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Erteböllezeitlicher Pfeil von Ronaes Skov
Verfasst: 29.12.2009 17:32
von Blattspitze
Auf dem unter Wasser liegenden Fundplatz Ronaes Skov wurde 2002 ein äußerst gut und in der Länge komplett erhaltener spätmesolithischer Pfeil gefunden (Dal, H. (2003): Et komplet pileskaft med tvaerpil og kaerv. In: NAU 2003, 41-42).
Schaft: Gemeiner Schneeball (Viburnum Opulus), 90cm lang und an der dicksten Stelle 9mm stark, zur Sehnenkerbe geringfügig dünner werdend.
Spitze: breit ausschwingender Querschneider mit (Birken-?)Pech eingeklebt, Bindung nicht erhalten.
Nockende: ca. 24 vom Nockende entfernt finden sich auf ca. 8cm Länge Pechspuren, die evtl. von einer unter (?) der Bewicklung/ Befiederung aufgebrachten Klebung herrühren. Nach einem Abschnitt ohne Klebespuren sind dann wieder auf ca. 4,5cm Länge Pechreste mit deutlichen Umwicklungsspuren erkennbar, die dann wieder 1,1cm vor dem Ende aussetzen. Hier sind sogar sehr feine Pflanzenfasern der Umwicklung erhalten geblieben.
Der Pfeil ist nur relativ kleinformatig gezeichnet und nicht erschöpfend beschrieben. Weiss jemand mehr?
Das ist meines Wissens der einzige mesolithische Pfeil mit Klebespuren im Befiederungsbereich. Ich frage mich, ob die Befiederung tatsächlich 24cm lang war (nur zwei Federfahnen?)?
Marquardt
(macht g(e)rade Pfeile)
Verfasst: 30.12.2009 11:01
von ulfr
Vielleicht hilft Dir das weiter? Dort gibt es eine Kontaktadresse.
http://www.marinearkgruppe.dk/om_os.html
Die online-Publ. kennst Du ja wahrscheinlich?
http://www.marinearkgruppe.dk/pdf/komplet-pileskaft.pdf
Ich hatte auch schon überlegt, mir dieses Buch zuzulegen:
http://www.historie-online.dk/nyt/bogfe ... ronaes.htm
Sonst hab ich leider keine Info, könnte aber mal Berit in Moesgaard anschreiben, ob sie mir eine Zeichnung oder Fotos schicken kann.
24 cm ist ECHT lang, da braucht man schon sehr große Vögel als Federlieferanten, Adler, Schwan, Reiher.
Verfasst: 30.12.2009 11:14
von Steve Lenz
(nur zwei Federfahnen?)?
Gerade schwere Pfeile kommen gut mit "nur" zwei Fahnen klar. Meine persönliche These zu Schleuderspeeren und frühen Pfeilen ist die, dass die dritte Fahne erst hinzugenommen werden musste, als die Projektile leichter und schneller wurden.
Meine Schleuderspeere haben auch nur zwei Federn - langt!
Verfasst: 30.12.2009 11:30
von ulfr
Vom Aerodynamischen her müsste es eigentlich umgekehrt sein, Steve: Um ein größeres Gewicht an der Spitze zu stabilisieren oder in Rotation zu versetzen, müsste mehr Fläche als Luftwiderstand nötig sein. Die leichten Flintspitzen des Mesolithikums bräuchten daher eher weniger Federn? Zudem ist gemeiner Schneeball ein sehr leichtes Holz, etwa 1/3 leichter als wolliger Schneeball. Die Projektile werden im Laufe der Geschichte immer schwerer, nicht leichter. Schneller vielleicht... Aber warum soo lange Federn? Da kommt man ja beim Ausziehen des Bogens mit den Federn am Griff zu Blocks? Oder waren die Bögen derart hoch aufgespannt? Das würde Leistungsverlust bedeuten ...
Verfasst: 30.12.2009 11:47
von Steve Lenz
Leichter im Verhältnis zu Schleuderspeeren. Sorry, war unklar formuliert. 90cm lang und 9mm Schaftstärke ist für einen Pfeil eigentlich eher schwer im Sinne des "Kalibers", einzelne Holzgewichtungen habe ich da mal ausser Acht gelassen und da hast Du definitiv mehr Fachkenntnis als ich. (Und Du befasst Dich schon geringfügig länger als ich mit Pfeilbau!
)
Wenn ich mir mesolithische Darstellungen von Bogenschützen so ansehe sind deren Bögen m.E. schon sehr hoch aufgespannt.
Nockende: ca. 24 vom Nockende entfernt finden sich auf ca. 8cm Länge Pechspuren, die evtl. von einer unter (?) der Bewicklung/ Befiederung aufgebrachten Klebung herrühren. Nach einem Abschnitt ohne Klebespuren sind dann wieder auf ca. 4,5cm Länge Pechreste mit deutlichen Umwicklungsspuren erkennbar, die dann wieder 1,1cm vor dem Ende aussetzen. Hier sind sogar sehr feine Pflanzenfasern der Umwicklung erhalten geblieben.
Und wie kommt Ihr auf die 24cm Federlänge? 24 was vom Nockende entfernt? Mm oder cm? Im Falle von mm sind´s 2,4cm+8cm (dann keine Längenangabe)+4,5cm. Und dann wieder 1,1cm vor dem Ende von was?
Habe ich da irgendwo einen Knoten, liegt´s am Kaffeemangel oder warum stehe ich da auf dem Schlauch?
Verfasst: 30.12.2009 14:31
von jsachers
Die Verteilung der Pechreste klingt in der Tat ungewöhnlich. Mir sind aus dem betreffenden Zeitraum keine anderen Funde mit Überresten von Klebstoff oder Wicklung am Nockende bekannt, aber meistens ist ohnehin nur der vordere Teil erhalten (soweit ich das überblicke).
Die Befiederung eines Mikrolithen-Pfeils mit zwei 24 cm langen Federn halte ich für ausgeschlossen. Abgesehen von der gewaltigen Federfläche, die den Pfeil extrem abbremsen würde, wäre das hintere Ende damit auch schwerer als das vordere, der Pfeil dürfte sich also überschlagen, zumindest aber stark trudeln bzw. schlagen.
Grundsätzlich gilt: je leichter die Spitze, desto kleiner und leichter sollte die Befiederung sein. Gute Beispiele sind die türkischen/osmanischen Weitschuss-Pfeile oder die koreanischen Bambuspfeile. Nahezu ungekürzte Federn von bis zu 30 cm Länge sind von mandschurischen Pfeilen bekannt, die aber auch entsprechend massive Spitzen aufweisen.
Eine hohe Standhöhe belastet das Material stärker und kostet Energie, eine zu gering gespannte Sehne schlägt beim Abschuss gegen die Bogenhand. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die mesolithischen Schützen einen Mittelwert gefunden haben, der der heutigen "Faust"-Regel ähnlich gewesen sein dürfte und nicht unbedingt Ähnlichkeit mit den Felsmalereien u.ä. aufweist.
Verfasst: 30.12.2009 15:06
von Blattspitze
Habe ich da irgendwo einen Knoten, liegt´s am Kaffeemangel oder warum stehe ich da auf dem Schlauch?
Sorry, hab mich etwas unklar eingedrückt. Vielleicht zeigt diese Zeichnung
es etwas besser.
Vielen Dank für die links Ulfr, die online-publikation kannte ich noch nicht. Ist weitgehend der gleiche Text wie in NAU, allerdings fehlt obige Zeichnung.
Ob Viburnum Opulus immer so leicht sein muss, ich weiss nicht. Meinst Du das spezifische Holzgewicht gem. Deinem Artikel im Bogenbauerbuch? Oder hast Du Schäfte verglichen? Opulus hat nach meinen sehr begrenzten Erfahrungen meist viel mehr Mark. Dal schreibt interessanterweise, dass der Schössling 5 Jahre alt war! Der individuelle Faktor ist nicht zu unterschätzen, wer weiss was für besondere Individuen ausgesucht wurden? Und wie gut sind Lantana und Opulus als prähist. Pfeilschaft überhaupt zu unterscheiden?
Angesichts der obigen Zeichnung frage ich Euch nach Eurer Meinung wie lang wohl die Befiederung war? Steve hat recht, ca. 24cm - ca. 1,1cm ergibt ca 22,9cm, allerdings unter der Annahme, das Klebung und Befiederung ähnlich wie bei den Ötzi-Pfeilen war, aber ich bin inzwischen etwas unsicher.
Die Projektile werden im Laufe der Geschichte immer schwerer, nicht leichter. Schneller vielleicht... Aber warum soo lange Federn? Da kommt man ja beim Ausziehen des Bogens mit den Federn am Griff zu Blocks? Oder waren die Bögen derart hoch aufgespannt? Das würde Leistungsverlust bedeuten ...
Mesolithische Pfeile sind ja, wenn komplett erhalten, meist sehr lang und damit auch schwer. Wie Jürgen Junkmanns schreibt, die langen Pfeile haben mehr Durchschlagskraft und sind einfacher genau zu schießen, sie verzeihen mehr Abschussfehler.
Außerdem sind sie im Wald einfacher wieder zu finden (besonders bei großen Federn) und werden bei leichtem Blätterkontakt auch nicht so stark abgelenkt wie kürzere leichte Pfeile.
Der wunderschöne, 1m lange Pfeilschaft aus extrem guten Kiefernkernholz von Vinkelmose hatte auch eine mind. 16-17cm lange Befiederung.
Ich mag lange Pfeile sehr!
Bei mesol. langen Befiederungen denke ich immer an Südamerikanische Pfeile der Amazonas-Waldjäger. Zwei lange oval zugeschnittene Federfahnen lassen sich ohne Griffkontakt gut aufziehen. Oder?
Was mache ich jetzt bloß?
Danke
Marquardt
Verfasst: 30.12.2009 15:14
von Blattspitze
24 cm langen Federn halte ich für ausgeschlossen. Abgesehen von der gewaltigen Federfläche, die den Pfeil extrem abbremsen würde, wäre das hintere Ende damit auch schwerer als das vordere, der Pfeil dürfte sich also überschlagen, zumindest aber stark trudeln bzw. schlagen.
Ok, aber was ist wenn die Federn sehr kurzgeschnitten werden?
Verfasst: 30.12.2009 16:37
von Blattspitze
Hier noch ein link zu dänischen Bogenfunden:
http://www.buewesth.dk/stenalderindex.html
Verfasst: 31.12.2009 11:26
von Trebron
Zu der zeichnerischen Abbildung des Pfeiles:
Im hinteren Teil ist etwas eingezeichnet, das wie ein "Auge" aussieht. Das könnte eine Durchlochung des Pfeilschaftes für eine Fangschnur sein. Ich glaube nicht, dass da ein ehemaliger Astabgang eingezeichnet ist.
Ist da im Text die Rede davon ? Nach meinem Dafürhalten ist das ein Harpunenpfeilschaft, mit niedrig geschnittenen Federgrannen, wie Marquardt vermutet. Die Länge des Pfeiles würde dafür sprechen.
Da die Bindung hinter dem Querschneider nicht erhalten ist, könnte dort auch sowas wie ein Widerhaken aufgebunden gewesen sein.
Sollte man mal in Erwägung ziehen.
Trebron
Verfasst: 31.12.2009 14:35
von jsachers
Sehr flach geschnittene lange Federn wären natürlich denkbar – aber warum? M.W. sind die Pfeile der Amazonasstämme nicht unbedingt für ihre hervorragenden Flugeigenschaften bekannt. Die meisten verwenden vergiftete Nadelspitzen, die auch ohne tiefes Eindringen oder große Wunden tödlich wirken. Mit einem Querschneider will ich doch aber eigentlich das Gegenteil: viel Energie beim Aufprall, tiefes Eindringen, großen Wundkanal.
Harpunenpfeil – warum nicht? Allerdings gäbe es dafür geeignetere Spitzen als Querschneider …
Ich halte es aber auch für möglich, dass sich eine ganz "normale" Befiederung im ungeteerten Teil des Schafts befunden hat. Der Klebstoff diente dann nur zur Sicherung der Wicklung am vorderen und hinteren Ende der Federn, die dann, wenn ich richtig gerechnet habe, ca. 10,4 cm lang gewesen wäre. Ich habe Pfeile aus Indien (Bengalen), deren Federn z.T. auf ähnliche Weise befestigt wurden: überstehender Kiel mit Wicklung gesichert, Fahne "lose", nicht gewickelt oder geklebt.
Am besten baust Du mal einige Exemplare so, wie Du es Dir vorstellst, und berichtest uns von den Schussversuchen. Fände ich spannend!
Verfasst: 31.12.2009 15:04
von Steve Lenz
Im hinteren Teil ist etwas eingezeichnet, das wie ein "Auge" aussieht. Das könnte eine Durchlochung des Pfeilschaftes für eine Fangschnur sein. Ich glaube nicht, dass da ein ehemaliger Astabgang eingezeichnet ist.
Durchlochung würde auf einer archäologischen Umzeichnung (was hier vorliegt) anders eingezeichnet sein. Details wie Aststände werden sehr wohl eingezeichnet, Trebron. Penibelst.
Verfasst: 03.01.2010 15:01
von Blattspitze
Steve hat recht. Auf der kompletten Zeichnung sind weitere gleichartige abgeschnitzte Aststände zu sehen und im Text wäre bestimmt ein Hinweis auf eine Durchlochung.
Marquardt
Verfasst: 04.01.2010 10:49
von Trebron
OK, Danke
für mich sah das auf dem Zeichnungsabschnitt eben so aus.
Trebron
Verfasst: 04.01.2010 12:32
von ulfr
Ein dänischer Bekannter schrieb mir auf meine Anfrage, das Søren H. Andersen im letzten Jahr eine Monografie über Ronæs Skov herausgegeben hat, in der nicht nur der Querschneidepfeil vom Fundort, sondern auch diverse andere Pfeile mit Querschneidern abgebildet sind (S. 104, fig. 79 u. 80):
Søren H. Andersen 2009: Ronæs Skov. Marinarkæologiske undersøgelser af kystboplads fra Ertebølletid. Jysk Arkæologisk Selskabs Skrifter 64. Højbjerg (ISBN: 978-87-88415-54-4).
Ich werde mal sehen, dass ich das Buch oder wenigstens die Zeichnungen etc. besorgen kann.