Hallo Losdana,
das ganze ist ein komplexes Thema, deshalb kann der Versuch einer Antwort nicht kurz und übersichtlich sein.
Ausserdem, ist alles was ich im folgenden wiedergebe, auch nur mein Kenntnissstand und damit keineswegs vollständig oder in jedem Detail überprüft.
Also:
Es wundert sicher jede/n, ob es sexuelle Interaktion bis hin zum genetischen Austausch zwischen den "Neanderthalern" und dem "Homo sapiens sapiens" gegeben hat.
Zum ersten Teil: Sex hatten sie wahrscheinlich bestimmt vermutlich
Im Ernst: Da gibt es natürlich keine Hinweise. Da bleibt Raum für Spekulation.
Wir können auch keine Analogieschlüsse mehr ziehen, weil wir ausser dieser Zeit keine Gelegenheit mehr hatten, unser Verhalten in Bezug auf die Lust auf andere Menschen anderer Art oder Gattung zu beobachten. Aber nun gut, ich persönlich gehe davon aus, dass es solche Kontakte gab. Ob freiwillig, unfreiwillig, erst nach nach einer durchzechten Nacht, mit oder ohne furchtbaren Schreck hinterher oder nicht, wer weiß es.
Jetzt zum biologischen.
Im Moment geht man davon aus, dass der N. wieder eine eigene Gattung ist, nicht nur eine Art des Homo sapiens. (Eine Art ist, was sich schart und paart...)
Deshalb jetzt wieder Homo neanderthalensis, nicht mehr, wie bis vor kurzem noch, Homo sapiens neanderthalensis. Ausschlaggebend dabei waren sicher die Ergebnisse der Genanalysen, die besagen, dass wir keine Neanderthaler-Gene mehr in uns haben.
Allerdings ist das rein gentechnisch im Detail noch zu überpüfen, da bislang nur ein bestimmtes Detail des Genes untersucht werden konnte, ein Teil, das nur über die weibliche Linie vererbt wird.
Nur Wesen oder Pflanzen derselben Art können zeugungsfähigen Nachwuchs zeugen.
Bei unterschiedlichen Gattungen ist manchmal eine Reproduktion möglich, allerdings sind diese Nachkommen selbst nicht mehr zeugungsfähig. Beispiele wären Maultiere oder Maulesel. Oder "Lötiger" oder "Tiwer", also Nachkommen von einer Löwen/Tigerpaarung.
Sie sind "gesund" und lebensfähig, können aber, wie gesagt, keine Nachkommen zeugen, weder untereinander, noch zusammen mit einer der Gattungen der Elternteile.
So - wenn der N. also eine eigene Gattung darstellt, wären u.U. eine erfolgreiche Zeugung möglich gewesen, diese Kinder hätten aber wieder keine eigenen Kinder haben können. Was ausserdem völlig unklar ist, wäre die Frage der dominanten Gene, also welche Merkmale sich wirklich weitervererbt hätten. Ein Kind ist ja kein Mischwesen seiner Eltern, bestimmte Gene dominieren immer. Wenn das nicht so wäre, würden wir heute nach 150.000 Jahren "moderner Mensch" ja alle gleich aussehen...
Was bislang fehlt, wäre der Beweis eines solchen Neanderthaler/Sapiens-Nachkommens. Es gibt tatsächlich einen Fund aus Spanien, ein Kind, wohl um 12 Jahre alt, dass im Fach als das Ergebnis einer erfolgreichen Reproduktion Neanderthaler/Sapiens diskutiert wird. Da ist allerdings das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Weil:
Was viel und oft, auch im Fach, unterschätzt wird, ist die Variationsbreite unserer Gattung.
Damit ist jetzt nicht mal der augenfällige äußere Unterschied eines "Kaukasiers" und eines "Negroiden" gemeint, sondern die Varianten, die z.B. innerhalb einer Bevölkerungsgruppe auftreten können.
Flache Wangenknochen, Oberaugenwülste, starke Körper etc. können und treten regelmäßig z.B. auch in der Bevölkerung unserer Breiten immer wieder auf.
Hier fehlen aber immer durchgängig die eigentlichen Neanderthalermerkmale:
Andere Zahnstellung bei den Kauzähnen, wesentlich kräftigere Unterkiefer, dickere Kochenwände und vor allem die andere Gestaltung des Gehirns (flache Vorderhirnlappen ).
Natürlich gibt es z.b. moderne Menschen mit "flacher Stirn" aber die haben eine "normale, durchschnittliche" Form der Vorderhirnlappen darunter. Es gibt welche mit großem Unterkiefer, die Zahnstellung ist aber "modern". Etc. Etc.
Das Problem der Variantenbreite ist übrigens eines der größten Probleme bei der Beurteilung vorgeschichtlicher Menschenfunde. Da werden und wurden immer wieder bestimmte Merkmale herangezogen, um eine eigene Art oder Gattung zu postulieren, ohne wirklich sicher zu sein, ob diese Merkmale nicht doch nur Varianten einer bereits bekannten Art/Gattung sind. Deshalb schwankt die wissenschaftliche Anzahl der Frühmenschenarten/gattungen immer wieder mal.
Kurz: Die modernen Menschen, die "Neanderthaler-Züge" ihr eigen nennen, sind einfach Varianten des modernen Menschen. Wirkliche Neanderthalermerkmale haben diese nicht.
Für die erfolgreiche Reproduktion von Neanderthalern/Sapiens fehlen die vorgeschichtlichen Hinweise. Diese sind allerdings sehr schwer zu erbringen, weil man nie wirklich sicher sein kann, ob diese vermuteten Gemeinsamkeiten für beide Gattungen nicht unter die Variantenbreite der jeweiligen Eltern-Gattung fallen. Also nur ein Mensch der einen Gattung vorliegt, dessen Variantenbreite aber denen der anderen Gattung ähnlich ist.
Ausserdem wissen wir nicht, welche Gene dominant gewesen wären, wir wissen also nicht, welche Merkmale also "sicher" darauf schließen lassen, das jetzt tatsächlich ein "Mischwesen" vorläge.
Bleibt also nur die Genetik. Und die sagt, dass wir keine Neanderthalergene in uns tragen, also keine erfolgreiche Reproduktion stattfand.
Was nicht ausschließbar ist, ist, dass sexuelle Kontakte bestanden, die u.U. zu, allerdings nicht wieder zeugungsfähigen Nachkommen, führten.
Was auch nicht auszuschließen ist, dass den afrikanischen Sapiens-Männer als sie um 45.000 in Europa eintrafen, das Verhalten der Neanderthaler besser gefiel, und sie sie heute sogar darin übertreffen, aber das wäre:
- ein anderes Thema
- vermutlich den Neanderthalern gegenüber rassistisch
Thomas