Seite 1 von 3

Der "Trinkhorn-Mythos"

Verfasst: 17.05.2008 15:32
von Faenwulf
Wusste jetzt nicht genau wohin damit, dachte mir aber, es passt hier wohl noch am besten.

Ich denke, jeder kennt das Phänomen der Trinkhorn tragenden "Darsteller" auf einem MA-Markt. Ja, ich gehöre auch dazu, aber auch nur, weil icheben keine Lust auf den Tonbecher-Pfand hab'.

Die Frage lautet aber eher, woher kommt diese Vorstellung, dass alle Germanen aus einem Horn trinken? Ist das reine Hllywood-Vorstellung oder gibt es da irgendwelche Grabfunde als rituelles Trinkgefäß?
Habe nur mal etwas gelesen, dass die existenz germanischer ("Wikinger") Siedlungen in Grönland mit Trinkhornfunden bewiesen wurde.

Kann mich jemand aufklären?

Verfasst: 17.05.2008 16:18
von Fredewulf
Nun der Mythos kommt tatsächlich daher, dass solche Hörner tatsächlich gefunden und nicht nur im Zusammenhang mit Germanen.
Von einem Horn bleiben aber wenn überhaupt nur die Metallbeschläge und Spitzen übrig, es sei denn es sind ganz aus Metall oder Glas gefertigt.

Ob die Hörner nun "rituell" waren oder nicht, läst heute kaum feststellen. Auf jeden Fall sind sie ziemlich unpraktisch. :twisted:

Verfasst: 17.05.2008 16:45
von Nika E.S.
Ne weile lang wurde alles was man so in Deutschland gefunden hat als 'germanisch' bezeichnet, das kannst du dir ja evtl. vorstellen.
Tatsächlich hat man z.B. im Grab des Hochdorfer 'Fürsten' ein ganzes Set aus Trinkhörnern gefunden, allerdings wurde das '78 ausgegraben und ist daher nicht ausschlaggebend für die 'germanische' Interpretation.

Bild
Bild
Quelle: http://home.bawue.de

In Skythischen und Thrakischen Raum gibt es auch immer wieder Trinkhornähnliches allerdings aus Edelmetallen...

...und des Rest zu diesem Image haben wahrscheinlich der Historismus und diverse Filme heuzutage getan...
vgl. Wikinger und Hörnerhelme...

Lass dir lieber einen schönen Nuppenbecher, Sturzbecher oder Kumpf oder sowas machen, oder irgendwas anderes für das es Funde gibt, wenn du dir das Pfand sparen willst. :)

Verfasst: 17.05.2008 19:14
von Fredewulf
Natürlich ist Caesar wieder an am allem Schuld. Allein auf Grund der Verbreitung als Schullektüre. :twisted:
Im sechsten Buch findet sich dem der berühmten Beschreibung mutmaßlicher germanischer Elchjagdmethoden eine Beschreibung des Auerochsen, seiner Hörner und ihrer Benutzung durch die Germanen.
Eine dritte Art heißt Auerochsen. Dieses sind etwas kleiner als Elefanten und haben das Aussehen, die Farbe und Gestalt von Stieren...
Die Spannweite ihrer Hörner sowie der Aussehen und Gestalt unterscheiden sie sich sehr von den Hörner anderer Rinder. Die Einheimischen sammeln sie eifrig, fassen den Rand in Silber und gebrauchen sie bei feierlichen Gastmählern als Pokale
Caesars Beschreibung ist eindeutig: Es handelt sich nicht um ein alltägliches Trinkgefäß sondern um quasi "Festtagsgeschirr".
Das Stichwort Silber allein verweist schon in die Oberschicht. Da Auerochsen aber nur zwei Hörner haben und damals wahrscheinlich auch nicht hinter jedem Baum warteten, mitunter schon selten waren..., waren wahrscheinlich schon die bloßen Hörner des Auerochsen wertvoll.

Der Nachweis für unbeschlagene Hörner fehlt also achäologisch wie literarisch.
Tatsächlich gibt es allein in Nordhessen zwei Funde aus Caesars Jahrhundert, die als bronzene Trinkhornenden gedeutet werden. Könnten natürlich genauso die Spitzen von Pickelhauben sonst irgendwas sein, die nur in Anlehnung an Caesars Bellum Gallicum als Trinkhörner gedeutet wurden.
Aus spätantiker Zeit gibt es aber tatsächlich die Funde von ganzen Hörnern, allerdings komplett aus Glas.

Ein Hinweis auch das soziale Umfeld der Trinkhornkultur gibt vielleicht auch ein Ausflug in die Renessaince. Damals galt ein großes Trinkhorn als schicke Tischdekoration der fürstlichen Tafel, die nur noch durch Pokale aus Straußeneiern, Nautilus-Gehäusen und Nashorn übertrumpft werden konnte.

Verfasst: 17.05.2008 20:23
von Nika E.S.
1627 ist der letzte Auerochse in Polen gestorben... zu Caesars Zeiten dürfte er noch häufiger gewesen sein...

Verfasst: 17.05.2008 21:35
von XorX
Schöne Trinkhornbeschläge aus germanischem ( eigentlich anglisch / sächsisch ) Zusammenhang sind im Grabkomplex von Sutton Hoo / East Anglia / GB enthalten

XorX

Verfasst: 18.05.2008 09:27
von Nils B.
Das von Xorx angesprochene Horn aus Sutton Hoo ist tatsächlich ein äußerst prunkvolles Stück und dürfte seinerzeit bereits einen außergewöhnlichen Wert gehabt haben. Eine Nutzung als ritueller Gegenstand liegt, meiner Anischt nach, nahe.
Aus dem fränkischen Frühmittelalter ist mir noch mindestens ein hornförmiges Gefäß aus Glas bekannt, habe aber gerade nicht die Detils hierzu parat.
Ein goldenes Zierplättchen aus dem Kul Oba-Kurgan zeigt zwei Skythen bei einer Verbrüderungsszene, welche zusammen aus einem Horn trinken.
Dies wirkt in der Darstellung tatächlich wie ein echtes Horn und kein Rhyton. Allerdings handelt es sich bei der Szene selbst offenbar um eine, bereits von Herodot beschriebene kultische Handlung, welche eventuell die Verwendung eines echten Tierhorns bedingt.
Die, von Ferro angesprochenen Rhytone selbst (hornförmige, oft äußerst kunstvoll gestaltete Gefäße aus Edelmetall) dienten eventuell noch nicht einmal direkt als Trinkgefäß, sondern als Portionierer, aus denen nachgeschenkt wurde. So legt es zumindet die thrakische Abbildung des Silen auf einer silbernen Vase aus dem Schatz von Russe nahe, welcher augenscheinlich dabei ist, mit großer Geste aus einem detailliert dargestellten Rhyton mit Greifen-Dekoration in eine kleine Phiale nachzuschenken.

Verfasst: 18.05.2008 09:46
von Fridolin
Bild vom merowingerzeitlichen Trinkhorn aus Salz bei Bad Neustadt:
http://www.landschaftsmuseum.de/Bilder/ ... Salz-2.jpg

PS: Um Missverständnissen vorzubeugen: Das Trinkhorn ist aus Glas, der Fundort ist "Salz"...

Verfasst: 18.05.2008 10:14
von Fredewulf
Die prunkvollsten Hörner germanischen Ursprungs sind allerdings die leider eingeschmolzenen Goldhörner von Gallehus:
http://de.wikipedia.org/wiki/Goldh%C3%B ... n_Gallehus
Raffiniert ist natürlich der Schraubverschluss am Hornende, so hat man gleichzeitig auch noch ein Signalhorn. :twisted:

Verfasst: 18.05.2008 10:23
von Nils B.
Wobei man sich bei diesen beiden Stücken ob ihrer Authentizität leider nicht wirklich sicher sein kann :?

Verfasst: 18.05.2008 14:55
von Faenwulf
V.E. Jell hat geschrieben:Ne weile lang wurde alles was man so in Deutschland gefunden hat als 'germanisch' bezeichnet, das kannst du dir ja evtl. vorstellen.
Aber auch nur eventuell... ;)
V.E. Jell hat geschrieben: Lass dir lieber einen schönen Nuppenbecher, Sturzbecher oder Kumpf oder sowas machen, oder irgendwas anderes für das es Funde gibt, wenn du dir das Pfand sparen willst. :)
Kommt noch, kommt noch. Gibt nur zur zeit wichtigeres ;)


Ansonsten vielen dank für die Antworten. Dachte mir so etwas um den Dreh schon, dass es zwar Trinkhörner gab, die aber nur "aufgebauscht" wurden.

Verfasst: 19.05.2008 08:14
von S. Crumbach
"WO BLEIBT DAS TRINKHORN ???
Das Trinkhorn ist eine Art Lieblingskind des modernen Keltenbildes, des halb sollen an dieser Stelle ein kurzer Absatz zu Trinkhörnern nicht fehlen.
Obwohl die Erforschung des historischen Prozesses noch aussteht, muss davon ausgegangen werden, dass die Sitte aus kostbar verzierten Hörnern zu trinken durch griechische Vermittlung zu den ?frühen Kelten? gelangt ist (Krauße-Steinberger 1992). Ausgehend von Ionien verbreitetet sich in der 1. Hälfte des 6. Jahrh. V. Chr. Eine regelrechte Trinkhornmode in Griechenland und Italien, spätestens 550 vor Chr. Fand das Trinkhorn Eingang in die Etruskischen Symposien. Auf zahlreichen Vasengemälden aus dieser Zeit sind hinter den Klinen der Zecher große Trinkhörner an der Wand aufgehängt ? eine Parallele zur Befundsituation für das Fürstengrab Hochdorf/Enz. An der Wand der Grabkammer waren 8 verziert Hornscheiden vermutlich vom Auerochsen aufgehängt, sowie ein weiteres Horn aus Eisen mit Goldverzierungen. Zu diesem Stück sind bisher keine Parallelen bekannt. (Biel 1998).
Trinkhornbeschläge sind regelhaft in reichen frühlatenezeitlichen Bestattungen nachgewiesen. In allen Fällen waren die Beschläge auf die Hornscheiden von Auerochsen montiert, für die ein Fassungsvermögen von ca. 2,0 bis 2,5 Liter angenommen wird. Nachweise in einfachen Bestattungen fanden sich nicht. Die ?Trinkhorn-Mode? verschwindet mit dm 4. Jahrh. Vor Chr. Im keltischen Raum. Vereinzelte Trinkhornbeschläge auch Gräbern und Siedlungen, datiert in die letzten Jahrzehnte vor Chr., gehen vermutlich auf germanische Anregungen rück. (Krause-Steinberger 1992)."

Zitiert aus Bunte Tuche - gleißendes Metall

Vielleicht hilft das erstmal weiter ....

Verfasst: 19.05.2008 08:44
von Chris
Trinkhörner gibt es auch noch nach den erwähnten aus der Merowingerzeit - in skandinavischen Gräbern des Frühmittelalters liegen sie in reichen FRAUEN-Gräber vor... soviel (etwas off-period) zu Wikingern mit Trinkhörnern *hüstel*

die "germanischen" und "keltischen" Funde sind übrigens NICHT dazu da, sie an den Gürtel zu hängen, dafür gibt es wirklich keine Belege! viele haben aber Metallbestandteile von Schulterriemen...

Verfasst: 20.05.2008 08:21
von Thomas Trauner
Zitat:
"Nachweise in einfachen Bestattungen fanden sich nicht."

Nicht gaaanz richtig. Aus dem Landkreis Weißenburg (südwestliches Mittelfranken) sind aus einem recht "einfachen" HaD Grab zwei tönerne Trinkhörner bekannt. Fassungsvermögen etwa wie eine heutige größere Tasse (Mug). Publiziert bei Mathias Hoppe "Die Hallstattzeit in Mittelfranken"
Sie sind aus rot brennendem Ton, die Lippe ist nach außen gewölbt, ähnlich einer modernen Teetasse (was das trinken sehr angenehm macht), die "Spitze" eingerollt. An der der "Spitze" sind sie mit Riefen verziert, der Körper mit fingerbreiten Streifen, die sich um das Gefäß herumziehen.
Nein, leider kein elektrisches Bild vorhanden :?

Datieren, wenn ich mich recht entsinne, nach Ha D1/2. Ob männliche oder weibliche Bestattung weiß ich nicht auswendig, das Buch ist in der NHG z.Zt. ausgeliehen :roll:

Thomas

Verfasst: 20.05.2008 08:36
von R. Schumann
Kleine ERgänzung :-)
Die Trinkhörner sind aus Polsingen. Leider aus einer Grabung spätes 19. Jh (1882) und der Befund ist leider nicht eindeutig, da mehrere Bestattungen - sowohl älterhallstattzeitlich, als auch jügerhallstattzeitlich - freigelegt wurden, also das übliche Problem der Hallstattzeit

Bild
(nach M.Hoppe, Grabfunde der Hallstattzeit in Mittelfranken. Materialh. Bayer. Vorgesch. A 55 (Kallmünz 1986) Taf. 145, 1-2.)

MfG