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RGZM Publikationen zur Ausstellung in Asparn/Zaya

Verfasst: 25.04.2007 13:32
von Martin Müllauer
Falko Daim (Hrsg.)
Heldengrab im Niemandsland. Ein frühungarischer Reiter aus Niederösterreich
Mosaiksteine, Forschungen am Römisch-Germanischen Zentralmuseum, Band 2 (Mainz 2006), 68 S., 78 meist farb. Abb., 16,50 ¤
ISBN 978-3-88467-101-6

Im Jahr 2000 wurde in Gnadendorf, nördlich von Wien, das Grab eines 14-18 jährigen Jünglings aus dem 10. Jahrhundert gefunden. Sein Gewand war mit Silbermünzen von einem Raubzug nach Italien verziert, neben ihm lag ein wertvoller Säbel, und zu seinen Füßen hatte man offenbar das Fell seines Pferdes mit Zaumzeug, Sattel und Steigbügeln deponiert. Obwohl der Knabe an einer unheilbaren Krankheit litt, war er offenbar ein gut trainierter Kämpfer. An einer der beiden Verletzungen, die am Skelett zu erkennen waren, dürfte er letztlich gestorben sein.

Eine Anzahl von Forscherinnen und Forschern aus unterschiedlichen Disziplinen haben sich mit dem Fund und den historischen Konsequenzen beschäftigt. Die aus dem Projekt entstandene Monographie (F. Daim / E. Lauermann [Hrsg.], Das frühungarischer Reitergrab von Gnadendorf [Niederösterreich]. Monogr. RGZM 64 [Mainz 2006] hat heftige Fachdiskussionen hervorgerufen und rasch zu weiteren Forschungen geführt.

Das aufwendig ausgestattete Werk fasst in mehreren Beiträgen die Forschungsergebnisse zum Grab von Gnadendorf sowie zum historisch-archäologischen Umfeld zusammen. Ein umfassender Artikel von Mechthild Schulze-Dörrlamm thematisiert darüber hinausgehend die archäologischen Belege für die frühungarischen Raubzüge in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts. Die lange Zeit fast unbesiegbaren Reiter gelangten bis nach Oberitalien, an die Atlantikküste und die heutige dänische Grenze, bis sie 955 vom Heeresaufgebot König Ottos I. auf dem Lechfeld bei Augsburg vernichtend geschlagen werden konnten.


Falko Daim, Ernst Lauermann
Das frühungarische Reitergrab von Gnadendorf (Niederösterreich)
Monographien des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz, Band 64 (Mainz 2006), VIII, 308 S., 197 Abb., 12 Farbtaf., 48 ¤
ISBN 978-3-88467-094-1

Das frühungarische Reitergrab von Gnadendorf ist aus verschiedenen Gründen außergewöhnlich. Zunächst die Lage, denn es wurde rund einen Tagesritt vom damaligen ungarischen Siedlungsgebiet entfernt angelegt. Weiters die bestattete Person: Das Grab enthielt das Skelett eines 14-jährigen, kampferfahrenen Jungen, der überdies an einer tückischen Krankheit litt, dem ?Klippel-Feil-Syndrom?. Drittens die vorzügliche Ausstattung: Der Tote trug ein wertvolles Seidengewand, an dem offenbar 10 Silbermünzen von einem Kriegszug nach Italien am Ende des 9. Jahrhunderts aufgenäht worden waren, dazu kam ein prächtiger, mit vergoldeten Silberbeschlägen verzierter Säbel, dessen Griff mit Rochen- oder Haifischhaut überzogen war. Neben dem Knaben fand man Schädel und Füße eine Pferdes, dazu Trense und Steigbügel sowie Reste einer Speisebeigabe: Pferdefleisch und dazu das passende Messer.

Das Grab wirft einige grundlegende Fragen auf, denn sämtliche Fundgegenstände scheinen lange in Gebrauch gewesen sein, sie sind stark berieben oder sogar repariert. Dazu kommen zwei 14C-Datierungen, die einen Bestattungszeitpunkt erst um 1000 ergeben haben. Wenn die naturwissenschaftlichen Datierungen zutreffen, warum hat man den Knaben weit weg von den ungarischen Siedlungen mit wertvollen aber teils sehr alten Sachen bestattet? Wenn man bedenkt, dass die Jahrtausendwende die Zeit einer vollkommenen Umstrukturierung des ungarischen Stämmebundes war, die zu einem ?modernen? mittelalterlichen Staat auf christlichen Grundlagen führte, könnte es sein, dass die Bestattung von Gnadendorf als Demonstration gegen die ?Verwestlichung? des früher so gefürchteten ungarischen Stämmebundes gedacht war.

Das vorliegende Buch enthält neben einer detaillierten Fundvorlage zahlreiche Studien, die ?den Fall Gnadendorf? aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten.