Hassloch: Suche nach bandkeramischen Dorf
Verfasst: 27.02.2008 12:13
Habe heute einen interessanten Artikel in der Rheinpfalz Lokalteil Neustadt an der Weinstraße gefunden... Bei uns is doch wat los
Artikel:
?Eine Scherbe erzählt so viel wie ein ganzer Topf"
HASSLOCH: Bei den Ausgrabungen in der Weisengasse suchen Studenten nach Resten des bandkeramischen Dorfs
Von unserem Redakteur
Gerd-Uwe Haas
?Wir graben den Müll der Vorzeit aus", lacht die Archäologin Dr. Andrea Zeeb-Lanz. In ihrer Hand dreht sie den Rest ein kleines Steinbeils, das irgendwann vor 7000 Jahren vielleicht kaputtgegangen ist und weggeworfen wurde. Bei den Ausgrabungsarbeiten im Bereich der Weisengasse ist es jetzt wieder ans Tageslicht gekommen, zusammen mit vielen anderen Funden, die einen kleinen Einblick in das Leben der frühen Ackerbauern geben.
Emsig schaufeln junge Leute Erdreich in die bereitstehenden Schubkarren, andere transportieren den Aushub an den Rand der Ausgrabungsfläche, wo er sich bereits hoch auftürmt. Die rund 30 Studenten der Universität Heidelberg nehmen an einer Lehrgrabung teil, um nach aller Theorie die praktische Seite der Archäologie kennenzulernen. Am östlichen Ende der Weisengasse suchen sie seit etwa zwei Wochen nach Spuren des bandkeramischen Dorfes, das im sechsten Jahrtausend vor Christus dort einmal bestanden hat.
Dass sich unter der Ackerkrume Siedlungsspuren der frühen Bauern verbergen, deren Kultur wegen der charakteristischen Verzierung ihrer Gefäße ?bandkeramisch" genannt wird, ist der modernen Luftbildarchäologie zu verdanken. Prof. Joseph Maran von der Uni Heidelberg erklärt am Rand der Ausgrabungsfläche, wie sie funktioniert: Getreide reagiert auf alles, was sich im Boden befindet, so beispielsweise auf verfüllte Stellen, die dann aus luftiger Höhe betrachtet für den Fachmann dunkler erscheinen. Das Luftbild der östlichen Weisengasse wies darauf hin, dass vor tausenden von Jahren dort ?Langhäuser" von 20 bis 50 Metern Länge und sechs bis acht Metern Breite bestanden haben müssen, in denen die frühen Ackerbauern gelebt haben. Vermutlich standen aber nicht alle Häuser des Haßlocher bandkeramischen Dorfes, die immer in nordwestlich/südöstlicher Richtung ausgerichtet waren, zur selben Zeit. Um sie zu errichten, rammten die frühen Häuslebauer drei parallele Pfostenreihen in die Erde, deren äußere mit Weidengeflecht verfüllt wurden.
Erdboden lag einst ein Stück höher
Die organischen Materialien sind natürlich im Verlauf der letzten 7000 Jahre den Weg alles Irdischen gegangen. Geblieben sind aber die Spuren der Häusergräben im Boden, die freilich nur der Fachmann an leichten Verfärbungen erkennt - und Reste von steinernen Werkzeugen und keramischen Gefäßen, die damals in Abfallgruben landeten, wenn sie nicht mehr gebraucht wurden oder kaputt waren.
?Eine Scherbe erzählt dem Archäologen soviel wie ein ganzer Topf", erklärt Dr. Andrea Zeeb-Lanz von der Generaldirektion Kulturelles Erbe, Direktion Archäologie Speyer. Dr. Carsten Casselmann und Dr. Roland Prien, die örtlichen Grabungsleiter, zeigen ein Beispiel dafür, das die Studenten gerade gefunden haben: die Scherbe eines Gefäßes, die den typischen verzierten Rand aufweist und sich deshalb als Zeugnis der Bandkeramik aus der Zeit etwa zwischen 5300 und 4950 vor Christus datieren lässt.
Die Ausgrabungsfläche ist gespickt mit Nadeln, die Nummernschilder tragen: Jede einzelne von ihnen kennzeichnet eine Stelle, an der ein Fund gemacht wurde. Ob geschliffenes steinernes Handwerkszeug, Tonscherbe, Knochen oder Pfeilspitze: Alle Zeugnisse der Vergangenheit werden genau dokumentiert, gezeichnet, vermessen, fotografiert und beschrieben, bevor sie gewaschen werden und zur sachgerechten Aufbewahrung nach Speyer kommen.
Der Laie mag sich um die Fundstücke im Boden sorgen, wenn er die Studenten mit Schaufeln zu Werke gehen sieht. Prof. Maran aber beruhigt: Auf diesem Bodenniveau besteht noch keine Gefahr, etwas zu zerstören. Je tiefer aber gegraben wird, umso vorsichtiger müssen die Archäologen vorgehen, und umso feiner werden ihre Werkzeuge. Vor 7000 Jahren, erläutert er, befand sich der Erdboden noch ein ganzes Stück höher. Die Erosion hat dafür gesorgt, dass heute sicherlich 20 oder 30 Zentimeter gegenüber damals fehlen. Gegraben wird also in einer Tiefe, die weit unter dem damaligen Fußboden der Häuser liegt. Deshalb wurde ein solcher aus bandkeramischer Zeit noch nie gefunden - der ?Traum jedes Archäologen" bleibt dies trotzdem, sagt Maran.
Was die fleißigen Studenten in der Weisengasse zu Tage fördern, erlaubt nur einen Blick in einen Ausschnitt des Lebens jener frühen Ackerbauern, erläutert Zeeb-Lanz. Vieles über ihre Zeit ist noch unbekannt, und nur Bruchstücke weiß man von ihrer geistigen Welt. Erstaunlich finden die Archäologen, dass die damaligen Menschen offenbar genau wussten, wo sich die fruchtbarsten Böden befanden und sich eine Ansiedlung also lohnte.
Die Erforschung des bandkeramischen Dorfes wird nach Ansicht der Fachleute noch Jahre in Anspruch nehmen. Die Uni Heidelberg würde die Zusammenarbeit mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe gerne fortsetzen. Beide Seiten freuen sich über die Vorteile: Die Studenten lernen das Ausgraben, und den Speyerer Archäologen bietet sich die Chance zu einer Forschungsgrabung, die - vor allem mit diesem personellen Aufwand - nicht finanzierbar wäre. Erfreulich ist aus ihrer Sicht auch die Unterstützung durch die Gemeinde und den Landwirt Werner Löchner, dem der Acker mit dem hochinteressanten Untergrund gehört.
Bei der jetzigen sechswöchigen Ausgrabung - die zweite nach 2004 - hoffen die Archäologen, in den vorzeitlichen Gruben und Gräben weitere interessante Funde zu machen. Nur eines sicher nicht: Gold und Silber - schließlich geht es um die Jungsteinzeit. Das sagen sie ganz bewusst, denn illegale ?Schatzsucher" sind immer wieder ärgerliche Begleiterscheinungen von Ausgrabungen. In der Weisengasse gibt es in dieser Hinsicht nichts zu holen. Wertvoll - für die Archäologen - sind nur die kaum sichtbaren Spuren, die beim Begehen der Fläche zerstört werden können.
Artikel:
?Eine Scherbe erzählt so viel wie ein ganzer Topf"
HASSLOCH: Bei den Ausgrabungen in der Weisengasse suchen Studenten nach Resten des bandkeramischen Dorfs
Von unserem Redakteur
Gerd-Uwe Haas
?Wir graben den Müll der Vorzeit aus", lacht die Archäologin Dr. Andrea Zeeb-Lanz. In ihrer Hand dreht sie den Rest ein kleines Steinbeils, das irgendwann vor 7000 Jahren vielleicht kaputtgegangen ist und weggeworfen wurde. Bei den Ausgrabungsarbeiten im Bereich der Weisengasse ist es jetzt wieder ans Tageslicht gekommen, zusammen mit vielen anderen Funden, die einen kleinen Einblick in das Leben der frühen Ackerbauern geben.
Emsig schaufeln junge Leute Erdreich in die bereitstehenden Schubkarren, andere transportieren den Aushub an den Rand der Ausgrabungsfläche, wo er sich bereits hoch auftürmt. Die rund 30 Studenten der Universität Heidelberg nehmen an einer Lehrgrabung teil, um nach aller Theorie die praktische Seite der Archäologie kennenzulernen. Am östlichen Ende der Weisengasse suchen sie seit etwa zwei Wochen nach Spuren des bandkeramischen Dorfes, das im sechsten Jahrtausend vor Christus dort einmal bestanden hat.
Dass sich unter der Ackerkrume Siedlungsspuren der frühen Bauern verbergen, deren Kultur wegen der charakteristischen Verzierung ihrer Gefäße ?bandkeramisch" genannt wird, ist der modernen Luftbildarchäologie zu verdanken. Prof. Joseph Maran von der Uni Heidelberg erklärt am Rand der Ausgrabungsfläche, wie sie funktioniert: Getreide reagiert auf alles, was sich im Boden befindet, so beispielsweise auf verfüllte Stellen, die dann aus luftiger Höhe betrachtet für den Fachmann dunkler erscheinen. Das Luftbild der östlichen Weisengasse wies darauf hin, dass vor tausenden von Jahren dort ?Langhäuser" von 20 bis 50 Metern Länge und sechs bis acht Metern Breite bestanden haben müssen, in denen die frühen Ackerbauern gelebt haben. Vermutlich standen aber nicht alle Häuser des Haßlocher bandkeramischen Dorfes, die immer in nordwestlich/südöstlicher Richtung ausgerichtet waren, zur selben Zeit. Um sie zu errichten, rammten die frühen Häuslebauer drei parallele Pfostenreihen in die Erde, deren äußere mit Weidengeflecht verfüllt wurden.
Erdboden lag einst ein Stück höher
Die organischen Materialien sind natürlich im Verlauf der letzten 7000 Jahre den Weg alles Irdischen gegangen. Geblieben sind aber die Spuren der Häusergräben im Boden, die freilich nur der Fachmann an leichten Verfärbungen erkennt - und Reste von steinernen Werkzeugen und keramischen Gefäßen, die damals in Abfallgruben landeten, wenn sie nicht mehr gebraucht wurden oder kaputt waren.
?Eine Scherbe erzählt dem Archäologen soviel wie ein ganzer Topf", erklärt Dr. Andrea Zeeb-Lanz von der Generaldirektion Kulturelles Erbe, Direktion Archäologie Speyer. Dr. Carsten Casselmann und Dr. Roland Prien, die örtlichen Grabungsleiter, zeigen ein Beispiel dafür, das die Studenten gerade gefunden haben: die Scherbe eines Gefäßes, die den typischen verzierten Rand aufweist und sich deshalb als Zeugnis der Bandkeramik aus der Zeit etwa zwischen 5300 und 4950 vor Christus datieren lässt.
Die Ausgrabungsfläche ist gespickt mit Nadeln, die Nummernschilder tragen: Jede einzelne von ihnen kennzeichnet eine Stelle, an der ein Fund gemacht wurde. Ob geschliffenes steinernes Handwerkszeug, Tonscherbe, Knochen oder Pfeilspitze: Alle Zeugnisse der Vergangenheit werden genau dokumentiert, gezeichnet, vermessen, fotografiert und beschrieben, bevor sie gewaschen werden und zur sachgerechten Aufbewahrung nach Speyer kommen.
Der Laie mag sich um die Fundstücke im Boden sorgen, wenn er die Studenten mit Schaufeln zu Werke gehen sieht. Prof. Maran aber beruhigt: Auf diesem Bodenniveau besteht noch keine Gefahr, etwas zu zerstören. Je tiefer aber gegraben wird, umso vorsichtiger müssen die Archäologen vorgehen, und umso feiner werden ihre Werkzeuge. Vor 7000 Jahren, erläutert er, befand sich der Erdboden noch ein ganzes Stück höher. Die Erosion hat dafür gesorgt, dass heute sicherlich 20 oder 30 Zentimeter gegenüber damals fehlen. Gegraben wird also in einer Tiefe, die weit unter dem damaligen Fußboden der Häuser liegt. Deshalb wurde ein solcher aus bandkeramischer Zeit noch nie gefunden - der ?Traum jedes Archäologen" bleibt dies trotzdem, sagt Maran.
Was die fleißigen Studenten in der Weisengasse zu Tage fördern, erlaubt nur einen Blick in einen Ausschnitt des Lebens jener frühen Ackerbauern, erläutert Zeeb-Lanz. Vieles über ihre Zeit ist noch unbekannt, und nur Bruchstücke weiß man von ihrer geistigen Welt. Erstaunlich finden die Archäologen, dass die damaligen Menschen offenbar genau wussten, wo sich die fruchtbarsten Böden befanden und sich eine Ansiedlung also lohnte.
Die Erforschung des bandkeramischen Dorfes wird nach Ansicht der Fachleute noch Jahre in Anspruch nehmen. Die Uni Heidelberg würde die Zusammenarbeit mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe gerne fortsetzen. Beide Seiten freuen sich über die Vorteile: Die Studenten lernen das Ausgraben, und den Speyerer Archäologen bietet sich die Chance zu einer Forschungsgrabung, die - vor allem mit diesem personellen Aufwand - nicht finanzierbar wäre. Erfreulich ist aus ihrer Sicht auch die Unterstützung durch die Gemeinde und den Landwirt Werner Löchner, dem der Acker mit dem hochinteressanten Untergrund gehört.
Bei der jetzigen sechswöchigen Ausgrabung - die zweite nach 2004 - hoffen die Archäologen, in den vorzeitlichen Gruben und Gräben weitere interessante Funde zu machen. Nur eines sicher nicht: Gold und Silber - schließlich geht es um die Jungsteinzeit. Das sagen sie ganz bewusst, denn illegale ?Schatzsucher" sind immer wieder ärgerliche Begleiterscheinungen von Ausgrabungen. In der Weisengasse gibt es in dieser Hinsicht nichts zu holen. Wertvoll - für die Archäologen - sind nur die kaum sichtbaren Spuren, die beim Begehen der Fläche zerstört werden können.