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Haarsiebe
Verfasst: 16.08.2009 21:41
von Andreas K.
Hallo allerseits,
ich habe da mal zwei Epoche überschreitende Fragen. Aus dem Spätmittelalter kenne ich schriftliche Erwähnungen von Haarsieben aus Rinder- oder Pferdeschweif/-mähnenhaaren für Küchenzwecke.
1. Gibt es da vielleicht irgendeinen archäologischen Nachweis aus Ufg, Antike, Mittelalter oder Neuzeit. Ich selbst habe bisher nur schriftliche Nachweise oder aus der Ufg netzartige Geflechte aus - ich glaube- Bast gefunden (habe den Nachweis grade verbummelt, müßte noch mal die Literatur durchgehen).
2. Wie müßte die Flechtart oder Knüpfung für so ein Sieb ausschauen, damit man es gut verwenden kann und wie müßten die Haare aufbereitet werden, damit man nicht den ganzen Kuh-/Pferdeschlönz mit ißt.
Schöne Grüße an alle Küchenschaben,
Andreas
Verfasst: 17.08.2009 07:01
von Bullenwächter
Als einstieg könnte dies vielleicht weiter helfen:
http://museum.steinzeitpark-albersdorf. ... chteAR.pdf
Nach meinem Dafürhalten ist Annre Reichert Die Experting was dieses Thema angeght.
Verfasst: 17.08.2009 07:26
von KatrinA
Hallo Andreas,
es gibt Milchsiebe aus Pferdehaar in Nadelbindetechnik. In dem (leider offline gegangenen, aber über das Webgedächtnis noch findbaren) Katalog des Museumsdorfes Düppel
http://web.archive.org/web/200602242257 ... elbkat.htm
sind zwei Milchsiebe aus dem 17. und dem 19. Jh. erwähnt (etwas runterscrollen). Ich meine mich dunkel zu erinnern, dass es auch aus früheren Zeiten noch Funde gibt, und dass bei einigen Objekten die Bestimmung als "Mütze" bzw. "Sieb" nicht ganz eindeutig war.
In diesem Zusammenhang noch eine Frage in die Runde: Hat jemand schon Erfahrungen mit Nadelbindung mit Pferdehaar? Kann man die einzelnen Haare, z. B. durch Verspinnen, verbinden (Filzen geht ja wohl nicht)? Oder muss man sie einzeln vernähen?
Neolithische und bronzezeitliche Siebgeflechte
Verfasst: 17.08.2009 07:58
von Andreas K.
Auf Anne Reichert bin ich auch schon gestoßen. Das waren die Ufg Siebe, von denen ich die Literaturangabe vergessen hatte. Habe es mittlerweile wieder gefunden:
Reichert, Anne: Zur Rekonstruktion neolithischer und bronzezeitlicher Siebgeflechte. Ex.Ar. Bilanz 2005, Heft 4 (2006). S. 87-94.
Grüße,
Andreas
Verfasst: 17.08.2009 07:58
von marled
Hier ein Milchsieb aus Kuhschwanzhaaren, Museum Skógar, Island. Leider konnte ich mir die Fertigungstechnik nicht genau anschauen, werde es beim nächsten Mal in Island nachholen. Dort findet man in den Museen viele Gebrauchsgegenstände aus Kuh- oder Pferdehaar.
Zur zweiten Frage denke ich, dass die Haare ausgewaschen wurden und mehr nicht. Das Hygieneempfinden war sicherlich ein anderes und die Resistenz gegen Krankheitskeime ebenfalls.
Marled
Verfasst: 17.08.2009 08:17
von KatrinA
Hallo Marled,
für mich sieht es nach Nadelbindung aus, aber da könnte der Wunsch Vater der Deutung sein....
Hast Du noch Informationen zur Datierung? Ich schätze mal volkskundlich, also so 19. Jh.?
Gruß, Katrin
Verfasst: 17.08.2009 18:32
von marled
Ja, die Deutung mit der Nadelbindung (isl. vattarsaumar) könnte hinkommen. Leider sind die Ausstellungsstücke bis auf wenige Ausnahmen nicht datiert, aber ich schätze auch 19., max. Anfang 20. Jhdt. Island hat bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts viele alte Traditionen leben lassen, es gibt noch eine Reihe älterer Menschen, die die alten Handwerkstechniken beherrschen.
Marled
Verfasst: 22.08.2009 17:25
von Andreas K.
Eine Rundmail unter Kollegen hat leider nicht viel erbracht. Aus archäologischer Sicht gibt es (fast) keine Siebe. Die wenigen so eingeordneten stammen dann auch alle aus der UFg und sind eigentlich die, die Anne Reichert rekonstruiert hat. Entweder gibt es nix oder alles falsch als Mützen, Körbe, etc interpretiert oder keiner interessiert sich dafür, was beides die Suche nicht gerade einfach macht. Zumindest die von mir erwähnten Pferdehaarsiebe aus dem Mittelalter müßte es doch irgendwo im Nachweis geben. Oder halten Pferde- Kuhhaar und Co. die Lagerungsbedingungen z.B. in Latrinen nicht aus? Schafswolle ist da ja ziemlich robust. Naja, ich bleib am BAll und danke für die bisherigen Hinweise. Vor allem das mit der Nadelbindung finde ich interessant.
Verfasst: 27.08.2009 09:10
von Blaubär
Ahoi,
hab vor ein paar Jahren schon mal nach Sieben recherchiert. Nix, Nada, Niente. Die gibt`s rgendwie nicht groß im Fundgut verteilt. 'Was man textlich noch im SpäMi findet sind Siebe aus gespaltenen Ruten im Bergbau-Bereich. Sozusagen gespaltene Ruten in Leinwandbindung in einem Rahmen, um gepochtes Erz und dergleichen zu sieben. Also ehr was für die gröberen Arbeiten. Meiner Meinung nach aber auch sehr plausibel und vergänglich für frühere Epochen.
Grüße
Blaubär
Verfasst: 01.09.2009 09:40
von KatrinA
@Blaubär: Ja, kommt mir auch seltsam vor, zumal sich andere Funde aus Pferdehaar wie die Verzierung der römerzeitlichen Helme aus Nijmegen ja erhalten haben... okay, die waren auf Metall aufgezogen, da sind die Erhaltungsbedingungen besser.
Meine Umfrage in der Nadelbinde-Mailingliste hat auch nicht viel erbracht. Außer diesem Link, der aber auch unmittelbar zu der Frage nach den historischen Funden nix bringt:
http://www.dorisdiedrich.de/spindel/Fas ... ltiere.pdf
(S. 8 - 12)
Gruß
Katrin
Verfasst: 14.09.2009 10:52
von Claudia
Ich hab vor ein paar Jahren auch mal verstärkt nach Sieben recherchiert und leider dasselbe gefunden wie Blaubär.
Moderne Haarsiebe (19.Jh.) hatten einen Rand aus einem Holzspan und zwischen diesem und einem weiteren Spanring eingeklemmt dann der gewebte Siebboden. Als Fund würde man nur die Spanringe finden und vermutlich als Dosenreste interpretieren...
Wie soll man da auch die Unterscheidung treffen? Ich denke nicht, daß das wirklich möglich ist.