youtube.com/results?search_q ... l8j14l22l0.

http://depot.knaw.nl/4957/1/Epposteen.pdf

http://www.flickr.com/photos/sneuperdok ... hotostream

Der Friese normalisiert sich, wie man sieht. Er trägt zwar noch diesen Sprungspeer, ansonsten ist er dargestellt wie es in der ersten Hälfte des 14. Jhd mehr als üblich war. Ich denke, dass dieser Gürtelschlaufenrock möglicherweise wirklich eine spezielle Bewandnis für diese Art Duell hatte.

Eine biblische oder anderweitig kunsthistorische Paralle erschliesst sich mir einfach nicht. Ein Klassiker wäre zB Parzival und Feirefiz, aber das ist halt sowas von profan, dass ich mir eine Darstellung in der Kirche nicht vorstellen kann. Beliebt wären auch Kreuzzugsszenen, aber Saladin-Kämpfe werden beritten dargestellt, zT auch mit bestimmten Symbolen. Was "nordisches" wüsste ich jetzt auch nix passendes.
Letztlich ratlos in Nürnberg,
Hans
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Beate

Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitrag von Beate »

Hans T. hat geschrieben:
Der Friese normalisiert sich, wie man sieht.
Das habe ich auch festgestellt, nachdem ich heute alle Zweikampfszenen in den friesischen Kirchen mit Datierung rausgesucht habe.

Wandmalerei in Westerwijtwerd: erste Hälfte 14. Jhd.
in Woldendorp: ca. 1350
dito Den Andel: ca. 1350
http://lh3.ggpht.com/-32_P6Ph8A2M/TgGmI ... C00759.JPG

dann gibt es noch eine zweite Abbildung in Woldendorp: zweite Hälfte 15. Jhd.
> http://home.kpn.nl/ogroke2/woldendorp_15.htm

und Stedum: letztes Viertel 15. Jhd. http://home.kpn.nl/ogroke2/stedum_37.htm
da ist auch schlussendlich der Speer weg
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hugo
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitrag von hugo »

Das erklärt für mich noch immer nicht, warum nicht nur ein einheimischer Künstler im Ordal einen verbogenen Sprungspeer darstellt. Das weist auf die Bedeutung dieses Geschehens hin. Dass diese Frage Kunsthistoriker nicht beschäftigte, wundert mich. Es muss ein ganz bestimmter Zweikampf gewesen sein. grübel
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Hans T.
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitrag von Hans T. »

Aber nicht notwendigerweise eine Lokalhistorie. Selbst wenn es Roland gegen Ferragut wäre, könnte man es "einge-friesischt" haben, indem man es mit lokalen Merkmalen versah. Aber ich stochere mit der langen Stange im Nebel....
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hugo
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitrag von hugo »

Da die Darstellung von Westerwijtwerd die älteste ist, könnte sie als Vorlage für Woldendorp gedient haben. Der wichtige Hinweis von Gerald der Uhl auf die realitätsnahe Wiedergabe der Kampfstellung lässt darauf schliessen, dass der Künstler solche Zweikämpfe persönlich erlebt hatte. Trotz der comicartigen Wiedergabe arbeitete er das für ihn Wesentliche mit sicherem Strich heraus. Der "Schuppenrock" war für ihn offensichtlich wesentlich.
Der Künstler von Woldendorp verzichtete auf die Kampfhunde und deutete den ihm fremden Schuppenrock durch Gürtelschlaufen an. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass wir es mit einem "unfriesischen" Element zu tun haben.
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Fredewulf

Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitrag von Fredewulf »

Die frühmittelalterlichen Schuppenröcke können auch auf eine spätantike Bildtradition sein.

In karolingischer Buchmalerei wird der "Schuppenrock" oder Pteruges mit dem Muskelpanzer und antikisierten Helmen kombiniert.
Abbildung Karl der Kahle in der Vivian-Bibel:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?tit ... 0328112528
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Nils B.
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitrag von Nils B. »

Pteryges oder Pteruges hatte Hans schon eingangs der Diskussion ins Gespräch gebracht.
Es werden in der Vivian-Bibel offenbar auch wieder diese Helme dargestellt, die mich persönliche immer an die Helme der Thraex erinnern.
***
Germanisch depressiv und bisweilen leicht erkeltet
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