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Lanzen-Speer-Grabstock nach Lehringer Vorbild
Verfasst: 19.01.2009 22:39
von Blattspitze
Habe am Sonnabend-Nachmittag die ca. 120.000 Jahre Lanze von Lehringen/Niedersachsen aus einem Eibenstämmchen geschnitzt, allerdings mit Metallwerkzeug. Nur das Finish ist mit Flint erfolgt.
Das zwischen den Knochen eines Waldelefanten gefundene Original ist 2,38m lang und an der Basis max. 3,1cm breit. Interessanterweise ist beim Original an der Basis ein breiter Span in Richtung Spitze hin abgerissen. Das kann gut beim Fällen entstehen, wie S. Veil bei der Herstellung von Repliken festgestellt hat. Das entstehende spatelförmige Ende eignet sich gut als z.B. Grabstock. Beim Original war denn auch nach Thieme`s und Veil`s Untersuchungen die Oberfläche des untersten Drittels vollständig verschliffen, während im oberen Bereich detaillierte Schnitzspuren erkennbar waren.
Die "Lanze" ist also vermutlich ein Kombi-Gerät lässt sich auch einwandfrei "speermäßig" werfen.
Leider hat mein Stämmchen eine kleine Biegung und wird sich vermutlich beim Trocknen auch etwas "werfen" aber das biege ich mir dann später grade.
Die Abmessungen und Details von meinem Exemplar kommen dem Original z.T. recht nahe. Nicht wirklich spektakulär, und die Fotos sind bescheiden, aber habe im Moment leider nix besseres...
Marquardt
"Der Hunger treibt`s rein" sagte der Neandertaler und ...
Verfasst: 20.01.2009 09:23
von ulfr
... leckte die Ameisen von seinem Grabstock
Saubere Arbeit, Marquardt!
Ich kann nur nicht so recht an eine Nutzung als Speer glauben, wenn die dicke Spitze eben nicht spitz ist, sondern spatelförmig ...?
ULFR
Verfasst: 20.01.2009 09:55
von Thomas Trauner
Stimmt, ulfs. Seltsam.
Schöne Arbeit, Marquardt.
Thomas
Verfasst: 20.01.2009 17:40
von Blattspitze
Danke schön.
Die "Lanze" lässt sich gut kontrolliert mit der schmalen Spitze voran werfen.
Ich bin gerne bereit praktisch vorzuführen, dass trotz des im hinteren Teil befindlichen Schwerpunktes die Lanze als Speer im 5 -15 m Entfernungsbereich sehr gut einsetzbar ist. Nichtsdestotrotz habt ihr natürlich recht, die normale Verwendung ist sicherlich überwiegend eine lanzen-/grabstockartige gewesen.
Marquardt
Abmessungen?
Verfasst: 25.01.2010 17:51
von Merha
Hallo Marquardt,
ich bin ebenfalls dabei eine Eibenlanze zu bauen. Hätten du oder jemand anders vielleicht einige Maße für mich. Ich habe von einem Lanzendurchmesser von etwa 5cm gelesen. Meine Lanze ist nun über die 238-240 cm annähernd auf 5cm Durchmesser runtergehobelt (Ziehmesser). Wäre aber wie gesagt an genaueren Maßen interessiert.
Aber soviel schon mal vorab: 240cm bei 5cm Durchmesser ist ein enormer Prügel.
Besten Dank!
Ok, Nachtrag. Gerade habe ich das hier gefunden:
http://www.archaeoforum.de/viewtopic.ph ... ngen#24319
„
Durchmesser 3cm am unteren Ende, verjüngend auf 2cm im oberen Bereich.“
Kann diese Abmessungen jemand bestätigen? „2cm im oberen Bereich“, heißt das in der Lanzenspitze?
Verfasst: 26.01.2010 07:49
von Blattspitze
Bin leider gerade fern meiner Lit., aber ich meine zu erinnern, dass am unteren Ende ca. 3,3cm und am oberen Ende kurz unter der Spitze ca. 2 cm Durchmesser vorhanden sind. Falls niemand anders Infos hat, am Wochenende kann ich genaueres nennen.
Verfasst: 26.01.2010 09:00
von Steve Lenz
Ich hatte bislang Scheuklappen auf. Und besonders peinlich ist´s mir, weil ich diese These ja schon seit Jahren vertrete:
Es wird wissenschaftlich der klassische ("olympische") Wurf angenommen. Ich selbst gehe davon aus, dass auf kurze Distanz eher mit dem Harpunenwurf - eine Hand am Knauf und eine unterstützend - das Wild angesprochen wurde. Daraus könnte sich dann m.M. eher die Evolution zur Speerschleuder ("Druck von hinten") hin entwickelt haben als aus dem klassischen Wurf.
Der breite Knauf der Lehringer "Lanze" böte guten Grip, Druck zu übertragen. Sekundär erlaubt er, auf kürzeste Distanz - direkt an der Beute - zu wirken.
Also eher überschweres Speer-Kaliber denn Lanze.
Nur so ne Idee....
Verfasst: 26.01.2010 11:09
von Thomas Trauner
Wieso eigentlich Speer ? Das Ding wurde in einem Waldelefanten gefunden. Ich denke, auch aufgrund der Länge und des relativ starken Durchmessers an eine Lanze.
Dass diese am "unteren Ende" verschliffen ist, erklärt sich m.E. zwanglos eben mit der Nutzung als Lanze. Man stützt sich drauf, mal gräbt man was aus damit, man stochert damit in irgendwas herum...
Rein theoretisch-physikalisch und unter der Annahme des Optimums (was ja nur aus unserer heutigen Sicht gilt) sollte/müsste der Schwerpunkt eines Speeres am oder um das vordere Drittel liegen.
Bei einer Lanze so um die Mitte herum. Was sagt den das rekonstruierte Stück ?
Auch wenn es nicht maßgenau und das Gewicht des Holzes u.U. abweicht, eine Tendenz des Schwerpunktes ließe sich schon auswiegen.
Steve – deine Idee des „Harpunenwurfes“ ist eine gute Idee. Ich denke es kommt auf das Jagdwild an. Bei einem Elefanten würde ich aber von einem „Rammstoß“ ausgehen.
Ich denke, Lanze ist zwangloser als Speer. Und einfacher zu konstruieren.
Thomas
Nur meine zwei Neander-Taler
Verfasst: 26.01.2010 11:53
von Blattspitze
Also bei meiner Reko liegt der Schwerpunkt ein kleines Stück hinter der Mitte. Werfen läßt sich die Lanze dort gehalten auf kürzere Distanzen sehr gut und aufgrund der Masse mit erheblicher Wirkung. Steve`s Variante wär` einen Versuch wert.
Da die vermutlich hochmobilen Wildbeuter kaum viel mitgeschleppt haben, ist so ein Multifunktionswerkzeug sehr praktisch und eigentlich auch notwendig. Grabwerkzeug, Abwehr- und Angriffswaffe, Behelfszeltstange, Tragegerät ...
Verfasst: 26.01.2010 12:04
von ulfr
Afrikanische Elefantenjäger jagen auch mit der Lanze: Sie schleichen sich an das Tier an und rammen ihm die Lanze von unten in den Maschinenraum, so könnte ich mir auch die Jagd im Mittelpal vorstellen.
Die Maße, die Blattspitze nennt, sind korrekt, eine Abb. hier:
http://www.landschaftsmuseum.de/Seiten/ ... Speere.htm
Lit.:
Jakob-Friesen, K.H. 1956: Eiszeitliche Elefantenjäger in der Lüneburger Heide. jahrbuch des RGZM 3, 1-22
Veil, S. 1990/91: Die Nachbildung der Lanze von Lehrimngen. Experimente zur Holzbearbeitung im Mittelpaläolithikum. Die Kunde, N.F. 41/42, 9-22
Verfasst: 26.01.2010 12:47
von Blattspitze
Afrikanische Elefantenjäger jagen auch mit der Lanze: Sie schleichen sich an das Tier an und rammen ihm die Lanze von unten in den Maschinenraum, so könnte ich mir auch die Jagd im Mittelpal vorstellen.
Stimmt, die Bambuti-Pygmäen (bei denen Waldelefanten-Jagd keine alltägliche Sache war) haben sich mit Elefanten - Kot eingeschmiert und ein unfassbar mutiger hat sich unten rangeschichen (nix für Mammut-Kurzgrassteppe!) und eine Eisenlanzespitze in die Blase gestochen, das Tier ist dann über mehrere Tage elend zugrunde gegangen. Häufig hat sich auch einer hinten rangeschlichen und mit Eisenlanze die hinteren Sehnen durchtrennt, das Tier wurde dann bewegungsunfähig und leichter erbeutbar. Alles keine schönen Geschichten ...
Auf jeden Fall nicht "ein Wurf = ein Elefant", wie es Frison für die Clovis- Mammute für möglich hielt.
Verfasst: 28.01.2010 17:47
von Merha
Hier ein Vergleich zweier Dokumente.
Die Abbildung von Feustel, zeigt sehr deutliche Bearbeitungsspuren, die auf dem Bild aus dem Web nicht zu erkennen sind. Die bei Feustel gezeigten Bearbeitungsspuren ähneln fast 100%ig meinen Bearbeitungsspuren, die mit einem Ziehmesser hervorgerufen werden. Wobei die auf der Skizze gezeigten Spuren so exakt gearbeitet sind, das es schon einige Kunstfertigkeit bedarf, einen Span von der Länge und solch gleichmäßiger Breite mit dem Ziehmesser abzuschneiden … und dann erst mit einem Feuerstein!
Die Maße der Lanze werden mit „etwa 2,44m lang“ und „nahe dem hinteren Ende etwa 2,77cm stark“ angegeben.
1 -
http://www.landschaftsmuseum.de/Bilder/ ... ngen-3.jpg
2 – Rudolf Feustel, Technik der Steinzeit, Weimar 1973
Verfasst: 28.01.2010 17:57
von Merha
Ah, ich habe eure beiden letzten Beiträge übersehen. Es gibt im Web mindestens zwei alte Filme von schwarzen Großwildjägern aus Afrika. Weiß aber nicht mehr wo. Erlegt wurden dabei ein Elefant und ein Nilpferd. Dabei waren (ich schätze mal) pro Tier an die zwei Duzend Jäger mit Speeren beteiligt. Die Tiere brachen durch die schiere Anzahl der Verletzungen vor Erschöpfung zusammen. Sie wurde dann am Boden liegend (Nilpferd) durch ein Menge zusätzlicher Stiche mit den Speeren getötet. Der Elefant hat sich nur durch Drohgebärden zu verteidigen versucht. Er hat die Jäger, die die Lanzen in seiner unmittelbaren Umgebung abwarfen, weder angegriffen noch hat er versucht zu flüchten. Es war ein Einfaches, in zu erlegen. Sehr erstaunlich und für beide Tier ein grausamer, langsamer Tod.
Verfasst: 29.01.2010 11:39
von ulfr
Guck mal im Feustel auf die Tafel LXXVI am Ende des Buches, dort findest Du auf einem Foto genau dieselben Schnitzfacetten. Diese sind mit einem scharfen Flintmesser in frischem Holz überhaupt nicht schwer herzustellen, ähnliche Schnitzfacetten findest Du auch schon an den Schöninger Speeren