Seite 1 von 4
Beschusstests auf verschiedene Schilde
Verfasst: 01.11.2007 22:30
von Hans T.
Die nachfolgende Bilderserie stammt von Godehardt, der mich gebeten hat, die Bilder hier einzustellen. Ich hoffe, ich bringe sie in einer vernünftigen Reihenfolge. Ich bitte darum, sich mit Fragen und Kommentaren solange zurück zu halten, bis Godehardt selbst seinen Beitrag geliefert hat - danach dann 'Pfeil los!' ( Feuer frei sagen die immer bloss in Hollywood-Filmen...).
Grüße
Hans
Bild1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
Verfasst: 02.11.2007 09:21
von Godehardt
Hans,
vielen Dank, dass Du die Bilder eingestellt hast. Alle gezeigten Schilde wurden mit dem in den unteren Abbildungen wiedergegeben "skythischen" Bogen beschossen (Holz, mit Sehne beschichtet, etwa 22 kp Zuggewicht bei 60 cm Auszug, von der Innenkante des Bogens aus gemessen). Die drei Bilder zeigen den Bogen mit abgespannter Sehne, dann mit aufgespannter Sehne und zuletzt unter vollem Auszug. Sehr schön ist zu sehen, wie die Bogensehne auch bei vollem Auszug gerade noch auf der Innenseite der Recurve aufliegt. Durch die lang geschwungene Recurve wird eine Kraft-Weg-Kurve erzeugt, die noch etwas besser ist als die bei den Kompositbögen, die eine kleinere Rekurve haben (ein solcher Bogen ist zusammen mit diesem an anderer Stelle in diesem Forum abgebildet). Die mit Sehnen belegten Holzbögen sowie ein türkischer Kompositbogen wurden von Wolfgang Schwerk gebaut, die skythischen Kompositbögen von Michael Bittl.
Oie Schutzfunktion der Pelte gegen Beschuss kann man vergessen, wie die obersten Bilder (runder Schild) zeigen. Der mit Haut belegte Holzschild (12 mm Plankendicke, oben und unten je ein Querriegel) schlug sich nicht schlecht, nach einer größeren Zahl an Treffern bricht aber ein Teil des Holzes aus, und die Pfeile können tief eindringen. Das Scutum ist besser, aber auch hier können Pfeile ziemlich tief eindringen, wenn die Struktur des Sperrholzverbandes unter Dauerbeschuss zerstört wird. Der Rohrschild (sehr leicht gebaut, unsere Version hatte keine Rohre oben und unten quer zu den anderen Rohren. sondern nur Leder zur Stabilisierung) leidet weniger bei Dauerbeschuss als die anderen Schildtypen. Hier drangen die Pfeile auch in der letzten Runde nicht tiefer ein als in der ersten. Dabei wurden zwischen 30 und 50 Pfeile auf jeden Schild geschossen. Die Pelten und Rohrschilde wurden von Michael Bittl gefertigt, die Holzschilde von Harrie Jacobs, und die Scuta stammen aus der Werkstatt eines Mitglieds der Gladiatorengruppe von Marcus Junkelmann.
Insgesamt wurden bei jedem Schildtyp Pfeile mit zehn verschiedenen Spitzentypen verwendet, fünf aus Stahl und fünf aus Bronze. Alle Stahlspitzen hatten Dorne, nur der skythische Typ der Bronzespitzen hatte eine Tülle, die anderen auch Dorne. Alle Schäfte wurden direkt hinter den Spitzen gewickelt und die Wicklungen mit Teer geglättet. Deshalb findet Ihr bei der verschiedenen Schilden auch verschiedene Pfeilspitzen. Es war mir etwas zu aufwändig, zu jedem Schild für die Darstellung hier Bilder mit allen Spitzen auszusuchen. Es soll ja auch jetzt erst einmal ein ersten Eindruck von unseren Versuchen gegeben werden. Die Stahlspitzen wurden alle von Uli Stehli geschmiedet, mit dem ich auch einen regen Erfahrungsaustausch über eine römische Speerschleuder hatte, die er gebaut hat.
Die Versuche konnten nur durchgeführt werden, weil die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Kosten für die Schilde, die Pfeile, die Nachbauten einiger Bögen und für die technische Ausrüstung sowie die Mitarbeit eines Historikers (Hans Michael Schellenberg) übernommen hat. Somit stehen uns auch für weitere Experimente insbesondere eine Anlage zur Bestimmung der Geschwindigkeiten und eine weitere zur elektronischen Aufzeichnung der Kraft-Weg-Kurven der Bögen zur Verfügung. Schießen und treffen müssen wir allerdings noch selbst, ebenso die Eindringtiefe der Pfeile messen.
Wir werden mit dieser Ausrüstung unsere Verschuche fortsetzen. Gerade laufen die ersten Versuche mit Nachbauten antiker griechischer Bögen an.
Viele Grüße,
Erhard
Verfasst: 02.11.2007 09:49
von Kreti
Echt hochinteressantes Projekt! Alle Achtung!
Habt ihr es schonmal mit einem Bronzeüberzogenem Schild probiert?
Welches Schild hat den Pfeilen am längsten wiederstanden?
Ach ja habe einen Tipp von meinem "Leder-Menschen" den ich gestern darauf angesprochen habe (ich nenn ihn wirklich so
) :
Nimm erst das Weidengeflecht ,zieh Rohhaut drüber,dann eine dünne Holzplatte drauf und wieder Rohhaut beiden drüber und befestigen.
Dann kann man noch Leder drüberziehen.
Wenn man es nicht zu dick macht, ist es eine sehr solide Konstruktion.
Vielen Dank
Schöne Grüße
Verfasst: 02.11.2007 11:33
von C. Koepfer
Das scutum entspricht in keiner Weise des Originalfunden bzw. Quellen, und kann in dieser Form nur Falsche ergebnisse lieferen, sorry. LEDERbezug ist völlig falsch, siehe Polybios, bzw. Dura Europos. Ist der aus Streifen oder aus Platten gefertigt, und aus was für einem Holz?
Aus was für einem Holz ist denn der Plankenschild? Fichte?
Verfasst: 02.11.2007 12:40
von Kreti
C. Koepfer hat geschrieben: Ist der aus Streifen oder aus Platten gefertigt, und aus was für einem Holz?
Streifen, Esche und Buche
Schöne Grüße
Verfasst: 02.11.2007 12:44
von Godehardt
Die Scuta bestehen aus mehreren Lagen von 2mm starkem Holzleisten; sie sind mit Ziegenhaut überzogen. Herr Junkelmann hat mir versichert, dass die Scuta nach einem Vorbild hergestellt wurden; nach seiner Auskunft orientierte sich der Hersteller an einem Fund in Ägypten (Fayum). Die Gesamtstärke beträgt etwa 12 mm. Bisher habe ich kein Scutum zerlegt (ihm die Haut abgezogen), um nachzusehen, ob es sich um Holzstreifen handelt.
Die Holzschilde bestehen aus Kiefernleisten. Wir haben zwei Typen, einer wurde mit Rohhaut überzogen, ein zweiter mit Leinen. Die Verklebung erfolgte mit Hautleim. Die Dicke der Bohlen beträgt etwa 12 mm. Die Haut bzw. der Leinenbezug ist noch mit Nägeln am Rand fixiert. Bisher wurden nur mit Rohhaut bezogene Holzschilde beschossen.
Für die geflochtenen Rundschilde (Pelten) haben wir keine Funde ausmachen können. Deshalb haben wir uns auf die einfache geflochtene Version mit einem Überzug aus Hirschrohhaut geeinigt. Dass sie so viel schlechter ist als ein Rohrschild, das hat uns sehr überrascht. Warum sollten wir einen derart komplizierten Aufbau wie von Dir, Kreti, vorgeschlagen nehmen, wenn es auch einfacher geht? Nimm zwei "Scheiben" Bison-Nackenhaut, erhitze sie über einem heißen Stein und verleime sie gegeneinander mit Hautleim. Dann erhältst Du einen etwa 2-3 cm starken, sehr starren Schild, der nicht einmal eine Holzscheibe als Träger in der Mitte braucht. An dem prallen Pfeile ab. Um den Rand kann man noch eine Einfassung aus dickem Leder oder aus Bronze machen, um vor Hieben geschützt zu sein.
Das größte Problem bei Pelte und Rohrschild ist der Schutz des Unterarms und der haltenden Hand; hier haben die Träger bestimmt ein dickes Lederkissen eingeplant, man hat jedoch bisher keinen Fund. Von späteren türkischen geflochtenen Rundschilden ist die Schutzvorrichtung jedoch bekannt.
Zum Aspis: Wenn ich das mit Bronze beschlagene in den Händen halte, wird auch auf Bronze geschossen.
Viele Grüße,
Erhard
Verfasst: 02.11.2007 14:04
von C. Koepfer
Die Scuta bestehen aus mehreren Lagen von 2mm starkem Holzleisten; sie sind mit Ziegenhaut überzogen. Herr Junkelmann hat mir versichert, dass die Scuta nach einem Vorbild hergestellt wurden; nach seiner Auskunft orientierte sich der Hersteller an einem Fund in Ägypten (Fayum). Die Gesamtstärke beträgt etwa 12 mm. Bisher habe ich kein Scutum zerlegt (ihm die Haut abgezogen), um nachzusehen, ob es sich um Holzstreifen handelt.
Wenn die Schilde so gebaut sind, wie die in "Die Legionen des Augustus", dann sind sie grundweg falsch. Herr Junkelmann hat sich seinen Aussagen in seiner Literatur zu Folge nicht besonders intensiv mit dem Schildaufbau beschäftigt, und hsl. generalisierte bzw. falsche Schlußfolgerungen gezogen. Der Teufel steckt hier im Detail. Ein ordentlich rekonstruiertes scutum hat völlig andere Eigenschaften, als so ein falsch reproduzierter Schild, wie von Junkelmann z.B. beim Alpenmarsch verwendet wurde.
Fichtenholz ist bei einem Versuchsaufbau über die Widerstandsfähigkeit von Schilden auch nicht gerade sinnvoll, da Fichtenholz aufgrund seiner Eigenschaften im Schildbau nicht besonders beliebt war. Zumindest sagt das das Fundmaterial.
Verfasst: 02.11.2007 14:19
von Godehardt
Zum Holzschild (mit Rohhaut oder Leinen überzogen): Ich schrieb "Kiefer" nicht "Fichte"!
Zum Scutum: Es besteht aus fünf Schichten quer zueinander verleimter 2 mm starker Holzleisten, auf der Innenseite mit einem Geviert aus schmalen Holzleisten verstärkt. Welches Holz genommen wurde, habe ich nicht gefragt (leider), ich habe mich darauf verlassen, dass die Bauweise korrekt war. Was kann man denn da so falsch machen, dass die Eindringtiefen beeinflusst werden? Die Wahl des Holzes ist sicher ein Faktor. Wie wichtig ist er überhaupt (wenn man nicht gerade Balsaholz wählt)? Du schreibst von einem großen Einfluss der Bauweise: Kannst Du mir da Untersucheungen nennen, in denen dieser Einfluss auf die Eindringtiefe der Pfeile untersucht wurde?
Viele Grüße
Verfasst: 02.11.2007 14:41
von C. Koepfer
Oh, ja sorry. Aber die Kiefer ist auch nicht viel anders diesbezüglich. Die Holzwahl macht bei den Schilden einen großen Unterschied, auch die Wahl des Klebstoffes. Die Bespannung ist auch von großer Bedeutung. Leder ist - bis auf ein diesbezüglich fragwürdiges Stück aus Dura Europos - nicht nachgewiesen. Siehe hierzu Simon James? Excavation Report. Das Problem ist, daß die meisten der Leute, die sich mit den Funden beschäftigt haben, offenbar den Unterschied zwischen Leder und Rohhaut überhaupt nicht kannten. Untersuchungen dazu gibt es nicht wirklich (außer unpublizierten von Matt Lukes - mit merkwürdigen Tests). Allerdings sind die Eigenschaften der verschiedenen Hölzer von jedem Schreiner zu erfahren - es gibt da sehr große Unterschiede.
Für einen fünfschichtigen Schild gibt es übrigens keine Befunde. Die Schilde die man kennt, bestehen ausnahmslos aus drei Schichten.
p.s.: ich schreibe zwischen Tür und Angel, also jetzt nicht gleich alles auf die Goldwaage legen, ich muss dann, wenn ich a bisserl mehr Zeit hab, nochmal genauer antworten..
Verfasst: 02.11.2007 14:41
von Kreti
Godehardt hat geschrieben: Warum sollten wir einen derart komplizierten Aufbau wie von Dir, Kreti, vorgeschlagen nehmen, wenn es auch einfacher geht? Nimm zwei "Scheiben" Bison-Nackenhaut, erhitze sie über einem heißen Stein und verleime sie gegeneinander mit Hautleim. Dann erhältst Du einen etwa 2-3 cm starken, sehr starren Schild, der nicht einmal eine Holzscheibe als Träger in der Mitte braucht. An dem prallen Pfeile ab. Um den Rand kann man noch eine Einfassung aus dickem Leder oder aus Bronze machen, um vor Hieben geschützt zu sein.
Hast du einen solchen Schild gebaut?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass an 2 Schichten Bison-Nackenhaut und dem Weidengeflecht, Pfeile abprallen.
Außerdem ist es nicht wiklich authentisch.Mögliche andere Haut?
Vielen Dank
Schöne Grüße
Verfasst: 02.11.2007 14:48
von C. Koepfer
Achso, ich möchte noch auf meinen Artikel über Schilde in der aktuellen Ausgabe des Ancient Warfare Magazine und in den kommenden Ausgaben hinweisen. Da steht mehr dazu.
Verfasst: 02.11.2007 16:51
von Hans T.
Christian, ich werde aus deinen Bemerkungen aber auch nicht schlau. Es liest sich ja, als wären die 1985er Schilde von Junkelmann aus Pappe oder sowas. Was genau ist denn falsch..? Der Schild aus dem Fayum ist dem Vernehmen nach aus Birke, aber mangels Auffindbarkeit des Originals muss man dieser Aussage aus der alten Publikation in der Germania glauben schenken. Was den Überzug anbelangt....sind die Dura-Schilder überhaupt bespannt (die runden), mit was ist das Scutum bespannt? Was macht den Unterschied mit der Rohhaut so prickelnd? Wäre nicht eher die Schichtanzahl und der interne Aufbau, also Art des Komposits und die Klebstoffe viel interessanter als ob die aüßerste Schicht Haut oder Leder ist?
H
Verfasst: 02.11.2007 21:17
von Chris
jetzt so mal klugscheißernd als gelernter Buchbinder:
Rohhaut > Leder macht einen großen Unterschied....
Rohhaut ist getrocknete und damit harte und zähe Tierhaut
Leder ist gegerbt, die Fasern sind extra weich gemacht (gestollt), es ist flexibel und durchlässig
eine Lederbespannung macht also, im Gegensatz zur Bespannung mit Rohhaut, kein entscheidendes Plus in punkto Beschußfestigkeit
Verfasst: 02.11.2007 21:37
von Steve Lenz
eine Lederbespannung macht also, im Gegensatz zur Bespannung mit Rohhaut, kein entscheidendes Plus in punkto Beschußfestigkeit
Kann man ebensowenig pauschalisieren, Chris. Heissgewachstes Leder wirkt durchaus!
Verfasst: 02.11.2007 21:38
von Hans T.
Chris, keine Sorge, ich verwechsel' Rohhaut schon nicht mit Leder. Ich hab nur immer folgendes angenommen: Die Bespannung verhindert ausschließlich das Zersplittern des Holzes. Zudem sorgt die Kompositwirkung ( Telefonbucheffekt) für eine grössere Stabilität. Ich hab ja gefragt, ob der Unterschied zwischen Rohhaut und Leder beim Pfeilbeschuss tatsächlich so prickelnd ist. Das Ganze wird ja nicht solo beschossen, also nur Leder oder nur Haut. Es ist geklebt.
Wenn diese Rohhaut den Schild so unverwundbar macht, weshalb gibts dann soviele Schilde mit nix drauf oder mit Leinen und Gips?
H