Seite 1 von 2
Verfasst: 22.04.2008 20:42
von Blaubär
Das ist das Problem. Ich hab keine Ahnung wie die Schnalle und der Rahmen im Grab lagen. Die in situ-Zeichnung ist so klein gehalten, das man nix erkennt. Ein schwarzer Blob mit 3-10 für den Tascheninhalt. Ich tendiere ja fast auch zu der These Deckelbeschlag. Allerdings irritiert mich hierbei die "umgedrehte" Lage der Schnalle in der Reko und den sonstigen Zeichnungen. Sind somit mein einziges Indiz für die Lage im Grab. Auch bin ich am überlegen, ob die Schnalle angenäht oder mit kleinen Eisennieten befestigt war. Den von Spuren ist keine Rede. Die Reko von Herrn Christlein ist ja eigentlich recht schlüssig, bis auf die fehlenden Nietlöcher zwischen Reko und Fundzeichnung (an der linken Seite), und eines anderen Rekovorschlags der mich am Verstand des Herren zweifeln läßt (siehe Foto).
Grüße
Blaubär
Verfasst: 22.04.2008 21:29
von Fredewulf
Zum merkwürdigen Küchenmesser:
Einen quasi gleichen Fund gibt es auch aus meinem Heimatdorf in Hessen um 700.
Ausgräber Sippel veröffentlichte 1989in "Die frühmittelalterlichen Grabfunde in Nordhessen" auch ähnliche Rekonstruktion und noch eine weitere, wo der Ring am Kopf hängt.
Er nennt es ein Messer zur Fleisch- bzw Lederverarbeitung, um Fleischreste von der Haut zu schaben. (Ich selbst hab keine Ahnung von dem Handwerk.)
Mein Freund und Helfer Wikipedia meldet sowas hier als Gerbermesser:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Gerber.jpg
Ähnlichkeiten mit der vermeintlich wirreren Konstruktion sind, glaube ich, recht deutlich.
Verfasst: 23.04.2008 06:37
von Chris
ich hab den Teil zum "Küchen- / Gerbermesser" abgetrennt und hierher verschoben, damit es kein Kuddelmuddel im Taschen-Thema gibt...
zurück zum Messer:
ja, jein, aber...
das modernere Gerbermesser ist gebogen (wichtig!) und in der Breite an den Gerberbaum angepasst...
bei dem Metallteil (wahrscheinlich ja das einzig gefundene Teil) kann es sich genauso um eine Flachsbreche handeln - eine typische Beigabe in merowingerzeitlichen Frauengräbern...
ich nehme mal an, der Fund stammt aus einem Frauengrab, Blaubär? deshalb die Bezeichnung "Küchenmesser" ?
Verfasst: 23.04.2008 06:52
von Blaubär
Also das solte nur ein Beispiel sein, dass ich den Reko-Vorschlägen des Herrn nicht zwangsläufig glauben schenke. Er spricht dieses Messer als Küchenmesser an. Meiner Meinung nach dann aber nur für dünne Sachen zum schneiden geeignet. Das witzigen an der Sache: Es gibt keinen Fund im ganzen Gräberfeld Wo man eine derartig geformte Klinge und/oder einen Ring in Bezug finden würde. Alle Messer, sowohl Männer als auch Frauen, sind mit einer Angel versehen. Im Text schweigt er sich darüber aus, wie, was warum er diese Reko eingefügt hat.
Grüße
Blaubär
PS: Wir können aber ruhig über Sinn und Unsinn solch einer Reko reden.
Verfasst: 23.04.2008 07:14
von Chris
Blaubär hat geschrieben:Das witzige an der Sache: Es gibt keinen Fund im ganzen Gräberfeld Wo man eine derartig geformte Klinge und/oder einen Ring in Bezug finden würde. Alle Messer, sowohl Männer als auch Frauen, sind mit einer Angel versehen. Im Text schweigt er sich darüber aus, wie, was warum er diese Reko eingefügt hat.
auweia......
Verfasst: 23.04.2008 16:22
von Fredewulf
Das mit der Flachsbreche klingt ja auch ganz nett.
Ich vergas zu erwähnen, dass das hessische "Messer" in einem reich ausgestatteten "fürstlichen" Doppelgrab lag. Sämtlicher Schmuck der Frau ist aus Gold teilweise mit Edelsteinen.
Die Idee, dass sich elitäre Damen mit solch unreinem Handwerk abgeben, war mit ohnehin schleierhaft.
Vielleicht handelt es sich um eine Flachsbreche, die aus Gründen der Nobilität ähnlich den Webschwertern unsinnigerweise aus Eisen besteht.
Verfasst: 23.04.2008 17:44
von Bridget
Fredewulf hat geschrieben:Das mit der Flachsbreche klingt ja auch ganz nett.
Ich vergas zu erwähnen, dass das hessische "Messer" in einem reich ausgestatteten "fürstlichen" Doppelgrab lag. Sämtlicher Schmuck der Frau ist aus Gold teilweise mit Edelsteinen.
Die Idee, dass sich elitäre Damen mit solch unreinem Handwerk abgeben, war mit ohnehin schleierhaft.
Vielleicht handelt es sich um eine Flachsbreche, die aus Gründen der Nobilität ähnlich den Webschwertern unsinnigerweise aus Eisen besteht.
Hmm,
so aus der hohlen Hand und der Küchenpraxis raus.
Der zweigriffige Rekovorschlag erinnert mich an ein Kräutermesser.
Die sind meistens zwar gebogen als Wiegemesser.
Funktionieren aber auch mit gerader Klinge.
Denke da jetzt nicht nur an Speisenwürzung sondern auch an den Heilbereich.
Nur so eine Idee die mir gerade durch den Kopf gespukt ist...
LG
Verfasst: 23.04.2008 17:52
von Steve Lenz
Ist das definitiv als Messer/ Klinge erkennbar gewesen? Kann es ein Kamm sein, durch Korrosion in der eigentlichen Kontur verschleiert?
Verfasst: 23.04.2008 18:45
von Blaubär
Ich kann`s wirklich nicht sagen. Er spricht von einer Küchenmesserrekonstruktion, aber ich finde rein gar nichts was sich in Form einigermaßen als diese Klinge herausstellen könnte. Auch finde ich keine Holzreste zu dem Griff oder irgendwelche Ringe die ihn verleitet haben könnten daraus ein Messer zu rekonstruieren.
Grüße
Blaubär
Verfasst: 24.04.2008 07:27
von Chris
@Fredewulf
Die Flachsbrechen in reichen merowingerzeitlichen Frauengräbern sind immer aus Eisen
Verfasst: 24.04.2008 13:11
von Claudia
Man kann sich sicherlich streiten, ob man für eine Flachsbreche unbedingt Eisen braucht. Das hängt bestimmt damit zusammen, wie eine Flachsbreche damals konstruiert war.
Aber Webschwerter waren nicht "unsinnigerweise" aus Eisen, sondern aus gutem Grund: Ein eisernes Webschwert kann relativ schmal gestaltet werden und hat durch das höhere Gewicht aufgrund des Materials doch "mehr Wumms" als Holz. Ausserdem nutzt es sich halt nicht so leicht ab. Es gibt auch aus späteren Zeiten (teilweise sogar aus der Neuzeit aus Skandinavien) eiserne Webschwerter. In Skandinavien gab es auch häufig Webschwerter aus Walknochen. Auch da trifft zu "schlank und höheres Gewicht als Holz". Das heisst natürlich nicht, dass Holz unbrauchbar wäre - aber ein eisernes Webschwert hat durchaus funktionelle Vorteile.
Verfasst: 24.04.2008 22:59
von Aulus
HA! Ich weis was! Geht in die Richtung Web"schwert".
Ich hab diese Woche mit einer Bekannten disskutiert und dabei sind wir auf einen ähnlichen Fund gekommen, da ist wohl sogar noch was vom Holz erhalten. Und was ist deren Deutung (wohlgemerkt die Dame hat Textilhistorisch richtig was drauf): Ein Anschlag beim Weben von Aufziehkanten für einen Webstuhl. Diese Kanten werden wohl wie mit Brettchen (oder gar damit, weis nimmer) gemacht, jedenfalls hat sie gesagt das man dazu ein schweres Gerät braucht um den Schußfaden richtig festzuklopfen. Und dazu ist sowas (in einer allderings leicht anderen Rekonstruktion als dem Bild vom Blaubär) mehr als gut geeignet.
Also, ich hab sowas ja auch immer für eine Flachsbreche gehalten. Seit dem Gespräch aber nimmer!
Verfasst: 25.04.2008 08:01
von Bullenwächter
@ Blaubär
Lag das Messer in einem Männer- oder Frauengrab?
Verfasst: 25.04.2008 09:25
von Chris
@ Aulus:
um eine Anfangskante (mit oder ohne Brettchen) stabil zu weben, d.h. fest anzuschlagen, braucht man wirklich kein Metall - ein einfaches kleines "Webschwert" aus Holz oder Knochen tuts, das feste "Anschlagen" macht die Technik, nicht das Gerät...
für Gewebe am Hochwebstuhl ist allerdings ein möglichst schweres, dabei aber dünnes Webschwert wichtig
mich würd wirklich interessieren, was genau Deine Bekannte gemeint hat - vielleicht meinte sie ja was anderes als ich??
Verfasst: 25.04.2008 11:24
von Blaubär
@Bullenwächter: Es lag niergendwo!!! Es gibt in dem ganzen Gräberfeld nicht ein einziges Fragment, dass auf diese Reko schliessen lassen würde.