Strickliesel aus der Kaiserzeit (?)
Verfasst: 11.04.2008 18:42
Falls es hier doch nicht paßt, bitte verschieben.
In der Porta hatten wir mal einen Thread zu ur- und frühgeschichtlichen Stricklieseln. Die Beiträge finden sich nun hier:
http://www.swalin.de/blog/?page_id=119
Soeben fand ich einen Artikel über den Fund aus Serbitz in Sachsen, in dem sich kritisch zu der auch hier vertretenen Deutung als Strickliesel geäußert wird. Ich werde mal versuchen herauszubekommen, wer die AutorInnen sind und mit ihnen Kontakt aufnehmen. Vermutlich war es Ulf Ickerodt, dann könnten unsere Hamburger ja mal direkt nachfragen.
http://www.archsax.sachsen.de/lmv/conte ... Screen.htm
Fund des Monats Juni 2005
Ein kaiserzeitliches "Strickliesel" aus Serbitz?
Bei archäologischen Untersuchungen in Serbitz (Kr. Delitzsch) stießen die Ausgräber kürzlich auf einen kleinen Gegenstand, dessen Funktion fraglich ist: Es handelt sich um ein kleines, hockerförmiges Tonobjekt mit vier Füßchen und einem kleinen, zentralen, runden Loch. Eines der insgesamt vier Füßchen ist abgebrochen. Im Jahr 1950 wird in einer archäologischen Schriftenreihe über einen ähnlich konstruierten - allerdings doppelt so großen - Gegenstand aus dem vorgeschichtlichen Museum der Universität Jena berichtet. Die zu diesem Fundstück angestellten Überlegungen kommen zu dem Ergebnis, dass es sich hier um einen auch noch heute - vorwiegend von Kindern - genutzten Gegenstand, nämlich um ein Strickliesel handelt.
Diese noch heute beliebte Handarbeitstechnik geht auf eine lange Tradition zurück, wie einige archäologische Hinterlassenschaften beweisen. Aus feinen Gold- oder Silberdrähten sind seit der Antike die sogenannten "Fuchsschwanzketten" hergestellt worden. Das den "Strickliesel-Kordeln" identische Erscheinungsbild und die verblüffende Gleichmäßigkeit dieser Ketten legen nahe, dass sie nicht frei Hand gearbeitet worden sind, sondern ein "strickliese-lähnliches" Hilfsmittel benutzt wurde. An dem in unserer Restaurierungswerkstatt hergestellten und um das abgebrochene Füßchen ergänzten Abguss des Serbitzer Fundstückes konnte ausprobiert werden, ob hierfür auch eine Interpretation als Strickliesel schlüssig ist. Fest steht: es funktioniert, wenn auch nicht gut, denn:
1. sind die Füßchen zu kurz und ihre leicht nach außen geneigte Form lässt die Fäden leicht herunterrutschen,
2. ermöglicht die relative Dicke der Füßchen nur das Knüpfen sehr großer und somit lockerer Maschen und
3. ist das Löchlein für den durchzuziehenden Wulst sehr eng, so dass nur dünnes Material mit der maximalen Stärke unseres Probefadens hätte verarbeitet werden können.
Auch spricht die Größe des Gegenstandes gegen ein effektives Arbeiten von erwachsenen Händen. All diese im Versuch festgestellten Fakten sprechen eher gegen eine Verwendung als Strickliesel des in der römischen Kaiserzeit hergestellten Gegenstandes aus Serbitz. Eine plausible Erklärung für die Verwendung dieses unscheinbaren Objektes lässt sich beim momentanen Wissensstand allerdings auch nicht finden. - Manchmal muss die Archäologie eben auch Ratlosigkeit eingestehen!
In der Porta hatten wir mal einen Thread zu ur- und frühgeschichtlichen Stricklieseln. Die Beiträge finden sich nun hier:
http://www.swalin.de/blog/?page_id=119
Soeben fand ich einen Artikel über den Fund aus Serbitz in Sachsen, in dem sich kritisch zu der auch hier vertretenen Deutung als Strickliesel geäußert wird. Ich werde mal versuchen herauszubekommen, wer die AutorInnen sind und mit ihnen Kontakt aufnehmen. Vermutlich war es Ulf Ickerodt, dann könnten unsere Hamburger ja mal direkt nachfragen.
http://www.archsax.sachsen.de/lmv/conte ... Screen.htm
Fund des Monats Juni 2005
Ein kaiserzeitliches "Strickliesel" aus Serbitz?
Bei archäologischen Untersuchungen in Serbitz (Kr. Delitzsch) stießen die Ausgräber kürzlich auf einen kleinen Gegenstand, dessen Funktion fraglich ist: Es handelt sich um ein kleines, hockerförmiges Tonobjekt mit vier Füßchen und einem kleinen, zentralen, runden Loch. Eines der insgesamt vier Füßchen ist abgebrochen. Im Jahr 1950 wird in einer archäologischen Schriftenreihe über einen ähnlich konstruierten - allerdings doppelt so großen - Gegenstand aus dem vorgeschichtlichen Museum der Universität Jena berichtet. Die zu diesem Fundstück angestellten Überlegungen kommen zu dem Ergebnis, dass es sich hier um einen auch noch heute - vorwiegend von Kindern - genutzten Gegenstand, nämlich um ein Strickliesel handelt.
Diese noch heute beliebte Handarbeitstechnik geht auf eine lange Tradition zurück, wie einige archäologische Hinterlassenschaften beweisen. Aus feinen Gold- oder Silberdrähten sind seit der Antike die sogenannten "Fuchsschwanzketten" hergestellt worden. Das den "Strickliesel-Kordeln" identische Erscheinungsbild und die verblüffende Gleichmäßigkeit dieser Ketten legen nahe, dass sie nicht frei Hand gearbeitet worden sind, sondern ein "strickliese-lähnliches" Hilfsmittel benutzt wurde. An dem in unserer Restaurierungswerkstatt hergestellten und um das abgebrochene Füßchen ergänzten Abguss des Serbitzer Fundstückes konnte ausprobiert werden, ob hierfür auch eine Interpretation als Strickliesel schlüssig ist. Fest steht: es funktioniert, wenn auch nicht gut, denn:
1. sind die Füßchen zu kurz und ihre leicht nach außen geneigte Form lässt die Fäden leicht herunterrutschen,
2. ermöglicht die relative Dicke der Füßchen nur das Knüpfen sehr großer und somit lockerer Maschen und
3. ist das Löchlein für den durchzuziehenden Wulst sehr eng, so dass nur dünnes Material mit der maximalen Stärke unseres Probefadens hätte verarbeitet werden können.
Auch spricht die Größe des Gegenstandes gegen ein effektives Arbeiten von erwachsenen Händen. All diese im Versuch festgestellten Fakten sprechen eher gegen eine Verwendung als Strickliesel des in der römischen Kaiserzeit hergestellten Gegenstandes aus Serbitz. Eine plausible Erklärung für die Verwendung dieses unscheinbaren Objektes lässt sich beim momentanen Wissensstand allerdings auch nicht finden. - Manchmal muss die Archäologie eben auch Ratlosigkeit eingestehen!