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Runde und eckige Häuser
Verfasst: 05.11.2009 09:58
von Sikla
Hallo, ich bin auf der Suche nach verschiedenen Informationen zum Thema Runde Häuser/ Hausgrundrisse aus allen möglichen Zeiträumen. Da dieses Thema bislang völlig außerhalb meiner Interessen liegt, stelle ich hier erstmal eine sehr grobe Anfrage nach dem WO? WANN? WIE? und hoffe auf Eure Kenntnisse - gern direkt oder aber als Literaturhinweise.
Die zweite Frage ist: Gibt es Überlegungen/Modelle/Theorien dafür, warum runde Hausgrundrisse aufgegeben und nunmehr eckig gebaut wurde?
Vielen herzlichen Dank für Eure Hilfe, Sikla
Verfasst: 05.11.2009 10:54
von makenshi
Hallo Sikla!
Interessante Frage. Ich würde generell mal die Hausforschung abklappern. z.B. Bedal fällt mir da auf die schnelle ein.
Warum man irgendwann zu eckigen Häusern gewechselt ist?
Ich würde mal auf sich ändernde Bauweisen tippen. Man kann im Ständerbau halt nicht so einfach ein rundes Haus hochziehen.
Verfasst: 05.11.2009 12:01
von Bullenwächter
Bronzezeitlich, um 1000 vor Chr.
http://de.wikipedia.org/wiki/Cladh_Hallan auf South Uist (Äußere Hebriden)
Verfasst: 05.11.2009 12:12
von ulfr
Hej Sikla,
das ist ein seeeehr weites Feld, was Du da beackern willst. Deshalb (hab gerade sehr viel zu tun, sorry) hier nur ein ganz grober Überblick.
Bis in das Mesolithikum lassen sich eher runde Strukturen im Haus/Hüttenbau erkennen, eine Kuppel lässt sich mit einfachen Mitteln viel eher konstruieren als ein Zeltdach oder eine Hütte mit eckigen Wänden. Ab der Bandkeramik wirds rechteckig, wobei in Schottland die Tradition der Rundhäuser fortgeführt wird:
http://www.crannog.co.uk/
Ansonsten einige (Standard)Werke zu Häusern/Hausbau:
Ahrens, C. 1990: Wiederaufgebaute Vorzeit
Andraschko, F. 1995: Studien zur funktionalen Deutung archäologischer Siedlungsbefunde in Rekonstruktion und Experiment
Kelm, R. 2000 (Hrsg.) Vom Pfostenloch zum Steinzeithaus
Kuckenburg, M. 2000: Vom Steinzeitlager zur Keltenstadt
diverse Beiträge in den Bilanzen zur ExpArch, Isensee-Verlag, in der "Plattform" (Unteruhldingen) und in EuroREA
Verfasst: 05.11.2009 12:38
von Thomas Trauner
Sikla, das ist eine komplexe Frage. Immerhin umspannt sie einen riesigen Zeitraum, bei „Häusern“ wohl 8.000 Jahre. bei „Hütten“ wohl eine Million, da bereits vom Homo erectus Hütten ziemlich sicher vermuten werden können.
Kommt noch die riesige geographische Verbreitung hinzu.
Wenn Du Dich ein wenig näher äußern könntest, wäre dies sicher hilfreich.
Für Mitteleuropa:
Lassen wir mal die Details der Hütten beiseite. Grundsätzlich finden wir entsprechende Grundrisse sicher ab dem Jungpaläolithikum. Diese waren in aller Regel rund.
Aus dem Mesolithikum gibt es ebenfalls runde Grundrisse, aber auch welche in Trapezform.
Ab dem Neolithikum finden wir rechteckige Grundrisse. Die Fläche der Häuser ist im Altneolithikum (= Bandkeramik, ab ca. 5700 v.Chr.) recht groß, 12x50 Meter sind keine Seltenheit, manche sogar noch größer. Im Mittelneolithikum tauchen trapezförmige auf, die rechteckigen überwiegen. Die Grundflächen der Häuser werden kleiner, bis sie im Jung- und Endneolithikum (3300-2700 v.Chr.) einem heutigen Einfamilienhaus entsprechen.
Der Hintergrund dafür dürften wohl neue Gesellschaftsmodelle sein. Bautechnische Gründe oder Materialmangel liegen wohl nicht vor.
Am Beginn der Bronzezeit (2700 v.Chr.) finden wir immer noch kleine Grundrisse, die aber ab Beginn der mittleren Bronzezeit (1600) wieder größer werden. Auch hier tauchen trapezförmige Formen auf.
Ob es in der Bronzezeit im Mitteleuropa schon stadtähnliche Siedlungen mit Umwallung etc. gab, ist umstritten, da die Datierung solcher Wälle in den paar wenigen Einzelfällen noch nicht zwingend bewiesen ist. (Wobei ich da jetzt nicht auf dem letzten Stand bin).
Am Ende der Bronzezeit scheinen die Gebäude mal wieder kleiner zu sein.
In der Urnenfelderzeit (Spätbronzezeit im Norden Europas, 1200-800 v.Chr.) tauchen jetzt gesichert, regelrechte Städte in Form von Höhensiedlungen auf. Diese Höhensiedlungen sind kaum flächendeckend erforscht, was man/frau aber bislang weiß, ist, das hier die Häuser eher klein waren (6x10), was aber angesichts der Häuserdichte erst mal nicht verwundert.
Häuser der UK im Land sind ebenfalls eher klein und relativ dicht aufgestellt
In der frühen Eisenzeit (ab 800) gibt es offenbar entweder eine deutliche Soziale Hierarchie oder eine deutlichere Nutzungszuweisung der Gebäude.
Erkennbar ist erstmal nur, dass in einer Siedlung oder einem Siedlungsplatz von nur z.b. drei Häusern, große und kleine Gebäude nebeneinander gebaut wurden.
Die übliche Erklärung ist, dass analog zu den offenbar sozial strukturierten Bestattungen, dies eine differenzierte Sozialstruktur wiederspiegelt. Da kann man/frau jedoch trefflich diskutieren.
Es gibt weiterhin Höhensiedlungen, ebenso in der anschließenden Späten Eisenzeit (La Tene, ab 450 v.Chr.) In der Frühen La Tene-zeit scheinen auch wieder eher kleine Hausgrundrisse vorzuherrschen.
In der mittleren La-Tene-Zeit gibt es .....nix, null, riene, nothing, nill, zero.
Die übliche Erklärung dafür sind die keltischen Wanderungen. Allerdings ist dies methodisch problematisch, weil mittlerweile klar wird, dass bestimmte Keramikformen, der Hauptanzeiger für das Alter eines Gebäudes, sehr wohl auch in die Mittlere La-Tene-Zeit fallen.
Letztlich offenes Problem.
In der späten La-Tene-Zeit haben wir wieder Höhensiedlungen und große Städte, in Deutschland z.b. Manching. Sehr groß und dicht besiedelt. Ähnliche Größen wurden erst im späten Mittelalter wieder erreicht.
Die Gebäude eher klein. In den Bauernhöfen auf dem Lande, den sogenannten Viereckschanzen, bleiben die Gebäude auch meist um na ja, 8x10 Metern.
Danach: Das war es dann. Zumindest im Rahmen der Vorgeschichte. Germanen überlass ich da jetzt anderen.
Zu den Rundhäusern: Zumindest in der Vorgeschichte Mitteleuropas: Keine.
Anders sieht es auf den britischen Inseln auf.
Dort gibt es eine seit dem Neolithikum offenbar ungebrochene Tradition der Rundhäuser.
Die Tatsache, dass mit Beginn der „britischen“ Eisenzeit, wohl um 500 v.Chr. zwar „Keltische“, La-Tene-zeitliche Schmuck- und Waffenformen auftauchen, die Keramik "bronzezeitlich" und eben vor allem die Hausgrundrisse rund blieben, lässt den Verdacht aufkommen, dass „die Kelten“ nicht wirklich in Britannien auftauchten, also keine persönliche Zuwanderung stattfand, sondern „lediglich“ die Technik übernommen wurde.
Rundbauten fallen mir ansonsten, auch bei Etruskern, Griechen oder Römern an sich nur als Sonderbauten, oft sakral oder Grabbauten ein.
Grund: Nun ja.
Bautechnisch gibt es m.E. keinen erkennbaren Vorteil:
Ein Gebäude von 80 m² Grundfläche braucht:
viereckig: (8x10 m)
Wandlänge 36 m
Dachfläche: 114 m² bei 45 Grad Dachneigung
rund: (Durchmesser 10,08 m)
Wandlänge: 31,3 m
Dachfläche: 117 m² bei 45 Grad Dachneigung
Einziger Vorteil eines rechteckigen Gebäudes, dass die Breite tatsächlich eben nur bei 8 m, beim Kreisförmigen 10 Meter beträgt, d.h, dass, wie von vornherein logisch, innerhalb einer bestimmten Siedlungsfläche mehr rechteckige als runde Gebäude Platz hätten.
Allerdings scheint die Dachstuhlkonstruktion beim Rechteckgebäude einfacher, da mit mehr tragenden Teilen gearbeitet werden kann, wobei die auch notwendige Länge der Bauteile eher für das Rechteckhaus spricht. Ein „Rofen“, das sind die Dachstuhlteile, die senkrecht zur Wand stehen, wären bei einem Haus obigen Ausmaßes beim Rechteckhaus nur 5,7 Meter lang, beim Rundhaus 7,10 Meter, die Firsthöhe 4, bzw 5 Meter
Stabiler oder instabiler sind jeweils beide Hausformen nur abhängig von der jeweiligen Dachstuhlkonstruktion.
Wie auch immer, ein auf der Hand liegender Vorteil ergibt sich m.E. nicht.
Thomas
PS: mein posting überschneidet sich mit den obigen....
Noch ein Buchtipp:
Urgeschichtlicher Hausbau in Mitteleuropa. Grundlagenforschungen, Umweltbedingungen und bautechnische Rekonstruktionen (Broschiert), von Helmut Luley.
Nicht mehr im Handel, wird mit über 220 Euro gebraucht angeboten.....
Außerdem jede Literatur zur Heuneburg, weil dort mehrere Siedlungsphasen, beginnend mit neolithischen und bronzezeitlichen Gebäuden vorliegen.
Danke
Verfasst: 05.11.2009 13:08
von Sikla
Vielen herzlichen Dank für die Antworten..... Das ist genau das was isch wollte/suchte - der erste Fingerzeig in eine Richtung. Die Hinweise auf die Hebriden und das Jungpaläolithikum sind gut. Das wusste ich noch nicht. Dazu habe ich weiterhin noch die Trulli in Apulien und die Tulou in China sowie bestimmte Gebäudetypen in Afrika ... bitte mehr
Ich schreibe über ein bauhauszeitliches Rundhaus des frühen 20. Jahrhunderts und wollte auch auf die lange Tradition eingehen und dabei keinen Quatsch erzählen..
Viele liebe Grüsse und nochmal Danke, Sikla
Verfasst: 05.11.2009 14:22
von Thomas Trauner
Na weltweit ist ein wenig viel verlangt..
Also ehrlich- soviel Tradition sehe ich da jetzt in Europa nicht. Ein rundes Gebäude bei uns weckt doch wohl eher die Assoziation "Sakral" oder gar "Hütte", am besten in Afrika....
Welches Gebäude ist es denn ? Ist es bauhauszeitlich oder tatsächlich Bauhaus ?
Weil bei wirklich Bauhaus stellt sich mir die Frage: Gab´s das auch in rund ??
Thomas
Verfasst: 05.11.2009 14:45
von Fridolin
Eine gewisse Tradition für Rundhäuser aus Stein oder Holz in Europa gibts (zumindest punktuell) im Mittelmeerraum (Zypern) über die iberische Halbinsel bis Großbritannien.
Neolithikum: Zypern, Großbritannien
Bronzezeit: Spanien, Portugal
Eisenzeit: Spanien, Portugal (u.v.a. Citania de Briteiros), Großbritannien
http://www4.uwm.edu/celtic/ekeltoi/volu ... _6_19.html
Ziemlich umfangreiche Betrachtung zum Thema Hausbau aus archäologischer Sicht:
http://structuralarchaeology.blogspot.c ... about.html (Eingangsseite)
siehe v.a. "Articles in sequence" (rechts unten)
Rundhäuser aus Stein in Südamerika: Peru (Chachapoya)
Neolithische Rundhäuser aus Jordanien:
http://trans-ferir.blogspot.com/2009/09 ... itado.html
Na denn, viel Spaß damit...
Fridolin
Bauhauszeitliche Rundhäuser
Verfasst: 06.11.2009 09:53
von Sikla
Hi, ich habe die Bezeichnung "bauhauszeitlich" eigentlich bewußt gewählt, weil beide noch existierenden Rundhäuser in den 1920er Jahren entstanden sind und zumindest technologisch sehr enge Beziehungen zum Bauhaus aufweisen. Ganz korrekt werden aber beide als "expressionistische Architektur" bezeichnet. Es handelt sich zum einen um die "Käseglocke" in Worpswede (erbaut 1926 von Koenemann nach Plänen von Taut,
http://www.worpswede.de/kunst-kultur/museen/kaeseglocke) und das Rundhaus in Greiz (erbaut 1925 von Körber, sehr wahrscheinlich inspiriert von Taut,
http://www.thueringen.de/imperia/md/con ... t_2009.pdf ab S. 23). In Trossingen steht noch ein Solar-Rundhaus aus der Zeit von 1899/1901, welche aber nun nicht "bauhauszeitlich" ist (
http://www.baufachinformation.de/denkma ... 8017141728).
Alles drei sind als Wohnhäuser konzipiert worden, wobei noch das Greizer bis heute (!) so genutzt wird. Bei Trossingen habe ich (derzeit) keine verlässlichlichen Informationen.
Heute zeitgenössische Konzepte stehen zum Beispiel in Riesa (
http://www.rundhaus.info/).
Ich wollte darauf eingehen, dass runde Grundrisse die Grundrisse der ältesten Häuser der Menschen sind und zumindest in "archaischen" Gesellschaften bis heute über alle Kontinente verbreitet sind, in Mitteleuropa/Deutschland aber eher den Charakter des Alternativen, denn des Üblichen besitzen.
Über das bisher hier genannte freue ich mich sehr - es ist die Wegweisung in die richtige Richtung.
Vielen herzlichen Dank, Sikla
Verfasst: 06.11.2009 10:07
von Fridolin
es gibt noch das eine oder andere moderne Rundhaus (Stichwort: Öko-Häuser). Beim Googeln bin ich auf folgenden Spiegel-Beitrag gestoßen:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-56898846.html
LG
Fridolin
Verfasst: 06.11.2009 10:09
von Sikla
Das in Belgien kenne ich auch schon - ich meinte den Hinweis auf Riesa nur als Beispiel für moderne Rundhäuser (eins von vielen) .... Vielen Dank, Sikla
Verfasst: 07.11.2009 17:49
von Roeland Paardekooper
Sikla,
gerade aus England mitgebracht, ein PDF vom Artikel von Steve Townend. 2007: What have Reconstructed Roundhouses Ever Done for Us?, in: Proceedings of the Prehistoric Society, vol. 73, 97-112.
Kann ich gerne weiterleiten.
Roeland
Verfasst: 08.11.2009 15:36
von Roeland Paardekooper