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Welcher bogen hat die höhere durchschlagskraft

Verfasst: 30.12.2005 11:58
von FaethorFerenczy
Heilsa.
Mein freund und ich streiten uns schon geraume zeit über mongolische reiterbögen und englische langbögen. Im wesentlichen geht es um die durchschlagskraft, wobei ich der meinung bin das die beinverstärkten reflexbögen der mongolen viel effizienter sind als die englischen. Er behauptet das genaue gegenteil, das die englischen die höhere durchschlagskraft haben. Es sind ja hier einige leute die ne menge ahnung von bögen haben, vielleicht könnt ihr ein bisschen licht ins dunkel bringen und die diskussion beenden.
Ina

Verfasst: 30.12.2005 12:15
von Steve Lenz
Könnten wir schon:

Aber beide Bogentypen gehören eigentlich nicht (mehr) in die hier behandelten Zeitstellungen! :idea: 8)

Bitte frag?mal bei www.fletchers-corner.de an, dies ist für solcherlei Belange die Adresse.

Wenn?s einzig um die Unterschiede zwischen dem Lang- und dem Reflexbogentyp unter Weglassung der Kulturen und Zeitstellungen geht, so gib Ferro und mir etwas Zeit:

Sie hat seit gestern eine Rekonstruktion eines skythischen Bogens zur Hand und ich besitze einen Holmegard-Langbogen. Wir können mal gucken, wie die sich jeweils bei gleichem Zielmaterial verhalten.

Sowas ist halt immer vom Auszugsgewicht, der Auszugslänge, der Pfeillänge und -gewicht sowie von der Bewehrung des Pfeils und der Widerstandsfähigkeit des Zielmaterials abhängig.

Beide Bogentypen sind schwierig zu vergleichen, weil man mit verschiedenen Pfeiltypen schießen muss! :idea:

Verfasst: 30.12.2005 15:04
von FaethorFerenczy
Es geht ausschließlich um die bogen. Die zeitstellung und die Völker sind bei der diskussion vollkommen unwichtig.

Verfasst: 31.12.2005 02:05
von Giraut
Sowas ist extrem schwierig zu beurteilen. Ich habe hier zum Beispiel u.a. einen japanischen Bogen (Yumi), der sehr "leicht" ist, gerade mal 20 Pfund Zuggewicht. Dennoch ist sein Durchschlagskraft auf kürzere Distanzen größer als die von wesentlich stärkeren Longbows.
Ich weiß nicht wirklich, woran das liegt, ob es der stabilere Flug des Pfeils ist, die spezielle Schießweise, die eben sehr exakt ist, die große Pfeillämge oder was auch immer.
Einfach nur die Schusskarft abzumessen reicht jedenfalls nicht zur Gesamtbewertung der Durchschlagskraft. Es kommt da eben auf sehr sehr viele Dinge an, von denen dies nur ein Teilaspekt darstellt.

Vergleich

Verfasst: 02.01.2006 12:53
von Trebron
Ich schieße sowohl moderne Langbögen, als auch moderne Reiterbögen und "selbstgebaute aller Art".
Ich weiß nicht welche Bögen ihr habt, die ihr vergleichen wollt.

Prinzipiell kann man sagen, dass der Bogen die größere Durchschlagskraft hat, welcher den GLEICHEN Pfeil, bei GLEICHEM Auszug mit der HÖHEREN Geschwindigkeit ins Zielmedium bringt.

Dabei spielt es keine Rolle welche Art von Bogen benutzt wird.

Bei gleichem Auszuggewicht auf zum Beispiel 28 Zoll, wird ein Bogen mit Recurves ( egal ob statisch oder arbeitend ) den GLEICHEN Pfeil höher beschleunigen !
Die alte Formel: Masse x Geschwindigkeit = Auftreffenergie= Durchschlagskraft

Das kann auch bedeuten, dass ein schwerer Pfeil, von einem schwächeren Bogen geschossen, eine höhere Durchschlagskraft auf eine bestimmte Entfernung hat,
als ein leichter Pfeil von einem etwas stärkeren Bogen geschossen !

Alles andere = Äpfel mit Birnen vergleichen

Trebron

Verfasst: 18.01.2006 18:28
von Mongol
@Giraut

Beim Japanischen Bogenschießen kommt 2/3 der Power von der korrekten Schußtechnik.

@all
Die prinzipielle Bauweise eines englischen Langbogens ist schon sehr alt - der Ötzi hatte auch einen Bogenrohling dabei, der schon sehr danach aussah.

Ebenso sind Hornkompositbögen bei (nomadisch lebenden) Reitervölkern (z.B. Skythen, Mongolen, Turkvölker, Awaren etc) auch seit je her verbreitet, weil man halt aus dem Material, was einem zur Verfügung stand, das beste gebaut hat.

Wie Trebron schon sagte: das entscheidene für die Durchlagskraft eines Pfeils sind Masse, Geschwindigkeit und Spitzenform = Auftreff-Fläche (je kleiner desto aua)

meine 2 ct

Verfasst: 15.02.2006 21:14
von nacanina
@Fethor...
ich denke ihr habt beide recht.
Der Compsitbogen ist auf Effizienz ausgelegt (hohe Pfeilgeschwindigkeit von rel. leichten Pfeilen) und der HolzLB ist auf niedrige Pfeilgeschwindigkeiten bei hoher Pfeilmasse ausgelegt. Die errechnete Energie kann durchaus gleich sein- die tatsächliche Eindringtiefe ist aber eher von der Pfeilmasse abhängig.

Entscheidend ist aber m. E., dass ein Vergleichsschießen dich in die irre führen wird: Schießt du mit leichten Pfeilen, gewinnt der Composit, mit schweren der Holzbogen. Mit mittelschweren Pfeilen wirst du keinem der beiden Typen gerecht.

Du kannst das näherungsweise auch ohne Compositbogen ausprobieren: Nimm einen leichten bis mittelschweren Jagdrecurve (sagen wir zwischen 20 und 40 lbs). Schieß diesen mit leichten Pfeilen (Alu,...): wudnerbares Schießen, flache Flugbahn, hohe Pfeilgeschwindigkeit.
Mit einem schweren Pfeil geht gar nichts.

Verfasst: 27.10.2008 12:45
von Trebron
Der Fred ist zwar uralt, aber das nachfolgende gehört da rein, denke ich.
Interessant vor allem für `ömer - Fraktion :D

Zur Schutzwirkung römischer Panzerung des 1. Jh. n.Chr. gegenüber Pfeilbeschuß im Experiment.

http://www.milites-bedenses.de/Schutz.htm

Möglicherweise ist dieser Artikel schon einigen bekannt, mit Sicherheit aber nicht Allen.

Gruß

Trebron

Verfasst: 27.10.2008 13:38
von Thomas Trauner
Jetzt bin ich mal furchtbar destruktiv..die Ausgangsfrage erinnert mich an: "Wer ist stärker: Batman oder Darth Vader ?"
Ich kann?s eigentlich nicht mehr hören. Ich geb?s zu, dass ist destruktiv...

Norbert hat?s doch schon gesagt. Masse x Geschwindigkeit = Auftreffwucht. Ob und was der Pfeil jetzt durchschlägt hängt von der Spitzenform und dem beschossenen Medium ab.
Das sind jetzt schon 4 Variablen....

Den Reiterbogen gibt es, weil damit bei gleicher Schußkraft der Bogen kürzer ist. Demnach ist er besser dazu geeignet, vom Pferd aus benutzt zu werden.
Der Langbogen ist bei gleicher Schußkraft länger und schießt sich "weicher", da längere Hebelarme.
Man kann beide Bogenformen so konstruieren, dass sie bei gleichem Schützen und gleichen Pfeilen dasselbe Ergebniss liefern.

Diese ewigen "besser/schlechter/höher/weiter" Diskussionen im Bogenbau.... :roll: :roll:


Grantig in Nürnberg
Thomas
grmmpfgllllgrmpf.

Verfasst: 27.10.2008 14:21
von Trebron
[quote="Thomas Trauner"]Jetzt bin ich mal furchtbar destruktiv..die

Grantig in Nürnberg
Thomas
grmmpfgllllgrmpf.[/quote]

Hallo Thomas,

nicht grummelig sein, ich denke der Artikel geht SPEZIELL auf die Schutzwirkung der römischen Rüstungen ein. Mit Beispielen verschiedener Spitzen. Die Bogenform ist hier nicht von Bedeutung.

Ich habs nur in den alten Thread eingestellt, weil ich keinen anderen passenden gefunden habe und weil es wegen der "Durchschlagsleistung der Spitzen" eher hier hin gepasst hat.

Beruhigende Grüße aus Haßloch
:wink:
Trebron

Verfasst: 27.10.2008 16:17
von ulfr
Mongol hat geschrieben: Die prinzipielle Bauweise eines englischen Langbogens ist schon sehr alt - der Ötzi hatte auch einen Bogenrohling dabei, der schon sehr danach aussah.
Bisschen spät, aber:

No, Sir! Einzige Gemeinsamkeit: Material Eibe und die Länge. Der Ötzibogen hatte keinen Splint mehr auf dem Rücken, ohne Splint würde ein Engländer nie funktionieren. Das liegt am D-förmigen Querschnitt, beim Engländer bildet der gerade Strich des D den Rücken. Bei diesem Profil muss der Splint als dehnbare äußere Lage wirken, Prinzip Blattfeder. Der Ötzibogen hatte ein rundes Profil bzw. war der Rücken leicht gewölbt, das ist auch ohne Splint machbar.

ULFR

Verfasst: 27.10.2008 16:54
von nacanina
Hi Thomas,
Deine Formel ist nicht ganz richtig:
E = 1/2 x m x v²
E = kinetische Energie
m = Masse
v = Geschwindigkeit

Daraus folgt, dass die Geschwindigkeit im Quadrat eingeht. D. h. leichte, schnelle Pfeile (Reiterbogen) sind rechnerisch im Vorteil.
Daraus folgt aber nicht, dass Auftreffwucht / Eindringtiefe besser / größer ist!
Das ist eine Frage der Zielballistik. Und da lässt sich sagen, dass bei Pfeilen wie bei Geschossen schwerere Projektile eine im Vergleich höhere Eindringtiefe haben.

Verfasst: 27.10.2008 19:40
von TZH
Ulfr, nee, ne? :-) Wirklich? Ich weiss, das die Bögen aus der Jungsteinzeit und Kupferzeit eine, von englischen Langbogen gesehen, umgedrehte Querschnitt hatten, aber die hatten ein dünne Linie Splint in der Mitte (Jürgen Junkmanns: Pfeil und Bogen), oder?

Ich sah aucch eine frühe Doku über Ötzi mit H. Paulsen, er sagte da, all die Ötzi-Bögen die er ohne Splintholz angefertigt hat, sind gebrochen.

Andererseits habe ich schon funktionierenden Osagebögen mit 1 cm dicken Splintholz gesehen, es kann also bestimmt umgekehrt mit Eibe gehen.

Viele Grüsse:

Zoltán

Verfasst: 27.10.2008 23:26
von ulfr
Zoltan, der Ötzibogen hat (den bisherigen Untersuchungen zufolge) auf dem Rücken keinen Splintanteil. Ich schieße einen solchen Bogen seit ein paar Jahren, wobei das endgültige Design, das ich gewählt habe, dem Ötzibogen ja nur bedingt entsprechen kann, weil dieser ja ein Rohling war. Bisher ist er nicht gebrochen - gut, er hat nicht viel mehr als 30 lbs. Mehr haben aber wohl viele neolithische Bögen nicht gehabt, und vielfach wurde der Splint entfernt.
Das neolithische Design unterscheidet sich eben darin von dem der Engländer, denen ja auch aufgrund der verbesserten Werkzeuge viel dickere Stämme zur Verfügung standen, die es eben ermöglichten, starke Bögen mit ausgeprägten D-Profilen zu bauen.

ULFR

Verfasst: 28.10.2008 12:26
von Thomas Trauner
@ Norbert - mir gings nur im die Anfangsfrage, gar nicht mal um deinen Beitrag.
@nacanina. Du hast natürlich recht mit der Formel. (Solange die Geschwindigkeit v deutlich unter der Lichtgeschwindigkeit bleibt.. :D )
E bleibt jedoch immer eine Variable von m und v. v ist auch von m abhängig, es ist schon klar, dass "leichtere" Pfeile rechnerisch einen Vorteil haben) Trotzdem erreiche ich das gleiche E von sagen wir 100.000 bei einem Pfeilgewicht von 15 gr. und einem v von 115,47 wie bei einer Geschwindigkeit von 100 und einem Gewicht von 20 gr.

Aber mir geht es bei diesen "optimalen" Betrachtungen um was ganz anderes. Gerade hier, beim Bogenschießen wird der Kardinalfehler der Rekonstruktionsarbeit immer wieder gemacht. Nämlich dass moderne Betrachtungsweisen und optimierte Berechnungen einfach auf die Vergangenheit übertragen werden, es zu einem "besser/schlechter" Vergleich kommt.
Deshalb auch die Ausgangsfrage: "Was ist besser, die mongolischen oder die englischen..."
Unabhängig von der zeitlichen Irrelevanz wird hier, innerhalb moderner Denkweise, nach Messgrößen als quasi "unparteiliche Größe" gefragt.

Diese Betrachtung ist insoweit falsch, als dass sie unterstellt, das schon damals das Erreichen einer solchen bestimmten Messgröße das Ziel der Entwicklung war. Oder gar eine technische "Evolution" vorläge.
Völlig außer acht gelassen werden dabei die Hintergründe (Kultur, Taktik, zur Verfügung stehendes Material etc.)

Der Reiterbogen eignet sich einfach besser für den Einsatz vom Pferd. Er ist kürzer, also leichter händelbar, er erreicht hohe Geschwindigkeit, was sich positiv auf den nötigen Vorhaltewinkel beim Schießen vom bewegten Pferd aus auswirkt. Holz ist in der Steppe knapp, Verstärkungen aus Horn und Leder stehen leicht zur Verfügung.
Der Langbogen ist eine Infantriewaffe, stehend eingesetzt. Holz wurde angebaut oder importiert. Zwar ist im Infantrieeinsatz die Schußgeschwindigkeit auch wichtig, kann jedoch durch Zahl der Schützen ausgeglichen werden. Es kam nicht auf die genaue Trefferlage pro Schuß an. Die Waffe ist billig. Sie stellt einen entscheidenden Vorteil der Kavallerie oder geschlossenen Infantrieverbänden gegenüber dar.

Jeder Vergleich hinkt also gewaltig. Jede der zwei Waffen stellen für die damaligen Voraussetzungen und Anforderungen optimale Lösungen dar.

Wichtig ist mir, zu erkennen, dass die Begriffe "optimal" und "suboptimal" völlig unterschiedliche Bedeutungen in der Betrachtung historischer Technik haben.
Erstens ist die Reduzierung auf technische Parameter völlig falsch.
Zweitens sind uns Sinn und Zweck des Gerätes oft völlig unklar oder nur eingeschränkt geklärt
Drittens implizieren wir dabei ein völlig falsches Menschenbild.

Das übliche Mißverständnis an dieser Stelle wäre jetzt, anzunehmen, dass "suboptimale" Ergebnisse damals toleriert oder einfach hingenommen wurden. Das war nie der Fall. Im Gegenteil. Betrachtet man den wirtschaftlichen, den kulturen Hintergrund und die Aufgabenstellungen von damals, bleibt einem vor Staunen eher der Mund offen ob der ausgeklügelten Ideen.

Und das ist genau der Trick und die Schwierigkeit bei jeder Präsentation jeder Rekonstruktion. Die Hintergründe und die Parameter der dargestellten Zeit zu erläutern.
Sonst bleibts bei einer "zum Glück erfanden sie dann das Eisen" Botschaft.

Das mußte ja mal gesagt werden... :D

Thomas